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Fünfter Abschnitt.

Auf fernem Posten.

Der feindliche Angriff war abgeschlagen. Die Feinde waren aber nicht besiegt. Ihnen standen in übergroßer Menge neuzeitliche Hilfsmittel zur Verfügung. Sie verfügten über jede Menge von Munition. Ihre schadhaft gewordenen Waffen konnten sie jederzeit durch neue ersetzen.

Für die fieberkranken oder verwundeten Mannschaften schafften sie oft frische Ersatztruppen heran.

Anders die deutschen Verteidiger. –

Mit ihrer Munition mußten sie sparsam umgehen. Sie ging, je länger der Kampf währte, zur Neige. Sie wußten mit trauriger Gewißheit, daß sie weder auf einen Ersatz aus dem Vaterlande, noch auf einen Entsatz zu rechnen hatten.

Losgelöst von jeder Hilfe von außen, ganz auf sich selbst gestellt, kämpften sie unter den erschwerendsten Verhältnissen, hielten sie todesmutig mit übermenschlicher Anstrengung ein Stück Deutschland im schwarzen Erdteil, zeigten sie sich als echte deutsche Helden.

Ob krank, ob verwundet, – sie konnten ihre Wunden nicht pflegen, ihrem fieberkranken, ermatteten Körper keine Ruhe gönnen. Sie blieben unter schlimmsten Schmerzen und Beschwerden auf ihrem Posten, auf den sie ihr Kaiser gestellt hatte. Sie harrten aus, bis die letzte Patrone verschossen, bis der letzte Mann gefallen war.

Siebzehn lange, bange Monate währte dieser Riesenkampf einer kleinen Truppe gegen eine vielfache Übermacht.

Die Feinde ließen sich Zeit. Je langsamer, um so sicherer ward ihnen der Endsieg.

Schließlich mußte ja den tapfern Deutschen, – wenn sie nicht vorher unter den feindlichen Kugeln vernichtet waren, – die Munition ausgehen, und wenn sie davon auch noch einen kleinen Vorrat aufgespart hatten, so mußten sie unter Entbehrungen jeglicher Art, – durch Hunger, durch Durst, durch Mangel an Arznei, an Verbandmitteln – zugrunde gehen.

Siebzehn Monate kämpften die deutschen Helden in Afrika gegen die vereinigten Engländer, Franzosen und Belgier in fieberfeuchten Wäldern, unter der glühenden Tropensonne, in den unaufhörlich strömenden Regengüssen.

Doch unverzagt kämpfte die Zahl der kleinen Abteilungen der deutschen Schutztruppe weiter.

Dann kam der schlimmste Tag für die jungen Helden. Als der letzte Bissen Brot aufgegessen und nur noch eine Handvoll Patronen in der Tasche war, da faßten sie den schweren Entschluß, entweder ihr Leben dem Heimatlande für spätere Kämpfe aufzusparen oder sich nutzlos von den Feinden niederkartätschen zu lassen.

Sie faßten den Entschluß, auf neutrales, spanisches Gebiet überzutreten, um einer entehrenden Kriegsgefangenschaft zu entgehen.

Die letzte Patrone steckte in der Gewehrkammer. Nachdem auch diese verschossen war, bahnten sie sich mit aufgepflanztem Bajonett den Weg durch die feindlichen Reihen, um auf neutralem spanischen Gebiet endlich der Ruhe zu pflegen und der Wunden zu warten.

Jabassi, Ossidinge, Bamemba, Tinto und alle die vielen Militärstationen in Kamerun hatten die zahlreichen Feinde nach blutigem, schwerem Ringen erobert. Mora hielt sich noch. Die kleine Besatzung wollte von Übergabe nichts wissen.

Im Hofraum ruhten schon alle in der kühlen Erde, die noch bis gestern ihren Posten mit Löwenmut verteidigten.

Drei waren von der kleinen Heldenschar zwar noch am Leben.

Unteroffizier Lange trug den Kopf verbunden. Ein Streifschuß traf ihn. Die Wunde bereitete ihm Schmerzen. Er hatte sie nicht behandeln können. Sie begann zu eitern. Auch seine linke Hand war von einem Schuß verletzt. Ein notdürftiger Verband war nur darum.

Dann waren noch der Gefreite Wieser, ein Thüringer und Gottschalk, ein Schlesier, der seit zwei Jahren bei der Schutztruppe war.

