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Am Sonnabend Abend hatte ich auf Tjioem boeloeit Herrn Phlippeau wieder getroffen, und mit diesem besprochen, daß ich am Montag nach Lembang hinaufkommen solle, die dortige Kaffeeplantage zu besuchen und eine ordentliche Rhinocerosjagd zu machen. Er hatte sich indessen nämlich genau erkundigen lassen und erfahren, daß nicht allein in letzter Zeit mehrere Rhinoceros, und zwar sehr starke Thiere, am Ufer eines kleinen, hoch in den Bergen liegenden Sees gesehen wären, sondern daß es auch dort bantings oder wilde Kühe gäbe und eines der Rhinocerosse sehr stark den wilden Kühen den Hof machen solle, wenigstens immer in ihrer Nähe gesehen würde.
Nun rede einer von Kaffeegesellschaften bei uns zu Haus, wo der gute Ruf unserer Mitmenschen untergraben und den unschuldigsten Verhältnissen boshafte Deutungen untergeschoben werden – da soll man sich noch drüber wundern, wenn hier oben die Rhinocerosse in den Bergen nicht einmal sicher vor schlechter Nachrede sind.
Montag den l. Dezember also ritt ich auf einem Pferd des Regenten, der mich wirklich mit einer unermüdlichen Gefälligkeit stets mit Pferden versorgte, nach Lembang hinauf, und der Richtung des Tancuban prau, einem jener Krater zu, die noch immer wühlen und kochen im Innern, und dann und wann einmal die ganze Insel mit einer plötzlichen Eruption erschüttern, und mit glühender Lava das wieder, was sich an Vegetation schüchtern in ihre Nähe gewagt hatte, verwüsten.
Von Bandong aus ritten wir zuerst, denn ich hatte vom Regenten auch einen Burschen mitbekommen, der die Pferde wieder zurückführen sollte, einige Meilen im flachen Lande fort, durch die reizende Bandong-Ebene, dann aber betraten wir die Hügel, und stiegen von nun an, in sich ziemlich rasch hebender Höhe, fortwährend bergauf, dem von Bandong etwa neun Paalen entfernten Lembang zu. Lembang liegt etwas über 4000 Fuß über der Meeresfläche.
Aber keine öden, wilden Berge sind es, in deren dichter, noch unentweihter Vegetation der Weg sich hinaufwindet, wie über den Megamendong, sondern jeder Fuß breit war hier benutzt, keine Stelle lag unbebaut und oben vom Gipfel ab rieselten die lebendigen klaren Quellen nieder, und sprangen von Terrasse auf Terrasse regelmäßig, und oft kunstvoll angelegter Reisfelder, die jungen Pflanzen zu frischen und zu tränken. Hier und da unterbrachen einzelne kleine Kampongs mit ihren Kaffeebüschen, Arenpalmen und anderen Fruchtbäumen die aufgeschichteten Felder – nur die Cocospalme hört hier oben auf zu wachsen, und wenn auch an einzelnen Stellen einzelne gepflanzt waren und ihre seinen herrlichen federartigen Blätter aus dem fruchtbaren Boden heraustrieben, mußte ihnen doch die kalt herüberwehende Bergluft nicht zusagen – sie gediehen nur kümmerlich und trugen keine Früchte.
Um zehn Uhr etwa erreichten wir Lembang – es liegt auf dem Gipfel der ersten Hügelreihe – nach den Kraterbergen hinüber Front machend, und hat eine wahrhaft entzückende Aussicht auf die blauen Gebirge und über tief eingerissene, mit wildem Pisang bewachsene Schluchten hin. Hier fühlte man aber auch daß man in eine andere Temperatur kam – dieß war kaum noch ein tropisches Klima, so kühl und frisch wehten die scharfen Winde vom Tancuban prau herüber und so nebeldunkel zogs von den bewaldeten Gipfeln ins Thal. All die tropischen Früchte wollten hier, oben auf den Kuppen wenigstens, nicht mehr so recht gedeihen; aber dafür bot die Natur Ersatz in denen einer andern Zone, und ganze Beete, mit Erdbeeren bepflanzt, standen in Blüthe und Frucht.
Herr Phlippeau war noch unten auf Tjioem boeloeit, kam aber bald zurück, und ich unterhielt mich indessen mit zwei jungen holländischen Officieren, die sich der Gesundheit wegen hier oben aufhielten und ebenfalls Herrn Phlippeaus Gäste waren. Frau Philippeau befand sich leider auf Besuch in Tjanjor und wurde in der nächsten Woche noch nicht zurück erwartet.
Für mich war jetzt das wichtigste die sogenannten Kaffeemühlen und ihre Einrichtung anzusehen. Mit den Kaffeemühlen gehts aber gerade so wie mit den Kaffeegärten, sie haben hier denselben Namen wie bei uns, bedeuten aber etwas anderes. Es sind die Gebäude, in welche der frisch eingesammelte Kaffee gebracht, getrocknet, ausgehülst und durch Mahlen von seinen äußeren Schalen befreit, dann gereinigt und verpackt wird, und die Waarenhäuser, in denen er lagert, schließen sich ihnen an.
Die Kaffeebohnen, von denen, wie bekannt, zwei und zwei zusammen wachsen, sind im reifen Zustand von einer fleischigen Hülle umschlossen, die ihnen große Aehnlichkeit an Aussehen und gewissermaßen auch in Geschmack, mit der Kirsche gibt. Diese Hülle nun zu beseitigen kommt der frisch eingebrachte Kaffee in große steingemauerte Batten, und die Bohnen, nachdem sie hier eine bestimmte Zeit gelegen haben, werden dann in der Sonne, zum völligen Trocknen, ausgebreitet. Diese Trockenbehälter sind aber so eingerichtet, daß große Schilfgeflechte und vollkommen regendichte Dächer, die auf kleinen niedern Rädern laufen, bei eintretender nasser Witterung leicht und rasch darüber geschoben werden können.
