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Punkt zehn Uhr am nächsten Tag fand sich Herr Petersen im Bureau des Doktor Prahn ein.
Der Geheimpolizist wartete schon auf ihn.
»Knox, von der Geheimpolizei«, stellte er sich Petersen vor.
Petersen sagte:
»Ist es an der Zeit, zu gehen? Oder kann ich noch meinem Freunde ›Guten Tag‹ sagen?«
»Der Herr Doktor ist schon auf dem Gericht. Und ich glaube, es ist Zeit, daß wir uns in Bewegung setzen, wenn wir zur rechten Zeit da sein wollen. Ziehen Sie es vor, den Weg zu Fuß zu machen, oder wollen wir die Trambahn benutzen?«
»Ist die Bar weit von hier?«
»Keineswegs. Zu Fuß erreichen wir sie in etwa zwanzig Minuten.«
»Dann ziehe ich es vor, zu laufen.«
Mister Knox wählte eine jener ruhigen Straßen, die mit dem Broadway parallel laufen, aber nicht von dem Lärm und lebhaften Menschen- und Wagenverkehr erfüllt sind.
Erst schritten die beiden Männer schweigend nebeneinander her.
Es begann leise zu regnen.
»Wünschen Sie nicht doch lieber einen Wagen zu nehmen, Herr Petersen?«
»Nein. Ich hätte gern noch mit Ihnen etwas gesprochen. Mich stört der Regen gar nicht. Und Sie haben ja wohl in Ihrem Dienst nicht immer nur gutes Wetter?«
»Nein. Das weiß der Himmel! Wir arbeiten bei Sturm und bei Sonnenschein. Danach hat unsereiner nicht zu fragen. Und unser Chef, – der Herr kennt wohl Herrn Whiteman? – der nimmt darauf auch keine Rücksicht, ob ein Blizzard losbricht, daß wir im Schnee versaufen können, oder einer jener schönen Wolkenbrüche, daß man mit Lebensgefahr über die Straße kommt. Der Dienst, mein Herr, der Dienst!«
»Ihr Beruf setzt allerdings starke Anforderungen an Ihre Gesundheit.«
»Das ist wohl richtig. Aber oft macht einem der Dienst auch Freude. So zum Beispiel in unserem Falle, wenn es gilt, einen dieser großen Gauner zu fassen. Wenn ich es rund heraus sagen soll, mein Herr, mein Chef, Herr Whiteman, hat ebenfalls eine besondere Freude, wenn es sich darum handelt, einen der vielen englischen Diebe unschädlich zu machen.
Sie verstehen, mein Herr. Der alte, aber sehr berechtigte Haß, denn Herr Whiteman ist ein Ire. Und ich nenne mich mit Stolz auch einen Iren.«
Herrn Petersen kam der Eifer, der dem alten eingewurzelten Haß der beiden Nationalitäten entsprang, für seine Sache sehr gelegen.
»Sie meinen also, Mister Knox, wir haben Aussicht, den Verbrecher dingfest zu machen?«
»O, da seien Sie ganz ruhig, Herr Petersen. Der Mann wird seit acht Tagen ununterbrochen auf Schritt und Tritt beobachtet. Er kann hingehen oder fahren, wohin er will. Einer von uns ist immer hinterher. Er läßt diesen Galgenvogel nicht mehr aus seinen Fängen, diesen damned Englishman, Mister Wilson, wie er sich jetzt nennt.
Unter dem Namen ›John Barnett‹ hat er drei Jahre Sing-Sing abgemacht.«
Als Petersen den Sprecher fragend ansah, gab er ihm eine Aufklärung.
»›Sing-Sing‹ ist nämlich unser großes Staatsgefängnis, in dem schon viele englische Verbrecher Unterkunft gefunden haben.
Ja, mein Herr, die Engländer – – Wenn ich aus meiner Erfahrung erzählen wollte, da könnte ein ganzes Buch davon voll werden. Aber man braucht mich ja nicht, um die räuberische Rasse kennen zu lernen. Jetzt sieht wenigstens die ganze Welt einmal, was das für Räuber sind. Die ganze Welt möchten sie für sich behalten und keinem Luft und Leben lassen.