Hohläugig, mit eingefallenen Wangen, fiebrig, standen die Leute, mit angelegtem Gewehr, die Augen auf den Feind gerichtet.

Wer würde wohl von ihnen der nächste am Tode sein?

Kochend heiß brannte die Sonne.

In dem Sonnenbrand greift der Feind nicht an. So blieb den dreien Zeit, ein wenig an sich zu denken.

Drüben in den Mandarabergen stand der Feind. Neue Hilfstruppen waren angekommen. Aus der Gefechtspause schlossen die drei Überlebenden mit Recht, daß der Feind alle Vorbereitungen zum Sturme träfe.

Wenn die Sonne niedergeht oder beim Einbruch der Nacht, da wird ihr letztes Stündlein geschlagen haben. Da wird die schwarz-weiß-rote Flagge, die noch immer zwar, von Kugeln durchlöchert, auf dem Dache der Station flattert, niedergehen müssen.

Lange, der bis jetzt an der Schießscharte gestanden und nach dem Feinde ausgelugt hatte, wurde von einem plötzlichen Schwindel ersaßt. Er torkelte und fiel. Seine beiden Kameraden hoben ihn auf und trugen ihn unter das schattige Dach der den Hof umlaufenden Veranda.

»Was ist, Kamerad? – Wie fühlst du dich?« fragte Wieser, als Lange die Augen wieder aufschlug.

Der Blessierte ließ die Augensterne von einem zum andern gleiten. Es dauerte eine Weile, ehe er die treuen Genossen erkannte. Mit schwacher Stimme antwortete er:

»Gut geht's. – Mir war nur – einen Augenblick so, – – als flöge ich davon. –

Gebt mir einen Trunk Wasser – –«

Wasser! Verteufelte Sache. – Wasser hatten sie schon lang nicht mehr in der belagerten Station. Das hatten die Feinde abgegraben.

Langes Mund war trocken. Seine Zunge klebte geschwollen am Gaumen. Durch das Wundfieber war der Körper schon auf das äußerste geschwächt. Dazu kamen die Entbehrung, die Nachtwachen und die Aufregungen der Kämpfe bei Tag und Nacht.

Hilflos sahen sich Wieser und Gottschalk an. Mit Lange, das merkten sie wohl, ging es zu Ende. Eben hatte er noch einen Wunsch bei klarem Sinne geäußert. Schon im nächsten Augenblick begann er verwirrte Reden zu führen.

»– – Dort! Dort! – Nehmt den langen Engländer aufs Korn! – Hui, der Schuß saß! – Kugelstreifen – Kugelstreifen. Das Maschinengewehr kaputt! – –«

Erschüttert standen die beiden Waffengenossen bei dem treuen Menschen, mit dem sie schon seit Jahren Schulter an Schulter hier draußen, fern von Deutschland, Wache hielten und kämpften.

Einen Trunk verlangte er, die lechzenden Lippen zu laben. Den letzten Wunsch eines Sterbenden galt's zu erfüllen.

»Wieser, ich hole Wasser. Die erbärmlichen Schwarzen sind uns entlaufen. Keiner der Halunken hat Stand gehalten. Feige Bande!«

»Wie? Du willst bei hellem, lichtem Tage übers freie Feld laufen? Mensch, hast du denn bedacht, daß sie dich erbarmungslos niederknallen?«

»Und wenn's mein Leben kostet, – es ist so oder so verloren. Verstehst du, Wieser, den letzten Wunsch, die letzte Bitte eines Sterbenden! – Ich kann's erfüllen und ich sollt's nicht tun?! Seit wann hat ein deutscher Kamerad dem andern nicht eine Bitte erfüllt? – Zudem werden die Burschen da drüben« – er reckte die hagere Rechte drohend gegen die Berge, wo der Feind stand – »es nicht für möglich halten, daß einer von uns im hellen Sonnenbrand unbedeckt sich hinauswagt.«

Er riß den Hut vom Kopfe, griff nach einem Eimer, räumte Balken und Steine vom Einlaßtor, schloß die knarrende Tür auf, öffnete sie einen Spalt breit, schlüpfte hindurch und ging, als wär's ein Spaziergang, ruhigen, festen Schrittes, ohne jede Eile, über die baumlose Ebene.