Sind die Schalen nun theils abgeweicht, theils gedörrt, so kommen sie in die »Mühle.« Es ist dieß eine bis jetzt noch etwas unvollkommene, durch Wasserkraft getriebene Vorrichtung, ein runder Trog, in den eine gewisse Quantität Kaffee hineingeworfen wird, und in dem ein Stein sich fortwährend im Kreis herumwälzt, die trockenen Hülsen zerbrechend und nach sich, mit einer Art Rechen, die nieder gepreßten wieder auswühlend. Der Trog ist etwa zwölf bis fünfzehn Zoll breit und in einem Cirkel gebaut, so daß der Stein, von einem Arm des in der Mitte aufrecht stehenden Schaftes ausgehend, und von einem großen Wasserrad in Bewegung gehalten, fortwährend umläuft. Eine andere Manier, die Bohnen von der Hülse zu befreien, ist aber auch noch die, gleich von allem Anfang an die Kaffeekirsche zu dörren, und die Bohnen dann auf vollkommen trockenem Wege zu reinigen.
Die Bohnen werden nachher gesiebt; dieser Stein aber kann nicht auf alle Bohnen gleich schwer niederpressen, und die Folge davon ist, daß die kleinen meist unzerdrückt bleiben und dann noch eine höchst mühselige Nacharbeit erfordern. Die Zeit raubendste Arbeit ist aber nachher jedenfalls das Sortiren des Kaffees, das, wie bei dem Thee, durch Menschenhände geschieht. Die Arbeit ist ja aber hier, eben durch das gezwungene Arbeitssystem, so entsetzlich billig, daß ohne Schwierigkeiten all die nöthigen Kräfte zu bekommen sind. Auch dieß geschieht fast nur durch Frauen und Kinder, jedoch ist es unangenehmer als das Theesortiren, da der Kaffee eine Masse Staub ausstößt, den der Thee nicht hat.
Die Kaffeepflanzungen oder Gärten, wie sie hier genannt werden, gleichen, wenn man sie zuerst betritt, allerdings eher einem dichten Wald, als irgend einer Anlage. Nur die regelmäßigen Reihen, in denen die Bäume stehen, erinnern an unsere deutschen Forstpflanzungen. Hoch zwischen den Kaffeesträuchern oder Büschen aufsteigend, stehen sie da, diesen den nöthigen Schatten zu geben, und nur wenn der Busch nicht ordentlich in Zucht gehalten wird, gewinnt das Ganze gar leicht das Aussehen einer Wildniß.
Der Kaffee muß stets im Schatten wachsen, und man pflanzt zu diesem Zweck nur die Bäume an, unter deren Schutz er aufschießen und Früchte tragen kann. Bis jetzt hat man hierzu gewöhnlich den sogenannten Dadapbaum genommen, der dicht belaubt und mit ausbreitenden Zweigen hierzu ziemlich gut geeignet ist; auch hat er ein gar freundliches Ansehen mit seinen hellgrünen Blättern und den brennendrothen großen Blüthen, die er auf das dunkle Laub der Kaffeebüsche mit vollen Händen hinabstreut; zu weiter ist er aber gar nichts nütz, und selbst sein nasses schwammiges Holz soll nicht einmal zum Brennen zu gebrauchen seyn. Hie und da werden deßhalb auch schon andere Bäume gewählt, die eben so gut Schatten bieten und sonst noch zu verwenden sind. Mehrere Kaffeepflanzungen sollen schon den Baumwollenbaum, den pahon Kapas dazu genommen haben.
Der Kaffeebaum selber wird, wenn nicht nieder gehalten, wohl dreißig bis vierzig, ja vielleicht mehr Fuß hoch, ich glaube aber nicht, daß dann seine Früchte so groß und schön werden, keinenfalls sind sie so leicht einzusammeln, und das Gebüsch würde in dem Fall auch so dicht, daß gar keine Sonne mehr Zutritt zu dem Stamm oder den untern Zweigen hätte. Das Gewöhnliche daher ist, sie fünfzehn bis achtzehn Fuß hoch zu halten und sie sollen dann die ergiebigste Ernte tragen. Durch diese Plantagen führen nach allen Richtungen hin breite, von Gras vollkommen frei gehaltene schöne Wege, und theilen die oft viele Meilen langen Gärten in ihre verschiedenen, besonders bezeichneten Distrikte, die jeder wieder ihre verschiedenen Arbeiter zum Reinhalten der Pflanzen, Beschneiden der Bäume und Einsammeln der Früchte haben. Alle diese Arbeiten werden aber vollkommen systematisch getrieben.
Der Pflanzer ist hier nicht, wie das in andern Colonien gemeinlich der Fall, Eigenthümer des Landes und der Produkte die er baut, sondern die Regierung hält das Land, legt die Pflanzungen an und unterhält sie, baut Mühlen und Fabrikgebäude und stellt die Leute zur Arbeit. Der Pflanzer hat deßhalb mit den Anpflanzungen selber auch gar nichts zu thun, es gehört dieß in den Bereich der Culturen, und besondere Beamte sind dafür angestellt, diese anzulegen, zu erhalten und zu überwachen. Sey das nun Kaffee, Thee, Cochenille, Zimmt, Zucker, Indigo oder irgend ein anderes zum Handel und Ausfuhr gezogenes Produkt, die Verhältnisse bleiben sich, natürlich mit einzelnen Abänderungen, die sich nach den Produkten selber richten, gleich.
Der Pflanzer hat dafür die Verarbeitung des Produkts, das Reinigen, Trocknen, oder Auspressen, je nachdem es nun ist, zu besorgen und jährlich ein gewisses Quantum fertiges Produkt zu einem bestimmten Preis – gewissermaßen für festgesetzte Procente – an die Regierung abzuliefern. Bei dem Quantum sind aber auch all die Beamten, welche die Aufsicht darüber führen, wie Resident und Regent des Distrikts, interessirt; in ihrem Vortheil liegt es also ebensoviel wie in dem der Regierung, daß viel erzeugt werde, während für die Güte des Produkts der Pflanzer größtentheils allein verantwortlich ist, und die Regierung hat sich dabei ihre eigenen Interessen durch das zweckmäßigste Mittel gesichert, das es auf der ganzen Welt giebt, durch das Interesse ihrer Aufseher, und hierin allein liegt sicherlich die Ursache, die Java in den letzten Jahrzehnten zu einer so blühenden Colonie und einer wahren Schatzkammer des Mutterlandes und ihrer Beamten gemacht hat.
