Friedrich Gerstäcker
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Friedrich Gerstäcker

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5. Der Jagdzug.

Dienstag den 25. November wollte ich endlich meinen langbeabsichtigten Jagdzug in die ihres Wildes wegen berühmte Bandong-Ebene unternehmen, der Regent von Bandong hatte aber versprochen, mir ein Pferd und einen Führer mitzugeben, der mich gleich zu den besten Plätzen führen konnte, und das sollte heute erst in Ordnung gebracht werden. Am nächsten Morgen, mit Tagesanbruch war ich gerüstet, mein Führer ließ ebenfalls nicht warten, und wir trabten frisch und fröhlich in die kühle herrliche Morgenluft hinaus.

Bist Du selber ein Jäger, lieber Leser, dann brauch' ich Dir nicht zu beschreiben, wie mir an dem Morgen zu Muthe war, wie ich mich los und ledig jeder Fessel, jeder Sorge, jedes Gedankens fühlte, der mich von der fröhlichen Jagdlust hätte abhalten können, und die Büchse vorn auf dem Sattelknopf, mit einem auch wahrlich nicht zu beschreibenden Gefühl die frische balsamische Luft einathmete; bist Du aber kein Jäger, dann könntest Du's auch nicht begreifen, und schrieb ich Dir bändelange Aufsätze darüber. Und ich glaube, ich würde es auch nicht begreifen können, wenn ich nicht selber die Lust und Liebe zur Sache in mir fühlte, wie vernünftige Menschen das bequemste und behaglichste Leben, die trockenen, warmen Stuben verlassen, und muthwillig in Nässe und Kälte auf gethauten Sturzäckern und in häßliche, schlagende, triefende Büsche mit einem schweren Schießeisen auf der Schulter, nicht Stunden, nein, ganze Tage lang hinauslaufen können, um ein armes Stück Wild, vielleicht nur einen erbärmlichen Hasen, ein Rebhuhn, todtzuschießen, von dem sie nachher am Ende noch nicht einmal den geringsten Nutzen, das kleinste Vergnügen haben, als es vielleicht noch ein paar Stunden mit sich herum zu schleppen.

Raimund in seinem »Verschwender« besingt das allerliebst durch seinen Valentin:

Früh um drei Uhr ist die Stund
Für die Jäger und für die Hund
Und dann laufen's wie besessen
Ohne en einz'gen Bissen z'essen
Durch die Berge und die Waldung –
Und das nennen's en Unterhaltung.

Aber lieber Gott, wo komm ich hin, ich galoppire ja frisch und fröhlich in das wundervolle, thaugeschmückte und funkelnde Grün hinaus, und vor meinen Blicken öffnet sich eine Landschaft, die man wohl mit staunenden, freudetrunkenen Blicken betrachten, der man aus übervoller Brust zujauchzen, die man aber nun und nimmer mit kalten, todten Worten beschreiben kann. Und hinter mir mein Begleiter? – Als ich mich nach ihm umsah, hatte er sich vervierfacht, und außerdem liefen auch noch ein paar Jungen mit Gewehren und anderen Sachen bepackt, neben uns her. Gehörten die zu uns? mein Urführer, wenn ich ihn so nennen darf, nickte freundlich grinsend mit dem Kopf, als ich ihn darnach fragte, und tröstete mich mit der Versicherung, »es kämen noch mehr.« Was um des Himmelswillen sollten wir mit all den Menschen, wir wollten nicht treiben, und zum Pirschen brauchte ich doch keine »wilde Jagd.« Doch darüber gedachte ich mir jetzt den Kopf nicht zu zerbrechen, kam Zeit kam Rath, und frisch und fröhlich ritt ich weiter, die ebene, menschengefüllte Straße entlang, am Fuß der Berge hin, die mit ihren blauen nebelgeschmückten Kronen freundlich und grüßend zu mir hernieder nickten, durch fruchtbare Reisfelder und reizendgelegene Kampongs, bis wir endlich an einen kleinen, aber durch die letzten Regen zum Strom angeschwellten Fluß kamen, an dem Massen von den gewöhnlichen Ochsenkarren, welche sämmtliche Produkte aus den Gebirgen nach den Hafenplätzen hinunter führen, geduldig warteten, bis die Reihe der Ueberfahrt an sie kommen würde. Die Ueberfahrt wurde mit Canoes bewerkstelligt, immer zwei und zwei waren aber, etwa vier oder fünf Fuß von einander entfernt, zusammen befestigt, und mit dicht und stark geflochtenen Bambusstreifen so belegt, daß sie ein festes Ganze bildeten. Der Bambus hat, durch seine Elasticität gerade, eine merkwürdige Zähigkeit, und kann in solcher Art wirklich bedeutende Lasten tragen.

Ich setzte mit meinem Führer und noch zwei Andern zuerst über, und kümmerte mich dann wenig darum, ob die Andern nachkämen.

Nicht lange darnach passirten wir ein kleines Städtchen, gerade wie Tjanjor und Bandong angelegt, mit einer Masse der eigenthümlich gestalteten »Baumwollen- oder Kapas-Bäume« wie sie die Eingebornen nennen. Dieser Baum hat in so fern eine merkwürdige Form, als er, zu den Laubbäumen gehörend und mit einer Rinde etwa wie unser Ahorn, seine Zweige in förmlich wagerechter Richtung vom Stamme absendet, daß sie manchmal wie daran genagelten, mit Laub dürftig behangenen Leisten gleichen. Der Baum bekommt dadurch in der Entfernung etwas nadelholzähnliches, noch dazu da er genau so gestaltete Früchte trägt, wie die Tannzapfen. Diese Früchte enthalten eine seidenweiche, aber sehr kurze und zum Spinnen sich nicht wohl eignende baumwollenartige Flockenmasse, die von den Inländern zu Kopfkissen und Matrazen benutzt wird.

Mein Begleiter hielt hier an und schien nicht übel Lust zu haben, ein zweites Frühstück zu sich zu nehmen, wenn er überhaupt schon etwas gegessen hatte, ich war aber keineswegs gesonnen hier, unter einem zusammengelaufenen Troß neugieriger braunen Burschen lange halten zu bleiben, sprang also wieder in den Sattel und sprengte weiter. Der Andere mußte wohl oder übel mit, und als ich mich nach etwa einer halben Stunde einmal umsah, hatte ich mehr als zwanzig Menschen hinter mir, von denen die Hälfte zu Pferd war, die andern aber spornstreichs zu Fuß hinten drein klapperten. Gehörten die Alle zu mir?

Um elf Uhr etwa erreichten wir einen, neun Paalen von Bandong entfernten kleinen Hügel, der wunderbarer Weise, etwa zweihundert Fuß hoch, total abgeschnitten von den übrigen Bergen, und von allen Seiten gleich spitz zulaufend, in der Ebene steht und diese vollkommen beherrscht. Oben auf seinem Gipfel sind ein paar kleine Bambushütten gebaut, und der Ort sieht malerisch genug aus. Daran hin, vielleicht noch einen halben Paal weiter, kamen wir zu ein paar kleinen Bambushäusern, die gewissermaßen zu gleicher Zeit eine Art inländischer Restaurationen bildeten, und wo wir für kurze Zeit unseren Aufenthalt nehmen, oder die doch jedenfalls den Mittelpunkt unserer Jagd bilden sollten.

Die Pferde wurden abgesattelt und gefüttert, und uns selber stand, wenigstens das letztere, ebenfalls bevor, denn die Frau des Hauses breitete in der kleinen Verandah gleich frische Matten aus, und zeigte sich mit ihrer Tochter auf eine solche Weise in der Küche oder Wohnstube, wie man nun will, geschäftig, daß sich das Außerordentlichste erwarten ließ. Schüsseln kamen auch bald genug, Reis, Kartoffeln, gebratene Hühner, Eier, jungen Zucker, Kaffee, eine Art Reiskuchen und verschiedene Arten Gras und Blätter, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu den größten Delikatessen gehörten, denen ich aber dennoch keinen Geschmack abgewinnen konnte.

Der Ritt in der frischen Morgenluft hatte mich übrigens hungrig gemacht, und ich langte herzhaft zu. Es ist dabei Sitte, daß der Europäer zuerst ißt – wenn er auch der einzige Europäer wäre, wie es hier der Fall war, es hilft nichts, er muß sich allein zu Tisch setzen, und sein ihm Vorgesetztes hinter kauen, die Andern sehen ihm unter der Zeit nach dem Munde, und bekommen nachher das Ihrige vorgesetzt wie die Hunde – auf die Erde nämlich, freilich auf Matten, wo sie darüber herfallen, wie die jungen Wölfe.

Mir war das in der Seele fatal – ich hasse ohnehin diese Entwürdigung des Menschen, aber auf der Jagd war es mir doppelt zuwider. Zum Henker noch einmal, es ist das ja der einzige Platz, wo selbst in Deutschland ein klein wenig Egalité unter die Menschen kommt, (wenn auch nicht an allen Stellen) und hier sollte und mußte der strenge Unterschied noch starrköpfig gehalten werden? – In der freien fröhlichen Luft, wo Gott auf alle seine Kinder in gleichem Maße seine Sonne niederscheinen läßt, sollte man den Standesunterschied, der hier nun besonders in der Farbe liegt, am ersten fallen lassen. Aber Gott bewahre – hier erst recht nicht, und der braune Mensch muß fühlen, daß sich seine Haut noch im Naturzustande befindet und auf den Grenzen unter »Roh-Produkten« versteuert werden würde, während der Weiße, mit seinem sauber gebleichten Fell sich gerade mit demselben Recht brüstet, mit dem sich weißer Zwirn vor schwarzem brüsten könnte.

Ich rief die alten Malayen – anständig und ordentlich aussehende Burschen – sich mit mir an den Tisch zu setzen und mit zu essen, es war das auch gewissermaßen eine Art Egoismus von mir selber, denn es hätte mir viel besser geschmeckt – aber Gott bewahre – die alte, von Kindheit eingebläute Scheu stak ihnen viel zu sehr in den Knochen, als daß sie sich dazu hätten entschließen können. Sie blieben auf der Erde und ich mußte sie gewähren lassen.

