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»Nun, was sagen Sie dazu?« fragte Petersen den neben ihm gehenden Knox. »Sie haben ja fast das ganze Gespräch mit angehört.«
»Ich habe alles gehört, mein Herr, – alles!«
»Umso besser. Dann brauche ich ja nichts zu wiederholen. – Was ist also Ihre Meinung?«
Knox blieb stehen und schaute mit heiteren Augen auf seinen Begleiter:
»Meine Ansicht, Herr Petersen, – an der hat sich auch nicht ein Jota, seitdem ich mit Ihnen die Straße hier herunterging, geändert. Ich halte nach wie vor den Northcliff oder Wilson, oder wie sonst sein Name sein mag, für einen der größten Gauner, der jemals auf dem amerikanischen Festland herumspaziert ist.«
»Sie glauben also nicht, daß er morgen zur Zurückzahlung des Geldes bereit sein wird?«
Knox brach in ein schallendes Gelächter aus.
»Nein, mein bester Herr, Sie werden morgen keinen Cent kriegen! Der respektiert nur die Gewalt oder die Polizei.«
»So meinen Sie, daß es gar keinen Zweck hätte, morgen hinzugehen?«
»Wir wollen dem Herrn Polizeiinspektor berichten. Der mag Ihnen dann sagen, was Sie tun oder lassen sollen.«
Herr Petersen ging nun stumm neben Mister Knox. Die ganze Geschichte hatte ihn arg verstimmt. Sein Freund Prahn wird sich wieder einmal geirrt haben und auch der Polizeikommissar als Vertreter der Polizei zählte keineswegs zu den Unfehlbaren.
Alles, das sah er schon kommen, würde ergebnislos verlaufen. Alle gehabten Aufregungen hatten keinen anderen Zweck gehabt, als seine Hoffnungen herabzustimmen und die seiner armen Frau völlig zu vernichten. Er sah schon im Geiste ihr tränenüberströmtes, liebes Gesicht.
Somit war auch diese von Prahn erweckte und genährte Hoffnung mit einem Schlage vernichtet.
Er selbst hatte nur, solange er unter den suggestiven Worten Northcliffs stand, an die Möglichkeit der Rückzahlung geglaubt. Aber jetzt hatte Knox' sachliche Methode, darüber zu lachen, ihn vollkommen ernüchtert.
Was war da auch noch weiter viel zu reden?
Zu dem Kommissar brauchte er gar nicht mehr zu gehen und mit Prahn wollte er über diese leidige Angelegenheit auch nicht mehr reden.
Mit seinen paar Dollars ging es auf die Neige. Er setzte sich eine Frist. Wenn er bis dahin nicht eine ihm zusagende Arbeitsgelegenheit gefunden hatte, dann wollte er Prahn bitten, ihm das Geld für die Schiffsbillette nach Europa zu leihen.
Auf irgendeinem Schiffe einer neutralen Macht wollte er dann nach dem alten Europa zurückkehren.
Er ärgerte sich auch, daß er nicht von vornherein der phantastischen Idee Prahns gleich widersprochen hatte.
Jetzt bogen sie in eine Seitenstraße ein. Nun mußten sie bald auf den Broadway kommen. Hier stauten sich wieder endlose Wagenreihen und schier ohne Ende strömten die Menschenmassen die breite Geschäftsstraße auf und nieder.
Die Zeitungsjungen riefen die neueste Nummer aus. Aus den Anpreisungen hörte man, daß es sich um die »Appam« und den deutschen Kreuzer »Möwe« handelte.
Petersen kaufte eine Nummer und bei der Lektüre der Zeitung hellten sich seine Züge auf. Seine Stimmung wurde zusehends besser. Und als er den Artikel, der von der »Möwe« handelte, beendet hatte, konnte er wieder fröhlich lachen.
»Das müssen Sie lesen, Mister Knox! Oder erlauben Sie, daß ich es Ihnen – da Sie Deutsch nicht verstehen – mal übersetze?«
»Ich bitte sehr darum. Ich bin ja ein Freund der Deutschen!« »Hören Sie also, was die Zeitung über unsere ›Möwe‹ und die ›Appam‹ sagt:
Als das britische Passagierschiff ›Appam‹ kürzlich sich an der amerikanischen Küste einfand, mit der kaiserlich deutschen Kriegsflagge am Mast, dem Wachtdienst der britischen Kreuzer glücklich entronnen, mit zweiundzwanzig deutschen Seeleuten bemannt, deren Anwesenheit genügte, um dreihundertfünfundsiebzig Briten zu bewachen und im Zaum zu halten, – da brach kein wilder Applaus los, da redete man nicht von ›Ruhm‹ oder von ›Heroismus‹.
Die Welt nahm die Geschichte der ›Appam‹ auf, wie man große Dinge eben aufnimmt. Diese Geschichte, die so lange leben wird, als noch Seeleute Salzluft einatmen und so lange der Ozean seine Wogen rollt, sie wurde nicht mit lärmenden Kundgebungen begrüßt. Die Welt wurde nicht davon überrascht, denn die Helden der Geschichte waren eben deutsche Matrosen!
Ein neues Geschlecht ist auf der Erde herangewachsen. Die einen versetzt diese Tatsache in Schrecken, die anderen begrüßen sie mit dem lebhaften Herzschlag eines freudigen Stolzes.