Die armen Eingebornen sind dabei freilich am schlechtesten weggekommen, denn dieses Zwangsarbeitssystem macht allerdings aus der Wildniß blühende Felder und Fluren – aber aus den Menschen Sklaven. Rede mir Keiner davon, daß dadurch ihr eigener Zustand verbessert sey und sie in den Stand gesetzt wären, Bedürfnisse zu befriedigen, an die sie früher gar nicht hätten denken können; das eine ist nicht wahr und das andere ein Unsinn.
Ihr Zustand ist nicht verbessert, denn wo ich einem Menschen den freien Willen nehme, wo ich ihn zur Arbeit für Fremde zwinge, da habe ich seinen Zustand nicht verbessert, und wenn ich ihm auch, nachher die Mittel an die Hand gäbe Sammt und Seide zu tragen und Hühnerpasteten oder sonst irgend etwas Gutes zu essen. Und Bedürfnisse befriedigen, die sie nicht gekannt haben, ist ein Unsinn, denn was ich gar nicht kenne, kann mir auch kein Bedürfniß seyn. Wenn ich aber Jemanden ein neues Bedürfniß kennen lehre, so begehe ich dabei, nach meiner Ansicht wenigstens und von einem streng rechtlichen Grundsatz aus, ein Unrecht, das damit noch gar nicht wieder gut gemacht ist, wenn ich ihm nachher die Mittel nur an die Hand gebe es zu befriedigen – noch dazu wenn ich gerade aus diesen Mitteln heraus wieder meinen eigenen Vortheil habe.
Es ist das ungefähr gerade so, als ob ich Jemandem im kalten Wetter die Haare glatt vom Kopfe scheere, und verkaufe ihm dann eine Mütze – die Mütze hält ihm den Kopf allerdings ebenso warm, als es die Haare gethan haben würden, aber weßhalb hab ich ihm denn überhaupt nicht seine eigenen Haare gelassen? – bloß um ihm die Mütze zu verkaufen.
Das ist also keine Entschuldigung – nein, gebt dem Lied gleich den rechten Namen, sagt: »Wir scheeren uns den Teufel darum, was aus den Eingeborenen wird, so sie nur gesund bleiben um uns unsere Arbeiten zu verrichten und dadurch Geld in unsere Kassen zu bringen, und so wir sie auch nur soviel zufrieden stellen, oder unter dem Daumen halten, daß sie uns nicht wild werden und rebelliren, was allerdings eine höchst fatale Geschichte wäre.« Und das ist dann nichts schlimmeres, als in allen übrigen Colonien, wo sich die Eingeborenen nur überhaupt zur Arbeit bringen ließen, oder, durch die Lage des Landes begünstigt, dazu gebracht werden konnten, mit ihnen geschehen ist. Die Holländer gestatten ihnen doch wenigstens noch zwischen ihnen zu leben und treiben sie nicht durch kleine Kunstgriffe und Contrakte, von denen sie nichts verstehen und an die sie doch nachher gebunden seyn sollen, von den Gräbern ihrer Väter und aus ihren Jagdgründen, wie es die Engländer und Amerikaner thun. Der Holländer läßt dem Eingeborenen seine Religion und quält ihn nicht mit Missionären und neuen Glaubensbekenntnissen, die nur zu häufig Haß und Unfrieden in ihre Familien bringen und den armen Teufeln dann auch noch die letzten Stützen wegschlagen, auf die sich ihr Geist, von allem anderen verlassen, zurückziehen könnte – den Gott ihrer Väter. Selbst die letzte Entschuldigung wäre ihnen aber auch hierin freilich genommen, da ja die Javanen wenigstens schon lange ihrem alten Götzendienst entsagt haben, und zu Allah, also zu einem einigen Gott, beten. Wieder eine neue Religion würde sie dann auch noch ganz confus machen, denn wer bürgte ihnen dafür, daß sie dießmal die wahre bekämen und nicht nach ein paar Jahren eine neue Sekte ihnen neue Lehren verkündigte.
Ich bin auch überzeugt, daß die christliche Religion die Eingeborenen nicht besser machen würde, ja nicht besser machen könnte, als sie sich jetzt in ihrem ganzen Leben und Handel erwiesen; sie sind friedlich, fromm, gastfrei und ehrlich – in ihren Familienverhältnissen treu und anhänglich (was wahrhaftig mehr ist, als die prahlenden Missionäre in der Südsee von ihren sehr precären Christen sagen können) und die christliche Religion könnte von ihnen nicht mehr verlangen.
Die ihnen von der Regierung auferlegten Arbeiten sind nun, für die einzelne Kampongs auch besonders eingetheilt. Bei den Kaffeeplantagen hier, müssen sie erstlich in gewissen Distrikten die Pflanzungen rein halten, dann die Kaffeekirschen pflücken und in die Mühle tragen und hier verarbeiten und reinigen. Von jedem Quantum was sie liefern, bekommen sie eine Kleinigkeit, die sie eben am Leben hält, bezahlt, und lebte der Javane eben nicht so entsetzlich mäßig, genügten ihm nicht für seine ganze tägliche Nahrung nur ein paar Hände voll trockenen Reises und vielleicht ein paar Früchte, so könnte er damit nicht einmal existiren. Sehr häufig kommt es dabei vor, daß sie da, wo sie die Produkte oder sonst ihnen von der Regierung auferlegten Arbeiten, wie Holz zu Bauten z. B. sehr weite Strecken zu tragen haben, sie ebensoviel unterwegs verzehren mußten, als ihr ganzer Lohn betrug und sie nun völlig umsonst gearbeitet hatten.