Allerdings hatte ich nun beabsichtigt, gleich nach Tisch eine kleine Jagdparthie zu machen, denn wir befanden uns dicht am Jagdgrunde; wie mir die Leute sagten, konnte ich schon zweihundert Schritt von dort zum Schuß kommen und brauchte nur von der Straße hinunter ins flache Grasland, einer mit Schilf und hohem Gras ziemlich dicht bewachsenen Ebene niederzusteigen, es fing aber gleich nach dem Essen an zu regnen, und wir zogen es deßhalb vor, zuerst eine kleine Siesta zu halten und dann zu sehen, wie sich das Wetter unter der Zeit gestaltet haben würde.

Der Regen hielt übrigens länger an als ich geglaubt hatte, und erst gegen Abend hellte es sich wieder auf, das war aber gerade die beste Jagdzeit, und ich schulterte meine Büchse und wollte eben über die Straße hinüber gehen, als Einer der Malayen auch schon mit meinem Pferd fertig gesattelt und aufgezäumt herankam, und mir sagte, ich möchte aufsteigen da »sehr viel Wasser« in der Ebene wäre, und ich sonst naß werden würde. Daß ich naß werden würde, wußte ich schon im voraus, und ich brauchte deshalb nicht gerade sehr ängstlich zu seyn, da ich aber den wirklichen Jagdgrund doch noch immer weiter entfernt glaubte, als mir die Leute angegeben hatten, – (ich konnte mir nicht denken, daß die Hirsche bis so nahe an die Wohnungen hinankommen sollten, wenn sich auch einmal ein einzelner dorthin verlaufen haben mochte) benützte ich das Pferd, das mich ja dann auch rascher an Ort und Stelle brachte. So sprang ich in den Sattel, bat den Malayen voranzureiten, und galoppirte auf meinem munteren Thiere hinter ihm her. Erst durch ein paar noch nicht gepflanzte Reisfelder hindurch, in denen aber hie und da Wasser stand, und wo die Pferde nur schwer an den steilen, terrassenartigen und oft wirklich hohen Abstufungen hinunter konnten, betraten wir gleich darauf den »Sumpf« in welchem allen Aussagen nach, so ungeheuer viel Wild stehen sollte.

Im vorigen Jahre hatte der General-Gouverneur an dieser Stelle einem großen Treibjagen beigewohnt, bei dem über acht oder neun hundert Stück Wild nicht etwa geschossen – sondern niedergemetzelt seyn sollten. Die Treibjäger werden hier nämlich auf besondere Manier gehalten. Die Europäer und Häuptlinge der Eingeborenen bringen allerdings ihre Gewehre mit, und werden dann in dieser Ebene auf hohe und auf vier Bambusstangen ruhende Hütten hineinpostirt, wo sie gegen Sonne und Regen ziemlich geschützt sind, und das flache Land weit hin übersehen können, die Hauptjäger, wenigstens die von denen das meiste Wild erlegt wird, sind aber die Treiber, meist alle zu Pferd, mit ihren langen Klewangs oder Schwertern. Sie treiben das Wild nicht, sondern sie jagen es auf und verfolgen es, und immer dabei eine Richtung, nach den Schützen zu, im Auge behaltend, mit ihren Pferden. Diese Thiere sind meist schon vollkommen auf solche Jagd abgerichtet, und hetzen die aufgescheuchten Hirsche wie Hunde, ja beißen nach ihnen, wenn sie sie erreichen können und der Malaye zerfleischt indessen mit seinem scharfen langen Klewang das flüchtende Wild, haut ihm die Flechsen entzwei oder das Rückgrat und läßt es, wenn er sieht, daß es nicht mehr entweichen kann, liegen und verenden, einem andern noch gesunden nachzustürmen. Was den Schützen dann zum Schuß kommt, auf das wird, von den Bambusgestellen niedergeblafft und es haben mich Mehrere, die solchen Jagden einmal beigewohnt, versichert, es sey oft förmlich lebensgefährlich so zwischen einer Unzahl meist höchst mittelmäßiger und ungeübter Schützen, die alle geladene Kugelbüchsen in den Händen haben und nach jeder Richtung hin abschießen, gewissermaßen »auf dem Stengelchen« zu sitzen und die Kugeln um sich herum pfeifen zu hören. Unglücksfälle kommen denn auch gar nicht so selten, aber doch noch seltener vor, als man unter solchen Umständen eigentlich vermuthen sollte.

Etwa zwei bis drei hundert Schritt von der Straße erreichten wir einen kleinen, vielleicht acht Schritt breiten aber bis zum Rand gefüllten Steppenbach, der durch die Regen angeschwellt, seine gelbliche Fluth ungeduldig durch hohes ihn einfassendes Schilf hindurchdrängte. An der andern Seite desselben, wo das sich etwas lichtende Schilf gerade eine freiere Aussicht auf die Ebene gewährte, sah ich das erste Geweih, das plötzlich aus dem Gras auftauchte, im nächsten Moment aber auch schon in dem dichten Schilfwuchs verschwunden war. Es mußte ein starker Hirsch gewesen seyn.

Jetzt erwachte aber auch meine Jagdlust mit der alten Stärke wieder, und meinem Pferdchen die Hacken in die Seite setzend, sprengte ich an dem kleinen Wasser hin, vielleicht eine seichtere Furth zu finden und hindurchzukommen, denn nicht mit Unrecht vermuthete ich, daß ich auf der andern Seite eher als auf dieser das meiste Wild antreffen würde.

Ich fand aber keine Furth und meinen Malayen, der sich dicht an meiner Seite hielt, fragend, versicherte mich dieser, einen seichteren Platz fände ich in der ganzen Ebene nicht und wir gingen am besten gleich hier durch – der Grund sey aber sehr schlammig und die Pferde würden, wenn wir darauf sitzen blieben, zu tief einsinken. Das hieß so viel als »steig ab« ich war auch rasch genug aus dem Sattel und im Wasser drin. Die Büchse mit einer Hand über dem Kopf haltend und mich mit der andern an den einzeln Schilfbüschen stützend, auf deren Wurzeln ich auch einen etwas sichereren und festeren Halt hatte, versuchte ich den Uebergang und kam wirklich nun bis etwa unter die Arme eingeweicht, glücklich hinüber. Es war doch gut, daß ich ein Pferd mitgenommen hatte. Mein Begleiter folgte mir ebenfalls zu Fuß; was er mit den Pferden angefangen, wußte ich nicht, bekümmerte mich aber auch nicht weiter darum, denn kaum zweihundert Schritt von mir entfernt sah ich drei andere Geweihe aus dem Grün der Ebene auftauchen und neben ihnen noch das aufmerksam gespitzte Gehör mehrerer Thiere.

Dem Malayen ein Zeichen gebend, duckte ich mich nieder, rasch noch etwas näher anzuschleichen, als plötzlich ein entsetzliches Plätschern im Wasser solchen Spektakel machte, daß ich mich selber erstaunt darnach umsah, weil ich nicht anders glaubte als ein ganzes Rudel Hirsche durch den Bach setzen zu sehen. Aber Gott bewahre, es war Niemand als der ganze unzählbare Schwarm von Malayen der, ohne daß ich darauf geachtet hatte, hinter mir drein gekommen war, und sich jetzt ebenfalls pflichtschuldigst durch einen Bach in dem sie nicht das mindeste verloren hatten, bemühten an die andere Seite zu kommen. Ein Blick nach dem Wild überzeugte mich bald, daß dieses, so schon aufmerksam, durch den Heidenlärm im Wasser, natürlich verscheucht war, und ich konnte eben nur noch sehen, wie es in langen gewaltigen Sätzen manchmal aus dem hohen Grase heraus sichtbar wurde, und dann wieder darin verschwand.

Ich machte meinem Ingrimm vor allen Dingen einmal in einer unbestimmten Anzahl deutscher und englischer Flüche Luft, die auch eben denselben Nutzen hatten als wenn sie im reinsten Malayisch abgeliefert worden wären, denn die Burschen standen ganz verblüfft da, sahen einander an und wußten nicht ob sie zurück oder vorwärts gehen sollten. Da dieß aber natürlich nicht genügte, stellte ich mich vor sie hin und machte ihnen begreiflich, daß sie gerade an der Stelle wo sie sich eben befanden, ruhig, alle mit einander niedersetzen sollten, und keiner von ihnen seine Stelle verlassen möge. Meinen Führer bat ich dabei die Aufsicht zu übernehmen und hoffte auf diese Art die ganze Bande los zu seyn, denn jetzt, wo ich einmal an Ort und Stelle war, brauchte ich wahrhaftig keinen der langweiligen Gesellen mir die Jagd zu verderben, und Nutzen konnten sie mir doch nicht bringen. Das in Ordnung sah ich nach meiner Büchse, ob Alles noch in gutem Zustand sey, warf einen Blick auf die umliegenden Berge, von denen die Ebene vollkommen eingeschlossen war, um mich hinsichtlich meiner Richtung ein wenig zu orientiren, und strich dann aufs gerathewohl in die Steppe hinein, irgend einem andern Rudel, oder am liebsten einem einzelnen Hirsch zu begegnen.

Aber lieber Gott, welche Anzahl von Hirschen – gar nicht lange dauerte es, so sah ich rechts wohl zwanzig oder fünf und zwanzig Stück stehen, und als ich dorthinzu wollte und nur noch einen Blick um mich her warf, wurde links, noch näher zu mir, ein anderes Rudel sichtbar. Da die Steppe oder der Sumpf dorthin etwas offener das heißt das Gras, was vor der Regenzeit hier wahrscheinlich abgebrannt worden, etwas niedriger war, und ich leichter und schneller hinter einzelnen stehengebliebenen Büscheln desselben fortschleichen konnte, bemühte ich mich, diesen letzteren anzukommen.

Ueberall stand Wasser, bald in kleinen flachen Puhlen, bald in größern Lachen, die hinderten mich aber sehr wenig, denn meine Füße wurden nicht mehr naß. So vollkommen gedeckt und so geräuschlos war ich dabei, noch dazu mit gutem Winde auf das Wild zugeschlichen, daß ich fest überzeugt war es könne mich nicht wittern und ich müsse dießmal gut zum Schuß kommen.