Die Sonne glühte ihm auf den Scheitel. Der Schweiß rann ihm in Strömen am Körper herunter. Ihn focht es nicht an. Dreihundert Meter hatte er so zurückgelegt. Wenn ihn die Feinde sehen, konnten sie ihn ebensogut für einen Eingeborenen halten.

Er war nur mit Hose und Stiefeln bekleidet. Seine Haut war tief gebräunt, fast schwarz.

Wieder hundert Meter. – – Eine kleine Bodenwelle mußte er hinauf. Dahinter war das kostbare Naß des kleinen Flüßchens, dessen Zufluß die Feinde abgegraben hatten. – –

Ob sie eine Wache dahin gestellt hatten? – – –

Jetzt war er oben.

Wieser sah ihm nach, wie er hinter der Erdwelle verschwand. Aber es fiel kein Schuß. Die Feinde schliefen. Sie hatten ihn nicht bemerkt.

Wiesers Herz bangte um den treuen Kameraden. – –

Hurra! da kam er wieder zum Vorschein. Wieder mit langsamen, gemessenen Schritten. Man merkte aber doch, daß er sich beeilte, das kostbare Naß in Sicherheit zu bringen.

Dreißig Meter hatte er noch bis zur Station. Da machte er lange Schritte, um nicht noch kurz vor der schützenden Mauer zu verunglücken.

Er brachte das Wasser glücklich herein.

Wieser schloß und verbarrikadierte die Tür und sah mit stolzerfüllten Augen auf den Freund.

»Hier, Lange, ist Wasser, – frisches Wasser!«

Der eine gab dem halb Verdursteten zu trinken, während der andere sein fieberheißes Gesicht mit dem kühlen Wasser netzte.

In langen Zügen trank der Verwundete und mit inniger Freude sahen ihm die beiden zu.

»Das war gut gegangen«, sprach Gottschalk.

Sie setzten sich zu dem fiebernden Unteroffizier.

»Was gibt's Neues draußen?«

»Nichts. Sie rüsten.«

»Zum Sturm?«

»Sicherlich.«

Lange machte den schwachen Versuch, sich zu erheben. Der Kopf fiel aber wieder auf das Lager zurück.

»Ich kann nicht. – Es geht nicht, Freunde. – Der Kopf ist wie Blei. – Ich friere.«

Wieser wickelte ihn in Decken.

Es schien, als ob die ganze Natur schliefe. Kein Laut im weiten Umkreis war zu hören. Es war die Stille vor dem Sturm.

So saßen die beiden Krieger am Lager des Verwundeten ohne sich zu rühren, ohne ein Wort zu sprechen.

Stunde um Stunde verrann so, bis ein leiser Wind sie daran erinnerte, daß die Sonne am Niedergehen war und daß die Nacht bald da sein würde.

Der Unteroffizier hatte die Zeit über geschlummert. Er richtete sich jetzt in die Höh.

»Wie steht's draußen, Kameraden? – Ist's so weit, daß wir auf unsere Posten gehen?«

»Noch nicht. – Der Feind wird sich schon melden.«

Wieder versanken die drei in Schweigen.

»Wie lange, meinst du, wird sich der Feind noch Zeit lassen?«

»Vor Mitternacht wird er nicht angreifen. Bis dahin haben wir noch Zeit, unsere Sachen zu ordnen.«

Lange hatte sich wieder aufgerichtet und starrte in eine Ecke des Hofraums, in der sich eine schwarze Gestalt bewegte.

»Seh ich recht, Kameraden? Bewegt sich da nicht etwas?« Er griff suchend mit der Hand nach dem Gewehr.

»Laß gehen, Freund. Es ist Tanga, der vorhin, als du schliefst, Einlaß begehrte. Tanga, ein Askarisoldat. Der Kerl will uns Glauben machen, daß ihn seine Liebe zu uns bewogen hat, zurückzukehren, nachdem er mit den andern das Weite gesucht hatte.

Ich glaube, er ist gekommen, entweder um zu spionieren oder um zu plündern. Ich habe ihn zurückbehalten, weil ich meine, daß wir den Kerl noch zu einer letzten Sendung brauchen können.«

Die beiden nickten zustimmend. Sie wußten, was Wieser damit meinte.