Sie kommen aus Afrika? – Ist Ihnen schon der Fall ›Baralong‹ bekannt? – Noch nicht? O, mein Herr, das ist ja die empörendste, unmenschlichste Tat, die kein Kanake, kein Buschneger, fertiggebracht hätte. Nur den Engländern war eine solch ruchlose viehische Tat vorbehalten. – Denken Sie, mein Herr, hilflos im Wasser treibende deutsche Soldaten wurden auf ausdrücklichen Befehl des Schiffskommandanten der ›Baralong‹ aus nächster Nähe ermordet.«
Mister Knox redet sich in Ekstase, als er die ganze grauenhafte Baralonggeschichte dem aufhorchenden Petersen zum besten gab.
Als dieser etwas erwidern wollte, unterbrach ihn Knox:
»Wir sind schon zur Stelle. Da drüben, sehen Sie das große Schild? Das ist die Bar. – Ich werde, wenn Sie erlauben, vorausgehen und Sie folgen mir fünf Minuten später. Ich werde den Platz so aussuchen, daß Sie am Nebentisch Ihren Sitz nehmen können.«
Herr Petersen sah Herrn Knox' rotes Gesicht hinter der Spiegelscheibe der Bar verschwinden.
Noch fünf Minuten trennten ihn also von jenem schurkischen Menschen, der das ihm entgegengebrachte Vertrauen so schlecht vergolten hatte.
Es fielen ihm die Worte des Polizeikommissars ein: vor allem bleiben Sie ruhig.
Ja, der Herr Kommissar hatte gut reden, – ruhig bleiben, wenn man einem Dieb gegenübertritt, der einem die schwer erarbeiteten Ersparnisse aus dem Kasten gestohlen hat!
Aber er wollte kein Spielverderber werden. Er nahm sich vor, sich zu beherrschen.
Er zog die Uhr.
Noch drei Minuten!
Er spazierte die Straße, die er gekommen war, wieder zurück. Dann machte er einen Umweg um den Platz, auf dem sich die Bar befand.
Dann endlich war es so weit. Er versuchte, unbefangen dreinzublicken.
Er stieß die Tür auf. Ein Qualm von Pfeifen- und Zigarrentabak und der Dunst von Alkohol schlug ihm entgegen.
Der mit Spiegelscheiben elegant ausgestattete Schankraum war mit Gästen dicht gefüllt. Er mußte seine Augen an das Dämmerlicht des Lokals gewöhnen.
Am Büfett standen oder lehnten junge und ältere Männer, die über die Aussichten der kriegführenden Staaten einander Wetten Vorschlägen.
Doch nicht bloß hier, auch beim Weitergehen hörte er, wie an den Tischen der Name »Appam« genannt und über die Chancen der Prise für die deutsche Regierung debattiert wurde.
Weitergehend hörte er an anderen Tischen das forsche Draufgängertum des Grafen Dohna erörtern, des Kommandanten des deutschen Kreuzers »Möwe«.
Er war jetzt durch den länglichen Raum, in dem sich der Schanktisch befand, hindurchgeschritten, hatte aufmerksam seine Augen über die Anwesenden gleiten lassen und war am Ende der Bar angelangt, wo sie sich in ein größeres Halbrund weitete.
Gleich am Anfang sah er Mister Knox sitzen, der ihm mit einem Auge zuzwinkerte.
In dem Halbrund waren alle Tische, bis auf einen, hinter einer Säule, besetzt. An diesem Tisch nahm er Platz. Knox starrte ihn an. Wollte er etwas von ihm? Was konnte er wollen?
Da fuhr es ihm durch den Kopf, Knox möchte nicht, daß er, Petersen, sein Gesicht der Eingangstür zuwendete. Er stellte darum den Stuhl mit der Lehne an die Säule, so daß er zwar der Eingangstür den Rücken zukehrte, aber Mister Knox ständig vor Augen hatte.
Knox wiegte langsam lächelnd sein rotes Gesicht. Das sollte bedeuten: das hast du in meinem Sinne ganz richtig gemacht.
Nunmehr konnte Petersen von den Eintretenden nicht gleich gesehen werden. Erst wenn einer in das schummerige Halbrund getreten war, konnte er den wie versteckt dasitzenden Petersen wahrnehmen.
Knox hatte sein Glas schon vor sich. Petersen bestellte einen Sherry. Doch er nippte nur am Glase.
Voll Spannung sah er den Ereignissen entgegen.
Eine Viertelstunde war schon vergangen. Aber Herr Northcliff ließ sich noch nicht sehen. Eine zweite Viertelstunde verging. Ein Teil der Gäste hatte schon neuen Gästen Platz gemacht. Doch noch immer war von dem Gesuchten nichts zu entdecken.