Unbegreiflicher Weise setzte es aber, als ich auf kaum zweihundert Schritt heran war, schreckend weiter und zu gleicher Zeit glaubte ich auch hinter mir Geräusch zu hören – ich sah mich um und richtig – dicht hinter mir kroch mein unausweichlicher Begleiter und etwa hundert Schritte weiter zurück kam in dem unschuldigsten Gänsemarsch von der Welt die ganze übrige Schaar meiner unverdrossenen Quälgeister, aufrecht aus dem Gras vorragend wie die Stöcke.

Das war nun ein Pirschgang, mit sechzehn oder achtzehn Vogelscheuchern hinten her, – was sich die Menschen bei dem Allem gedacht haben, wozu sie glaubten, daß sie gut wären und was überhaupt ihre Absicht gewesen seyn mochte, mich auf eine solche Art zu begleiten, weiß nur Gott. Es konnte auch nicht gut Neugierde seyn, denn sie wählten sich keineswegs sehr vorragende Plätze aus, von wo aus sie den Jagdgrund hätten übersehen können, sondern blieben eben in einer einzigen ununterbrochenen Linie, Einer immer hinter dem Andern, und unermüdlich dabei meiner Spur folgend.

Ich hatte dießmal übrigens keine Zeit ihnen Grobheiten zu sagen, denn ein starker Hirsch, vielleicht der Führer dieses Rudels that sich, als die übrigen aufgescheucht wurden, von ihnen, möglicher Weise zu recognosciren ab, und trollte, den scheuen Kopf dabei stolz zurückgeworfen, während er nach dem mir folgenden Schwarm hinüberäugte und mich, da ich mich tief in das Gras hineindrückte, gar nicht bemerken konnte, in einem Halbkreis um mich her, sich mir aber etwas dabei nähernd, und blieb dort, wo er auf einer etwas höheren Stelle einen vollkommenen Ueberblick über den anrückenden und vermutheten Feind hatte, halten.

Jetzt war meine Zeit, die Entfernung betrug circa noch 150 Schritt, also vortreffliche Schußweite, ich zielte vorsichtig, drückte ab, und beim Schuß richtete er sich hoch auf die Hinterläufe, that vier oder fünf Sätze, und drängte dann hin und her taumelnd durch das dort höher werdende Gras, während die Malayen plötzlich ein wahrhaft heidnisches Freudengeschrei erhoben. Mein Begleiter begnügte sich aber nicht allein damit, sondern riß seinen Klewang aus der Scheide und setzte, trotz meinem Rufen ihn zurückzuhalten, wie ein schlecht dressirter Jagdhund über und durch alle vor ihm liegenden Hindernisse fort, der Stelle zu wo der Hirsch, den wir jetzt nicht mehr sehen konnten, wahrscheinlich gestürzt seyn mußte.

Als ich wieder geladen hatte und ihm gefolgt war fand ich ihn bei dem verendeten Stück Wild, dem er, ich weiß nicht weßhalb, in der Gegend der Kehle ein Stück von vier bis fünf Pfund Fleisch, mit der Haut, herausgeschnitten hatte.

Ich ließ jetzt meine Verfolger, denn so konnte ich die Bande wohl nennen, bei dem erlegten Stück Wild zusammenkommen, bedeutete sie es aufzubrechen und nach dem Haufe zu bringen und sich heute Abend nicht wieder hier draußen sehen zu lassen. Mein Begleiter sollte bei ihnen bleiben und ich wollte dann, wenn es dunkel würde, allein nachkommen.

Das ließ sich Alles recht schön sagen, aber schwer ausführen, mein Begleiter war nun einmal unter keinerlei Umständen von mir zu entfernen; er ließ sich Alles befehlen, schien mit Allem einverstanden, und trieb die Leute zur größten Eile an daß sie machen sollten mit dem Wildpret zu Haus zu kommen, damit wir davon heute Abend noch zu essen bekommen konnten. Was ihn aber selber betraf, so wankte und wich er nicht von meiner Seite, und der Regent mußte ihm wahrscheinlich den speciellen Befehl ertheilt haben, mich unter keiner Bedingung aus den Augen zu lassen, damit ich mich vielleicht nicht verirrte, oder auf andere Art zu Schaden käme. Seinem späteren Betragen nach schien mir das wenigstens das wahrscheinlichste.

Als ich die Leute dermaßen beschäftigt wußte, bog ich links von da ab, wohin das letzte Rudel gestoben war, diesem vielleicht wieder zu begegnen oder ein anderes anzutreffen, gerade mit Sonnenuntergang sah ich auch wieder einen einzelnen jungen Spieser stehn, schlich mich an und mußte ihn gut getroffen haben, denn er zeichnete und auf der Fährte fand ich gleich nach dem ersten Satz starken Schweiß.

Zwei von den übrigen, und zwar die beiden welche unsere Pferde führten, waren uns indessen doch nachgekommen, mein Begleiter (der übrigens, wie ich jetzt gehört hatte, von den andern Lubang genannt wurde und den ich auch künftig, der Bequemlichkeit wegen so nennen will) ließ Einen von diesen die Pferde halten und den Andern der Spur nachgehen, das angeschossene Stück Wild aufzufinden und am andern Morgen früh einzubringen.

Wir selber gingen, da es nun zu dämmern anfing, der Straße wieder zu; ehe wir diese übrigens erreichten, kam ich zum dritten Mal, ebenfalls auf einen sehr starken Hirsch zum Schuß, es war aber schon in der Zeit dämmerig geworden, obgleich noch vollkommen hell genug zum Schießen und ich fehlte diesen. Ich nahm wahrscheinlich zu starkes Korn und überschoß ihn.

Den zweiten bekam ich übrigens ebenfalls nicht, der Mann sagte am Abend er hätte ihn nicht gefunden, er wird aber wohl gewußt haben was aus ihm geworden ist, denn als ich einige Tage später wieder an dieselbe Stelle kam, fand ich den Ort wo sie ihn aufgebrochen hatten. Die Eingebornen essen das Hirschfleisch leidenschaftlich gern, besonders getrocknet, und das sogenannte Ding-Ding, was sie daraus bereiten, ist auch wirklich vortrefflich.

Es fing jetzt wieder an zu regnen und wir stiegen deßhalb zu Pferd und ritten rasch zu Haus, wo wir die Kleider wechselten, ein indessen vortrefflich verbranntes Stück Wildpret, mit den übrigen Zugaben von Reis, Gras und Blättern verzehrten und uns dann in »unsere Gemächer« zurückzogen.

»Unsere Gemächer« bestanden hier aus einem etwas abgesonderten Bambushaus oder Schuppen, in welchem für mich aber ein besonderes kleines Zimmer durch vorgehangene Tücher und Sarongs, wovon sogar ein oben übergespanntes die Decke bildete, hergerichtet war. In diesem lag meine Matraze und zwei Kopfkissen, meine eigene wollene Decke diente zum Zudecken, da es des Regens wegen ziemlich frisch wurde, und es läßt sich denken, daß ich hier vortrefflich schlief und von der etwas ungewohnten Anstrengung des heutigen Marsches ausruhte.

Am nächsten Morgen, wo unser Frühstück schon vor Sonnenaufgang bereit war, wollte Lubang wieder auf die Hirsche gehen, mir lag aber weniger daran ein paar Hirsche todt zu schießen, als mehr und zwar größeres Wild zum Schuß zu bekommen. Etwa zehn Meilen weiter, in die Berge hinein sollte es nämlich viel Rhinocerosse geben, und wenn sich diese auch manchmal selbst hier in der Ebene blicken ließen (der englische Officier hatte es ja gerade so getroffen, aber nicht darauf geschossen) so konnte ich darauf nicht rechnen, ihnen hier zu begegnen.

Außerdem lag mir auch besonders daran, die Scenerie der Berge, ihre Vegetation, mit einem Wort, all ihre Eigenthümlichkeiten selber zu sehen und am andern Morgen, nach dem Frühstück, brachen wir auf, die nicht sehr lange Strecke dorthin zurückzulegen.

Ein paar von den Leuten hatte ich dabei zurückgelassen, um den gestern Abend noch angeschossenen Hirsch einzubringen, besonders aber um sie los zu werden, das sollte mir jedoch nicht viel helfen.

Unser Ritt – ich sage unser, denn wir waren mit Gottes Hülfe schon wieder fünfzehn Mann – ging noch eine Strecke auf der Straße und am Fuß der Berge hin und zog sich dann, einem schmalen Pfad durch das hohe harte Gras folgend, rechts von dieser ab in die Hügel hinein. Da aber, wo ich glaubte jeder Cultur des Bodens entrückt zu seyn, und nun die ruhigen ungestörten Weideplätze des Wildes zu betreten, schien es plötzlich, als wenn sich die Javanen erst recht angefangen hätten anzubauen, und überall in die Hügel hinein, wo nur ein kleiner Bergbach sorglos aus den Spielplätzen seiner Jugend heraussprudelte, wurde er gefangen, eingedämmt und dann links und rechts abgeleitet, oft die kleinsten Miniaturfelder, wenn es gerade der Platz oder ein plötzlich aufschießender Hang erlaubte, oder größere Flächen, die sich ins Thal herunter streckten, zu bewässern. Schläfrige Karbauern wälzten sich dann wohl im Schlamm der eben angelegten Felder, und halbnackte Eingeborene pflügten und eggten mit anderen Thieren vollkommen unter Wasser und entweder hinter den faulen aber starken Thieren langsam herwatend, oder bequemer auf der Egge selber sitzend, die sie dadurch etwas mehr in den weichen Modder hineinzudrücken suchten.

Freundlich sahen an solchen Stellen die kleinen Hütten aus, die man kaum unter ihren laubigen Schutzdächern konnte hervorschimmern sehen. Es waren oft überraschend liebliche Plätzchen, und wie ihre Bewohner schienen sie sich scheu und furchtsam in das schützende Grün ihrer schattigen Umgebung vor dem Auge des Europäers zurückziehen zu wollen.