Graf Dohna, Leutnant Berg, ihr und eure deutschen Seeleute, seid gegrüßt von Amerika, nicht mit ›Cheers‹ und tobendem Beifall. Wir verneigen uns vor den wackersten der wackeren Seeleute, die je auf dem Ozean zu Hause waren!
Tatsachen reden, – Taten, nicht Worte! Die ganze Welt hat von diesem Ereignis Kenntnis genommen.
Was sagen die Engländer dazu? Sie rufen nach bekanntem Muster aus: ›Himmel, Mardonius! Was für eine Sorte von Menschen sind denn das, mit denen du uns zu kämpfen gezwungen hast? Männer, die nicht im Geld, sondern in der Ehre ihre Befriedigung finden!‹
Die deutschen Matrosen hatten als Zuwachs noch zwanzig ihrer Landsleute gewonnen: diese holten sie von englischen Schiffen weg, auf denen man sie nach den britischen Gefangenenlagern bringen wollte.
Man hat Kapitän Harrison von der ›Appam‹ gefragt: ›War es denn für 375 Engländer nicht möglich, die 42 Deutschen zu überwältigen?‹
›Nicht unter diesen Umständen‹, war die Antwort des Engländers.
Unter diesen 375 Briten waren Offiziere und Soldaten. ›Unter diesen Umständen‹ hatten sie keine Lust, sich der Gefahr des Todes auszusetzen ...
42 Deutsche gegen 375 Briten! So stand die Partie! Ein Deutscher genügt für zehn Engländer. Das ist keine Prahlerei, sondern eine zahlenmäßige Tatsache.
Was für ein Rassengegensatz tut sich uns auf!
Während die ›Appam‹ von 22 deutschen Seeleuten geführt wurde, die in ihrer Haft 429 englische Männer und Frauen hatten und sie unversehrt in den Hafen brachten, begegnete ein englischer Kapitän in der Nordsee dem Wrack eines Zeppelins. Es befanden sich noch 30 Deutsche auf diesem hin und her treibenden Trümmerhaufen. Sie baten um Rettung. Der englische Kapitän aber gab sie dem Tode preis!!
›Es waren ihrer dreißig‹, sagte der englische Kapitän, ›und wir waren nur neun.‹
Der Bischof von London, Seine Hochehrwürden Arthur Winnigton Ingram von der protestantischen Episkopalkirche, billigte diesen Mord!! ›Wir müssen dem Kapitän recht geben‹, war seine christliche Meinung!
Welch ein Rassengegensatz!
Die Deutschen schenken englischen Männern und Frauen das Leben, obwohl sie ihnen an Zahl weit überlegen sind.
Es ist nicht die Geschichte der ›Appam‹, die wir hier erzählen –, es ist die Geschichte zweier Rassen!« –
»Sehr gut! Ausgezeichnet! Besten Dank, mein Herr! Wenn ich bloß den Tag noch erleben könnte, an dem es mit England bergab geht.«
»Wir wollen die Hoffnung nicht ausgeben. Wissen wir doch, daß auch das römische Weltreich zugrunde gegangen ist. Und England – daraus können Sie sich verlassen, wird und muß ebenfalls zugrunde gehen.« –
»Hier müssen wir uns trennen, Mister Petersen. Der Herr Polizeikommissar darf Sie wohl heute noch erwarten?«
Eigentlich wollte Petersen nichts mehr von der Sache wissen. Aber der Zeitungsschreiber hatte ihm wieder gute Laune gemacht.
»Ja, ich werde gegen Abend im Bureau des Doktor Prahn sein.«
Die Männer schieden voneinander.
In besserer Stimmung denn am Vormittag, erschien Petersen am Abend bei Doktor Prahn.
»Kommen Sie nur, Herr Petersen, wir warten schon auf Sie«, rief ihm Whiteman bei seinem Eintritt entgegen.
»Alter Junge, du läßt dich ja gar nicht mehr sehen! Sei willkommen!«
Mit diesen Worten reichte ihm Freund Prahn die Hand und hieß ihn niedersetzen.
»Deine Chancen stehen gut, Eberhard, Sonnabend nacht wird der entscheidende Schlag zu deinen Gunsten geführt!«
Petersen wehrte ungläubig ab.
»Erst wenn ich das Geld in Händen habe, werde ich es glauben. Solange erlaubst du wohl, daß ich deinen optimistischen Versicherungen einigen Zweifel entgegensetze.«
»Herr Petersen«, begann Mister Whiteman, »scheint von der Zusammenkunft mit dem ehrenwerten Mister Northcliff nicht entzückt zu sein. –
Fassen Sie Mut, Herr Petersen, – wir halten den Galgenvogel fest und lassen ihn nicht mehr entweichen. Und Freund Prahns Versicherungen dürfen Sie gewißlich trauen. Seine Unterstützung ist uns sehr von Wert. Sie werden nachher mehr darüber hören.«
» Beinah hättest du das Geld erhalten, wenn er es nicht zufällig zu Hause gelassen hätte!«
»Du hast gut spotten, Prahn. Aber sage mir nur, woher weißt du das schon?«
»Knox hat Bericht erstattet«, sagte Mister Whiteman.