Sollte er heute gerade ausbleiben? Oder instinktiv das Weite gesucht haben?
Doch Knox sprach so sicher davon, daß immer ein Häscher hinter dem Verfolgten her wäre.
Petersen fing schon an ungeduldig zu werden. Und auch Knox, der schon beim vierten Glasen angelangt war, sah mehr als einmal aus die Uhr und nach der Eingangstür.
Da machte er Petersen ein Zeichen mit der Hand. Nur an seinen Augen und an einem kurzen zweimaligen Nicken seines geröteten Antlitzes konnte er merken, daß der so lang Erwartete eingetreten war.
»Oh, holla, Mister John! – Hierher!« –
»Mister Wilson,« rief ein anderer, » old fellow, wo bleibst du so lange?«
Durch das Stimmengewirr hörte er jetzt die Stimme Northcliffs, – er hätte sie unter hundert anderen Stimmen sofort heraus erkannt. – »Guten Tag, meine lieben Freunde. Wer spät zu Bett geht, steht auch spät auf!«
»Ah – – nun, wie war's gestern abend?«
»Nun, so lala«, hörte er wieder die Stimme Northcliffs. »Wenig gewonnen, viel verspielt. – Das Glück ist so launisch. – Mir einen Sherry Brandy. Und was zu essen. Ich habe viel Appetit!«
Die Freunde, die ihm zugerufen hatten, waren von ihren Tischen aufgestanden und hatten sich um Northcliff, der sie alle um Kopfeslänge überragte, aufgepflanzt.
Da gab es ein lebhaftes Her und Hin, ein Fragen und Antworten. Dabei konnte man kaum den zehnten Teil der sonderbaren Ausdrücke, die die Unterhaltung würzten, verstehen.
»Hm, hm«, dachte Petersen. »Die Burschen gehören zu einander. Die sprechen in einem, nur ihnen verständlichen Jargon. Wir zu Hause würden das ›Spitzbuben-Deutsch‹ nennen.«
Einige hatten sich von Northcliff verabschiedet und Absprachen für den Abend getroffen. Nach zehn Minuten plauderte er nur noch mit einem älteren Manne am Büfett, der ihm nicht von der Seite wich.
Der Kellner brachte ein Brett mit Essen.
»Wohin?« fragte er.
»Stellen Sie es nur irgendwohin!«
Da alle Tische in dem Halbrund besetzt waren, stand Knox auf und setzte sich an einen Nebentisch zu einem Gast, so daß der Kellner das Essen auf den leeren Tisch niedersetzen konnte.
»Mein Herr, das Essen steht da!«
Und nun kam der lang erwartete Augenblick.
Petersen hörte die Schritte auf dem Estrich und wenige Sekunden darauf sah er von der Seite die lange, ihm wohlbekannte Gestalt Northcliffs auftauchen.
Er hatte sich einen Schnurrbart wachsen lassen, den er kurz verschnitten hatte. Auch an den Wangen sproßten zwei kurzgeschnittene Bartkoteletts. Die Veränderung im Gesicht durch den Bart hatte der ehrenwerte Herr Northcliff wohl nicht ohne Grund vorgenommen.
Sein Begleiter sprach noch im Gehen zu ihm und Northcliff hatte den Kopf dem Sprecher halb zugewendet.
Nun war er an dem Tisch, auf dem sein Essen stand, angekommen. Er ließ sich darauf nieder. Sein Begleiter war einen Augenblick ans Büfett zurückgetreten.
Knox gab jetzt Petersen ein Zeichen.
Rasch erhob sich dieser und noch bevor Northcliff den ersten Pissen mit der Gabel zum Munde führen konnte, schlug ihm Petersen mit der Hand auf die Schulter.
»Guten Tag, Mein lieber Herr Northcliff«, sagte er mit ausgesucht höflicher Stimme. Dabei machte er ein so freundliches Gesicht, als es ihm bei der ganzen unbehaglichen Situation möglich war.
Northcliff war kreidebleich geworden.
Den Mund, den er geöffnet hatte, um den zurecht geschnittenen Bissen hineinzuschieben, vergaß er vor Schreck zu schließen.
Mit tödlich erschrockenen Augen sah er den vor ihm Stehenden an.
Doch rasch hatte er sich gefaßt und mit einer ruhigen Stimme, als ob er sich erst gestern in der freundschaftlichsten Form von Petersen verabschiedet hätte, sagte er:
»Sieh da, guten Tag, Herr Petersen, – freut mich, Sie zu sehen. Bitte, wollen Sie nicht hier Platz nehmen? Sie nehmen doch auch einen drink?«
Flugs schob Petersen seinen Stuhl an den Northcliffs.