Auch auf Lembang, wo sich die Kaffeegärten viele Meilen weit ausdehnen, sind wohl früher ähnliche Uebelstände gewesen, dafür sollen aber jetzt an den entfernteren Stationen ebenfalls Mühlen errichtet und den Arbeitenden so viel näher gelegt werden.
Die Zahl der hier beschäftigten Arbeiter ist enorm, und soll in der rechten Erntezeit, wo die reifen Kirschen gepflückt und eingeliefert werden, nur auf dieser einen Plantage zu viertausend steigen. Das ist aber nur eine Zeit im Jahr, wo die Leute dann von früh bis spät einzig und allein für die Kaffeegärten beschäftigt sind, und es bleibt ihnen noch vollkommen Muße und Raum ihre eigenen Reisfelder zu bestellen.
Ueberarbeiten thut sich aber der Javane überhaupt nicht, das Klima läßt das auch schon gar nicht zu, und ich habe während meinem ganzen Aufenthalt dort nicht einen einzigen gesehen, der in Eile gewesen wäre, ausgenommen wenn er vielleicht eine recht schwere Last auf den Schultern hatte, und dann thut er's nicht der Last, sondern seinen eigenen Schultern zu Liebe, daß er ein wenig große und schnelle Schritte macht.
Herrn Phlippeaus Plantage gibt jetzt, in einem guten Jahre circa 30,000 Picol Kaffee (den Picol zu 125 Pfund). Die Pflanzungen sollen aber noch erweitert und zwei oder drei Mühlen mehr darauf angelegt werden.
Der Kaffee ist auf Java nicht heimisch, sondern erst, wenn ich nicht irre, von Brasilien hierher verpflanzt; auf Sumatra wächst er dagegen wild, und die Eingeborenen dort trinken allerdings ebenfalls Kaffee, aber nicht in unserer Art, sondern sie benutzen nur die Blätter des Baumes und bereiten in der Art gewissermaßen einen Kaffee-Thee.
Meinen ersten Tag auf Lembang benutzte ich besonders dazu, die Kaffeegebäude und den Garten zu besuchen. Dieser letztere enthielt aber, außer den Erdbeeren und einer kleinen Pflaumenart, unseren Renecloten nicht unähnlich, auch noch mehrere andere Sachen, die mich interessirten. So zog man hier, wie man bei uns mit äußerster Sorgfalt tropische Gewächse zieht, auf das ängstlichste unsere kleinen unschuldigen Gartenblümchen. In den Vasen an der Treppe standen Veilchen und Stiefmütterchen, arme, hier sich traurig und verlassen fühlende Kinder einer kälteren Zone, und auf einem der Beete gab sich eine, kaum vier Zoll hohe Hortensia die entsetzlichste Mühe ihre dicken kegelkugelartigen Blüthen in's Freie zu treiben. So ist der Mensch – was er hat beachtet er nicht, sowie es ihm aber entzogen wird, strebt er mit dem größten Eifer darnach, es wieder zu bekommen.
Außer dem Garten hatte Herr Phlippeau aber auch noch einen kleinen Hirschpark. Dieselbe Gattung Wild der Bandong Ebene, mit dickem fast borstenähnlichem Haar; auch einen jungen gestreiften Tiger, der kürzlich in der Nähe gefangen und eingebracht war. Der wilde Bursch saß in einem langen und gar nicht so besonders starken Holzkäfig, in dem er sich höchst unbehaglich zu befinden schien, und schon mit den haarscharfen Fängen mehrere Spähne von innen herausgerissen hatte.
Das beste Holz zu diesen Käfigen soll das der Arenpalme seyn; es sieht dem Chagaranten-Holz ähnlich, springt aber sehr leicht in scharfen Splittern ab, und verwundet die Bestien, wenn sie hineinbeißen, in den Rachen, weßhalb sie bald davon abstehen. Am Tag verhielt er sich ziemlich ruhig, lag nur still in seinem Bauer, sah stolz auf die Vorübergehenden hin und knurrte die, die bei ihm stehen blieben, wie ein fetter Portier vor der Hausthür irgend eines Großen ingrimmig an. Er hatte übrigens dabei die malitiöseste Physiognomie, die ich noch je bei einem Tiger gesehen habe – eine breite platte Nase – unheimlich grüne Augen und einen Zug um das Maul der Bände sprach. Manchmal war es auch als ob er dem innerlich kochenden Grimm einmal Luft machen müsse und dann flog er ganz urplötzlich an die dünnen Holzstäbe seines Kerkers vor, daß man wirklich glauben mußte, sie könnten der so rasch dawider geworfenen Gewalt nicht widerstehen, das Holz war aber zäh und sie hielten, und knurrend, zähnefletschend und seinen heißen Athem ausstoßend fiel er in seine alte ruhige Lage zurück.
Den Abend verbrachten wir höchst angenehm, theils durch Herrn Phlippeaus treffliches Clavierspiel, theils mit Plaudern – die Officiere hatten den Balischen Krieg mitgemacht, und wußten manches Interessante darüber zu erzählen. Der Besuch des Krater war auf den nächsten Morgen festgesetzt.
Des einen Officiers Gesundheit erlaubte ihm nicht, uns zu begleiten, der andere aber, der allerdings schon einmal oben gewesen war, versprach mir mitzugehen, und wir brachen nach dem Frühstück, natürlich wieder mit einem halben Dutzend Malayen zur Begleitung, auf.
Tancuban prau heißt im Malayischen »umgestürztes Boot« und der Berg hat den Namen davon, weil die Kuppe desselben in der Ferne Aehnlichkeit mit einem solchen hat; sie sieht aber noch viel eher aus wie ein Dach, und die Aehnlichkeit ist allerdings etwas weit hergeholt. Wir befanden uns von hier aus bald genug in der Wildniß; wie wir nun erst einmal den kleinen Kampong, der sich der Kaffeeplantage anschließt, hinter uns hatten, fing der Wald an, und einen steilen Bergpfad mit unsern kleinen Pferdchen emporkletternd, fanden wir uns von dem großartigen Urwald dieser, an Vegetation so überreichen Gebirge, umgeben.
