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Nachwort

Theophile Gautier (1811-1872), Südfranzose, Sohn eines napoleonischen Offiziers, aufgewachsen in royalistischer Luft, der vertraute Freund des Faust-Übertragers Gérard de Nerval, beginnt Zeichner und Maler zu werden, als der Kampf um Victor Hugos Hernani ihn, den Neunzehnjährigen, zum Literaturmenschen macht. Er wird Lyriker, dann Erzähler, schließlich – sechsunddreißig Jahre lang – Journalist (Kunstkritiker). Ein Vergötterer der Kunst, wirft er dem verhaßten Spießbürger das von ihm erfundene Wort: l'art pour l'art ins Gesicht. Nach ihm gibt es für den Künstler keine Rücksicht auf sogenannte Moral, Gemeinnutzen, Patriotismus.

Er ringt mit den Mitteln der Sprache, um farbenreich, plastisch, musikalisch zu wirken. »Seit wir ihn haben,« sagt Sainte-Beuve, »gibt es im Französischen das Wort indicible nicht mehr!«

Gautiers Künstlerglauben spiegeln vorzüglich folgende Verse von ihm wieder:

Tout passe. L'art robuste
seul ä l'éternité.
Le buste
survit à la cité.

Et la médaille austère
que trouve un laboureur
sous terre
révèle un empereur.

Les dieux eux-mêmes meurent,
mais les vers souverains demeurent
plus forts que les airains.

Er war ein leidenschaftlicher Wanderer durch Frankreich, Europa, Nordafrika, Kleinasien. »Mich interessieren in einer Stadt nur die Denkmäler und Bauwerke, sind sie doch das Ergebnis des Gesamtgeistes der Bevölkerung. Was gehen mich die Leute sonst an?« Seine Reiseschilderungen entsprechen diesem Übersehen des Menschlichen, und jene schöne Frau hatte nicht Unrecht, die ihn nach dem Lesen seines Buches Tra los montes fragte: »Aber Theo, gibt es in Spanien keine Spanier?«

Von seinen zahlreichen Werken sind außer den Gedichten drei zu nennen: Fortunio (Novelle), Le Capitaine Fracasse (Roman) und die Mademoiselle de Maupin. In die Weltliteratur übergegangen ist nur die letztere, 1836 gedruckt. Swinburne preist sie als: the golden book of the beauty. In ihr spiegelt sich der maßlose Romantiker, der sich ein möglichst unmögliches Ideal erträumt und sich dabei als höchstes Glück ausmalt, diesem Phantasiegebilde im Rausche einer göttlichen Stunde flüchtig zu begegnen – als einem divin imprévu. Etwas einmal besitzen wollen oder einmal es besessen haben ist mehr denn es immerdar besitzen müssen!

Eine Madelaine de Maupin hat wirklich wo gelebt, eine schöne Abenteurerin, die bald arm, bald reich, ihre Huld an Fürsten, Edelleute und Künstler verschenkte und dann rechtzeitig als Vierunddreißigjährige im Kloster gestorben ist, anno 1707. Aber Gautier hat sich in mühevolle gelehrte Vorstudien nicht weiter eingelassen. Er denkt nicht daran, ein geschichtsgründlicher Erzähler sein zu wollen wie etwa Meister Flaubert in der Salambo. Ja, die Maupin wimmelt von absichtlichen Anachronismen. So ist sie ein zeitloses Buch geworden. Es kam dem Dichter vor allem darauf an, den Typ jenes legendären Weibes zu schaffen, das die Romantik des Einmal nur zum auch, manchem Realisten nicht unangenehmen Grundsatz erhebt.

In keinem seiner Werke ist Gautier je wieder ein so glücklicher Gestalter gewesen wie hier. Seine Mademoiselle de Maupin hat die Unsterblichkeit im Leibe; sie ist schlechtweg die kapriziöse Venus der französischen Romantik.

Erwähnen möchte ich, daß Otto Hauser einige zwanzig Gedichte Gautiers, so gut man französische Verse dieser Art überhaupt verdeutschen kann, in seiner bekannten Sammlung Aus fremden Gärten (Weimar 1919) übertragen hat. Die oben angeführten charakteristischen Strophen findet man darin S. 36. Ferner sind in Berlin (in der Liebhaberbibliothek des Verlags Kiepenheuer) zwei »Novellen« von Gautier erschienen (leider in einem Allerweltsdeutsch, das vom Glanz der Originale wenig verrät), von denen die erste ( Der Seelentausch) ihres Motivs wegen kennenswert ist.

Die vorliegende freie deutsche Nacherzählung ist im Herbst 1911 entstanden und erstmalig 1913 mit zehn vortrefflichen Farbenlithographien von Karl Walser in einer kleinen längst vergriffenen und kostbar gewordenen Auflage erschienen, deren Höhe geringer ist als damals angegeben, weil die Platten der Pan-Presse durch Mißgeschick zu früh abgeschliffen worden waren.

Ich habe meine damalige Textfassung im allgemeinen beibehalten und nur hie und da sprachlich etwas verändert. Im Gegensatz zu meinen anderen Verdeutschungen französischer Meisterwerke habe ich – in den oft endlosen Reflexionen – einige Kürzungen vorgenommen, der Handlung und den Gestalten zu liebe.

Dresden, am 14. Juli 1920

Arthur Schurig


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