Friedrich Gerstäcker
Java
Friedrich Gerstäcker

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

8. Nach Batavia zurück. Die Cochenilleplantage.

Als ich auf Lembang wieder anlangte, befand ich mich in einem solchen Zustand, daß ich gleich mit meinen Kleidern ins Bad ging, um mich erst nur einmal abzuspühlen. Soviel sah ich jetzt aber auch ein, daß eine Jagd in den Gebirgen, mitten in einer tropischen Regenzeit, Schwierigkeiten habe, die man wohl ertragen, aber kaum besiegen könne. Ich hatte aber doch meinen ursprünglichen Zweck vollkommen erreicht, ich hatte jene Wildnisse, den Aufenthalt der wilden Bestien, genau gesehen, genauer wie wohl mancher, der sich Jahre lang auf Java aufgehalten, dabei die Art und Weise der Jagd, den Zustand des Terrains kennen gelernt und war damit auch für jetzt vollkommen zufrieden.

Eins that mir nur leid, daß ich nicht einmal einem Tiger oder einer Boa Constriktor begegnen konnte, und die letzteren kommen doch ebenfalls ziemlich häufig vor; man findet solche Bestien aber nur selten, wenn man sie wirklich sucht, und Jahrelang kann man in solcher Absicht in der Wildniß herumstreifen, ohne sie zu treffen, während sie uns gutes Glück vielleicht einmal ganz unversehens über den Hals führt. Hier aber gerade mehr als irgendwo anders hab ich wieder gesehen, wie ein Land, meistens durch Reisende, die eben nur die Hafenstadt gesehen haben, mit Gefahren förmlich gefüllt werden kann, wovon man dann, an Ort und Stelle angekommen, nicht im Stande ist, auch nur mehr als die Spur derselben aufzufinden. Was für Unsinn ist allein über Java geschrieben – ich will Eugen Sue's ewigen Juden mit seinen Thugs und schwarzen Tigern gar nicht mit dazu rechnen, obgleich er bei einem Roman, den er in die neueste Zeit legte, sich wohl nach einem Terrain vorher hätte erkundigen, oder falls das nicht anging, ein solches wählen sollen, das er selbst kannte. Nein, was sind auch von anderen Seiten für übertriebene Schilderungen davon geliefert worden. – Jeder, der nur einmal einen Fuß in das Innere gesetzt hatte, glaubte gar nicht umhin zu können, auch ein gefährliches Abenteuer zu erzählen, das er mit einem plötzlich vorspringenden Tiger bestanden – der Wald wimmelt dann von diesen Bestien und ich wollte doch, mit nur einem Lagerfeuer, jede Nacht hier so sanft und sicher schlafen, als ich in den amerikanischen und australischen Wäldern geschlafen habe. Solche Ausschmückungen ließe man sich in einem Roman aber immer noch eher gefallen, als in einer Reise- und Länderbeschreibung, die ein treues Bild der Länder liefern soll, mit solchen Extravaganzen aber den Leser gerade täuscht und irre macht.

Tiger gibt es allerdings noch genug auf Java, wenn auch nicht so viel als in früherer Zeit, der Reisende wird sie aber selten oder nie, und der Jäger nur sehr selten, vielleicht einmal zufällig, im Walde zu sehen bekommen. Die einzige Art, sie zu bekommen, ist in Fallen, die dort, wo sich der Tiger einmal die Nacht ein Stück Vieh – oder auch hin und wieder wohl einen Menschen geholt hat, was allerdings vorkommt – aufgestellt werden. Die Regierung bezahlt für jede eingebrachte Tigerhaut, groß oder klein, die beiläufig gesagt an sie abgeliefert werden muß, 15 Gulden Prämie.

Doch da wir gerade von Tigern reden. – Als ich nach Lembang zurückkam, hörte ich zu meinem Bedauern, daß Herr Phlippeau von Rheumatismus, der ihn heimgesucht, unwohl geworden sey, und der gefangene Tiger in der letzten Nacht einen solchen Spektakel gemacht und dermaßen an dem Käfig gearbeitet habe, daß man befürchtete, er würde herausbrechen. Herr Phlippeau bat mich, ihn zu erschießen und abzustreifen.