Das half ihnen aber nichts, Lubang ließ keines unbesucht, an jedem ritt er dicht vorüber und schrie irgend etwas in der Sundasprache, das ich nicht verstand, hinein, als ich mich aber nach einiger Zeit einmal umsah, meinen Troß zu überzählen, fand ich daß er um das Doppelte gewachsen sey. Mein wüthender Begleiter schleppte Jeden mit, dem er begegnete, und ich kam mir fast vor wie ein schottischer Häuptling, der, einem der Feudalraids entgegenziehend, all die Bergclane aufbot, sich seinen Fahnen oder vielmehr Sackpfeifen anzuschließen.

Wozu das? – ich machte Lubang jetzt ernstliche Vorstellungen, die Leute zu Hause zu lassen, denn ich wollte Niemanden mehr mithaben, das war aber eben nur zu einem Tauben gesprochen; er lächelte mich so verschmitzt dabei an, als wenn er sagen wollte: »lieber Freund, das verstehst du nicht,« und in das nächste Haus schrie er doch wieder hinein.

Da ich sah, daß ich doch nichts ausrichtete, schwieg ich endlich, und war jetzt nur neugierig was für einen Hofstaat er zusammenbringen würde.

Um eilf Uhr etwa erreichten wir einen ziemlich bedeutenden »Kaffeegarten« (coffee tuin); lieber Leser, du darfst aber nicht etwa dabei glauben, daß das ein Kaffeegarten gewesen wäre, wo über der Thür vielleicht mit goldenen oder andern Buchstaben »Gartenvergnügen« gestanden hätte, und im Innern Lauben und Tische und Bänke und Kalbscoteletts und Sandkuchen, Zuckerwasser und bairisch Bier zu haben gewesen wäre – man nennt hier nur eben die Kaffeeanpflanzungen Gärten, mit denen sie dann auch einige Aehnlichkeit haben, ich will mich aber mit ihrer Beschreibung, da ich später noch mehrere und bedeutendere besuchte, nicht aufhalten und nur eben rasch hindurchreiten, wie wir es denn auch thaten.

Die ganze Anpflanzung war natürlich mit einer Hecke und hie und da mit Bambusgeflechten eingefaßt, ebenso der Ein- und Ausgang mit einem aus Bambus gefertigten Thor versehen, aber jetzt, da der Kaffee noch unreif war, nicht verschlossen, den Weg, der hindurch führte, etwa zehn Schritte breit und von Gras freigehalten und unter den schattigen Bäumen, unter deren Schutz die Kaffeepflanzen aufwachsen, ritten wir in raschem Trabe hindurch. Von dort aus führte der schmale Pfad wieder schnurgerad in die Berge hinein, und wir erreichten endlich, als es ungefähr Mittag seyn konnte, durch Ravinen und Schluchten, über steile Hänge und schlüpfrige Stege hin, das letzte Haus im Gebirge, das freundlich versteckt zwischen wehenden Bambus und dichten Kaffeebüschen lag.

Das Hineinschreien in die Häuser meines alten Lubang mußte aber auch noch einen andern, nahrhafteren Grund gehabt haben, wenn nicht der Regent schon früher dort hinauf Boten geschickt hatte, was unter solchen Umständen häufig geschehen soll, denn wir hatten kaum unsere Sättel verlassen und von einem niedlichen Bambushaus Besitz genommen, als ein paar junge Mädchen mit den gewöhnlichen großen runden, roth gemalten und vergoldeten Eßschachteln, die sie im Innern gewöhnlich brauchen, hereinkamen, den Tisch ordentlich mit einem weißen Tuche deckten, und nun ein wahrhaft fürstliches Mahl, für unsere Umstände und Lage im Gebirge nämlich, auspackten. Ich zählte, als die ganze Geschichte endlich fertig aufmarschirt da stand, zwanzig verschiedene Gerichte – sage zwanzig, vor die ich mich allein niedersetzen mußte. Hier zeigte es sich aber auch, daß jedenfalls schon wenigstens ein Bote gestern Abend oder mit Tagesanbruch, vielleicht auf näheren Pfaden, vorausgeschickt war, denn unter den Gerichten befand sich auch von demselben Hirsch, den ich gestern geschossen hatte, und zwar auf sieben verschiedene Arten zubereitet – gekocht und gebraten, gedörrt, im Ragout, mit Pfeffer und was weiß ich Alles. Außer dem waren eine Masse Teller mit den verschiedenartigsten Blättern und Gräsern, Fruchtkerne und Früchte, gebratene Hühner, Gier, Wurzeln etc. etc. etc. – Reis bildet übrigens immer den Hauptbestandtheil einer solchen Mahlzeit und sie wissen diesen, der nachher in grünen reinlichen Bananenblättern aufgetragen wird, auch wirklich auf das vortrefflichste zuzubereiten.

Sie kochen den Reis nicht im Wasser, sondern mit Dämpfen in eigends dazu verfertigten Gefäßen, die sie auf wirklich künstliche Weise von Kupfer zu schmieden und auszuhämmern verstehn. Unten in diesem befindet sich das Wasser und oben, in einem leichten spitzigen Korbgeflecht liegt der Reis. Der obere Theil wird natürlich verschlossen und die aufsteigenden Dämpfe machen ihn in kurzer Zeit gar.

Schon während unserem Essen fing es an zu regnen, und da es in diesen Breiten nie das thut, was man in unsern Gegenden gewöhnlich regnen nennt, sondern immer gleich gießt, als ob Jemand da oben aus Versehen eine Wolke umgestoßen hätte, so mußten wir natürlich den »kleinen Schauer« erst abwarten. Um drei Uhr war die Luft aber wieder hell und ich bat Lubang die Pferde satteln zu lassen, daß wir noch vor Abend uns wenigstens das Terrain einmal ansehen könnten. Damit war er auch gern zufrieden und eine halbe Stunde später kletterten wir auf kleinen, aber ungemein zähen Bergpferdchen, die wir jetzt statt der früheren bekamen, gleich vom Haus ab in die steil aufführenden, erst noch bewaldeten, weiter oben aber nur mit hohem entsetzlichen Gras bewachsenen Berge hinein.

Es ging hier so steil hinauf, daß ich der Thiere wegen absteigen wollte, Lubang aber bat mich, nur im Sattel zu bleiben, sie seyen das gewohnt und es war das auch für uns in sofern nöthig, da wir zu Fuß total in dem hohen Gras gesteckt, und gar nichts hätten übersehen können.

Die Gegend war hier wild und öde – weite gewaltige Grasflächen, die an den fernen Berghängen aussehen, als ob sie nur eben mit dürftigem Wuchs den Boden bedeckten, von denen wir aber überall um uns her den nur zu augenscheinlichen Beweis hatten, wie starr und hochaufgeschossen ihre Halme seyen, und wie schwer es wäre, durch sie hinzudringen.

Aber gerade diese Oede that auch dem Auge wieder wohl – es war ein Ruhepunkt aus jenem ungeheuren Pflanzenreichthum, der durch seine ununterbrochene Fülle und Ueppigkeit den Blick schon ermüdet hatte.

Der Mensch will ja nun einmal Veränderung – er sehnt sich aus dem einen ins andere, und so schön, so herrlich diese Indische Natur und Vegetation auch seyn mag, ich möchte doch nicht immer darin leben, möchte doch nicht unserem freundlichen Wechsel von Sommer und Winter, von Frühling und Herbst, nicht den knospenden Birkenzweigen und der aufsteigenden Lerche um alle Schätze dieses tropischen Reichthums entsagen.

Mit unserer Jagd war's aber heute noch nichts – ich sah wenigstens nichts Lebendes, außer unseren eigenen Personen und Pferden – die ganze Strecke hindurch, doch sollten gerade in diesen Grashängen die Rhinoceros gerne lagern. Da es übrigens heute zu spät wurde, noch weit in die Berge hinein zu rücken, begnügten wir uns die äußersten Hänge, aber wie schon gesagt, ohne Erfolg, abzusuchen und kehrten dann gegen Abend, unsere kleinen Pferde von der rasenden Anstrengung todtmüde, nach unserer Lagerstelle zurück.

Diese war indessen von unseren freundlichen Wirthen schon auf das Hübscheste, mit allen möglichen bunten Tüchern hergerichtet und während ich schon glaubte, ich würde mich nun ohne Weiteres auf die mit weichem Kapas dicht gestopfte Matratze werfen können, kam noch ein Mal eine ganze Batterie Schüsseln und Teller angefahren – wohl oder übel, ich mußte noch einmal essen, schlief aber die Nacht, als ob ich seit zweimal vier und zwanzig Stunden kein Auge zugethan hätte.

An dem Morgen, als wir mit Tagesanbruch, und nach einem nur flüchtig eingenommenen Frühstück in die Berge hineingaloppirten, mußte ich recht an Vater Gellert denken. – »Um das Rhinoceros zu sehen,« ritten wir aus, und es ging mir nachher nicht besser wie dem gutmüthigen jungen Mann, der seinen Gulden los wurde, ohne daß er es sah, nur daß mich die Sache noch mehr wie einen Gulden kostete.

Wir nahmen heute Morgen einen etwas andern Weg als gestern, und ritten erst einige Meilen oben am Fuß der hohen Grashügel hin, ein anderes Terrain zu bejagen, oder wenigstens mit einem anderen zu beginnen, berührten auch hier noch eine andere Farmwohnung, wenn ich sie so nennen kann, mit von dem Hause gleich abdachenden Reisfeldern, einem kleinen Kaffeegarten und Fruchtbäumen in dichten schattigen Hainen.

Wir waren indessen zu einem Schwarm von circa drei oder vier und zwanzig Menschen angewachsen, und ich glaubte jetzt gar nicht anders, als sie wollten die ganzen Berge abtreiben, wo ich denn doch darauf rechnen konnte, den Stand zu bekommen, »auf dem der Herr Oberförster im letzten Jahre drei Füchse geschossen hatte,« – d. h. den besten. Von diesem Platz wurde ebenfalls Alles, was männlich war, ohne Gnade und Erbarmen mitgenommen – es half Nichts, sie mußten ihre Khrise an die Seite stecken, ihre flachen Hüte auf die Köpfe binden und sich unsrem Zuge, der schon ein ganz stattliches Ansehen gewonnen hatte, anschließen.

