Christian Fürchtegott Gellert
Fabeln und Erzählungen
Christian Fürchtegott Gellert

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Philinde

            Philinde blieb oft vor dem Spiegel stehn;
Denn alles kann man fast den Schönen,
Nur nicht den Trieb, sich selber gern zu sehn,
Und zu bewundern, abgewöhnen.
Dies ist der Ton, aus dem die Männer schmähn;
Doch, Mädchen, bleibet nur vor euren Spiegeln stehn.
Ich laß es herzlich gern geschehn.
Was wolltet ihr auch sonst wohl machen?
Beständig tändeln, ewig lachen?
Und stets nach den Verehrern sehn?
Dies wäre ja nicht auszustehn.
Genug, das schöne Kind, von der ich erst erzählte,
Bespiegelte sich oft, und musterte das Haar,
Und besserte, wo nicht das mindste fehlte.

Ihr Bruder, der ein Autor war,
Sah sie am Spiegel stehn und schmälte.
»Habt Ihr Euch noch nicht satt gesehn?
Ich geh es zu, Ihr seid sehr schön;
Doch sein Gesicht die ganze Zeit besehn,
Verrät ein gar zu eitles Wesen.«
»Herr Autor«, sprach sie, »der Ihr seid,
Hebt mit mir auf; denn sich gern selber lesen,
Und gern im Spiegel sehn, ist beides Eitelkeit.«


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