Beim Abstreifen hatte sich aber eine ganze Masse Volks um uns versammelt, Peter mitten zwischen ihnen, der dabei die gräßlichsten Abenteuer unserer letzten Jagd zum Besten gab, seine Gestikulationen waren nämlich der lebendigsten Art, und das Wort badak, Rhinoceros, kam sehr häufig dabei vor. Kaum war übrigens Haut und Schädel herunter, so frug er mich, ob sie das übrige haben könnten und machte sich nun augenblicklich darüber her, den Tiger aufzubrechen und ihm das Herz herauszunehmen, das sich die Umstehenden in lauter kleine Stücke schnitten, und damit triumphirend abzogen – sie schlugen sich förmlich darum. – Peter hatte aber für sich das größte Stück behalten und ging damit fort. Die Eingebornen haben den Aberglauben, daß sie, wenn sie von dem Herzen eines Tigers essen, auch den Muth des Thieres bekommen, etwa eine ähnliche Idee, nur harmloser, als die der australischen Wilden, welche die Stärke des überwundenen oder überlisteten Feindes zu gewinnen glauben, wenn sie sich mit dessen Fett einreiben. Als wir Peter nachher damit neckten, daß er so ängstlich wäre Courage zu bekommen, leugnete er hartnäckig, daß das Stück Herz für ihn selber bestimmt gewesen wäre, er habe es, sagte er, nur einem »guten Freund« mitgenommen; er hatte aber dabei selbst vergessen, sich den Mund abzuwischen – das Blut saß ihm noch an einer Seite an der Lippe. – Guter Peter!

Am nächsten Tage wollte ich wieder nach Bandong hinüber, und erwartete nur die Ankunft des Residenten, Herrn Vischer, der von einer Inspektionsreise in einen der entfernteren Theile der Residentschaft zurückkehrend, hier vorbeikommen mußte und versprochen hatte mich mitzunehmen.

Gegen Mittag, als wir gerade mit Abstreifen des Tigers fertig waren, kam er auch mit dem Regenten und dem ganzen Troß von seiner und dessen Begleitung an. Eine Stunde später fuhr ich mit ihnen gen Bandong.

Die Aussicht von hier oben, wenn man sich der Ebene wieder zuwendet, ist wahrhaft entzückend; weit weit hinaus streift das Auge über eine herrliche, fruchtbare, von blauen Bergrücken umgebene Ebene, aus denen einzelne Gipfel, wie der Malabar und andere, scharf und hoch emporragen – überall Cultur und Leben, und da, wo sich die Natur auf kurze Strecken selber überlassen blieb, die üppigsten Bambusbüsche und Fruchtbäume.

Ich möchte übrigens wissen, was der Indier machen wollte, wenn ihm der Bambus genommen würde; die Cocospalme ist ihm schon ein höchst nützlicher, fast unentbehrlicher Baum, aber wenn es seyn müßte, könnte er doch, glaub ich, hier noch eher ohne Cocospalme als ohne Bambus zurecht kommen. Der Bambus ist nämlich ein hartes festes Rohr, mit langen, natürlich hohlen Gliedern, und wächst von einem Zoll Stärke bis selbst zu sechs und sieben Zoll im Durchmesser und dreißig bis fünfzig Fuß Höhe. Gerade diese verschiedene Dicke aber wie seine außerordentliche Stärke – damit vereinigt, daß er, außer einzelnen wasserdichten Abtheilungen, vollkommen hohl ist – macht ihn so ungemein nützlich.

Dem Aussehen nach gleicht er vollkommen dem Mississippi- Cane, nur daß er stärker wird; sonst gehört er aber in Farbe, Gestalt, Blatt und Anwuchs ganz genau zu demselben Geschlecht. Was aber seinen Gebrauch betrifft, so existirt beinah nichts, was die Javanen und überhaupt die indischen Völker nicht daraus zu bereiten verstünden. Der Bambus liefert die Pfähle und Rippen zu den Häusern, sein Blatt sehr häufig das Dach, oder sie machen auch von starkem, in der Mitte halb durchgespaltenem Bambus eine förmliche Art Hohlziegel, mit denen sie die Hütten decken. Ihre Tische, Betten und Stühle sind aus Bambus, die Sitze und Tischplatten aus dünn geschnittenen und geflochtenen Streifen. Ihre Wasserbehälter sind Bambus, ihre Treppen, Brücken und Reisscheuern Bambus, ihre Musikinstrumente sind aus Bambus, wie der Anklong, eine Art Gamelang, Flöten und Maultrommeln, Alles Bambus. Das meiste was sie an Stricken brauchen sind Bambusstreifen, all ihr Korbwerk ist aus Bambus geflochten, aus dem sie ebenfalls die feinsten und niedlichsten andern Arbeiten, wie Cigarrendosen und Büchsen etc. fabriciren – ihre Flöße, mit denen sie den Fluß befahren, sind Bambus, ebenso all ihre Einzäunungen; den Bambus benützen sie ebenfalls zu Röhren und Wasserleitungen, kurz es gibt fast nichts in ihrem ganzen Hausrath, was sie nicht mit diesem nützlichsten aller Gewächse herzustellen wüßten, und außerdem essen sie auch noch, und zwar sehr gern, die jungen weichen Keime der Pflanze, die sie kochen und auch einsalzen.