Nur die Frauen und Mädchen und einige kleine Kinder nebst einem Affen ließen wir zurück, von denen die ersteren an ihren langen Trögen standen und Reis stampften, ihr Küchenmehl daraus zu machen.

Von hier ab bogen wir gerade in die Berge hinein, folgten dem Lauf eines kleinen Baches, der, wenn er gewußt hätte, was ihm unten im Thale bevorstand, gewiß wieder mit uns umgekehrt wäre, und erreichten, aus einem kleinen Dickicht von Tamarinden und Bambusbüschen heraustretend, endlich den niederen Theil des Grashanges, der sich von hier ab bis weit nach den bewaldeten Bergkuppen, welche den Hintergrund bildeten, hinaufzog. Diese Hügel liefen in einzelnen, zu beiden Seiten abdachenden Hängen, ins Thal hinab, und hatten immer tiefe, mit Schilf und Büschen dicht bewachsene Schluchten, die mit Pferden undurchdringlich waren, zwischen sich, je weiter man aber nach den Höhen zu kam, desto flacher und offener wurden auch diese Ravinen, und weiter oben, nicht weit von dort ab, wo sie sich zuerst einsenkten, waren es nur flache, mit Gras dicht bewachsene Vertiefungen, die man von dem Hügelrücken aus leicht und bequem übersehen konnte.

In diesem Gras soll das Rhinoceros sehr gern liegen und wir sahen auch an mehren Stellen die tief ausgetretenen Pfade der gewaltigen Thiere, wie sie hie und da den Boden gescharrt und gestampft und sich gelagert und das Gras tief in den Grund gedrückt hatten; aber ein lebendiges Thier selber bekamen wir nicht zu sehen. Ich sagte jetzt zu Lubang, er solle doch unseren Schwarm Begleiter, der wie ein Zug wilder Gänse in fast unabsehbarer Reihe hinten drein zottelte, rechts und links abschicken, um vielleicht irgend ein in den Büschen gelagertes Thier aufzutreiben – Lubang meinte aber mit einer Art geheimnißvoller Miene, »das hier sey noch nicht der rechte Platz, wir müssen noch etwas weiter in die Berge hinein,« und ich gab mich fürs erste damit zufrieden.

Ein kleines Thal durchreitend, kamen wir auf eine frische Tigerfährte – der Tiger mußte jedenfalls diese Nacht hier herüber gewechselt haben. Die Leute sammelten sich gleich um den Platz, maßen die Fährte und hatten sich ungemein viel darüber zu erzählen. Da es die erste Tigerfährte war, die ich selbst gesehen, stieg ich ab und maß sie – sie war etwa vier und dreiviertel Zoll breit und es mußte dieß, nach Lubangs Aussage, ein außergewöhnlich großer Tiger seyn, der erst kürzlich über die Berge herübergekommen wäre, denn so groß hätten sie lange keine Fährte gesehen. Wir folgten derselben eine kurze Strecke, sie führte aber augenscheinlich in den Wald zurück und wir durften deßhalb nicht hoffen, den alten Burschen aufzufinden. Er hatte sich übrigens seiner Nachbarschaft schon hinlänglich empfohlen, denn noch an demselben Abend hörten wir, daß er im Kampong die letzte Nacht eine Kuh erschlagen und fortgeschleppt habe. – Leider erfuhr ich das zu spät, sonst hätte ich gern die Nacht auf ihn gewartet. Ob nun aber meine Malayen selber nicht glaubten, daß der Tieger schon wieder in die Berge sey, und noch am Ende vielleicht ganz in ihrer Nähe herumstöbere, oder ob es nur ein angeborner Scheu vor dem harten scharfen Gras ist, was ich ihnen bei ihren bloßen Füßen auch gar nicht verdenken konnte, kurz, sie waren von jetzt ab noch viel schwieriger, selbst in die kleinsten Büsche zu bringen, und hielten sich immer ganz genau in meinen Spuren.

Gegen Mittag etwa scheuchten wir, in einem dieser kleinen Thäler hingehend, einen Hirsch auf, den ich schoß. Da wir Wildpret genug hatten, gab ich ihn den Eingeborenen, und ließ viere bei ihm zurück ihn zum Haus zu schaffen. Weiter reitend erreichten wir dann einen kleinen Kessel, von rings ihn umschließenden niederen Hügeln gebildet, und Lubang meinte, wenn hier drin kein Rhinoceros stünde, brauchten wir auch nicht zu glauben, daß wir heute noch eins fänden. Jetzt war also die Zeit zu versuchen, ob die Menschenmasse die ich bei mir hatte, auch zu irgend etwas auf der Welt gut sey. Vor allen Dingen theilte ich sie in zwei Haufen, und da ich mit ihnen selber nicht reden konnte, nahm ich meinen Malayen vor, und machte ihm die Sache begreiflich – oder suchte das wenigstens zu thun. Die Mannschaft sollte den Platz umzingeln und nur die Stelle offen lassen, wo wir Beiden mit Gewehren standen, dann von oben gleichzeitig herunterdrücken und mit einigem Spektackel, den die Burschen ausgezeichnet zu machen verstehen, alles Wild auftreiben, was auch immer in dem Kessel sein Lager gesucht hätte.

Ganz sicher dabei zu gehen, zeichnete ich ihm den höchst einfachen Schlachtplan in einem alten Rhinocerosbett auf der Erde vor. Er nickte dabei auch fortwährend mit dem Kopf, und seinem ununterbrochenen saya – saya Tuwan nach mußte er begriffen haben, was ich eigentlich wollte.

Er wandte sich nun an die Eingeborenen, denen er, wie es schien, eine kurze eindringliche Rede hielt, und schickte dann, wie es ihm beschieden, eine Abtheilung nach der rechten, und eine andere nach der linken ab. Nun wollte aber die ganze Bande auf einmal lostraben, und als ich das zu verhindern suchte, und erst einen fortschickte, und die andern zurückhielt, und dann den zweiten nachlassen wollte, wurden sie Alle confus und schienen auf der Welt nicht mehr zu begreifen, was ich mit ihnen vorhabe. Ich fing nun meine Beschreibung noch einmal von vorne an, saya, saya sagte Lubang, aber es blieb beim Alten – wie bei einem unserer Bauerntreiben zogen sie truppweise los, und da ich sah, daß ich, noch dazu der Sprache nicht ordentlich mächtig, doch nichts ausrichten konnte, ließ ich sie dann in Gottes Namen laufen und wartete ab, was aus der ganzen Geschichte werden würde.

Wie gedacht so auch geschehen; der ganze Schwarm hatte an beiden verschiedenen Seiten noch nicht die Hälfte des Kessels umgangen, als sie plötzlich Alle zusammen, wie Uhlands Hirtenknabe, »ins Thal stiegen,« sich dort auf eine wahrhaft polizeiwidrige Art, zusammenrotteten, und einen Spektackel machten, den man sicherlich meilenweit hat hören können. Ein paar Stück Rothwild, die an dem gegenüberliegenden Hang des Kessels gelegen, standen auf, und flohen in langen Sätzen landeinwärts und einer der rothen, weißköpfigen Falken stieg kreischend in die Höhe und blieb mit raschen Flügelschlägen ganz erstaunt und überrascht, über den unter ihm schreienden und lärmenden Burschen stehen. Aber kein Rhinoceros ließ sich blicken; wären jedoch auch sechs darin gewesen, so hätten wir zwei sie wahrhaftig doch nicht zum Schuß bekommen, denn sämmtliche Bevölkerung that eben, mit dem besten Willen von der Welt, ihr Möglichstes, sie soweit das irgend anging, von uns fortzutreiben.

Den einzigen Vortheil, den ich aus diesem Treiben ziehen konnte, war der, daß ich vielleicht die ganze Schreierbande los wurde; unsere Pferde hielt ein junger, schlanker Bursch, gerade den andern Hügelhang hinunter, wo sie unsern Kugeln nicht ausgesetzt waren, wenn uns vielleicht Wild zum Schuß gekommen wäre, dorthin ging ich also, ohne Lubang auch nur eine Sterbenssylbe zu sagen, nahm dem Burschen den Zügel aus der Hand, stieg auf und trabte, so rasch ich einer alten Wildfährte folgen konnte, durch das hohe Gras der Richtung zu, wo ich ungefähr unsere Hütte wußte, und es lag zwischen hier und dort noch eine ganz hübsche Strecke Grasland, wo ich vielleicht selber ein Rhinoceros auftreiben konnte.

Lubang mochte im ersten Augenblick wohl gar nicht gewußt haben, was ich eigentlich wollte, denn daß ich durchbrennen würde, hatte er sicher nicht gedacht, da er vielleicht glauben mochte, ich würde mich in den mir fremden Bergen nicht zurecht finden. Darin irrte er aber, und als ich nun gar nicht wieder kam, und ihm der Bursche, der die Pferde hielt, wohl die Richtung gesagt hatte, die ich genommen, kam er auf einmal, was sein Thier nur laufen konnte, hinter mir her gekeucht.

Di mana mau pigi, di mana mau pigi – schrie er mir schon von weitem zu, ich bat ihn aber einfach, sich um sich zu bekümmern und ruhig zu seyn, denn er hatte eben wieder durch seinen Skandal ein Stück Rothwild aufgescheucht, und setzte meinen Weg fort. – Weiß aber der Henker, wie es die übrige Bande gemacht hatte, ob sie, mit den Bergen genau bekannt, einen näheren Pfad gewußt, oder nur so entsetzlich gelaufen waren, kurz und gut, in kaum einer Stunde Zeit hatte ich sie wieder alle bei mir, und sie fingen sich jetzt sogar noch ein paar, unsern Zug zu vergrößern.