»Übrigens ist der Plan dieses Northcliff gar nicht so übel. Er bestellt Sie für morgen in das berüchtigte ›Sternenbanner-Hotel‹ des noch berüchtigteren Peter Patt.«
»Allerdings!«
»Es versteht sich, Herr Petersen, daß Sie nicht dahin gehen.«
»Und warum nicht? – Was kann mir da passieren?«
»Sehr viel und sehr wenig. – Er wird Ihnen natürlich keinen Pfennig des Geldes aushändigen. Dafür wird er bestrebt sein, Sie unschädlich zu machen. Sie sind ihm ein unbequemer Gegner, den er hier wiederzufinden nie vermutet hätte. Und in der Tat wären Sie ihm vielleicht in Ihrem Leben niemals begegnet, wenn nicht zufälligerweise Ihre prächtige ›Möwe‹ die ›Appam‹ nach Amerika geschleppt hätte.
Diese Möglichkeit konnte auch ein solcher Schlaukopf wie Northcliff nicht in sein Kalkül ziehen.
Da auf einmal stehen Sie vor ihm. Sie fordern Ihr Geld Zurück, das er Ihnen durch Einbruch gestohlen hat.
Er hat durch Ihre Gegenwart eine Anzeige beim Staatsanwalt und Unbequemlichkeiten aller Art zu fürchten.
Wenn er Sie unschädlich macht, ist sein Ankläger – der einzige Wissende in der Affäre – und zugleich der gefürchtete Zeuge erledigt.
Die ganze Begebenheit bedeutet für Herrn Northcliff weiter nichts mehr. Er hat nur den einen Wunsch: Herrn Petersen von der Bildfläche verschwinden zu lassen.«
»Sie meinen, – er könnte – – –«
»Ein solcher Mensch wie Northcliff, wird sich keinen Augenblick besinnen, Sie nach einer seiner bewährten Methoden ins Jenseits zu schicken. Die Feststellung ist nämlich nicht uninteressant, daß er Sie gerade ins ›Sternenbanner‹ bestellt hat, das hart am East-River liegt.
Wir wissen aus älteren Prozessen genug darüber. Gerade die am Wasser gelegenen Spelunken sind der Polizei seit langem als höchst verdächtig bekannt. Aber die Polizei kann die Schlupfwinkel nicht aufheben. Sie braucht sie, um gerade in diesen verrufenen Löchern der Verbrecher habhaft zu werden.
Wie oft meinen Sie wohl, Herr Petersen, treibt den Hudson ein toter Mann oder eine tote Frau herunter? Wie oft treibt die Flut Leichen in den Ozean hinaus? – Wer fragt nach ihnen? – Wer kennt ihre Namen, ihre Lebensgeschichte?
Die Leichen, die die Strompolizei im East-River, Nord-River oder Hudson findet, tragen oft nicht mal eine Wunde zur Schau. Kaum, daß sie recht bekleidet sind. Und trägt der Tote noch ein Kleidungsstück, dann ist jedes Kennzeichen, jedes Merkmal sorgsam daraus entfernt worden. Seine Taschen enthalten auch nichts.
Dann wird öffentlich bekannt gemacht: gestern wurde der Leichnam eines Mannes im Wasser treibend aufgefunden. Es folgt die Beschreibung seines Aussehens, weil man keine anderen Kennzeichen hat. Der Tote wird dann in die Morgue geschafft, und wenn nicht Angehörige oder Freunde ihn rekognosziert haben, wird er eingescharrt.
Viele, viele Männer und Frauen werden auf solche Weise auf dem Neuyorker Armenfriedhof in die Erde gebettet. Ihre Angehörigen erfahren nicht einmal, auf welche Weise die Menschen umgekommen sind.
Stellen Sie sich mal vor, es kommt ein junger, unerfahrener Mann in Neuyork an. Selbstverständlich hat der Mann noch eine Anzahl Dollarstücke in der Tasche. Das ist gewiß. Sonst würde ihn ja die Behörde gar nicht ins Land hereinlassen. Es steht also fest: die Leute, die hier landen, verfügen über Geldmittel. Da macht sich denn bald ein würdig aussehender Mann an solch einen Unerfahrenen heran, oder aber eins jener verbrecherischen Mädchen, das mit einer Diebesbande in Verbindung steht, sucht sich einer Frau, die vielleicht mit ihren Kindern hier gelandet ist, zu nähern.
Als besonders vertrauensselig gelten die Deutschen, an die sich denn auch bald die Hochstapler heranmachen. Sie locken die Opfer in eins dieser berüchtigten Hotels am Wasser oder in eine jener Kneipen, die dort gelegen sind.
Der Wirt steht fast immer mit den Verbrechern im Bunde. Ein Wink, und er setzt dem Ahnungslosen einen Trank vor, wovon ein Schluck genügt, um einen starken Mann in einen tiefen Schlaf zu versenken.
