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Achtzehnter Abschnitt.

Auf der Heimreise!

Der Name des Kriegsschiffes »Möwe« mit seinem wagemutigen Kommandanten, dem Korvettenkapitän Burggrafen zu Dohna-Schlodien, ist in aller Mund.

Plötzlich ist wieder ein Kriegsschiff »Möwe« unter der Kriegsflagge erschienen, von dem man außer seinem Schiffsnamen und seinen Glanzleistungen sonst nichts wußte.

Niemand ahnte, wo und wann es erbaut wurde, welcher Gattung es angehörte, welche Waffen es trägt oder welches sonst seine Haupteigenschaften sind.

Ein geheimnisvoller Schleier zog sich um das Wesen dieses Wunderschiffs, das nach erstaunlichen Erfolgen auf dem Wege zur Heimat begriffen ist.

Zwei Monate fast wurde das Geheimnis der »Möwe« gehütet.

Erst als die gefangenen Passagiere von der »Appam« den Fuß auf amerikanischen Boden setzten, wurde der aufhorchenden, staunenden Welt bekannt, was dieses kleine Schiff an kühnen Taten unter dieser vortrefflichen Führung geleistet hatte.

Wieder hat die deutsche Marine ein Kriegsschiff »Möwe«.

Die feindliche Schiffahrt wird der nächsten Zeit wieder mit berechtigter Sorge entgegensetzen. Denn wenn der schnelle Kiel der »Möwe« den heimatlichen Hafen erreicht hat, wird sie nicht lange untätig zu Hause bleiben, sondern bald wieder ihre Schwingen breiten und zu neuen Taten ausziehen.

In dem letzten Jahrzehnt trugen schon zweimal deutsche Kriegsschiffbesatzungen den Namen »Möwe« am Mützenband.

Diese beiden Schiffe gleichen Namens hatten mit der »Möwe« des Kommandanten Dohna nichts gemeinsam.

Ob auch die dritte »Möwe« unter allerlei farbigen Bemalungen fuhr, die ihm das Aussehen von Handelsschiffen gaben, – sie hat sich im wahren Sinne des Wortes als ein Kriegsschiff bewiesen.

In der Kriegszeit taucht es plötzlich auf und zu Kriegszwecken zog es hinaus. Kriegstaten von unglaublicher Tapferkeit, Umsicht und Tatkraft waren seine Erfolge. Mit Kriegsbeute beladen war es auf der Heimreise.

Friedlich waren die Zwecke der beiden ersten Schiffe unter der Kriegsflagge, die den Namen »Möwe« trugen. Sie waren beide Vermessungsschiffe, die der wissenschaftlichen Tätigkeit der Flotte dienten.

Die erste »Möwe« führte lange Zeit um die Jahrhundertwende hydrographische Vermessungen in der Südsee aus, bis das verbrauchte Schiff im Hafen von Tsingtau abrüstete.

Die zweite »Möwe« wurde beim Kriegsausbruch im August 1914 im Hafen von Daressalam an der ostafrikanischen Küste von den Kriegsereignissen überrascht.

Da das Schiff ohne jeden Gefechtswert war, wurde es abgerüstet. Seine Besatzung fand im Kolonialgebiet eine anderweitige zweckentsprechende Verwendung. Trotzdem das Schiff vollkommen abgerüstet war, ließ es sich die englische Flotte nicht nehmen, im September 1914 vor Daressalam zu erscheinen, um den abgetakelten Schiffskörper der »Möwe« durch Siegessalven zu vernichten.

Die englische Flotte ließ ihre Wut an einem unbemannten, vollständig abgerüsteten Schiff aus. Und in der englischen Presse wurde die Vernichtung eines Wracks als ein »Sieg über ein deutsches Kriegsschiff« gefeiert.

Die englischen Zeitungen schrieben:

»Die deutsche Kriegsflotte hat jetzt ein Schiff weniger.«

Die Vorlauten ahnten damals noch nicht, daß eine dritte »Möwe« erscheinen würde. Und von den Taten dieser dritten »Möwe« haben die englischen Zeitungen recht kleinlaut und in tiefstem Groll berichtet.

Eine dänische, deutsch-feindliche! Zeitung fragt unter den gewaltigen Eindrücken der »Möwe«:

»Wer mag der Mann sein, der das kleine deutsche Kriegsschiff durch die Sperre hindurch in den Atlantischen Ozean führte? Der den abenteuerlichen Zug gegen Englands stolze Flotte führte, der viele große Dampfer niederschlug und eine Welt in Bewegung setzte, trotz Englands unbestrittener Herrschaft auf dem Meere? – Wie heißt wohl dieser Mann, dieser Kapitän, dieser Held?