Schlank aus dem Unterholz heraus, das an vielen Stellen durch seine Schlingpflanzen und andere unzählige, saftig aufschießende Gewächse Schwierigkeiten geboten hätte, hindurchzudringen, stiegen die mächtigen Yamudji-Bäume mit ihrer weißgrauen glatten Rinde, manchmal eine einzelne schlanke rebenartige Schlingpflanze mit sich bis zum höchsten Gipfel hinaufnehmend, und dort in ihren Armen haltend – der pohon paku, oder die Farnpalme, neigte überall heraus seine feingefederten wunderzierlichen Blattkronen, und die badjang tere jene reizende mattrothe Blume wucherte hier in ungeheuern Massen, und schaute mit ihren Knospen und Blüthen aus jedem Strauch, fast aus jedem laubigen Busch heraus.
Hier war aber auch nicht mehr der todte Wald, wie ich mich, allen früher gelesenen Beschreibungen zuwider, gewundert hatte ihn zu finden. – Ueber den Megamendong hinüber, an den Bergen der Bandong Ebene hin, wo wir unsere glückliche Rhinocerosjagd gehalten, ließ sich kein Vogel, ein einzelner Pfefferfresser ausgenommen, in den Wäldern hören, kein Eichhörnchen sprang von Zweig zu Zweig, kein Schmetterling flog von Blume zu Blume, und gab der wohl üppigen, aber dadurch doch leblosen Wildniß Reiz und Abwechselung. Hier aber war das anders; schon als wir aufbrachen, hatten wir das tolle jubelnde Geschrei einer Schaar Affen gehört, die sich von Baum zu Baum hetzten, jetzt sahen wir, wie sie, einem Thalgrund zu der steil nieder lief, in den dichten Zweigen eines Kihadji hinauf und herunter sprangen, sich unaufhörlich schnatternd die wunderlichsten Geschichten erzählten, und keinen Moment ruhig auf ihrem Platz hielten. Der schwerfällige runcong, eine große Art der Pfefferfresser, der sich nur in den dichten Wäldern der Gebirge aufhält, ließ dabei aus der Ferne seine dröhnende Stimme hören, und selbst der ulung ulung, der rothbraune prächtige Falke mit schneeweißem Kopf und eben solcher Halskrause hatte uns noch nicht verlassen, und strich dicht über den Wipfeln hin. Rhinocerosspuren aber, nach denen ich mich sorgfältig umschaute, konnten wir hier nirgends entdecken, obgleich gerade an dem benachbarten Berge der beste Jagdgrund für diese gewaltigen Thiere seyn sollte.
Doch wir waren ja jetzt auch nicht auf der Jagd, und stiegen rüstig, uns der frischen herrlichen Luft und des wahrhaft wohlthuenden Grüns erfreuend, den steiler und steiler werdenden Berg hinauf, während wir die Pferde hinter uns herführen ließen.
Der Weg lief, da sich der eigentliche Krater auf der andern Seite des Tancuban prau befindet, um diesen herum, und es ließ sich, des dichten Waldes wegen, noch nichts von dem Vulkane sehen, nur der Boden war hier überall mit vulkanischen Stoffen bedeckt, oder schien auch in der That aus weiter nichts zu bestehen als Lava. Erst als wir einen kleinen Bergbach, der sich sein sandiges Bett in's Thal suchte, überschritten hatten, und an der andern Seite aufgestiegen, verrieth die plötzlich absterbende Vegetation, die verbrannten und getödteten Bäume, zersplitterte und verkohlte Baumstümpfe und Massen von harter scharfkantiger Lava, wie wir uns dem Punkte näherten. Nicht lange mehr, und wir standen auf kahlem Lavagrund, auf dem auch kein Grashalm mehr wuchs, und wenige Schritte weiter schauten wir plötzlich in den tiefen qualmenden Schlund hinab, der sich wie ein weiter gewaltiger Kessel vor uns aufthat.
Es war dieß der erste Krater den ich je bestiegen hatte, und er machte auf mich einen höchst eigenthümlichen, wunderbaren Eindruck. Geheimnißvoll wie die Sterne, obgleich unseren Augen sichtbar, da oben ihre Bahn gehen, eine Macht verkündend die sie da oben hält und die wir wohl ahnen, aber nicht begreifen können, so geheimnißvoll lag zu unsern Füßen eine andere uns ebenfalls verschlossene Welt, an deren Pforte wir standen, deren Schwelle wir aber nicht überschreiten durften. Welche entsetzliche Kraft mußte in diesem hier kaum gefesselten Element liegen, das im Stande gewesen war, einen Berg zu schaffen und aufzuwühlen, und aus dem Inneren der Erde, wie im Spiel, seine glühenden Massen herauszuschleudern – welcher ungeheure Heerd kochte in diesem Schlund aus dem der Schwefeldampf in dichten erstickenden Schwaden stoßweis herausblies, wie ein schlummerndes, tief athmendes Ungeheuer, das sich im nächsten Augenblick vielleicht emporrichtet und die Berge umher erbeben macht, die fest geglaubte Erde in ihrem Grund erschüttert.
Kann man's den armen, mit den Naturkräften dieses Erdkörpers so wenig bekannten Wilden verdenken, wenn sie an solche Orte den Sitz ihrer bösen Geister legten? – bringt hier her einen unserer in Dummheit und Gottes furcht aufgezogenen Bauern, der noch den Kopf voll von Teufel und Hölle und ewiger Verdammniß, von Feuer und Schwefel, von Heulen und Zähneklappen hat, zeigt ihm diesen Schlund, laßt ihn die heißen Schwefeldämpfe fühlen, das dumpfe Grollen des Elements tief, tief unter der dünnen Erdkruste auf der er steht, hören, und seht ob nicht selbst er in wildem Entsetzen ausruft, »das sind die Pforten der Hölle – und das Stoßgebet was seinen bleichen Lippen entfährt, ist nichts anderes, als die stille leise gemurmelte Bannformel, die der Javaner dem hier unten hausenden Geiste zur Sühne und Abwehrung bringt.