Als wir nämlich, noch oben in den Bergen, auf einem der Hügelrücken hielten, sahen wir unten in der Schlucht vier Männer, die uns kaum gewahr wurden, als sie in ein dickes Bambusgebüsch eintauchten, und nicht wieder zum Vorschein kamen. In etwa hundert Schritt vor dem Platz angekommen, schrie ihnen Lubang etwas zu, sie antworteten aber nicht, und verhielten sich mit einem Wort, trotz aller späteren Anrufe, gerade so, als ob sie gar nicht da wären. Jetzt wußte Lubang auf einmal, wie man treiben mußte, schickte von beiden Seiten Leute hinunter, die ordentlich in gehörigen Entfernungen von einander blieben, und umzingelte den Platz. Als die armen Teufel sahen, daß sie doch nicht mehr entwischen konnten, kamen sie mit den traurigsten Gesichtern von der Welt zum Vorschein, und nachdem ihnen Lubang tüchtig die Meinung gesagt – er sah wenigstens grimmig genug dabei aus – sollten sie sich unserem Zuge anschließen.

Ich glaubte im Anfang, daß sie irgend etwas verbrochen hätten, oder auf verbotenen Wegen ertappt wären – obgleich ich nicht gut einsah, wie das hier möglich seyn konnte, Lubang meinte aber nur ganz naiv, sie hätten nichts »Böses gemacht,« sie sollten nur mit uns gehen. – Ich opponirte hiergegen aber ernstlich, und er ließ sie am Ende wieder laufen.

An Jagen war natürlich unter solchen Umständen gar nicht zu denken, hier versäumte ich nur Zeit und quälte mich auf höchst unnütze Weise in dem schauderhaften Grase herum. Diesem zu entgehn, bog ich jetzt scharf nach dem bewaldeten Lande wieder zu, aus dem wir herausgekommen waren, und wo auch ungefähr unsere Hütte liegen mußte, bald hatten wir den »Busch« erreicht, und waren etwa um ein Uhr wieder »zu Hause.«

Der Javane ist von Natur aus gutmüthig und gastlich. – Wo er den Europäer nicht fürchtet, oder gegründete Ursache bekommen hat, ihn zu hassen, da tritt er ihm überall freundlich entgegen, und von Allen, die das Land näher kennen, ist mir versichert worden, daß das noch weit mehr im Inneren der Fall sey, wo sie, auch ohne von einem ihrer Regenten dazu angehalten zu seyn, das Beste und Leckerste für den fremden, weißen Mann vorsuchen. Das erste, was sie für den Fremden thun, ist, daß sie augenblicklich eine reine, womöglich neue Matte für ihn herholen, und ihm die in den besten Theil der Verendah legen, er wird freundlich eingeladen, sich darauf zu setzen, und was sie dann an Essen und Trinken haben, bringen sie herbei. – Sie fragen den Fremden wohl, wo er herkommt und hingeht, aber nur aus Neugierde, nicht etwa ihn auszuforschen, was er sonst ist und treibt bleibt ihnen gleichgültig – er ist fremd, vielleicht hungrig und durstig, und das genügt ihnen – können wir so viel von uns selbst – von Christen sagen?

Auch hier, unsere Wirthsleute wußten gar nicht, wie sie uns Alles an den Augen absehen sollten; sie hatten uns natürlich noch gar nicht so früh erwartet, dennoch stand in kaum einer halben Stunde das Essen schon wieder auf dem Tisch, und es half nichts, ich mußte mich dazu nieder setzen.

Was nun thun? – Lubang meinte, er wisse nach einer andern Richtung hin, im Gebirge einen anderen Platz, wo wir gewiß Rhinoceros zum Schuß bekämen, ich traute ihm aber nicht mehr, und dann hatte ich es auch satt, mit einem solchen Schwarm unnützen Gesindels durch den Wald zu ziehen, nur anscheinend in der einzigen Absicht, und auch ungefähr mit demselben Erfolg, Spektakel zu machen. Das war ja doch nicht der Zweck gewesen, weßhalb ich hier in die Berge herauf gekommen, und ich erklärte ihm einfach, ich wolle zurück zu dem Platz reiten, wo ich gestern die Hirsche geschossen. Auch damit war er einverstanden, und nach dem Essen bestiegen wir wieder die anderen, unter der Zeit ausgeruhten Thiere, die wir von unten mit herauf gebracht, und trabten thaleinwärts.

Es ließ mich hier gleichgültig gegen eine Rhinoceros-Jagd, weil mir Herr Phlippeau, der mich so freundlich nach Lembang eingeladen, schon gesagt hatte, ich finde in zehn und zwölf Meilen von Lembang sicher Rhinoceros, im Fall ich sie bis dahin nicht irgendwo anders getroffen hätte. – Und dort konnte ich allein gehen, und brauchte nicht ein Halbhundert Wildscheuchen, denn weiter waren sie doch nichts, mit hinten nachzuschleppen.

Es ist hier das Merkwürdige in Java, daß die Europäer diesen unglückseligen Glauben haben, sie könnten nicht, ohne eine Begleitung von einigen hundert Koolies, eine Meile in den Wald gehen, und diese wollen sie gebrauchen, um den »entsetzlich dicken Wald auszuhauen.« Als ich erst dort ankam, wurde mir das von Mehren auf das ernstlichste versichert, und als ich darüber lachte, meinten die guten Leute, ich hätte jetzt gut lachen, da ich von der Sache nichts wüßte, wenn ich aber erst einmal in's Innere käme, sollte ich es schon selber ausfinden, und sie wären dann fest überzeugt, daß ich ihnen vollkommen recht geben würde. Ich konnte damals natürlich nicht dagegen anstreiten, denn ich war noch nie in einem indischen Urwald gewesen, und hatte genug von dem auf Tahiti gesehen, um nicht zu wissen, daß eine tropische Vegetation allerdings dem Jäger bedeutende Schwierigkeiten in den Weg legen kann.

Was ich aber bis jetzt vom Urwald gesehen, und der in den Mississippisümpfen, in den Wildnissen des Cash und Bay de view-Flusses, und am Redriver und Arkansas spaßt auch gerade nicht, so sagte mir die Erfahrung von den Plätzen daß, wo der Wald so entsetzlich dicht und verwachsen wäre, fünfzig Menschen, um einen Einzelnen hindurchzubringen, eben nicht mehr ausrichten könnten wie Einer, denn entweder gingen sie Einer hinter dem Anderen, und dann hauten sie auch nur auf unnütze Art im Busch herum, denn wo der Erste einmal durchgegangen war, konnte der Europäer ebenfalls nachkommen, oder sie gingen nebeneinander, und dann machten sie nicht mehr für den Einzelnen Bahn, der doch nur einer Fährte folgen konnte, sondern eben nur für sich selber. Wo nun aber der Einzelne Bahn haut, kann ich das ebenfalls selber thun, will ich es mir aber nun absolut bequem machen, nun gut, dann genügt aber auch ein Mann vollkommen. Die Leute aber, die eine Zeitlang in Indien wohnen, gewöhnen sich, natürlich durch das Klima zuerst herbeigeführt, an eine so entsetzliche Bequemlichkeit, daß sie sich zuletzt, wie ich das schon früher erwähnte, nicht einmal einen Stuhl, der neben ihnen steht, zum Tisch rücken mögen, wie viel weniger also durch die wild verwachsenen Dickichte eines Urwaldes Bahn hauen mögen. Dann glauben sie ebenfalls keinen Marsch von nur wenigen Meilen in solcher Art ausführen zu können, ohne sich wenigstens auf vierzehn Tage zu verproviantiren – und verproviantiren eben nicht nur mit Fleisch und Brod, sondern mit all ihren luxuriösen Gerichten, die sie gewohnt sind in den Städten und im Mittelpunkt jeder Bequemlichkeit zu genießen. Unter solchen Verhältnissen brauchen sie natürlich einen Schwarm Menschen zur Begleitung, und machen sich am Ende selber weiß, daß es nöthig wäre; der Fremde aber, wenn ihm so etwas erzählt wird, braucht sich nicht dadurch abschrecken zu lassen. Traut er sich nicht allein den Weg durch die Wildniß zu finden – und es gehört lange Uebung dazu im Wald; besonders in einem fremden Wald seine gerade Bahn gehen zu können, so mag er sich in Gottes Namen einen Führer, der ihm dann auch beim Bahnhauen behülflich seyn kann, mitnehmen, und braucht er noch Jemanden etwas Provisionen mitzunehmen, so kann er sich den zweiten zulegen, damit aber hat er auch vollkommen genug, und alles Andere mag bequem seyn – für den Liebhaber – ist aber sicher nicht nothwendig.

Nach drei Stunden etwa, ziemlich scharfen Ritts, und unsere braunen Lastträger zurücklassend, die auf der Gotteswelt weiter nichts zu tragen hatten, als sich selber, erreichten wir den alten Jagdplatz wieder. Unterwegs, in dem kleinen Städtchen, was wir passirt, wollten meine Begleiter wahrhaftig wieder anhalten und essen, ich ließ mich aber auf nichts ein, sondern galoppirte mitten durch, sprang, unten angekommen, aus dem Sattel, schulterte meine Büchse und stiefelte, zum Entsetzen Lubangs, der jetzt sicher wieder auf eine tüchtige Mahlzeit gerechnet hatte, geraden Wegs in den Sumpf hinein. – Ich sagte ihm allerdings, er solle nur ruhig zu Hause bleiben, denn ein besonderer Jäger schien er mir doch nicht zu seyn, das ging ja aber nicht, er durfte mich ja nicht aus den Augen lassen, und seufzend mußte er, und zwar ebenfalls zu Fuß mit, denn die Etiquette schien es ihm zu verbieten, daß er ritte, während der Europäer durch den Schlamm watete.

Die Aengstlichkeit, mit der er mich bewachte, war wirklich komisch, denn oben in den Bergen einmal, wo ich, als gerade Niemand sein Auge auf mich hatte, in das dichte Bambusdickicht, gerad am Hause gegangen war, mir ein dünnes Stück Bambus abzuschneiden, um die Kupferhütchen trocken aufzubewahren, schrieen sie gleich darauf hinter mir her, und als ich, des Spasses wegen, nicht antwortete, stellten sie ein ordentliches Treibjagen auf mich an, und schickten Leute nach allen Richtungen aus, mich wieder aufzufinden.