Ich hatte aber jetzt wirklich nicht viel Zeit, solche Betrachtungen anzustellen, denn meine ganze Umgebung nahm meine Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch, in diesem Augenblick an irgend etwas anderes denken zu können.

Nach indischen Begriffen richtet sich der Rang und Stand der Leute hier, wie es scheint, besonders nach der Größe des unnützen Menschenschwarmes, den sie bei sich führen. Natürlich konnten denn auch der Regent so wenig als der Resident ohne die gehörige Begleitung fahren, und der Zug, der auf allen möglichen Kleppern hinter uns drein zottelte, war wirklich zum Malen. Pferde – Kracken sollte ich sie eigentlich nennen – von jeder Größe und Farbe, Menschen ebenso und in den wunderlichsten Anzügen und Trachten, wobei ich mich in eine ihrer Mützen förmlich verliebte. Es ist dieß eine Art riesiger Schirmmütze, mit einer Blende daran, die ihr vollkommen das Ansehen eines der großen altmodigen Damenhüte gibt, darunter nun das braune wilde Gesicht der Burschen mit ihrer tollen, halb civilisirten, halb wilden Tracht – es war zum Todtlachen. Den Sieg trugen aber unter jeder Bedingung zwei Kammerhusaren davon, die mit langen Dingern, die ich erst für Lanzen hielt, aber nachher als ganz unschuldige langstielige Staatsschirme ausfand, dem ganzen Zug etwa hundert Schritt vorausritten. Es waren ganz täuschend nachgemachte Husaren mit alten rothen Jacken und eben solchen Hosen, beides mit breiter gelber Litze nach ungarischer Art besetzt. Dabei hatten sie hohe lederne Tschakows auf, mit vorn herunterhängenden dunkelrothen Federbüschen, aber keine Schnürstiefel, sondern ihre original-braunrothen bloßen Beine, die gar keck aus den rothen Hosen vorschauten. Die Kerle sahen verteufelt aus, und ich konnte mich wahrhaftig gar nicht satt an ihnen sehen.

An solcher Begleitung hatten wir circa dreißig bis fünfunddreißig Mann, außerdem aber noch eine unzählbare andere stets wechselnde Schaar von Eingeborenen, unsere Wagen bergunter zu geleiten.

Lembang liegt nämlich, wie schon gesagt, mehrere tausend Fuß höher als Bandong, und der Weg führt von dort aus, bis man die Bandong-Ebene wieder erreicht hat, ziemlich steil hinunter. Nun waren aber vier rüstige Pferdchen vor dem Wagen, die wohl ziehen, aber nicht zurückhalten mochten, und das Fuhrwerk zu verhindern, den Berg zu schnell hinabzurollen, dazu schien fast die ganze umliegende Bevölkerung aufgeboten zu seyn. Gleich von Lembang aus liefen etwa zwölf halbnackte Burschen mit, die, sobald wir den Abhang des Hügels erreichten, das Ende eines langen Taues unten um die Achse des Wagens schlugen und nun, während die Pferdchen lustig anzogen, soviel als möglich zurückhielten. Natürlich ging es immer noch schnell genug dabei, und die armen Teufel mußten gegenhalten aus Leibeskräften. Kaum eine oder anderthalb Paalen waren sie aber dieser Art gelaufen, als sie abgelöst wurden. Wo wir vorbeisausten, saßen die Bewohner der verschiedenen Hütten ehrfurchtsvoll kauernd vor den Thüren. Nicht weit von uns hockte auch ein ganzer Schwarm von Männern, und als wir näher kamen, schlichen sie, sich so weit als möglich auf die Erde niederdrückend, und gerade wie eine Bande Straßenräuber, die vorsichtig herauskroch, den Pferden in die Zügel zu fallen, herbei. Kaum waren sie aber hinter dem Wagen, als sie Leben und Thätigkeit gewannen – wie der Blitz hatten sie ein anderes mitgeschleiftes Tau befestigt, an das sie sich zu gleicher Zeit hingen, die ersten lösten das ihrige und während sich die hinterdrein galoppirenden Reiter in zwei Colonnen theilten, die Kulis durchzulassen, rasselte der Wagen fortwährend seine Bahn, den Berg hinunter, weiter.