Ja, was soll ich's leugnen, mir selber that es ordentlich leid, daß wir hier auf Erden so verwünscht gescheidt und prosaisch geworden sind, und uns all diese gewaltigen Erscheinungen so gar richtig und natürlich (und doch vielleicht manchmal wie falsch) zu erklären wissen. Was haben wir dadurch erreicht? nichts weiter als unsere eigene Kleinheit und Nichtigkeit dabei auf das entschiedenste herausgefunden – und was dafür verloren? – Alles – unseren Wäldern sind ihre Sylphiden, unseren Bergen ihre Elfen und Gnomen die traulich und gemüthlich mit den armen Menschenkindern verkehrten, genommen, aus unseren Quellen und Strömen haben wir mit pedantischer Hand die wunderlieblichen Nymphen hinausgejagt; unsere eigenen Schutzengel, die früher an unserer Wiege saßen und mit Jüngling und Jungfrau durchs Leben gingen, die uns in Noth schützten und vor Gefahren warnten, mußten machen daß sie fortkamen; gute Feen, die uns manchmal aus den schwierigsten Verhältnissen mit einer Kleinigkeit herausreißen konnten, und Najaden, Wasserweibchen, Wimpfelmännchen und wie die lieben Dinger alle heißen mochten, folgten ihnen nach; ja selbst der gute alte Teufel, der sich früher mit den Menschenkindern so manchen wohl oft schlimmen, manchmal aber auch unschuldigen Scherz erlaubte, und dafür auch wieder zu Zeiten von ihnen geprellt wurde, zog sich vor der entsetzlich übernehmenden Klugheit unseres Geschlechts in seine alten biblischen Vesten zurück. – All die wunderlieblichen Märchen und Bilder, mit denen früher unsere irdische Wohnung vom lieben Gott, der wohl weiß, was seinen Kindern nützt und frommt, ausgeschmückt war, haben wir, als wir uns kaum hinter den Ohren trocken fühlten, herunter gerissen und aus den Fenstern geworfen, und dafür den ganzen Platz, von Decke zu Boden mit regelmäßigen, egal angestrichenen Schubladen und Gefachen versehen, und über diese Gefache den philisterhaftesten pedantischten Katalog aufgesetzt, der sich nur denken läßt. Wir wissen jetzt nun freilich auf das genaueste, was in jedem Gefach liegt, und woher es kommt, daß es gerade in diesem Gefach und nicht in einem anderen seyn muß, kennen alle Gebirgsschichten bei Namen, haben alle Pflanzen und Gräser getrocknet zwischen Löschpapier, selbst die Luft nach ihren verschiedenen Gasen classificirt, und das Wasser bis aufs Quentchen herunter abgewogen und in seine verschiedensten Bestandtheile hinein abgesondert, aber sind wir dadurch glücklicher geworden? – nein, sind wir nun eben so glücklich geblieben als wir damals waren – ich glaube nicht – aber unsere ganze Poesie ist zum Teufel gegangen und die wenigen Dichter die noch bei uns wie von der Nacht überraschte glänzende Tagfalter herumflattern, warfen sich aus lauter Verzweiflung auf das trostloseste und unfruchtbarste was es, so lange die Welt steht, für Poesie nur gegeben hat – auf die Politik. –
Aber wir standen ja am Krater, und ein leiser, kaum bemerkbarer Luftzug hob die leichten blaugelben Schwefelwolken, die in stoßweis hervorströmenden Strahlen ausbrachen, empor und trug sie über den scharf abgebröckelten Rand des Kraters fort den fern vorüberziehenden Wolken zu.
Der Platz jedoch, wo, ziemlich im Mittelpunkt des Trichters, der Qualm am stärksten aufstieg, denn kleinere Säulen brachen noch aus zehn oder zwölf verschiedenen anderen Plätzen vor, war mit einer hoch goldgelben Masse reiner Schwefelcrystalle förmlich bedeckt, ja an einer Stelle hatte der aufspeiende Qualm eine wohl vier Fuß hohe Pyramide von gediegenem Schwefel aufgeworfen.
Die Indianer sollen manchmal in diese Krater – denn es gibt deren noch viele auf Java – hinuntersteigen, und mit langen Bambusstäben den Schwefel zu sich herüberziehen, den sie nachher in die Kampongs verkaufen und auch ich hatte keine Lust nur hier oben auf viele hundert Schritt Entfernung stehen zu bleiben und die Stelle zu betrachten. Ich beschloß dem Feuerkessel ein wenig näher auf den Leib zu rücken.
Der Krater selber mochte ungefähr 300 Fuß tief sein und lief unten in ein kleines, sehr schmales Thal zu, an dessen einer Seite sich durch den niederströmenden Regen ein kleiner Teich gebildet hatte, der durch den Boden erhitztes Wasser enthielt, während auf der anderen und rings um den Rand des inneren Punktes herum, nur eine dünne Lavakruste den darunter kochenden Herd zu bedecken schien, durch die sich der aufdrängende Qualm heute an dieser, morgen an jener Stelle seine Bahn bricht. Wie uns der eine Javane, den wir zum Führer mit hatten, sagte, war es in der letzten Zeit selten gewesen, daß er so stark gequalmt haben sollte, wie gerade heute, und es deßhalb eine vortreffliche Gelegenheit ihn in der Nähe zu sehen. – Der Javane wollte aber nicht mit.