Zu seinem Bekannten, der eben vom Büfett zurückkam, sagte Northcliff:
»Du mußt entschuldigen. Ich habe jetzt mit einem lieben alten Freunde zu sprechen. Aber ich steh' dir gleich wieder zur Verfügung.«
»Sie sind, mein bester Herr Northcliff, gar so schnell abgereist, daß ich Ihnen nicht mal das Geleite geben konnte. Besonders hat sich mein Hans über Ihr Fortgehen gegrämt. Sie wissen ja, der Junge schwärmt so sehr für Sie. Sie sind nun einmal in seinen Augen sein Lebensretter, der gefeierte Held, der Ritter ohne Furcht und Tadel, mit allen edlen und hohen Eigenschaften ausgestattet, ohne die man sich einen echten Gentleman nicht denken kann.«
Northcliff lehnte sich im Stuhl zurück. Er lachte und zeigte dabei sein fürchterliches Raubtiergebiß.
» Indeed, Mister Petersen, – Ihr Hans ist ein scharmanter Junge! Ein Prachtjunge, wie es selten einen gibt. Und wenn ich zehn Leben gehabt hätte, ich hätte sie für ihn ohne Besinnen geopfert, wie damals, als ich ihn fast aus dem Rachen des schrecklichen Krokodils zog.«
»Nun, nun, vom Rachen hatten Sie damals eigentlich nichts erzählt. Und der Junge, weiß Gott, auch nicht. Aber immerhin, – jede Arbeit ist ihres Lohnes wert. Sie haben mit Ihrem Kanoe, da Sie gerade vorüberkamen, das Schreien des Jungen gehört und haben ihn noch zur rechten Zeit vor dem Ärgsten bewahrt. Und das verdient ja auch meinen väterlichen Dank. Nur schade, Mister Northcliff« – Petersen hatte den Namen mit Absicht besonders betont und dabei zu Knox herumgeschielt, der mit einem lebhaften Nicken des Kopfes die Aufmerksamkeit quittierte – »nur schade, Mister Northcliff, daß Sie damals nicht gleich den Ihnen zustehenden Anspruch für den Zeitaufwand, die Arbeit und das Nachhausefahren meines Jungen in Rechnung gestellt haben.«
»Oh, wegen solcher Kleinigkeit macht unsereins nicht viel Aufhebens. Das tut man ja gern. Schon aus Nächstenliebe.«
»Ganz recht. Aber dann wäre es nicht dazu gekommen, sich selbst ein Lebensretterhonorar zuzubilligen, und zwar in einer Höhe, die ich nicht in der Lage und auch nicht willens bin, zu zahlen.
Unser Zollbeamter, Peter Henze, hat mir alles erzählt. – Aber, mein verehrter Herr Northcliff, hätten wir den Lohn für Ihre Tat freundschaftlich festgesetzt, dann wären Sie der großen Mühe überhoben gewesen, auf dem etwas schwierigen Wege, durch überklettern des hohen Zauns, von der Hinterfront des Hauses, heimlich während meiner Abwesenheit, in mein Zimmer zu dringen und aus meinem Kasten den Rettungssold sich anzueignen.
Sehen Sie, das wäre ein schönes Geschäft. Dann würde ich von Berufs wegen ›Lebensretter‹ werden, wenn ich dafür, daß ich einen ins Wasser geplumpsten Jungen aufs Trockene ziehe, vierzigtausend Mark bekäme.
Sie werden einsehen, daß Ihre Handlungsweise nicht in Ordnung ist. Darum bin ich hier, um Sie zu ersuchen, mir die Summe, die Sie irrtümlicherweise hatten mitgehen heißen, auszuhändigen.«
Northcliff hatte währenddessen ruhig zu essen begonnen und sich durch die ehrenkränkenden Vorwürfe nicht im geringsten stören lassen.