Nur an einigen Absätzen, wo der Berg besonders steil niederging, standen noch besondere Verstärkungen, die auf gleiche Weise einsprangen und ihr Tau anschlugen, ohne daß dann die andern das ihrige gelöst hätten. So hingen einmal vierundzwanzig Menschen hinten zu einer und derselben Zeit am Wagen, und den Berg gings dabei hinunter, daß man hätte glauben sollen, Wagen und Begleitung mit Regenten und Kammerhusaren brächen Hals und Bein.

Unterwegs begab sich aber ein wunderbares Phänomen – ich hatte die Kammerhusaren fast ununterbrochen im Auge behalten, es waren nur zwei – roth mit gelben Streifen, die dem Zuge keck voran galoppirten – und jetzt auf einmal hatten sie sich auf irgend eine Weise, Allah weiß wie, verdoppelt. Es waren ihrer, ohne daß irgend ein anderer Weg hinzugeführt, oder sonst irgend ein natürlicher Umstand das erklärt hätte, viere geworden, und die beiden neuen (die übrigens mit ihren Uniformen eben so antik aussahen) schimmerten etwas verschossen grün mit roth, mit Tschako's und Litzen, aber ebenfalls mit Schirmen bewaffnet, und dieselbe Fußbekleidung tragend, als die ersten. Unser Zug hatte ein ungemein imposantes Aussehen, und dabei die unterwürfige Demuth, mit der sich Alle niederwarfen, die uns begegneten; man wäre zuletzt fast selber veranlaßt worden, sich für etwas Besseres als die übrigen Menschen zu halten – hätte man sich eben selber so schlecht behandeln wollen, sich etwas vorzulügen.

In Bandong blieb ich nur noch einige Tage im Hause des Herrn Vischer von Gansbeek, der mich wirklich mit außerordentlicher Herzlichkeit behandelte; es war eine recht liebe freundliche Zeit, die ich da oben in den Bergen verlebte. Gern wäre ich auch noch länger oben geblieben, und mehrere der holländischen Pflanzer und Beamten, die ich dort traf, luden mich auf das gastfreiste ein, sie auf ihren verschiedenen Besitzungen in verschiedenen Theilen des Landes zu besuchen, aber mich drängte es auch zu Hause, ich wollte mit dem nächsten deutschen Schiff, das nach Bremen abging, Java wieder verlassen, und dann durfte ich mich keineswegs mehr lange in den Bergen aufhalten. Meine Abreise beeilte überdieß noch ein Brief des Capitän Schmidt von der Wilhelmine, der mir schrieb, daß er in diesen Tagen segelfertig würde, und den ich noch einmal zu sehen wünschte.

In Bandong benützte ich indessen meine Zeit noch, etwas in den kleinen Läden und Verkaufsbuden umherzustöbern, um den Javanen eigenthümliche Kleinigkeiten aufzufinden und anzukaufen. Sie haben deren aber nur gar so wenig, ihre Waffen, ihre Khrise und Messer ausgenommen, die sie allerdings vortrefflich zu arbeiten verstehen. Nur von ihren Musikinstrumenten nahm ich mir einige mit. Außerdem fand ich noch etwas Eigentümliches, nämlich ledernes Kinderspielzeug, d. h. Rollpferde, aber klein, etwa sechs Zoll hoch, aus roher Karbauenhaut ausgeschnitten und gemalt. Diese Figuren stellen stets einen Reiter zu Pferd, in seiner alten javanischen Tracht, meist mit dem Khris an der Seite, vor, haben unter sich Bambusaxen und ebenfalls lederne Räder. Es ist das der erste, doch eigentlich noch wenig civilisirte Volksstamm, bei dem ich wirkliches Spielzeug für Kinder gefunden habe.

Unter ihren Arbeitern gibt es aber auch sehr viele »Vergolder und Lakirer,« die zu vielen Sachen in Anspruch genommen werden. Alle ihre Hüte z.B., die sie aus Bambus flechten, sind lakirt und manche über und über vergoldet – ihre Eßschachteln ebenfalls und manche andere kleinere Kistchen und Kasten, die sie verfertigen und ganz nett herzurichten wissen.

Am 9. Dezember Morgens wollte ich wieder nach Batavia und zwar zu Pferde aufbrechen, Herr Philippeau aber, der gerade an demselben Tage nach Tjanjor fuhr, seine Frau wieder abzuholen, bot mir auf das Freundlichste einen Sitz in seinem Wagen an, und mit allen fünf bis sechs Paalen gewechselten frischen Pferden erreichten wir das circa 40 Paalen entfernte Tjanjor in nicht ganz fünf Stunden.