Der Kessel mochte oben etwa denselben Durchmesser haben, als er tief war, sein Rand brach aber überall so schroff und steil ab, daß Menschen nur an einer einzigen Stelle, und keineswegs sehr bequem, über einzelne rauhe Felsblöcke und unter den Füßen wegbröckelnde Lavamassen hin, niedersteigen konnten. Die ersten hundert Fuß waren die schlimmsten, nachher lief es wenigstens nicht mehr so steil ab, wenn auch die losen, rollenden, scharfen Lavabrocken den Marsch sehr beschwerlich machten. Es brach einmal ein Stück unter meinen Füßen weg, und ich nahm einen Anlauf, daß ich schon glaubte, ich würde nun auch ohne weiteres, mit neun Meilen Fahrt etwa, und die Füße voran, in den Krater und die ganze Schwefelpastete hineinschießen, gerade der mürbe Zustand des Bodens war aber auch wieder meine Rettung, denn auf dem Rand einer schmalen aber tiefen, wahrscheinlich durch zurückströmende, glühende Lava gebildete Ravine, brach dieser ebenfalls ein, und ich polterte in die Ravine hinunter, in der ich, einige Haut- und Kleiderrisse abgerechnet, glücklich landete. Von hier ab ging ich aber ein wenig vorsichtiger zu Werke, und kam nun auch sonst wohlbehalten unten an.
Gleich am äußersten Rand des untern Trichterbodens preßte der Schwefeldampf aus drei kleinen, etwa in einem Fuß Entfernung von einander liegenden Röhren heraus, die Hauptmündungen lagen weiter nach dem Mittelpunkt zu, zwischen dem und da wo ich mich befand, noch eine andere Gasausströmung statt fand. Vorsichtig mit einem großen Stock, den ich zur Vorsorge mitgenommen, auf den Boden, auf dem ich ging, stoßend, um zu prüfen, ob er mich auch tragen würde, denn die ganze Geschichte fing mir hier an ein wenig unheimlich auszusehen, that ich noch etwa zehn oder fünfzehn Schritte vorwärts, und erreichte den eben erwähnten Platz, wo ein starker Schwefelqualm aus zwei gleich großen Mündungen herausdrängte. Meine Absicht war jetzt womöglich bis zu der kleinen Schwefelpyramide, die wie ein vergoldeter Baumkuchen in etwa zehn Schritt Entfernung vor mir stand, vorzudringen und mir eine Ecke zum Andenken abzubrechen, als ich aber den Stock versuchsweise ein wenig kräftig vor mich auf den Boden stieß, brach er durch, und eine neue Oeffnung entstand, aus der jetzt, wie mit gesammelten Kräften dicker erstickender Qualm ausströmte. Ich retirirte natürlich rascher als ich gekommen, ein paar Schritte, denn ich konnte hier nicht mehr athmen, und als ich mich bückte, den Boden zu befühlen, die Füße wurden mir so merkwürdig warm, verbrannte ich mir den Finger. Ueberall aus den Ritzen strömte hier wie aus tausend feinen Poren, der dünnkochend heiße Qualm hervor und ich stand vielleicht nur auf wenige Zoll dicker Kruste über dem gluthdurchwühlten Abgrund.
Weiter vorzugehen wäre Wahnsinn gewesen, nur von den mir nächsten Oeffnungen brach ich mir einige, mit Schwefel überzogene Lavastücke los und zog mich dann in eine etwas sicherere Entfernung, wenigstens auf härteren und festeren Boden zurück. Es sollen schon auf Java einzelne Fälle vorgekommen seyn, wo zu dreiste Wanderer in die Lava eingebrochen sind und sich dann fürchterlich verletzt hatten»Auf diese Art« sagt Herr Junghuhn, »kam der bekannte Reisende Graf von Vidna in einem Krater, wenn ich nicht irre, der Insel Celebes um's Leben; auch auf Java starb ein Controleur an den Folgen der Brandwunden, die er in Folge seines Einsinkens in die Kawah-Tjondro, einem Krater des Dräng'schen Gebirges erhielt. – der Gefahr wollte ich mich so um gar nichts nicht gerne aussetzen. Ich blieb aber noch eine Weile unfern der Stelle stehen, wo ich dicht von der einen Mündung ein Stück Lava losgestoßen, (mir dabei an Daumen und Zeigefinger ein paar Blasen zu holen) zu sehen, ob der Schwefel dort wieder rasch ansetzen würde, und selbst während ich dastand, konnte ich bemerken, wie sich der Bruch wieder eine dünne gelbliche Färbung, von den ausquillenden Dämpfen berührt, annahm.
Unter mir aber kochte und grollte es aus dem zischenden, gährenden Kessel herauf, und manchmal war es mir als ob da unten der alte Hexenmeister – oder sonst Jemand – den heißen Brei auf und umrühre und Fels- und andere Blöcke über- und durcheinander werfe, und jedesmal nach einem solchen Geräusch kam der Qualm dicker und stärker und ich stand so lange und horchte, bis es mir selber unheimlich zu Muthe wurde und es mir schon manchmal anfing vorzukommen, als sey das gar kein Schwefelqualm mehr, der in blauen dünnen Streifen nach mir herüberzöge, sondern der Berggeist strecke seine langen nebligen Arme nach mir aus und wolle mich armes Menschenkind zu sich hinunter in seine heiße, glühende Tiefe ziehen.
Es wurde Zeit, daß ich auf den Rückweg dachte, und ich kletterte nun, wieder frei Athem schöpfend, in der von dem Schwefelqualm gereinigten Luft rasch und munter aufwärts, wo mich meine Begleiter, die mich von oben aus sahen und nicht begreifen konnten, was ich drunten so lange treibe, schon ungeduldig erwartet hatten.