Bis heute weiß man jedenfalls nichts von seinem Namen. Ein dichtes Geheimnis umspinnt ihn und sein Schiff. Er hat bis jetzt auch noch keine Reden gehalten. Er ist nur mit seinem kleinen Fahrzeug ausgefahren und hat – Taten getan. Jedenfalls ist er ein Deutscher. Vielleicht sogar ein Preuße! und deswegen können wir ihn natürlich nicht leiden.

Aber wie können wir ihm unsere Bewunderung versagen? Wie kann man überhaupt, ohne Gefühl und Männlichkeit zu vergessen, hier Mut, Kühnheit, Geschick, Geistesgegenwart und Genie nicht bewundern, die im Verein miteinander eine unlösbare Aufgabe lösen?

Das kleine Schiff »Möwe«, das auf der Nordsee schaukelt und unter allen möglichen Verkleidungen sich in das Atlantische Meer schleicht und hier seine Klauen in eins der stolzen englischen Handelsschiffe nach dem anderen schlägt, ein Heldenleben führt und ein Herrenleben, Englands Seeherrschaft verspottet und die englischen Schiffsversicherungen vor Schreck im Gebein schlottern läßt, – weiß Gott, dieses Schiff müssen wir mit oder gegen unseren Willen bewundern und ehren!

Stolze Taten sind es. Abenteuerlicher Mut, der mehr bedeutet als Tischreden und Hurrarufe! Wie man solchen Taten gegenüber alles das verachten lernt, was in die Kategorie der Reden und Hurrarufe gehört.«

Ehrliche Feinde haben der Tüchtigkeit der »Möwe« und ihrer Mannschaft Bewunderung gezollt.

Nur die hämischen Engländer suchten ihre Taten herabzusetzen und zu verkleinern.

Ihre erlogenen Zeitungsberichte wußten ja allerlei zu fabeln.

Einmal verkündeten sie: die »Möwe« hätte die Ausgabe gehabt, Geschütze und Munition nach Buenos Aires und Punto Arenas zu bringen, um den dort internierten deutschen Dampfern »Turpin« und »Bahrenfeld« einen Ausbruch zu ermöglichen.

Von der Größe der »Möwe« wußten sie ihrem Publikum bald zu berichten: sie sei zweitausend Tonnen groß, bald gaben sie die Größe mit achttausend Tonnen an.

Eine andere englische Zeitung wußte mit aller Bestimmtheit anzugeben, die »Möwe« wäre gar kein kleiner Hilfskreuzer, sondern in Wirklichkeit wäre es das große deutsche Schlachtschiff »Roon«. Das englische Publikum möchte sich aber in keiner Weise beunruhigen. Dieses freche Schiff hätte eben seine wohlverdiente Züchtigung von dem englischen Kreuzer »Drake« erhalten.

An den Bermudasinseln hätte der »Drake« diese sogenannte »Möwe« angetroffen und nach einem dreistündigen Gefecht vernichtet. Die ganze Mannschaft der »Möwe« wäre dabei umgekommen.

Trotz dieser Todeserklärung in einer englischen Zeitung lebte die »Möwe«, ihr kühner Führer und ihre treffliche Besatzung.

Besser als der erfinderische Zeitungsmann wußte die englische Admiralität, daß Schiff und Mannschaft noch vorhanden sind.

Ihre ganze heimische Schlachtflotte, die zahlreiche Flotte der Hilfskreuzer und bewaffnete Fischerboote wurden alarmiert.

Die Parole des Tages heißt: » Auf zum Kampf gegen die ›Möwe‹!« Und ein eifriges Suchen beginnt.

Bei Tag wird tapfer Ausschau gehalten. Und in der Nacht suchen beständig die Scheinwerfer nach dem gefährlichen Vogel.

Jetzt, wo es gilt, die treue Schar seiner Kampfgenossen auch in den sicheren heimischen Hafen zu geleiten, versagt sich der Kapitän jede Ruhe.

Schlaf kommt nicht mehr in seine Augen. Tag und Nacht steht er auf der Kommandobrücke und lugt nach den feindlichen Häschern aus.

Die englischen Kriegsgefangenen an Bord haben davon Kunde erhalten, daß es nunmehr nach Hause geht, an ihrer heimatlichen Küste vorüber.

O, wie sie sich da freuen und im stillen hoffen, daß ein Schiff ihrer Schlachtflotte auf die »Möwe« stoßen möchte.