Dort fand ich noch einen andern Reisenden, einen kranken englischen Maler, der weder Fahren noch Reiten aushalten konnte, und sich deßhalb von Kulis nach Batavia hinunter tragen ließ. Er sprach übrigens kein Wort, weder malayisch, noch holländisch, noch französisch, noch deutsch und mit einer von all diesen Sprachen wäre er zur Noth recht gut ausgekommen, sondern einzig und allein englisch und es war natürlich, daß er dadurch oft, krank und allein in einem fremden Lande, in Verlegenheit gerieth. Er kam von britisch Indien und hatte einen eingebornen Bengalesen bei sich, mit dem er sich halb bengalisch, halb englisch verständigte und dieser radebrechte auf ähnliche Art dann das ihm aufgetragene ins Malayische hinüber.

Ich möchte wissen, weßhalb die Engländer so selten und nur im äußersten Nothfall fremde Sprachen lernen. Die Amerikaner sind dann schon etwas besser, aber auch nicht viel. Wäre es Stolz oder Eitelkeit, wie es ihnen von manchen vorgeworfen wird, dann thäte es mir leid um sie selber, dazu hätte ich sie für zu vernünftig gehalten, denn der Mensch kann nie zuviel lernen. Die Fähigkeit dazu kann ihnen doch auch kaum fehlen, wenn es auch manchmal den Anschein hat; das einzige wäre vielleicht ihre grenzenlose – Bequemlichkeit in dieser Hinsicht (um nicht gerade Faulheit zu sagen) und die wäre dann beinahe ebenso wenig zu entschuldigen. In allen Ländern, wo ich bis jetzt noch gewesen, und in Allen habe ich das bestätigt gefunden, sind es gerade die Engländer, die sich mit der Sprache des fremden Landes am unbeholfensten zeigen, während der Franzose dagegen augenblicklich in Sprache und Sitte eingeht. Im Urtheil über ein fremdes Land würde ich deßhalb auch stets viel eher einem Franzosen, als einem Engländer glauben, denn der erstere sieht und erfährt selbst, während der letztere, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, das glauben muß, was ihm andere nicht erzählen, nein nach Erzähltem erst wieder übersetzen. Auch jener englische Offizier, ein sonst sicherlich vollkommen gebildeter junger Mann, sprach auch nicht eine einzige Sprache auf der weiten Gotteswelt, als eben nur sein Englisch, während der Amerikaner dagegen doch wenigstens einige verzweifelte Versuche in französisch machte. Der Malaye, den sie bei sich hatten, ebenfalls ein Indier, war der klügste von ihnen, und mußte dollmetschen. Welchen Genuß haben da die Leute vom Reisen, denn, lieber Gott, darin besteht ja doch auch kein Glück, daß ich bloß von der und der Stelle sagen kann, ich bin da gewesen und habe die Landschaft gesehen – ich will doch auch etwas darüber hören, selber hören, und mich nicht immer wie ein Taubstummer bloß mit Zeichen behelfen, und hin- und herstoßen lassen.

Von Tjanjor aus nahm ich Reitpferde, und durch die Güte des Residenten bekam ich es so eingerichtet, daß ich alle zehn Paalen frische Thiere bekommen konnte. Dadurch war ich im Stande, meine Reise viel rascher und leichter fortzusetzen, denn es ermüdet den Reiter nichts mehr, als wenn er ein müdes, abgerittenes Thier unter sich hat, und nun am Ende so viel mit den Hacken schlagen muß, als er in derselben Zeit zu Fuße gehen könnte. Gerade diese Strecke war dabei so wunderschön, daß ich sie viel lieber ritt, als in einem Wagen durchfuhr, wo mir die Seitenwände desselben doch einen Theil der Aussicht entzogen, wenigstens den Ueberblick sehr beschränkt hätten. Die Pferde, die ich bekam, waren ebenfalls ausgezeichnet, und ich kann mir, was mich selbst betrifft, wirklich kein angenehmeres Reisen denken, als auf einem muntern Pferd durch eine so wundervolle Gegend dahingaloppirend.

Meinen Mittag hielt ich in einer der gewöhnlichen javanischen Restaurationen, an einer jungen Cocosnuß, etwas trockenem Reis und Bananen. In der Ecke des Hauses, in dem ich saß, stand eine der gewöhnlichen Holzharmonika's und ich war noch nicht lange dort, als ein paar Lastträger mit ziemlich schweren Packen die Straße niederkamen und vor der Thür, einen Augenblick zu rasten, hinsetzten. Der eine von ihnen trat unter der Zeit ins Haus, setzte sich an die Harmonika und fing an mit ziemlicher Fertigkeit darauf zu spielen und der andere nahm eine Bambusflöte, die oben im Dach gesteckt hatte, herunter und begleitete ihn. Als sie das eine Weile getrieben, standen sie auf, schulterten ihre schwere Last wieder und marschirten weiter.