Dann wird das Opfer ausgeplündert, seiner Wertsachen, seiner Legitimationspapiere beraubt und, um allen Weiterungen und jeder Bekanntschaft mit der Polizei und den Gerichten zu entgehen, wird der Mann bei Nacht ins Wasser geworfen, wo er denn bald in den ewigen Schlaf hinübergeht.«
»Das ist ja entsetzlich.«
»Die Polizei, mein werter Herr, hat selten mit erfreulichen Dingen zu tun.«
»Da mögen Sie recht haben«, sagte Petersen nachdenklich. »Wissen Sie, was einen noch mehr dauern kann, als die beklagenswerten Opfer selbst? Das sind die armen Hinterbliebenen. Wenn man sich so eine arme Frau vor Augen führt, deren Mann mit einmal spurlos verschwunden ist; ihre Briefe und Telegramme kommen unbestellbar zurück; ihr verzweifeltes Suchen, ihr vergebliches Hoffen, ihre ständige Angst und Sorge um den plötzlich Verschwundenen, ach, all der Jammer ist gar nicht auszudenken.«
Der Polizeikommissar wiegte bedächtig sein Haupt.
»Noch schlimmer fast denke ich mir die seelische Qual eines Mannes, dessen Frau auf eine so geheimnisvolle Art vom Erdboden verschwindet. Wenn, was der Himmel gnädig verhüten möge, mich ein solches Unglück träfe, ich würde wahnsinnig werden.«
»Ob Mann oder Frau, der Schmerz ist gleich groß, wen er trifft. Und jeder ist tief zu beklagen. Unsereiner, der Tag für Tag immer nur mit den schlimmen Schattenseiten des Lebens in Berührung kommt, beginnt allmählich gegen diese herben Eindrücke abzustumpfen. Das ist ja ganz natürlich.
Und doch erinnere ich mich eines Falles, an den ich, selbst nachdem schon Jahre darüber hingegangen sind, mit tiefer Rührung denke.«
Der Polizeikommissar versank in Nachdenken. Er stützte den Kopf in die Hand und blickte gedankenvoll vor sich nieder.
Eine Stille trat ein, während der man nur das gleichmäßige Ticken der Wanduhr hörte. Endlich seufzte er schwer. Es schien, als ob er im Gedankenfluge das traurige Erlebnis noch einmal durchgemacht hätte.
Diesen Augenblick nahm Herr Petersen wahr.
»Wenn es nicht unbescheiden und Ihnen nicht lästig ist, würde ich Sie, mein verehrter Herr Whiteman, bitten wollen, das Erlebnis, von dem Sie sprachen, zu erzählen. Dürfte ich Sie darum bitten?«
»Gern erfülle ich Ihren Wunsch. Vielleicht ersehen Sie aus meiner Mitteilung, wie hart oft das Schicksal mit manchen Menschen umspringt und vielleicht, wenn Sie es andern erzählen, lernt dieser oder jener daraus, vorsichtig zu sein, besonders wenn er fremd in Amerika ist und mit gar zu großem Vertrauen seinen Fuß auf den Boden der Neuen Welt setzt.
Vor Jahren war ich ausschließlich zum Dienst im Hafen kommandiert. Sie werden ja wohl von unserem Freunde Prahn wissen, daß ich damals ihn kennen lernte, als ich am Hafen dienstlich zu tun hatte. Sehen Sie, wenn man die Augen offen hält, und die Menschen beobachten gelernt hat, kann unsereiner oft mehr Nutzen stiften, als wenn er einen Taschendieb faßt und ihn zur Wache bringt.
Von meinem Posten aus beobachtete ich eines Tages, wie der lange Zug der Einwanderer an Land stieg. Mit den Einwanderern meine ich natürlich nicht die reichen Leute, die in der ersten Kajüte nach Amerika kamen und durch ihren Reichtum und ihren Rang eins, zwei, drei an Land kommen können. Die wohlgefüllte Brieftasche, die goldgespickte Börse sind sehr respektierte Ausweise. Mit den reichen Herren geht man glimpflicher um, als mit den armen Zwischendeckern. Bei den Wohlhabenden verzichtet die Polizei auf jede Garantien. Man nimmt auch an, daß ihr Reichtum schon genügend für den Zustand ihrer Gesundheit Bürgschaft leistet. Sie kommen an, werden ehrerbietig und höflich empfangen und können bald an Land gehen.
Anders verfährt man mit den kleinen Leuten. Wenn ihre Gesundheit nicht ganz einwandsfrei ist, dürfen Sie nicht an Land und wenn ihre Börse nicht den vom Gesetz vorgeschriebenen Betrag enthält, werden sie dahin wieder zurückgeschickt, woher sie gekommen sind.
Glauben Sie mir, mein bester Herr, man wird oft von Mitleid mit den Armen ergriffen, die aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit nicht jedes Tipfelchen unseres amerikanischen Gesetzes zu erfüllen in der Lage waren.
Streng und kurz heißt's dann: zurück an den Ausgangsort.
Da erlebt man denn traurige Szenen.
Voll von Hoffnung und Mut gingen die Ärmsten hier vor Anker, um sich eine neue Existenz zu begründen, um, wie man so sagt, hier das Glück zu erhaschen, das ihnen in ihrer alten Heimat nicht hold war. Und nun, kurz vor der Erfüllung ihrer sehnsüchtigen Wünsche, werden sie erbarmungslos zurückgetrieben.
Unter denen, die mit Sack und Pack an Land gestiegen waren, fiel mir ein junger Mann auf, aus dessen blauen Augen ein unendliches Glücksgefühl leuchtete. Das Gesicht strahlte, als ob er schon der erhofften Million, die er hier ergattern wollte, sicher wäre.