Von oben sollten wir aber noch ein doppeltes und wahrhaft herrliches Schauspiel genießen. Bis jetzt hatten uns niedrig treibende Wolkenstreifen, wenn auch nicht dicht umlagert, doch die Aussicht nach dem niederen Lande total benommen; jetzt trieben diese rasch vorüber, die Sonne trat heraus und die ganze, nordöstlich vor uns ausdehnende Provinz Cheribon, mit ihren Küsten und Vorgebirgen in das tiefblaue Meer hinausstreckend, lag ausgebreitet vor unseren Blicken. Deutlich ließen sich dabei in der wundervollen Beleuchtung, die kleinsten Thäler und Vertiefungen, die unbedeutendsten Kuppen und Rücken der zu der Ebene niederflachenden Gebirge, die in regelmäßigen Strecken abgetheilten, von dem helleren sie umgebenden Boden durch ihr dunkles Laub schroff zurücktretenden Kaffeegärten, die vom Wasser hoch in die Hügel hinaufblitzenden Reisfelder, die weiter niederen Sumpfstrecken und durch das Thal gerissenen Betten der einzelnen Bergwasser erkennen. Weit, weit in See hinaus glänzte ein Segel und dort hinten, schon in dämmernder Ferne der hellgrüne Fleck mit dem dunklen Punkt, schimmerte eine Insel, vielleicht eine Inselgruppe herüber. – Noch ein Blick und wie durch Zauberei war das ganze, so plötzlich vor uns aufgerollte, wunderherrliche Bild auch eben so rasch verschwunden – ein dichter Flor lagerte sich darüber hin.
In demselben Moment wurde aber auch schon unsere Aufmerksamkeit durch den Krater selber wieder gefesselt, der durch eine leichte, die Sonne eben überziehende Nebelschicht, eine neue, fast wunderbare Färbung angenommen hatte. Der Schwefeldampf lag in einem förmlich hellgrünen Schleier in dem untern Kessel, und um die dazwischen aufragende, kleine Schwefelpyramide, der eigentliche Mittelpunkt der da unten aufgethürmten Schwefelmasse, bildete sich ein lichtblauer Rand, der sich zusammenzog und ausdehnte, wie die weichen elastischen Ränder der im Meer schwimmenden Quallen oder Polypen. Dann und wann spielte ein regenbogenfarbiger Glanz um das Ganze und zuckte in einzelnen Strahlen bald hier bald da hinüber, wie gerade der in dem Kessel aufgefangene Luftzug seine Strömung nach dieser oder jener Seite nahm. Jetzt schmolz die wunderbare Lichterpracht wieder in ein herrliches Smaragdgrün zusammen, stand so einen Augenblick und schien förmlich Strahlen auszuschießen, erbleichte dann mehr und mehr – wie sich der Nebel über der Sonne dichtete – und schwand dann wieder in ihr altes Stahlgrau, aus dem der gelbe Schwefel auf's Neue zum Vorschein kam, zusammen.
Ich wollte gern fünfzig Meilen zu Fuß marschiren, den Anblick jener wunderbaren, von dem düstern Grau der sie umdämmenden Lavaschichten nur mehr gehobenen Farbenpracht, noch einmal zu haben, und wir standen, als das Phänomen schon verschwunden war, noch lange und sprachlos da, fast unwillkürlich das Wiedererscheinen desselben zu erwarten – aber es kam nicht, die Nebel stiegen dichter und massenhafter empor und lagerten in dunklen Wänden vor der Sonne, im Westen hob sich sogar schön ein verdächtiges Grau, das baldigen Regen verkündete, und wir wußten, es war vorbei. Aber selbst die Javanen schienen von dem Schauspiel überrascht, und unser Führer versicherte uns, er sey schon sehr oft hier oben gewesen, und habe den Krater zu allen Tageszeiten, aber nie in so merkwürdigen Farben gesehen, als gerade heute.
Nachdem wir, da die Sachen doch einmal mitgeschleppt waren, eine kleine Erfrischung zu uns genommen (und ein Glas guter holländischer Wachholder schmeckte hier oben, nach den eingeschluckten Schwefeldämpfen, gar nicht so schlecht) machten wir uns auf den Rückweg und stiegen, mit dem Resultat unseres Morgenspaziergangs sehr zufrieden, in das Thal zurück.
Unterwegs kamen wir wieder an den Affen vorbei, die sich jetzt, rechts von dem Pfad ab, in einem dichtbelaubten Baum herumtummelten. Die Burschen einmal besser in der Nähe zu sehen, schlich ich mich, so geräuschlos ich konnte, unter der Blättermasse und zwischen dem dichtverwachsenen Unterholz hin, bis ich an den Stamm desselben Baumes kam, auf dem sie spielten, ohne daß mich einer von ihnen bemerkt, oder, wenn das geschehen war, Notiz von mir genommen hätte. Von Zweig zu Zweig sprangen sie, die flüchtigen, langgeschwänzten Gesellen, und ein fröhliches Völkchen war es, das sich hier oben, unter lautem munterm Geplapper, was manchmal wahrlich wie Lachen klang, in ihren grünen Wohnungen herumjagte. Ich hatte allerdings meine Büchse bei mir, würde es aber für Mord gehalten haben, den armen Dingern in solcher Art ihre Lust zu verderben. Ich begreife auch in der That nicht, wie es irgend Jemand über's Herz bringen kann, auf Affen zu schießen; ihre ganze Gestalt, jede ihrer Bewegungen ist menschenähnlich, und das Klagegeschrei der Angeschossenen soll wirklich herzbrechend klingen – manche Leute knallen aber in der That auf Alles was vorkommt, und unser alter Revierförster pflegte zu sagen: »wer eine Rikke nicht schont, der schont auch das Kind im Mutterleibe nicht« – also eben so wenig einen Affen.
Ich sah ihnen eine ganze Weile zu, und sie waren indessen fast zu mir herunter gekommen, als ich mich dann aber wieder bewegte, um fortzugehen, stoben sie erschreckt auseinander, flüchteten hierauf in einen, etwas entfernter von mir stehenden, sehr hohen Yamudju hinein, recognoscirten von hier aus erst vorsichtig die eigene Lage und den Stand des Feindes und erhoben nun auf einmal alle zusammen ein ganz entsetzliches Geschrei und Geplapper, als ob sie sich selber über ihre Furcht, oder auch vielleicht mich über die Idee, sie zu überlisten, auslachen wollten.