Jetzt auf der Heimfahrt, hat sie sich in ein unschuldiges Grau gekleidet. Von der Mastspitze bis zur Wasserlinie mußte alles grau bepinselt werden. Sie sah unscheinbar, wie ein Frachtschiff aus. Und den englischen Kreuzern kam es gar nicht in den Sinn, in diesem kleinen Schiff den kühnen Ausbrecher zu vermuten. Sie fahndeten nur nach einem deutschen Kreuzer mit mächtigem Eisenpanzer.

Die englischen Gefangenen an Bord machen aus ihrer frohen Stimmung kein Hehl mehr.

Der kühnen »Möwe« ist zwar die Ausfahrt gelungen, aber die Rückfahrt wird ihr jetzt teuer zu stehen kommen.

Englands Schiffe halten scharfe Wacht!

Es ist eine Unmöglichkeit, ihnen zu entgehen.

Es haben sich zwei Parteien gebildet. Die eine wettet darauf, daß längstens bis zum Einbruch der Nacht die »Möwe« in den Händen der Engländer wäre, die andere ist überzeugt, daß ihrer Kriegsgefangenschaft kein so rasches Ende beschieden sein würde.

Und nun fährt die listige »Möwe« in feindlichem Gewässer. Mit einem wahren Spürsinn weicht sie den Minen aus. Sie vermeidet jedes Aufsehen, jede Annäherung selbst an das kleinste Fischerboot.

Da werden zwei englische Vorpostenfahrzeuge sichtbar. Ihre Schornsteine qualmen stark.

Die »Möwe« fährt in die großen Rauchwolken, da der Wind auf die See drückt. In diesen Rauchwolken taucht sie unter und verschwindet mit hoher Fahrt.

Das schöne Wetter hat aufgehört. Ein großer Sturm macht dem Schiff gehörig zu schaffen. Zu alledem setzt noch ein heftiges Schneetreiben ein, das die Leute bis auf die Haut durchnäßt.

Erst kürzlich haben sie in tropischer Temperatur gearbeitet, nun empfinden sie doppelt unangenehm den Wechsel des Klimas.

Aber die Spannung und die Erwartung überwindet auch die Ungunst die Wetters.

Der Funker meldet: die Flotte ruft sich gegenseitig zur Wachsamkeit auf.

Und richtig, in der folgenden Nacht begegnet die »Möwe« zahlreichen Schiffen, denen sie mit abgeblendeten Lichtern entweicht.

Als der Morgen kam, sahen sie eine große Flottille englischer Torpedoboote.

Ein Ausweichen ist nicht möglich.

Wenn sie die mausgrau verkleidete »Möwe« bemerken, dann ist es, so kurz vor dem Endziel, um sie geschehen!

Die »Möwe« drückt sich seitwärts.

Die Engländer rühren sich nicht vom Fleck.

Immer weiter lassen sie die feindliche Flottille hinter sich.

Immer mehr Dampf wird auf der »Möwe« aufgemacht.

Nun werden die Kessel gespeist, was das Zeug hält.

Mit Volldampf jagt das Schiff durch die aufgeregte See, ob auch Sturzwellen über Deck fegen. Zu immer größerer Dampfentwicklung werden die Maschinisten angespornt. Mit äußerster Kraftentfaltung jagt das Schiff, denn jetzt geht's ums Leben!

In der letzten ihm drohenden Gefahr schickt der Kapitän einen Funkspruch nach Hause:

»Ich bin auf der Heimreise. Aber feindliche Schiffe sind in der Nähe, um mir den Weg zu versperren!«

Holla! Neue Kämpfe in Sicht!

Von Helgoland aus bricht ein Teil der deutschen Streitkräfte auf, in Begleitung einer Torpedoflotte, um der heimkehrenden, siegreichen »Möwe« den Weg zum deutschen Hafen, wenn's sein muß, kämpfend zu ebnen.

Doch die »Möwe« kommt vorwärts.

In der Ferne taucht Norwegens Felsenküste auf.

Weiter geht's der Heimat zu. Hinter sich die englische Flotte.

In der Ferne sichtet der Kapitän schon die Rauchfahnen der deutschen Schlachtschiffe.

Sollte es zum Kampf kommen, so werden die Engländer von der »Möwe« ablassen und sich mit der deutschen Schlachtflotte zu unterhalten haben.

In diesem kritischen Augenblick senkt sich ein dicker Nebel hernieder.

Es ist, als ob der Himmel ein Einsehen hätte und seinen Schützling, in einen undurchdringlichen Schleier gehüllt, nach Hause geleiten wolle.

Die Mannschaft erinnert sich, daß sie bei der Ausfahrt ebenfalls ein schützender Nebel begleitet hatte.