Er hatte eine sehnige, schlanke Gestalt und sein schöner, braunlockiger Kopf, auf dem keck ein kleines Hütchen etwas aus der Stirn gerückt war, erweckte meine ganze Aufmerksamkeit. Ich wendete ihm mein Interesse weiter zu. Ich sah, wie er Kisten und Kasten nach und nach vom Schiff an Land brachte und zunächst am Kai niederlegte.
Er hatte keinen Arg, sein bißchen Hab und Gut unbewacht zurückzulassen, als er wieder den nicht sehr kurzen, unbequemen Weg zum Schiff zurücklegen mußte. Das herumlungernde Gesindel hätte sich zweifellos die Unachtsamkeit des jungen Mannes zunutze gemacht, wenn ich nicht freiwillig ein wachsames Auge auf die Habseligkeiten gehabt hätte. Es machte mir schließlich Spaß, in das lachende Gesicht zu blicken, wenn er eine neue Last anschleppte und mich dabei aus glücklichen Augen ansah, als wollte er mir nicht nur seinen stummen Dank ausdrücken, sondern gleichzeitig verkünden: jetzt bin ich da. Und es wird nicht lange währen, dann werde ich einen Palast in der 5 ten Straße bewohnen. Ich nickte ihm gönnerhaft zu und den Augenblick benutzte er, um sich mir vorzustellen.
Es war ein junger Deutscher, ein Thüringer, Oswald mit Namen. Er war erst vier Jahre verheiratet und da er bei der Glasbläserei nicht recht vorwärts kam, andere ihn wieder vorgeredet hatten, daß er in Amerika lohnendere Arbeit bekommen würde, brach er seine Zelte in Deutschland ab, raffte seine kleinen Ersparnisse zusammen und kam mit seiner Frau und beiden Kindern ganz vergnügt hier an.
Die junge Frau und die beiden Kinder sehe ich noch heut lebhaft vor mir, als sie schüchtern hinter dem Mann an Land kamen. Ein Kind trug sie auf dem Arm, eins führte sie an der Hand. Da wurde es mir weich ums Herz. Ich dachte an meine Kinder zu Haus, die ein sicheres Haus hatten und von einer resoluten, kräftigen Mutter betreut wurden.
Die zarte junge Frau mit ihrem Madonnengesicht, die beiden blonden Kinder, ein Junge und ein Mädel, wurden von allen, die sie sahen, mit großem Wohlgefallen betrachtet.
Ich rief den Mann zu mir heran. Ich fragte ihn, ob er schon ein Unterkommen hätte, eine Arbeitsstätte oder dergleichen. Er beantwortete meine Fragen selbst sicher. An Arbeit, meinte er, würde es ihm nicht fehlen. Wenn er auch noch keine feste Arbeit hätte, so habe er doch guten Mut. Er sei sicher, daß er schon in den nächsten Tagen unterkommen würde.
Ich wollte ihm die Hoffnung nicht verkleinern und seinen Mut nicht lähmen. Wußte ich doch besser als jener, wie schwer es dem Anfänger wird, ein lohnendes Unterkommen zu finden. Ich sah aber auch, daß der sehnige, kräftige Mensch tapfer seinen Mann stehen und daß man ihn nicht so leicht unterkriegen würde. Das beruhigte mich einigermaßen, denn ich muß Ihnen gestehen, daß ich für das junge Paar und die hübschen Kinder ein starkes Interesse empfand. Ich gab ihm noch einige nützliche Winke. Dann sah ich ihn noch mit einigen Männern sprechen, sah ihn mit einem dieser Gesellen zurückkommen und gemeinsam mit ihm seinen Besitz forttragen.
Mein Dienst hielt mich noch am Hafen fest. Ich sah dann später, als ich zur Straße hinüberblickte, die junge, hübsche Frau auf einem Wagen sitzend, neben sich die Kinder, drum herum den mitgebrachten Hausrat und das andere Gepäck. Das war das letzte, was ich von der jungen deutschen Familie sah, bis ich nach einigen Tagen wieder zu ihr zurückgeführt wurde.
Ich hatte gerade Innendienst. Ich sitze auf der Wachstation, als der Telegraph schrill läutet, und der Apparat zu hämmern beginnt. Der Kollege am Apparat beginnt das Telegramm vom Streifen abzulesen. – Sie müssen wissen, daß das kein besonderer Vorgang ist. Telegramm folgt auf Telegramm. Der diensttuende Beamte gibt das Telegramm weiter und damit ist für ihn die Sache erledigt und unsereiner, der mit den Dingen dienstlich nichts zu tun hat, nimmt an den telegraphischen Mitteilungen nur geringen persönlichen Anteil.
Ich war gerade im Begriff, das Zimmer zu verlassen, da meine Dienstzeit für diesen Tag zu Ende war, da sehe ich zu dem Telegraphisten zufällig hinüber und bemerke sein Kopfschütteln.
›Warum schüttelst du den Kopf, John? – Ist was Besonderes passiert?‹
›Nicht doch‹, sagte mein Kollege. ›Wieder die alte Geschichte. Die Dummen werden nicht alle.‹
›Was hat's denn gegeben?‹ fragte ich neugierig weiter.