»Gottschalk und ich«, fuhr Wieser fort, »haben noch einen kurzen Bericht aufgesetzt und ein paar Zeilen dazugefügt. Ich habe eine alte Mutter zu Haus. Die würde sich freuen, wenn sie meine letzten Grüße in die Hände bekäme. Und in Gottschalks Heimat werden Eltern, Geschwister und eine Braut um ihn trauern. – Sprich, Lange, soll ich für dich die paar Worte aufschreiben?«

»Ja, Kamerad, wenn du so gut sein willst. – Eine Braut habe auch ich zu Haus. Ein liebes, gutes Mädel, die vergeblich auf meine Heimkehr warten wird.«

Lange diktierte, oft von einem Fieberanfall unterbrochen, ein paar Zeilen, wie sie der Trennungsschmerz ihm eingab.

Dann rief Wieser den Schwarzen. Er hatte die Papiere zusammengefaltet und, in ein Stück Wachstuch eingeschnürt, ihm übergeben.

»Tanga, höre auf meine Worte. – Bist du ehrlich und bedienst du uns gut? – Dann wirst du mit Gold belohnt werden. Benimmst du dich aber wie ein Schuft, verrätst du uns, dann wirst du bald eines schmerzhaften Todes sterben.«

Der Schwarze beteuerte seine Aufrichtigkeit und Ergebenheit.

Doch Wieser unterbrach seinen Wortschwall.

»Die Zeit drängt. Mach' du, daß du davonkommst. Bringe dieses Päckchen mit unsern Grüßen einem weißen Manne. Ein Mann aus Ulaja muß es sein. Gib es keinem andern! Einem weißen Pflanzer, einem weißen Händler aus Deutschland, – am besten, du gehst weit nach Süden, der Küste zu. Da wirst du sie treffen. Ich habe die Worte aufgeschrieben, daß der Weiße, dem du das Päckchen überreichst, zur Belohnung dir zehn Goldstücke, ein Gewehr und ein buntes Tuch geben wird.

Der weiße Mann lügt nicht. Der weiße Mann spricht die Wahrheit. – Die weißen englischen Männer in den Bergen sind schlechte Menschen. Sie lügen und wollen uns verderben. –

Geh', und wenn du uns ehrlich bedienst, wirst du ein glückliches Leben führen.«

Tanga schien gerührt. Die Pforte wurde ihm geöffnet. Er verschwand in der Finsternis.

Die Zurückbleibenden bereiteten sich zu ihrer letzten Lebensstunde vor.

Lange begehrte jetzt zu sprechen.

»Freunde, wir halten aus, solange wir Munition haben, solange noch Leben in uns ist. Seid ihr damit einverstanden? Nun gut. – Ich will mitkämpfen. Ich will nicht ruhig zusehen. Auf meine Gesundheit, auf mein Fieber brauche ich doch, weiß Gott, nicht mehr Rücksicht zu nehmen. Es gilt den letzten Kampf! Dort liegen unsere Kameraden. Dort ruhen unsere Offiziere. Sie blieben in unserer Mitte und wir halten treu bei ihnen aus, wie es sich für deutsche Soldaten ziemt.«

Vom Walde her kam Lärm. – –

»Da sind sie schon! Bald geht der Tanz los. Helft mir auf, Freunde. Stehend will ich fallen, aufrecht, mit der Büchse in der Hand.«

Sie richteten den Kameraden auf und stützten ihn.

»Nun kommt, Freunde, laßt uns voneinander Abschied nehmen. Wenn die Schurken gegen uns losgehen, dann wollen wir unsere letzte Pflicht tun, treu bis zum letzten Atemzuge, wie unser Eid es uns gebietet.«

Die drei Männer reichten sich die Hände und umarmten sich stumm.

Da fielen auch schon die ersten Schüsse. Mit lautem Kriegsgeschrei stürmten die Feinde gegen die letzte deutsche Feste Kameruns.

Die drei deutschen Krieger standen an den Schießscharten, die Gewehre im Anschlag.

Nur noch wenige Kugeln besaßen sie. Diese sollten aber ihr Ziel nicht verfehlen.

Hageldicht sausten die feindlichen Geschosse. Die drei Deutschen standen wie aus Erz, die Hände am Abzug.

Als die letzte Patrone verschossen war, stellten sie sich in die Nähe des Eingangstores. Hier würden die Feinde bald durchbrechen. Nun, sie sollten nur kommen, sie würden sie aufrecht und kampfbereit finden.