Noch ziemlich früh am Tage erreichte ich die Grenze der Preanger Regentschaften wieder, den Gipfel des Megamendong, und da ich von einem kleinen Bergsee gehört hatte, der hier oben, nicht weit vom Gipfel liegen sollte, beschloß ich diesen aufzusuchen. Ich ließ die Pferde an dem hölzernen Thor, auf der Polizeistation, und ging mit einem jungen Burschen, den ich mir als Führer mitnahm, nach dem See, dem Delaga Warna (die bunten Wasser), zu.

Von den Häusern aus stiegen wir erst noch eine kleine Strecke bergauf, dann aber ging es, einem ziemlich gut angelegten Pfad folgend, der wahrscheinlich der Trinkgelder wegen von der dort stationirenden Polizei unterhalten wird, etwa fünf bis sechshundert Fuß niederwärts und plötzlich brachte uns eine Biegung des Pfades bis dicht vor den See, der hier rings von hohen schroffen und dichtbewaldeten Felshängen umgeben, tief versteckt in dem dunklen Grün seiner Ufer lag. Der See befand sich wohl viertausend Fuß über der Meeresfläche und so still und lauschig war es hier in dem schattigen Halbdunkel der gewaltigen Vegetation, dem der Wiederglanz des Sees, von dem sich darin spiegelnden Firmament, eine ganz eigene fast magische Beleuchtung verlieh, daß ich meinen Führer zurückschickte, mich auf das weiche Moos- und Blattbett niederwarf, das wohl sechs bis acht Zoll dick den Boden bedeckte, und eine lange lange Zeit hier still zufrieden und träumend lag, unter den duftenden Bäumen.

Erst die höher steigende Sonne mahnte mich, daß ich heute noch einen langen Ritt vor mir habe, und ich machte mich wieder auf den Rückweg.

Nachmittags erreichte ich die Cochenille-Plantage des Herrn Grafen v. d. Bosch, etwa noch sechs Meilen von Buitenzorg entfernt. Schon der Anblick einer solchen Pflanzung mit den, in langen regelmäßigen Reihen gezogenen, wohl acht Fuß hohen Cactus ist eigenthümlich, und geht man wirklich selbst zwischen den Reihen umher – was jedoch nur in einzelnen zum Weg frei gehaltenen Pfaden mit Bequemlichkeit möglich ist, da die stachlichen Cactusarme sonst überall herüberreichen – so wird der Laie in diesem Zweig der Kultur gewiß wenig entdecken, was ihn zu der Ueberzeugung bringen könne, »er wandele zwischen Cochenille.« – Die Cactus stehen mit ihren halb abgestorbenen, oder wenigstens ergrauten und halbgrünen Blattzweigen oder Zweigblättern allem Anschein nach zu ihrem eigenen Vergnügen da, wie sich wohl jemand zum Spaß einen ganzen Garten von lauter Heckenreihen ohne Thüren anlegen könnte. Auf vielen Blättern klebt aber ein weißer Staub, als ob in der Nähe Mehlsäcke ausgeschüttelt wären, und in diesem Staub findet man, wenn man näher dazu hintritt, kleine Insekten von der Größe einer Linse etwa, und der Gestalt eines etwas aufgeblasenen Holzbocks, die fest und ruhig ohne die geringste, mit bloßem Auge sichtbare Bewegung an dem Blatte saugen. Diese Thiere nun geben die Cochenille und haben, wenn man sie mit dem Finger oder zwischen Papier zerdrückt, eine dunkelrothe Farbe, wie der Saft einer sauren Kirsche ungefähr.

Ihr Sammeln geschieht mit kleinen Bambusbechern, an deren einer Seite ein etwas längeres, etwa zollbreites und oben glatt geschärftes Stück stehen gelassen ist, mit dem dieß Insekt nur berührt oder von dem Cactusblatt abgehoben wird, und dann von selber in den Bambus hineinfällt.

Die Sammler, die ebenfalls für die Regierung eine Art Frohnarbeit thun, bekommen die eingelieferten Insekten nach dem Gewicht bezahlt.

Nichts ist übrigens einfacher, als das Gewinnen und Zubereiten dieses Produkts, denn in vier und zwanzig Stunden kann es gesammelt und zur Verpackung vollkommen fertig seyn. Die Thierchen werden durch künstliche Hitze nämlich zugleich getödtet und gedörrt und dann nur in die für sie bestimmten Blechkasten zur Aufbewahrung geschüttet.