›Ach, da ist einer Frau der Ehemann abhanden gekommen. Sie sucht ihn schon einige Tage. Entweder ist er ihr ausgekniffen oder sie haben ihn irgendwo umgebracht.‹
›So, so‹ sagte ich, ›das ist sicher wieder einer von den eingewanderten Deutschen. Die Art Leute ist doch zu vertrauensselig.‹ Damit war ich an der Tür. Mein Kollege aber rief mir nach:
›Du hast's erraten, es ist wieder ein Deutscher, – Oswald heißt der arme Kerl.‹
Da ließ ich die Hand von der Klinke fahren und ging stracks an den Telegraphiertisch.
Oswald, das ist ja ein Name, der nicht allzuoft vorkommt und ich war vollkommen überzeugt, daß der Vermißte kein anderer sein konnte, als der junge Einwanderer, dessen freimütiges Aussehen und dessen Frau und Kinder mein Interesse so lebhaft wachgerufen hatte.
Ich las jetzt das Telegramm und in der Tat, es war so, wie ich vermutet hatte. Ich ließ mir die Adresse der jungen Frau geben, telephonierte nach Hause, daß mich meine Frau erst gegen Abend erwarten möchte und machte mich auf, um, wenn ich dazu imstande sein sollte, Licht in das Dunkel bringen zu helfen.
Die junge Frau fand ich in einer jener minderwertigen Herbergen mit ihren Kindern. Sie war halb von Sinnen. Kaum, daß sie auf meine Fragen Antwort geben konnte.
Einer der Männer, die sie in dieses Logis gebracht hatten, hatte andern Tags einen Agenten gebracht, der ihrem Manne eine Adresse gab. Er sollte einen Fabrikherrn kennen lernen, der hier ist, um Arbeiter für seine Fabrik in Chikago anzuwerben.
›Beim Fortgehen,‹ erzählte die Frau, ›küßte mich mein Mann und sagte: zu Mittag bin ich wieder zurück. Das Hotel ist nicht gar so weit, versicherte mir der Agent.
Als er mittags nicht kam, wurde ich unruhig. Doch der Wirt der Herberge hier sagte mir, die Entfernungen in Neuyork werden meistens unterschätzt. Ihr Mann wird sich zudem noch verlaufen haben. Warten Sie nur noch bis zum Abend. Dann wird er zurück sein.
Ich warte bis zum Abend und verbringe eine schlaflose Nacht in großer Angst. Und als er auch am nächsten Tag nicht zurück ist, laß ich mich nicht mehr abhalten, zur Polizei zu gehen. Ich nehme meine Kinder, renne auf die Straße und erzähle mein Leid einem Policeman auf der Straße. Der begleitet mich zum Polizeirevier. Dort wird alles sorgsam notiert. Dann werde ich wieder nach Hause geschickt in meine Herberge und da warte ich schon den zweiten Tag.‹
Die Arme hatte, wie mir der Herbergsvater sagte, in der ganzen Zeit keinen Bissen gegessen. Kaum, daß sie Sinn und Kraft hatte, das Notwendigste für die Kinder zu besorgen. Ich erkundigte mich, ob sie Geldmittel besäße.
›Nein,‹ sagte sie, ›alles, was wir besaßen, hat mein Mann bei sich.‹
Ich ersuchte den Gastwirt, ihr Speise und Trank zu geben und verbürgte mich für die Bezahlung.
Ich beruhigte die Beklagenswerte, und, obgleich ich innerlich überzeugt war, daß ihr Mann das Opfer eines Verbrechens geworden war, tröstete ich sie, so gut ich konnte und versprach, ihr bald bessere Nachricht zu bringen.
Vom nächsten Revier aus setzte ich mich mit dem Hauptpolizeiamt in Verbindung und da erfuhr ich zu meiner lebhaften Freude, daß ein Mann, dessen Beschreibung mit dem Gesuchten ungefähr übereinstimmte, aus dem East-River gefischt sei und verwundet im New-Jersey-Krankenhaus läge. Ich nahm mir einen Wagen und fuhr schnellstens nach dem Krankenhaus.
Der leitende Arzt gab mir keine Hoffnung für den Verwundeten. Er glaubte sogar, ich würde ihn lebend nicht mehr antreffen.
Ich näherte mich dem Bett, auf dem der Verwundete lag und erschrak, als ich meinen jungen Schützling in einem fürchterlichen Zustande wiederfand. Sein Antlitz war wachsbleich. Die Stirn trug einen Verband. Auch seine Arme waren bandagiert.
Auf einen fragenden Blick zum Wärter, flüsterte dieser mir zu: ›Noch lebt er. Aber es kann nicht mehr lange mit ihm dauern.‹
›Flößen Sie ihm‹, sagte ich, ›etwas Stärkendes ein. An dem Mann ist ein Verbrechen verübt worden. Wir müssen alles daran setzen, um die Täter ausfindig zu machen.‹
›Einen Augenblick, ich hole den Arzt.‹
Er kam bald mit diesem zurück.
Man flößte dem Kranken stärkenden Wein ein, man machte ihm eine Einspritzung mit Äther und Kampfer und in der Tat, der Verletzte gab wieder stärkere Lebenszeichen von sich.
Ich ließ mich neben seinem Bette auf einen Stuhl nieder.