Heute Abend traf ichs aber schlecht mit dem Wetter, denn ich war kaum eine halbe Stunde draußen, als es an zu regnen fing. Wild sah ich aber genug, und besonders einen sehr starken Hirsch, der ein herrliches Geweih trug, und ich beschloß, mein möglichstes zu thun, das zu bekommen.

Während ich ihm folgte, bekam ich mehrmals wilde Schweine zum Schuß, deren es hier in dieser Ebene wirklich Massen gibt. Die Eingeborenen – Muhamedaner – essen sie natürlich nicht. Das Schwarzwild erfreut sich deßhalb auch der ungestörtesten Ruhe, und kann sich vermehren so viel es will. – Dreimal stand, zweimal ein Hauptschwein, und einmal eine starke Bache mit einem Frischling, auf kaum dreißig Schritt vor mir im Gras auf, lief ein paar Schritt und hielt dann grunzend, zu sehen, wer sie hier eigentlich in ihrer Siesta störe; da ich mir aber die Hirschjagd nicht verderben, und mich auch nicht damit aufhalten wollte, schoß ich gar nicht auf sie, und ich glaube, ich that damit meinen Eingeborenen, die richtig schon wieder mit den Pferden angeschleppt kamen, nun einen Gefallen, da sie die »unreinen« Schweine nicht einmal gern anrühren.

Erst gegen Abend kam ich übrigens gut zum Schuß, und dann zwar auf einen starken Hirsch mit jedoch nicht sehr großem Geweih, und zwar auf kaum mehr als achtzig Schritt, und ruhig äsend. Mein Gewehr, durch die Feuchtigkeit wahrscheinlich angezogen, brannte aber ein klein wenig vor, und ich fehlte ihn total. Lubang, der etwa hundert Schritt hinter mir war, lief er beim Fortspringen bald über den Haufen, und dieser brannte beide Läufe auf ihn ab, mit kaum besserem Erfolg aber, als ihn nur noch ein wenig geschwinder ausgreifen zu machen.

Trotz unserem Kanoniren bekam ich, nicht fünfhundert Schritt weiter, ein altes Thier, auf kaum vierzig Schritt zum Schuß, ließ es aber natürlich ungehindert vorüberziehn, zum nicht geringen Aerger Lubangs, der mich versicherte, es mache ausgezeichneten Ding-Ding – Das konnte mich hier nicht zum Aasjägern verleiten.

Der Hirsch mit dem herrlichen Geweih war mir indessen aus den Augen gekommen, obgleich ich mir die Richtung, nach der er gezogen, genau gemerkt hatte, und diese ebenfalls beibehielt. Es ging dabei immer mehr auf Abend zu, die Sonne war jedenfalls dem Untergehen nahe und die trübe Luft wie der jetzt förmlich niederströmende Regen machten es nur noch dunkler. Drei- oder viermal waren wir dabei schon durch den kleinen Bach gekreuzt und durch und durch naß und das Schloß meiner Büchse wie mein Pulverhorn waren wirklich die einzigen trockenen Gegenstände die ich an mir hatte. Langsam vorwärts schleichend glaubte ich endlich wieder Wild, an der andern Seite eines hohen Schilfstreifens zu sehen, und beschloß ohne Weiteres dort hindurchzuwaten – das Wasser sah hier allerdings trüb und tief aus, dieß war aber auch vielleicht die einzige Gelegenheit, noch einmal an diesem Abend zum Schuß zu kommen. Ohne Weiteres wandte ich mich gegen das Schilf und stand auch schon, die Büchse über meinen Kopf haltend, im nächsten Augenblick bis an den Hals im Wasser. Mein Pulverhorn war unter Wasser aber von Horn und dicht verschlossen, so daß es dem Pulver selber keinen Schaden thun konnte. Nässer konnte ich überdieß nicht werden, und mit zweimal ausstreichen war ich am andern Ufer. Dort aber hob ich mich kaum auf's Trockene, als ich, ganz dicht neben mir Wild schrecken hörte; im Nu hatt' ich den Hahn gespannt und gestochen und als ich mich in die Höhe richtete, sah ich eben meinen prachtvollen Hirsch wie ein Ungewitter über den kleinen offenen Grasplatz, der sich vor mir ausbreitete, flüchten. Er war aber noch nicht außer Schußweite, und schon beim Knall des Gewehres sah ich, daß ich nicht gefehlt hatte. Nichtsdestoweniger verschwand er gleich darauf in den Büschen.

An Schweiß finden war aber für diesen Abend nicht zu denken, es regnete noch immer was vom Himmel herunter wollte; ich ging also nun dorthin wo ich den Hirsch hatte in ein mit Büschen und Schilf verwachsenes Dickicht einspringen sehen, verbrach den Platz und nahm dann die gerade Richtung nach Hause zu.

Meine Javanen holten mich dießmal erst später ein, denn ihre Freundschaft für mich ging keineswegs so weit, daß sie hinter mir her schwimmen sollten – Lubang meinte aber an dem Abend »so ein Mensch wie ich, der sich so gar nichts aus Wasser mache, sey ihm noch nicht vorgekommen.«

In der Bambushütte angekommen zog und rang ich meine Kleider aus, steckte mich in einen Sarong und eine Kabaye und lag mit dem wohlthuenden Gefühl der Ruhe und Wärme auf meine Matraze ausgestreckt, während die Javanen noch am Feuer saßen, ihre Sarongs und Jacken trockneten und sich die komischsten Geschichten von der Welt erzählten, sich auch vielleicht über mich lustig machten, was sie in ihrer Sundasprache ruhig thun konnten, denn ich verstand kein Wort davon. Vor Schlafengehen hielten sie aber jedoch, wie fromme Muselmänner, Alle ihr Gebet – in einer Ecke des Zimmers, das Gesicht nach Osten beteten sie zu Gott, berührten nach gewissen Formeln, die sie mit leiser Stimme murmelten, den Boden dreimal mit ihrer Stirne, setzten ihr Gebet fort, warfen sich noch einmal nieder und legten sich dann zufrieden und getröstet auf ihre Matten.

Am nächsten Morgen war ich mit Tagesanbruch auf und hinaus, denn ich wollte den Platz nicht verlassen, ohne wenigstens ein paar schöne Geweihe zum Andenken mitzunehmen. Trotz meinen besonderen Ermahnungen dagegen, weder Pferde noch Menschen mitgehen zu lassen, fand ich mich kaum im freien Felde als auch schon wieder hintendreingepirscht kam, was nur einen Mund voll Reis hatte bekommen können und ich bin fest überzeugt sie verwünschten den Europäer von Grund ihres Herzens, der ihnen keinen Augenblick Rast und Ruhe ließ. Das war aber ihre eigene Schuld und ich machte mir deßhalb keine Sorgen. An diesem Morgen übrigens fest entschlossen mir die Jagd nicht wieder verderben zu lassen, schickte ich die ganze Bande, als ich sie versammelt sah, mit dem Einen der Leute der ein Gewehr trug, rechts hinüber, während ich selber mit Lubang (denn den los zu werden hatte ich aufgegeben) links abging. Die Andern wollten nun zwar freilich doch wieder hinter mir drein kommen, ich war aber in der That ärgerlich geworden und schwur dem ersten Besten, der sich jetzt wieder bei mir blicken lasse, eine Kugel auf den Pelz zu brennen. Wenn sie nun auch wohl nicht ernstlich glaubten, daß ich wirklich auf sie schießen würde, so mochte ich dießmal doch solch ein böses Gesicht gemacht haben, daß sie mir nicht recht trauten und wirklich die andere Richtung einschlugen, nur die beiden Burschen mit den Pferden ließen sich nicht abschrecken und kamen unverdrossen hinten drein, und erst als ich wirklich einmal auf sie anschlug, stutzten sie und blieben dann doch wenigstens außer Schußweite.

Gleich im Anfang bekam ich zweimal wieder Schwarzwild zum Schuß, wollte aber nicht feuern und mir dadurch vielleicht die Hirschjagd verderben. Auch an unsere deutschen Schnepfenjäger mußte ich denken, die »wenn Schnepfe da ist« unverdrossen Tag für Tag mit Miethwagen und Eisenbahn hinausziehen, den ganzen Tag den Wald mit Gott weiß wie vielen Treibern abkleppern, und dann am Ende noch froh sind, wenn sie mit ein oder zwei Schnepfen zu Hause kommen – wie oft kriegen sie gar nichts, und was kostet dann solche Schnepfe? –

Hier hätten sich diese ein Vergnügen machen können; es war allerdings nicht die große Waldschnepfe, sondern die sogenannte etwas kleinere Sumpfschnepfe, diese aber auch in solchen Massen, daß fast alle zehn Schritt hie und da eine schwirrend aufstieg und dann stets in den kleinsten Entfernungen wieder niederstieß. Natürlich fiel's mir gar nicht ein darauf zu schießen, aber ich freute mich doch sie zu sehen.

Ich wollte erst gleich wieder zu der Stelle gehen, wo ich gestern Abend den Hirsch angeschossen hatte, durch ein Rudel Wild, das vor mir aufstand, und dem ich, da ein Haupthirsch dabei war, eine Weile nachstrich, wurde ich davon abgelenkt und kam in eine andere Richtung, aber trotzdem, daß ich viel Rothwild ansichtig wurde, doch auf keinen starken Hirsch zum Schusse und ich hatte mir fest vorgenommen, heute nur auf einen solchen zu schießen.

Lubang hatte sich indessen zu meinem nicht geringen Schrecken, und was ich im Anfang gar nicht beachtet, heute auf eine höchst jagdwidrige und merkwürdige Weise metamorphosirt. Ob ihm sein Zeug die Nacht nicht trocken geworden war, was aber bei dem dünnen Kattun kaum möglich ist, oder ob er mir zu Ehren einen besonderen Staat machen wollte, kurz er glänzte heute in einer sehr engen aber auch sehr weißen kleinen Jacke, die weit hinaus in die Welt schimmerte und ihn dem Wild auf eine höchst zweckwidrige Distance mußte bemerkbar machen. Lubang meinte aber, als ich ihn ärgerlich darauf aufmerksam machte, mit dem gutmüthigsten Lächeln von der Welt, gerade das Gegentheil, »das sähen die Hirsche gar nicht« sagte er, und er sähe gerade so aus wie das Gras. Ich mußte wahrhaftig zuletzt über den Burschen lachen, bedeutete ihm jedoch, sobald er sich nur einmal über dem Gras zeige, dem er so ungemein ähnlich sähe, zöge ich ihm die Jacke aus und gäbe ihm die richtige Farbe. – Schlamm war genug da, und er mochte auch wohl glauben, daß ich meine Drohung ausführen könne, denn als ich mich nach einer kleinen Weile nach ihm umschaute, war auch nicht die Probe von ihm mehr zu sehen, so tief hatte er sich irgendwo eingedrückt.