Bange, schwere Stunden vergehen.

Von den deutschen Kreuzern ist nun ebensowenig zu sehen, wie von den feindlichen Schiffen.

Endlich teilt sich der Nebel und das erste, was sichtbar ist, ist die Insel Amrum.

Deutsches Land! Hurra!!

Und weiter geht's mit Volldampf, nun im ruhigeren Gefühle der Sicherheit.

Da taucht auch schon der rötliche Felsen von Helgoland auf.

Der Funker bekommt Arbeit. Er fängt Willkommensgrüße und Glückwünsche auf. Der Heimat meldet er die nahe Ankunft.

Flaggensignale steigen auf.

Der Nebel schwindet. Die Sonne strahlt wieder golden, als wollte auch sie jetzt die heimkehrenden Sieger mit goldenem Lichte begrüßen.

Und da sind auch schon deutsche Wachtschiffe, Torpedoboote und Kreuzer ganz in der Nähe.

Von allen Masten wird die »Möwe« begrüßt. Und von jedem Schiff donnern jubelnde Hurrarufe herüber.

Je weiter sie sich der heimatlichen Küste nähern, je lebendiger wird es auf dem Wasser.

Über ihnen in der Luft schweben Flugzeuge, die gleichfalls aufgestiegen sind, um ihre Heimkehr freudig zu begrüßen.

Und durch die Reihen der Kriegsschiffe, die sie passieren, schallen brausende Hurrarufe herüber.

Stolz führt die »Möwe« am Vortopp alle Flaggen der versenkten Schiffe.

Alle Mühen, Strapazen und Gefahren sind jetzt vergessen.

Stolz und sieghaft landet sie endlich im deutschen Kriegshafen!!!

Dort ist schon vom Kaiser aus dem Großen Hauptquartier ein Telegramm eingetroffen.

Er heißt den Kapitän und die tapfere Besatzung herzlich willkommen, spricht allen seinen Dank aus und ersucht den Kapitän, sich sogleich bei ihm im Großen Hauptquartier zu melden.

Graf Dohna, der Kommandant der »Möwe«, hatte seiner Tatkraft, seinem Mut, seiner raschen Entschlossenheit seine Erfolge zu danken.

Glückberauscht sieht er sich am Ziel.

Und nun soll diese glückliche Fahrt und Heimkehr noch eine Steigerung, eine Krönung erfahren?!

Er steht nun vor dem Kaiserlichen Kriegsherrn, der ihm dankbar die Hand drückt und ihm selbst die höchste Kriegsauszeichnung, den Orden » Pour le mérite« um den Hals hängt.

Läßt sich das ihm widerfahrene Glück, das ihm so treulich hold war, das ihn durch alle Gefahren führte, nun noch gipfeln? – –

Der Kapitän beantwortet diese Frage selbst, indem er allen lärmenden Kundgebungen, allen Festlichkeiten ausweicht.

Die Mannschaft und die Offiziere, die mögen sich an dem gelungenen Werk freuen, sie mögen sich laut feiern lassen. Sie haben es redlich verdient.

In dem prächtigen großen Saale des neuen Hamburger Rathauses gibt der Senat und die Bürgerschaft den heimgekehrten Siegern ein Fest. Dort mögen sie sich an den Trinksprüchen und geistvollen Reden, die sie würdigen und feiern, gern berauschen, da mag ihre tapferen Seemannsherzen dieses neue Glück erfüllen, Ihn aber zog es anders wohin. Er sucht das höchste Glück, dort wo sein altes Mütterchen lebt.

Und hier, in den Armen seiner hochbetagten Mutter, genoß er das höchste Glück, das ihm der Himmel zuteil werden ließ.

»Hier bin ich wieder, Mutter! Hier hast du mich! Ich habe für Deutschland gekämpft. Und der Kaiser hat mir den höchsten Orden verliehen!«

Während die beiden Menschen das ihnen widerfahrene Glück allein genießen, eilt die frohe Kunde von der siegreichen Heimkehr der »Möwe« durch die deutschen Lande.

Und der Widerhall des lauten Jubels dringt in alle deutschen Herzen. Er mahnt die Jugend, nach den Vorbildern dieser tapferen deutschen Helden zu leben und zu arbeiten.

Und wenn einst der Ruf auch an sie ergeht, unverzagt und todesmutig ihr Leben einzusetzen für Deutschlands Ehre. Und bis zum letzten Atemzuge zu kämpfen für Kaiser und Reich!

 

Druck von A. Gebdel & Cie. G. m. b. H., Berlin SW 61

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