Das Trockengebäude, wie man es nennen könnte, das unter der Aufsicht eines Deutschen, eines Herrn Meier aus der Rheingegend her, steht, ist vortrefflich eingerichtet. Zwei gewaltige Oefen befinden sich an dem einen Ende und lange Eisenröhren leiten die Hitze an beiden entgegengesetzten Wänden hin bis zum andern.

Ueber dieser Röhre nun sind in verschiedenen, backofenähnlichen Abtheilungen Gefache angebracht, in welche flache offene viereckige Schieber, die aussehn wie die Kasten einer Mineraliensammlung, hineingeschoben werden. Ein oben ausgehender Luftzug verstattet den aus den Thieren durch die Hitze gezogenen Dünsten freien Abzug. Die Hitze, welche die Thierchen augenblicklich tödtet und in wenigen Stunden vollkommen austrocknet, wird ziemlich gleichmäßig auf 180 Grad unterhalten.

Wie viel Tausende von Leben werden hier solcher Art zerstört, nur um eine Farbe zu erhalten.

Herr Graf v. d. Bosch hat auch noch außerdem eine Theeplantage, und wenn ich nicht irre Kaffee- und Zuckerpflanzung, doch da ich die ersteren schon in den Preranger Regentschaften, die andern in Louisiana gesehen hatte, begnügte ich mich dießmal mit der Cochenille, über die mir Herr v. d. Bosch auf das Freundlichste noch Manches mittheilte.

Die schweren Regen machen es hier für die Cochenillepflanzungen ziemlich schwierig, die Zucht der kleinen Insekten mit gutem Erfolg zu betreiben, da sie die Thiere, wenn die Pflanzen mit ihnen reich bedeckt sind, häufig auf den Boden niederwaschen, wo sie natürlich verloren gehn. Die Pflanzer sind deßhalb gezwungen gerade über solche Stellen, wo sie ihre Haupternte erwarten, lange schmale Verdachungen zu machen, die in den einzelnen Reihen hinlaufen und von einer Stelle zur andern geschoben werden können. Dadurch sichern sie allerdings die Thiere, aber haben auch wieder unendliche Arbeit und sehr viele Kosten, denn es läßt sich denken, welche ungeheure Quantität von Schiebdächern dieß erfordert. Wie ich höre soll man in letzter Zeit, das etwas zu vereinfachen, auf einen neuen Plan gefallen seyn, die Stämme nämlich, oder vielmehr die Zweige der Pflanze, auf denen sich die meisten Thiere befinden, abzuschneiden und unter einen einzigen vollkommen überdachten Raum zu bringen. Bis der Zweig dann abgestorben ist haben die Thiere auch ihre gehörige Reife erlangt und können abgenommen und getrocknet werden.

Etwa fünf oder sechs Paalen von dieser Plantage, die glaub' ich Ponto Gedee genannt wird, ist in neuerer Zeit eine Pensionsschule für Knaben errichtet worden, die schon recht besucht und vortrefflich eingerichtet seyn soll. Ich wäre gern einmal hinübergeritten, wenn es mir nur meine Zeit erlaubt hätte.

Erst gegen Abend verließ ich die Plantage wieder, das etwa sechs Paalen entfernte Buitenzorg noch zu erreichen.

Von Buitenzorg hatte ich gehört, daß hier ein Javane wohnen sollte, der all die Wohnungen, Beschäftigungen und Geräthschaften seiner Landsleute, auf das niedlichste und zierlichste in Modellen, von Bambusholz und Horn, nachahmte, und ich ging am nächsten Morgen dort hin, diesen aufzusuchen. Glücklicherweise hatte er einen ziemlichen Vorrath fertig, und ich sah hier wirklich Arbeiten wie ich sie von den sonst so indolenten Eingeborenen kaum erwartet hatte. Zuerst standen hier alle nur möglichen Arten von Häusern und Gebäuden, Schuppen und Reisfelderhütten, allerliebst von dem Originalstoff, meist Bambus mit den Fasern der Arenpalme gedeckt, ausgeführt. Ebenso dann alle Arten ihrer Musikinstrumente – alle Arten ihrer Körbe, Sirih und Frucht-, Restaurations- und Kochkörbe, wie sie damit täglich in den Straßen herumlaufen; ihre Ochsenkarren und Joche, ihre Pflüge, Hacken, Beile, Messer, ganze Schmiedewerkstätten mit all dem eigenthümlichen Geschirr – die Webstühle und Garnwickler, ihre kupfernen Reiskocher und irdenen Heerde, kurz Alles Alles getreu der Form und Gestalt nach, nur im Kleinen, hatte der braune Bursche da mit höchst mittelmäßig aussehendem Werkzeug nachgeformt, und es sah gar zierlich und allerliebst aus wie es so da stand. Hätte ich Geld genug gehabt, ich hätte ihm die ganze Sammlung abgekauft, denn im Verhältniß zu der Arbeit war es nicht einmal theuer, so mußte ich mich aber damit begnügen mir nur einzelne Kleinigkeiten, die mir besonders gefielen, herauszusuchen. Er soll mit diesen Arbeiten, was ich auch gern glaube, recht gute Geschäfte machen.