Zweimal kamen mir noch Thiere zum Schuß, an denen ich vorbeiging, etwa um zehn Uhr aber und die Sonne fing schon tüchtig an zu brennen, hatten sich die Hirsche niedergethan, und als ich an einer Art natürlichen Dammes, der eine kleine abgeschiedene Sumpfstrecke beherrschte, vorüberging, sah ich plötzlich ein starkes Geweih aus dem Grase vorragen und sich hin- und herbewegen. Der Hirsch saß jedenfalls dort, und nach dem Auf- und Niedergehen des Geweihes leckte er sich gerade. Ich schaute mich rasch nach meinem Gefährten um – der Sappermenter hatte den Hirsch wahrscheinlich auch bemerkt, denn er mußte auf den Zehen stehen, so hoch ragte er mit seiner ordentlich blendend weißen Jacke aus dem Gras heraus, in dem Moment aber als er sah, daß ich mich nach ihm umdrehte, war er auch spurlos wieder verschwunden.

Auf den Damm tretend konnte ich gerade den oberen Theil des Rückens des keine Gefahr ahnenden Hirsches sehen – es war ein herrlicher Schuß auf etwa hundert Schritt, beim Knall der Büchse war aber der Hirsch fort, während der Javane mit einem wahren Freudengeschrei, und jede Furcht um seine Jacke leichtsinnig hintansetzend, aus dem Gras in die Höhe sprang, seinen Klewang aus der Scheide riß, und mit gewaltigen Sprüngen dem Ort zueilte, wo der Hirsch gesessen hatte und jetzt natürlich verendet liegen mußte.

Ich folgte ihm langsam, war aber, an Ort und Stelle angekommen, wohl eben so sehr erstaunt als er selber, den Hirsch nirgends zu sehen. Der Platz war ganz offen, das Gras höchstens drei bis vier Fuß hoch, an manchen Stellen nicht einmal das, das verwundete Wild hätte also nicht einmal aufspringen können, ohne daß es ganz und gar sichtbar geworden wäre, vielweniger denn ungesehn entkommen und dennoch war es total verschwunden, wie in die Erde hineingesunken.

Ich hatte dabei den Platz, auf den ich geschossen, nicht einen Moment aus den Augen gelassen, ja noch nicht einmal wieder geladen, und daß ich mich nicht versehen haben konnte, bewies wie genau ich darin mit Lubang zusammenstimmte, der auf eben derselben Stelle nachsuchte und jetzt da stand und Mund und Nase aufsperrte. Im Gras fortgeschleift konnte sich der Hirsch von hier aus ebenfalls nicht haben, denn dieses war unberührt, unzertreten – kein Tropfen Schweiß zu sehen.

Meinem Javanen schien auf einmal ein anderer Gedanke zu dämmern, er mochte in diesem sonderbaren Verschwinden etwas Uebernatürliches zu sehen glauben, murmelte auf einmal vor sich hin und lief, so rasch er konnte, wieder auf jene Erhöhung zurück, von der aus ich geschossen.

Ich sah mich indessen aufmerksam auf der Stelle um und bemerkte bald darauf, wie sich etwa dreißig Schritt von mir entfernt, einzelne Grashalme bewegten; rasch ging ich darauf zu und dort lag der Hirsch eben im Verenden – die Kugel war ihm durch die linke Schulter und gerade durch den oberen Theil des Herzens gegangen und, im Feuer zusammenbrechend, hatte er auch keinen Schritt mehr vorwärts gethan. Das Gras um ihn her war unberührt.

Wäre ich allein gewesen, so würde ich weiter nichts Sonderbares darin gefunden, sondern eher geglaubt haben, ich hätte doch vielleicht mein Auge einen Moment von der Stelle fortgenommen, wo das getroffene Wild zusammengebrochen, so aber waren wir zwei, ohne eine Sylbe gegen einander zu äußern, hatten wir Beide den Fleck, wo wir fest glaubten, daß das Wild liegen müsse, angenommen, und uns Beide um volle dreißig Schritt versehen – und nicht etwa in derselben Richtung nur etwas weiter entfernt, sondern ganz rechts ab von dem Punkt. Es ist dieß das erste Mal, daß es mir solcher Art auf der Jagd gegangen, und ich habe doch schon manches Stück Wild geschossen.

Nicht weit davon wuchs hohes Schilf, davon hieb ich eine Stange ab, band mein Taschentuch daran und stieß sie hier in die Erde, damit die Kuli's nachher den Platz wiederfinden konnten, und ich selber ging nun rasch der Stelle zu, wo ich gestern Abend jenen herrlichen Hirsch angeschossen.

Leicht fand ich auch den Platz wieder und Lubang drückte durch alle mögliche Zeichen hier seine unbegrenzte Freude aus, denn nach der Art, wie das angeschossene Wild durch die Büsche gebrochen wäre, müsse es seiner Meinung nach todt seyn. Ich konnte das allerdings nicht herausfinden, glaubte es ihm aber gern und wollte eben die Fährte, die sich in dem niedergebrochenen Schilf deutlich erkennen ließ, aufnehmen, als ich sah, daß wir nicht mehr allein seyen. Die ganze Bande, die noch sonst nichts geschossen und sich vielleicht gelangweilt hatte, war wieder da, und da ich auch, wenn ich diesen Hirsch noch bekam, genug gejagt hatte, lag mir nichts daran. Ich ließ sie also das Dickicht, das nur schmal war, und auf der anderen Seite wieder in eine offene Wiese auslief, umstellen, und folgte dann mit Lubang der Fährte. Ich war aber fast durch das ganze Dickicht hindurch, konnte schon auf der andern Seite die Lichtung wieder erkennen, und hatte noch nichts gesehen, als Lubang plötzlich einen Schrei ausstieß und in demselben Augenblick auch die Büsche krachten und prasselten. Wie ein Wald hob sich dicht vor mir das Geweih in die Höhe und das mächtige Thier setzte durch das Dickicht.

Schießen durfte ich natürlich nicht, denn gerade nach der Richtung zu standen die Javanen; es war aber auch nicht mehr nöthig, der Hirsch war sehr krank und konnte kaum noch fort. Uebrigens hatte er kaum den äußeren Rand des Dickichts erreicht, als ich von dorther ein gellendes Geschrei hörte, und als ich selber in die Lichtung sprang, sah ich eben noch, wie der eine Javane zu Pferd mit seinem blanken Klewang neben dem todtkranken Hirsch hingaloppirte und ihn von oben herunter zerfleischte. Das Pferd schien die Aufregung des Reiters ebenso zu theilen, und als das arme Wild endlich stürzte und er daneben anhielt, drehte es sich um und schlug nach dem Verendenden.

Als ich hinankam, sah ich ein trauriges Schauspiel – der Rücken und die Keulen waren dem edlen Wild durch die scharfe Klinge förmlich von einander gehauen und der eine Javane arbeitete ihm schon wieder mit dem Khris das Stück Wildpret aus dem Hals heraus, wodurch er wenigstens den Schmerzen des armen Geschöpfes ein Ende gemacht hatte.

Das ist die Art, wie sie ihre Treibjagen halten, und dabei können sich nun vernünftige Menschen amüsiren! Ein solches Schlachten hatte selbst der vorige Gouverneur – wahrscheinlich um von seinen schweren Regierungsgeschäften durch eine unschuldige Unterhaltung einmal auszuruhen, veranstalten lassen und fast tausend Hirsche, ich glaube sogar noch mehr, denn die Angaben lauteten darüber verschieden, waren an dem Tag zerfleischt worden.

Meine Kugel von gestern Abend war dem Hirsch allerdings richtig aufs Blatt gekommen, wahrscheinlich hatte er sich beim Schuß aber gerade gewendet, und sie ging inwendig von der Schulter hindurch, und vorn wieder heraus, ohne irgend einen der edlen Theile so schwer zu verletzen, daß er hätte auf der Stelle verenden müssen. Das Geweih war übrigens ausgezeichnet schön und ich ließ es, vollkommen befriedigt mit meiner Jagd, mitnehmen.

Eigenthümlich ist an den javanischen Hirschen, daß die Geweihe selbst der stärksten selten mehr als drei, aber sehr langgezogene Enden haben.

Jetzt war aber auch die Zeit verflossen, die ich der Hirschjagd hatte widmen wollen, und die eine Hälfte meines ersten Hirsches wie die beiden Geweihe einem jener Kuli's zum Mitnehmen übergebend, ließ ich das andere meinen Begleitern und ritt von Lubang und noch zwei der anderen gefolgt, nach Bandong zurück.

Fünf Stunden später saß ich, dreizehn Meilen von dem Ort entfernt, auf der Theeplantage des Herrn Brumstede – am Whisttisch – um mich her geputzte Herren und Damen, hell erleuchtete Salons, elegante Zimmer und ein buntes Sprachgemisch von holländisch, französisch, englisch, deutsch und malayisch. Ich war aber an den tollen Wechsel meines Lebens schon so gewöhnt, daß mir das Alles anfing ganz natürlich vorzukommen. Aus dem Salon in die Wildniß, in Wassergräben und Bergschluchten – aus dem Wasser, nur eben ein Bischen oberflächlich abgetrocknet, wieder in den Salon – vom Meer aufs Land, und kaum daß man festen Boden unter den Füßen zu fühlen glaubt, wieder tausende von Meilen in See; so hatte ich mich nun die letzten Jahre in einem förmlich polizeiwidrigen Wirbellauf herumgetrieben, und wenn mir der Kopf manchmal davon schwindlich wurde, so kann mir's wahrhaftig Niemand verdenken.


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