›Mister Oswald, können Sie hören, was ich zu Ihnen spreche? – Möchten Sie mich auch einmal anblicken?‹
So und ähnlich sprach ich zu ihm, und als er noch immer apathisch dalag, sprach ich: ›Ich komme eben von Ihrer lieben Frau. Sie läßt Sie grüßen und wartet mit Sehnsucht auf Sie.‹
Da öffnete er seine Augen und als sie den meinen begegneten, merkte ich, daß er mich erkannt hatte. Er blickte mich lange an. Und dann, mir traten vor Freude Tränen in die Augen, zeigte sich aus seinem Gesicht wieder jenes Lachen, das ihm so gut zu Gesichte stand. Er mußte wohl aber Schmerzen empfinden, denn die kurze Heiterkeit schwand bald wieder. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Seine Augen weiteten sich, als ob er etwas Furchterregendes sähe. Ich blickte in der Richtung, sah aber nichts, was diese Furcht hätte erklären können.
›Wollen Sie mir nicht erzählen, wie Sie zu den Verletzungen gekommen sind? Sie brauchen sich nicht anzustrengen. Sprechen Sie so leise, wie Sie wollen. Ich werde alles hören.‹
Ich brachte mein Ohr ganz in die Nähe seines Mundes und dann vernahm ich in kurzen abgebrochenen Sätzen:
›Er brachte mich ins Hotel – –‹
›In welches Hotel? Erinnern Sie sich an den Namen? In welcher Straße lag es?‹
Der Name des Hotels war beim besten Willen von ihm nicht zu erfahren. Ich gab mir die größte Mühe, ihn danach zu fragen. Alles war vergeblich. Er hatte den Namen entweder gar nicht gehört oder vergessen. Nur das eine wußte er, das Hotel lag am Wasser. Und damit hatte ich schon einen genügenden Anhalt gefunden, um weiter forschen zu können. Ich gelobte mir im stillen: Und wenn ich alle am Wasser gelegenen Hotels durchforschen müßte, ich will nicht ruhen, bis ich die Verbrecher ausfindig gemacht habe.
Oswald fuhr in seinem Berichte fort:
›Man führte mich in ein Restaurationslokal zu ebener Erde. Man setzte mir ein Glas vor. – Ich trank. – Aber gleich merkte ich, daß mir ganz taumelig zumute wurde, als ich das Zeug im Leibe hatte. – Nun ging mir ein Licht auf. Mit dem Aufgebot aller Kraft sprang ich in die Höhe, um auf die Straße und ins Freie zu gelangen. Im Hausflur holten mich zwei Männer ein, führten mich wieder in die Schankstube zurück. Ich sprach, aber was ich sprach, weiß ich nicht. Meine Zunge war schwer wie Blei. Ich wollte aufstehen und mit Gewalt hinaus. Sie hielten mich mit Gewalt zurück und lachten dabei. Da packte mich einer von hinten und hielt mir die Arme fest, während ein anderer mir die Taschen leerte. Mit der letzten verzweifelten Kraft schüttelte ich den, der mich hielt, ab und schlug ihn zu Boden. Doch im selben Augenblick regneten Schläge auf mich nieder. Hageldicht. Ich verlor die Besinnung. Als ich zu mir kam, fand ich mich im Wasser treibend. Wie ich dahin gekommen bin, weiß ich nicht. Doch im Wasser kam mir die Besinnung wieder. Und mein Trieb zum Leben erwachte wieder in mir. Ich bin ein guter Schwimmer. Ich warf mich auf den Rücken und schwamm so gut ich es konnte.
Meine Arme und Hände sind übel zugerichtet, wie mein Kopf. Sie haben mir übel mitgespielt, die schlechten Menschen. Mein bißchen Geld haben sie mir geraubt. Nun liege ich hier und mein armes Weib ängstigt sich gewiß zu Tode um mich. Und ich kann ihr nichts sagen und nicht helfen. Ich bin selbst hilflos wie ein Hund.‹ Und nun mit einemmal fielen ihm seine Kinder ein an denen er so unendlich hing.
›Meine Kinder! Meine herzigen, lieben Kinder!‹ rief er einmal über das andere Mal und schluchzte dabei bitterlich.
Mir ging das tragische Schicksal des Mannes selbst so nahe, daß ich das Verhör beendete und machte, daß ich fort kam.
Ich wollte den letzten Augenblick, den der Unglückliche noch hatte, versüßen, um ihm seine Frau und seine Kinder herbeizuholen.
›Bleiben Sie ruhig und regen Sie sich nicht auf, Oswald. Es wird noch alles gut werden. Ich hole jetzt Ihre Frau und die Kinder. Und die Halunken werden wir schon dingfest machen. Da verlassen Sie sich ganz auf mich.‹
Ich fuhr davon, um die Frau zu holen und ihr unterwegs schonend alles mitzuteilen.
Doch als ich mit ihr zurückkam, war der Ärmste schon hinübergegangen. Vielleicht war es auch für die arme Frau besser.
Sie verlangte die Leiche ihres Mannes zu sehen, während die Kinder vom Kastellan des Krankenhauses in Obhut genommen wurden.
Man führte die Unglückliche zu dem Entseelten. Kein Wort des Schmerzes kam über ihre Lippen. Keine Träne entquoll ihren Augen. Wortlos war der Schmerz, aber umso größer, da er sich durch keine Träne Luft machen konnte. So fand ich sie am Abend wieder und als man Anstalten traf, den Leichnam zu bestatten, da kam erst wieder etwas Leben in sie.