Als die Äxte gegen das Tor hämmerten, als das Holz unter der Wucht der Schläge zersplitterte, da stimmten die drei letzten Helden den deutschen Kriegsgesang an:

»Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält.«

Strophe um Strophe sangen sie. Und während die Kugeln hageldicht über ihre Köpfe flogen, war die Bresche endlich geschlagen.

Die Feinde drangen mit Gebrüll in den Hofraum. Sie verstummten einen Augenblick, als sie sich den drei Männern gegenübersahen.

Diese Tapferen aber stürzten sich bei den letzten Versen des herrlichen Kampfliedes:

»Blüh' im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland«

mit Kolben und Bajonett auf die eindringenden Feinde.

»Drauf, Kameraden!« schrie noch Wieser, »Mit Gott für Kaiser und Reich!« Und unter den Streichen und Schlägen der Übermacht erlitten die Tapfern den Heldentod. – – –

Tanga erwies sich als zuverlässig. Nach mehreren Tagen gelang es ihm, das Päckchen einem Holländer einzuhändigen, der es später nach Deutschland gelangen ließ.

Ende des Jahres 1915, also etwa zwei Monate früher, hatten im Süden der Kolonie die Feinde Deutschlands an der Küste Kameruns starke Truppen an Land gebracht und Schritt um Schritt die Ansiedlungen besetzt.

Herr Petersen war lange darauf vorbereitet gewesen. Doch als die englischen Soldaten vor seiner Haustür erschienen, da krampfte sich sein Herz zusammen.

Unter dem englischen Befehlshaber kommandierten Negersoldaten, die jetzt ihr Mütchen an den Weißen kühlen durften. In frechster Weise drangen die Schwarzen ins Haus, ergriffen Herrn Petersen und seine Frau, obgleich sie ihnen sagten, daß sie gutwillig mit ihnen gehen wollten, zerrten und stießen sie vor die Tür.

Dann wurde das Haus nach Waffen und Wertsachen untersucht. Alles Wertvolle wurde konfisziert. Das übrige wurde den Schwarzen zur Plünderung preisgegeben.

Man ließ weder dem Manne noch der Frau Zeit, einige notwendige Gebrauchsgegenstände mitzunehmen. Alles Geld wurde ihnen abgenommen. So wie sie gingen und standen, mußten sie, unter der Eskorte der Schwarzen, den Weg zur Küste antreten. Ein Leidensweg, an den sie bis an ihr Lebensende zurückdenken werden.

Den Jungen ließen sie unbehelligt. Er lief eben im Zug mit. Ein Trost wenigstens für die Eltern, ihren Liebling in ihrer Nähe zu wissen.

Mit einer wahren Lammesgeduld ertrugen die Armen die Peinigungen und Roheiten der schwarzen Aufseher.

Unterwegs nahm die Karawane noch einige andere deutsche Ansiedler auf. An der Küste wurden sie in einen Schuppen eingesperrt. Hier mußten sie, in Schmutz und Unrat, umgeben von Ungeziefer, ausharren, bis dann endlich Anfang Januar ein Dampfschiff bei Duala anlegte.

Endlich durften sie wieder frische Luft atmen.

Im Sonnenbrand ließ man sie stundenlang stehen. Unter den Stichen der Moskitos litten sie weniger als unter den rohen, beleidigenden Worten der Schwarzen, deren Willkür sie völlig ausgeliefert waren.

Endlich kam auch hier ein Wandel.

Sie mußten ein Boot besteigen, das sie zu dem Dampfer brachte. Es war ein noch fast neues, großes Schiff, auf dem mit großen Buchstaben der Name: »Appam« stand.

Mehrmals legte der Dampfer in der Nähe der Küste an.

Wie die Deutschen später hörten, sind vornehme Gäste an Bord gekommen. Die Gouverneure der englischen Kolonien Nigeria und Sierra Leone, Mister James und Sir Edward Merewether.

Der Dampfer setzt sich wieder in Bewegung und hält vor Acra und Lome.

Hier wurden noch mehr deutsche Leidensgefährten aufgenommen. Dann nahm das Schiff seinen Kurs England zu. Dort sollten die von ihrem Besitz Vertriebenen in einem Konzentrationslager gefangen gesetzt werden.


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