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Da in den Lehrsätzen wohl ziemlich übersichtlich gesagt ist, was der Hypnotiseur bezüglich der Erscheinungen und Wirkungen zu wissen nötig hat, so kann ich mich in diesem Kapitel ziemlich kurz fassen. Wer noch niemals einen Hypnotisierten sah, niemals hypnotischen Experimenten beigewohnt hat, der wird sich schwerlich einen Begriff machen können von den eigentümlichen Wirkungen der Hypnose. Auch die besten und umfangreichsten Lehrbücher sind nicht imstande, diejenige Belehrung gerade über diesen Punkt zu geben, wie die eigene Anschauung. Darum ist auch das eingangs zitierte Wort Bernheims so zutreffend, daß nur derjenige zu einem Urteil berechtigt und befähigt sei, der selbst mit Hunderten experimentierte.
Auch der erfahrenste Hypnotiseur kann durch einen geschickten Simulanten – meist allerdings nur für kurze Zeit – getäuscht werden. Aber oft vermutet man auch Simulation, wo solche nicht vorliegt. So schreibt Bernheim in seinem Buche (S. 18):
– »Es ist freilich noch leichter, an Simulation zu glauben, wenn sie nicht existiert. Gewisse Subjekte z. B. behalten ihre Augen geschlossen, so lange der Operateur sie beeinflußt. Sie öffnen die Augen, sobald er sie nicht mehr anblickt, und in einigen Fällen schließen sie die Augen, sobald er sie von neuem anblickt. Das hat ganz den Anschein einer Mystifikation. Die Assistenten vermuten Betrug; sie lächeln mitleidig über die Leichtgläubigkeit des Operateurs. – Nach ihrer Ansicht wird derselbe offenbar getäuscht oder das Versuchsobjekt erweist ihm einen Gefallen. – Das passiert mir täglich mit meinen Schülern; ich zeige ihnen indes, daß das Subjekt mich ebensowenig täuscht, wie ich mich täusche. – Ich versetze den Patienten in den hypnotischen Zustand, rufe Katalepsie oder Kontraktur hervor und bitte ihn dann, doch mir zu Gefallen die gegebene Stellung zu brechen. – Die meisten Patienten sind in dem guten Glauben, in Wirklichkeit nicht geschlafen, sondern nur den Schein des Schlafes erweckt zu haben. – Sie wissen immer nicht, daß sie nicht simulieren können, daß ihre scheinbar freiwillige Gefälligkeit eine erzwungene ist – daß sie einer Willenschwäche unterworfen sind.«
Der Hypnotiseur ist bei einigem psychologischen Scharfblick fast immer in der Lage, den Simulanten zu erkennen. Einige charakteristische Merkmale seien hier indessen angedeutet.
Zunächst richten sich die Veränderungen der körperlichen Funktionen nach der Tiefe des Schlafes. Ist dieser ganz richtig herbeigeführt, das Subjekt gesund, so bietet dasselbe völlig das Bild eines Schlafenden, solange keine Suggestion erteilt wurde. Puls und Respiration sind ein wenig langsamer, jedoch regelmäßig und gleichmäßig.
Dem Augenschluß geht in den meisten Fällen ein merkliches Vibrieren der Augenlider voraus, welches oft auch während des weiteren Schlafes nicht gänzlich verschwindet. Oft tritt auch Schlaf ohne Augenschluß ein.
Sind die tieferen Stadien des hypnotischen Schlafes eingetreten, so kommt es vor, daß die Lider nur halb geschlossen und das Weiße im Auge sichtbar ist. Die Augäpfel sind nach oben gekehrt und unempfindlich, so daß man sie mit dem Finger berühren kann, ohne irgend ein Zucken des Schlafenden zu bemerken.
Die Muskeln des Mundes werden gewöhnlich schlaff, die Zunge liegt schwer und rund im Munde.
Ebenso wie viele Menschen im gewöhnlichen Schlafe unruhig sind, sich bewegen, werfen usw., so tun sie dies auch im hypnotischen Schlaf und der unerfahrene Hypnotiseur wird oft an Verstellung glauben. Aber das Medium schläft, und durch eine Suggestion kann sich der Operateur sehr bald von der Tiefe des Schlafes überzeugen.
Schon in den Lehrsätzen 12 und 13 habe ich meiner Ueberzeugung bestimmten Ausdruck gegeben dahingehend, daß die Hypnose gleichbedeutend sei mit dem gewöhnlichen Schlafe; hinzu tritt lediglich der Rapport und wir müssen diesen, ebenso wie beim gewöhnlichen Schlafe, sehr oft auch beim künstlich erzeugten mit Vorsicht herbeiführen. Der Schlaf – d. h. jeder Schlaf, der hypnotische wie der gewöhnliche – kann nur eintreten:
1. durch die Erwartung desselben als Folge des einfachen Willens zu schlafen, event. auch als Folge der Gewohnheit (zu bestimmter Stunde);
2. als Folge der Erschöpfung und dadurch herbeigeführter Verminderung unserer Körper- und Geistestätigkeit:
3. durch andauernde gleichmäßige (monotone) Sinnesreize (Lesen, Ticken der Uhr, Fixieren eines Gegenstandes, eintönigen Gesang usw.).
Eine weitere Ursache für den Eintritt des natürlichen Schlafes dürfte schwerlich gefunden werden. Die Erwartung, die Gewohnheit, die Ermüdung sowie monotone Sinnesreize spielen aber auch bei der Herbeiführung des hypnotischen oder künstlichen Schlafes einzig und allein die Hauptrolle.
Da wir nunmehr wissen, daß die Hypnose nichts ist als Schlaf, so muß sie auch gleiche Wirkungen zeigen, und das ist tatsächlich der Fall, wie die Erfahrung lehrte. Die Hypnose an sich galt bisher nicht als Heilmittel und ich habe auch in den früheren Auflagen dieses Buches nur den Wert der Suggestion betont. Inzwischen jedoch ist in zahlreichen Fällen die Hypnose als Dauerschlaf mit überraschendem Erfolge zur Anwendung gelangt und sei deshalb auf diese Art der Verwendung wenigstens hingewiesen. Dr. Wetterstrand-Stockholm hat bereits vor längerer Zeit den mehrwöchigen Dauerschlaf bei Erschöpfungs- und bei drohenden Erregungszuständen angewendet und zufriedenstellende Resultate erzielt. Auch andere Aerzte und Praktiker haben den Dauerschlaf – zum Teil mit kurzen Unterbrechungen – angewendet und bemerkenswerte Erfolge erzielt, besonders da, wo der Schlaf im Freien (Lufthütten, Wald, Garten) erfolgen konnte. Ich selbst habe schon früher bei der Behandlung Neurastheniker täglich mehrmaligen Schlaf (6–8 mal je eine Stunde) in den entsprechenden Arbeitspausen eintreten lassen und kann diese Methode nur empfehlen. Zweitens kennen wir die Hypnose als einen Zustand erhöhter Empfänglichkeit für Suggestionen und wenden sie dementsprechend an, wie das Kapitel »Suggestionen« zeigt.