Die Männer waren eben im Begriff, den Leichnam hinauszutragen. Da endlich brach der lang zurückgehaltene Tränenstrom hervor. Sie umklammerte den Entschlafenen und wollte ihn nicht von sich lassen. Die Beamten traten ein wenig zur Seite. Doch als sie von neuem daran gingen, um den Toten auf die Bahre zu heben, da taumelte die Frau ein paar Schritt und fiel, ohne einen Laut von sich zu geben, tot zur Erde.
Da bleibt nicht mehr viel zu berichten.
Das junge Paar, das statt Glück in der Neuen Welt zu finden ein rasches Grab gefunden hatte, wurde bestattet und die beiden Kinderchen wurden einem Waisenhause überwiesen.
Seitdem sind viele Jahre verflossen. Aber ich habe die beiden nicht aus den Augen gelassen. Oft, wenn es der Dienst zuläßt und ich in die Nähe des Waisenhauses komme, gehe ich auf einen Sprung hinein, um ihnen freundliche Worte zu sagen und oft sind sie in meiner Familie, um mit meinen Kindern gemeinsam zu spielen.
Dann erzähle ich ihnen gelegentlich auch von ihrem Vater und von ihrer Mutter, die ich beide gekannt hatte. Und die Kinder gehen dann oft an das Grab ihrer Eltern, um es mit Blumen zu schmücken.
Der junge blühende Mann kam auf heimtückische Art ums Leben, wie es leider das Schicksal so vieler hier ist, die zu vertrauensselig waren.
Sehen Sie, so was hat der vortreffliche Northcliff auch mit Ihnen vor.
Um Sie in keine üble Situation zu bringen, und damit unser schöner Plan nicht Schaden nimmt, soll Knox sich in eine Portierlivree stecken und mit einem Brief von Ihnen, an Ihrer Statt, im ›Sternenbanner‹ vorsprechen.
Sehen Sie einmal, Herr Petersen, – wenn Sie durchaus selbst hin wollen, – so wird sich folgendes zutragen:
Man wird Sie ebenfalls zu trinken auffordern, Sie werden ablehnen.
Da er auf diese Weise nicht zu seinem Ziele kommt, wird er Ihnen erklären, das Geld liegt für Sie bereit im Nebenzimmer oder oben in seiner Wohnung.
Folgen Sie auch dahin nicht, wo er sich Ihrer entledigen kann, dann wird er schon dafür sorgen, daß seine Helfershelfer eine Schlägerei beginnen und Sie hinein verwickeln.
Dieser ganze Kampf wird nur ein scheinbarer sein. Er ist nur darauf berechnet, Sie hineinzuziehen, um sie niederzuschlagen.
Wir müßten also, um allen Eventualitäten vorzubeugen, ein starkes Polizeiaufgebot ins Haus legen. Damit würde aber der Vogel unruhig gemacht werden und – davonfliegen.
Damit kann Ihnen aber nicht gedient sein, denn Freund Prahn und ich haben uns vorgenommen. Ihnen zu Ihrem Gelde zu verhelfen. Und ich rechne darauf, daß Sie unseren Maßnahmen nicht widersprechen und sie nicht durchkreuzen werden.«
»Gut also. Ich bin mit allem einverstanden«, sprach Petersen. »Tut, was ihr wollt. Ich werde keinen Schritt mehr tun und mich ganz eurer Führung überlassen.«
»So ist's recht. Also setzen Sie sich mal gleich hierher und schreiben Sie folgenden Brief«:
Whiteman schob Petersen einen weißen Bogen hin.
»Herrn Edward Northcliff
57. Straße, Hotel ›Zum Sternenbanner‹.
Durch Unpäßlichkeit bin ich verhindert auszugehen. Sie
werden darum gebeten, dem Überbringer dieser Zeilen mein Geld
in Höhe von siebenunddreißigtausend Mark auszuhändigen.
Es empfiehlt sich Ihnen
E. Petersen.«
»So, nun schnell noch die Adresse. – Das wird Knox bald erledigen.
Und nun lassen wir Herrn Northcliff vorläufig in Ruh. Erst am Sonnabend werden wir ihn alle drei gemeinschaftlich wieder begrüßen. Bis dahin wünsche ich wohl zu schlafen!«
»Auf Wiedersehen, verehrter Freund«, rief Doktor Prahn dem sich empfehlenden Polizeikommissar nach. »Petersen behalte ich noch einen Augenblick hier!
Mach nicht ein so betrübtes Gesicht, wie der Lohgerber, dem die Felle weggeschwommen sind. Dazu hast du noch später Zeit. Dein Freund, der gleichzeitig dein Anwalt ist, sagt dir: deine Sache steht gut! Jetzt sollst du mir nur noch deine Unterschrift für die Vollmacht geben. Das hätten wir beinah' vergessen. Morgen lasse ich einen Verhaftsbefehl gegen ihn ausstellen: Freilassung gegen Erlegung einer Kaution in Höhe von vierzigtausend Mark. Verstehst du die Sache? –
Das wäre also auch getan. Die eidesstattliche Versicherung für das Zeugnis des Mister Knox besorgt Whiteman.
Und so wollen wir hoffen, daß unser Herr Verbrecher uns am Sonnabend mit einer wohlgefüllten Börse ins Netz geht.«