Nachdem Petersen mit seiner Rede fertig war, legte auch Northcliff Messer und Gabel beiseite, trank einen herzhaften Schluck aus seinem Glase, dann säuberte er mit der Serviette sorgfältig Bart und Mund, füllte seine kurze Pfeife und erst nachdem er die in Brand gesetzt hatte, sprach er:
»Was Sie da eben sagten, Herr Petersen, hat ja eine gewisse Berechtigung. Am besten ist's, Sie sagen mir, was Sie für meine Tätigkeit in der Angelegenheit der Lebensrettung Ihres Sohnes zu zahlen gedenken. – Sie werden einen Mann von meinem Stande nicht zu niedrig einschätzen. – Ich gestehe, daß ich den Betrag, der in Ihrem Kasten war, gar nicht gezählt habe. Ich sagte mir nur, praktisch, wie wir Engländer nun mal sind: ein Honorar hast du von deinem Freunde Petersen zu erhalten. Gut. Er ist nicht zu Hause, um mit dir darüber zu sprechen. Gut. Er hat bisher nicht gewagt, dir einen kleinen Betrag anzubieten. Denn das Leben seines Jungen wird ihm doch ein Erhebliches wert sein. Wieder gut. Mein Dampfschiff ging am nächsten Tage. Ich hatte keine Zeit zu warten und als praktischer Engländer sagte ich mir: es ist besser, du hast ein Faustpfand in der Hand. Vielleicht ist es Herrn Petersen recht, daß du das ganze behältst. Wenn nicht, kannst du ihm ja den anderen Teil der Summe zurückschicken. Das hätte ich auch getan, wenn Kamerun den Deutschen nicht abgenommen worden wäre.«
Als Petersen ungläubig-lächelnd den Mund verzog, rief Northcliff mit Nachdruck:
»Das hätte ich getan, auf Ehre! Und ich bin hocherfreut, daß ich Sie jetzt hier treffe. So können wir den Handel gleich in Ordnung bringen.«
Petersen wurde einen Augenblick stutzig. Sollte er sich in dem Mann doch getäuscht haben?
Und wirklich griff Northcliff in die innere Tasche seines Rockes, holte eine lederne Brieftasche hervor, öffnete sie, sah in alle Fächer gewissenhaft, dann klappte er sie wieder zusammen.
»Nein, es geht doch nicht«, sprach er. »Ich vergaß ja, daß ich gestern im Klub einen größeren Betrag verlor. Ich habe aber in meiner Wohnung genügend Geld, um Ihnen jederzeit den Betrag zurückzahlen zu können.
Nun sagen Sie erst, mein verehrter Freund Petersen, würden Ihnen zwanzigtausend Mark zuviel sein?«
Als Petersen empört über den hohen Betrag sich äußerte, erwiderte Northcliff:
»Gut, verehrter Freund, dann werden wir uns auf eine kleinere Zahl einigen.« Er nannte achtzehntausend, – fünfzehntausend, zehntausend Mark, doch da Petersen hartnäckig die genannten Ziffern als zu hoch ablehnte, sagte Northcliff schließlich:
»Ich sehe, Sie sind sparsam. Ich will Ihnen darum aus alter Freundschaft entgegenkommen und Ihnen für meine Arbeit dreitausend Mark in Rechnung stellen. Sind Sie damit einverstanden?«
Um der Sache ein Ende zu machen, und da Knox ihm wiederholt lebhaft heimlich zugewinkt hatte, zuzustimmen, sagte Petersen:
»Ich bin mit Ihrem Vorschläge einverstanden unter der Bedingung, daß ich den ganzen restlichen Betrag von siebenunddreißigtausend Mark gleich erhalte.«
»Abgemacht«, rief Northcliff und streckte ihm seine Hand hin, in die Petersen nicht umhin konnte, einzuschlagen.
»Ich muß Sie aber bitten, den Betrag bei mir in Empfang zu nehmen. Wenn Sie mir morgen nachmittag, so gegen sechs Uhr das Vergnügen machen wollen, steht Ihnen der ganze Betrag sofort zur Verfügung.«
Er riß aus seinem Notizbuch ein Blatt und schrieb eine Zeile darauf.
»Hier haben Sie meine Adresse! – Ich werde mich freuen, Sie bei mir begrüßen zu können.«
Petersen starrte aus das Blättchen, das ihm Northcliff gegeben hatte. Er las: »Peter Patts Hotel ›Zum Sternenbanner‹, 57. Straße 98.«
»Wenn Sie mich in meinem Hotel aufsuchen, tun Sie am besten, mich am Büfett zu erfragen. Gewöhnlich sitze ich um diese Zeit unten in einem der Restaurationszimmer. –
Es hat mich sehr gefreut, verehrter Freund. Ich hoffe, Sie morgen pünktlich wiederzusehen!«
Northcliff zahlte und ging.
Petersen blieb noch eine Weile zurück, um dann gemeinschaftlich mit Knox die Bar zu verlassen.