Einen Spaziergang in den botanischen Garten, in der freundlichen Begleitung des Herrn Teismann selber – der sich hier wirklich außerordentliche Verdienste erworben hat – konnte ich mir auch nicht versagen, und ich verbrachte dort eine höchst angenehme Stunde. Die Regierung beschäftigt in diesem Augenblick in dem Garten einen jungen Maler, der daran arbeitete, alle javanischen Pflanzen und Gewächse mit ihren Blüthen und Früchten und natürlichen Farben aufzunehmen. Hoffentlich wird die Regierung diese Sachen dann auch später veröffentlichen lassen; die einzelnen Pflanzen sind, wenigstens was ich davon gesehen habe, vortrefflich ausgeführt und würden sicherlich von allen Freunden der Botanik mit Jubel begrüßt werden.

Ein Baum interessirte mich hier besonders, der, zum Akaziengeschlecht gehörend, eine kleine allerliebste rothe Bohne oder Beere trug, der botanische Name ist glaub ich Adenanthera Pavonia, die Eingeborenen nennen die Beere Saga Hayve und sie wachsen in langen Schoten. Der Baum erreicht eine stattliche Höhe und diese Frucht hat etwa die Größe einer starken Erbse, ist aber glatt wie ein kleines Herz gestaltet, dunkelpurpurroth und so hart wie Stein. Sie sieht fast aus, wie aus Achat geschnitten und soll schon in einzelnen Fällen von Damen als Besatz auf Kleidern benutzt seyn.

Oben in den Gebirgen wie weiter unten im flachen Lande wachsen sie gar nicht, und in den Bergen von Java, wurde mir gesagt, benutzen sie die Javanen als eine Scheidemünze von geringerem Werth als die Deute. Sie sahen allerliebst aus, und ich ließ mir eine kleine Quantität von Kindern sammeln.

Mittags, im Hotel machte ich, durch Herrn Obrist Steinmetz, der sich ebenfalls auf daß Freundschaftlichste gegen mich gezeigt hatte, die Bekanntschaft des Inspektors der Culturen, Herrn Umbgrove der eben im Begriff war nach Batavia zu fahren. Er bot mir, als er hörte daß ich ebenfalls dorthin wollte, einen Sitz in seinem Wagen an, was ich mit Dank annahm, und Nachmittags vier Uhr befand ich mich schon wieder in der Residenz.

Meine Sachen kamen indessen durch Kulis, die ich in Bandong gemiethet und in Tjanjor und Buitenzorg gewechselt hatte, am nächsten Tag hinter mir her.

Den Capitän der Wilhelmine traf ich noch in Batavia, er war mit seiner Ladung allerdings fertig, hatte aber noch einige Leute im Hospital, die er nicht zurücklassen wollte, und war dadurch aufgehalten worden.

Ich zog übrigens nicht wieder in das Hotel der Nederlanden, da ich schon nach Bandong hinauf durch Herrn Gustav Kinder, einem hiesigen Kaufmanne, eine sehr freundliche Einladung bekommen hatte zu ihm zu ziehn, und die Zeit meines Aufenthalts in Batavia bei ihm zu bleiben. Herr Kinder hatte sich erst kürzlich mit einer jungen Bremerin verheirathet und wohnte draußen auf Cramat, etwa vier Paalen von Batavia, und wohl der gesundesten Lage der Stadt. Wie angenehm für mich selber der Aufenthalt bei Deutschen, von denen ich auf das herzlichste aufgenommen war, seyn mußte, läßt sich denken, und ich verlebte auf Cramat recht freundliche Tage.

Herr Kinder ist übrigens dem deutschen Publikum auch wohl in literarischer Hinsicht nicht unbekannt, denn er hat in der »Literatur des Auslandes« einige sehr interessante und sehr treue Schilderungen hiesiger Verhältnisse gegeben, die er hoffentlich auch in späterer Zeit fortführen wird.


 << zurück weiter >>