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8. Kapitel.
Mentana (3. November 1867)

Am 31. Oktober war das ganze Korps der Freiwilligen nach Monterotondo zurückgekehrt und blieb dort bis zum 3. November. Diese Zeit wurde damit zugebracht, einige der bedürftigsten Krieger zu kleiden, mit Stiefeln und Waffen zu versehen und das Korps zu organisieren, soweit es möglich war.

Ich ließ die starken Stellungen von Sant' Angelo, Monticelli und Palombara von 3 Bataillonen unter dem Oberbefehl des Obersten Paggi besetzen. Tivoli besetzte Oberst Pinciani mit einem Bataillon, General Acerbi besetzte mit etwa 1000 Mann Viterbo, General Nicotera Velletri mit anderen 1000 Mann, und Major Andreuzzi operierte auf dem rechten Tiberufer mit 200 Mann. Vor dem 31. Oktober stellten sich zahlreiche Freiwillige ein, um die von Menotti befehligte Abteilung zu verstärken, so daß diese schließlich gegen 6000 Mann zählte.

Die Lage der Freischaren war danach zwar nicht eben glänzend, aber doch auch keineswegs kläglich, wofern wir nur imstande gewesen wären, mit Hilfe der Bevölkerung des Landes unsere Bewaffnung und Bekleidung zu vervollständigen und, was sonst noch den armen Soldaten abging, zu beschaffen. – Das päpstliche Heer war demoralisiert; einen Teil davon hatten wir in Monterotondo geschlagen, und der Rest hatte sich in Rom zusammengezogen und aus Furcht vor uns nicht mehr gewagt, herauszukommen. Die Einwohner von Rom, unterdrückt und bei ihren Aufstandsversuchen grausam bestraft, riefen nach Rache und bereiteten sich mit erneutem Mute unter der Anführung von Cucchi und anderen Hochgemuten vor, ihren Befreiern von außen die Hand zu reichen und der Herrschaft der Priester und Söldner ein Ende zu machen. Kurz, alles deutete auf den Sturz des Priesters, des Feindes des menschlichen Geschlechts, hin.

Aber der Genius des Bösen wachte noch über der Erhaltung seiner Hauptstütze, des Oberpriesters der Lüge. Er, der zum Unglück Frankreichs und der Welt an der Seine herrscht, ließ von dort seine Drohungen nach Florenz ergehen, warf den Schwächlingen Feigheit vor und erhob den Mut der Furchtsamen und Treulosen. Bei der Stimme des Gebieters bedeckten die Menschen, die unwürdigerweise Italien beherrschten, ihr Antlitz mit der Maske der Vaterlandsliebe und betrogen die Nation, drangen in das römische Gebiet ein und sprachen: »Sehet, da sind wir, wir haben Wort gehalten; bei den ersten Flintenschüssen eilen wir den Brüdern zu Hilfe!« – Lüge, Lüge! Ihr eiltet herbei, aber um die Brüder zu vernichten, falls sie den schließlichen Sieg gewonnen hätten. Und Ihr eiltet herbei, als Ihr schon die Sicherheit hattet, daß die römischen Patrioten zu Boden gestreckt und umgebracht waren. Lüge, Lüge! Ihr und Euer großherziger Bundesgenosse besetztet Rom und dessen Gebiet, damit das päpstliche Söldnerheer frei, unversehrt, von seinen Niederlagen erholt, mit seiner ganzen Macht, mit der Überlegenheit seiner Waffen und seiner Kriegsmittel das Übergewicht gewinnen könne über ein Häuflein schlecht bewaffneter und an allem Notwendigen Mangel leidender Freiwilliger, das Ihr unterliegen sehen wolltet. Und wenn dazu das päpstliche Heer nicht ausreichte, wie sich das in der Tat herausstellte, so waren die Soldaten des Bonaparte zur Stelle und – es erschüttert mich, daran zu denken – auch diejenigen, die das Unglück haben, Euch gehorchen zu müssen! Marschierte man nicht im Jahre 1860 gegen uns, wie Farini dem Bonaparte meldete, um uns anzugreifen? Warum also sollte man nicht 1867 das gleiche tun? Die Hügel von Mentana bedeckten sich mit den Leichen der hochgemuten Söhne Italiens, untermischt mit denen der fremden Söldner, nicht anders, wie 7 Jahre zuvor die Ebenen Capuas. Und die Sache, für die damals die Krieger stritten, die ich die Ehre hatte, in Süditalien zu befehligen, war eine heilige, wie die, die uns unter die Mauern der alten Welthauptstadt geführt hatte.

Hier muß ich mit Schmerz eine andere Ursache des Unglücks von Mentana anführen. Ich erwähnte schon, daß die Mazzinisten in dem Augenblick, als wir uns aus Casino dei Pazzi zurückzogen, mit ihrer völlig grundlosen zersetzenden Propaganda begonnen hatten. Wer seinen gesunden Verstand hat, kann leicht einsehen, daß unsere Stellung unter den Mauern Roms bei Ankunft der Franzosen nicht haltbar war in Anbetracht der Zusammensetzung der Streitmacht, die ich befehligte, die an allem Mangel litt, weder über Artillerie noch Kavallerie verfügte, kurz einem ernsthaften Ausfall selbst seitens der Päpstlichen allein in keiner Weise gewachsen und nicht in der Lage war, wenn man uns angegriffen hätte, sich auch nur 2 Tage dort zu halten. Andererseits waren wir als Herren von Monterotondo, das sich ebenfalls in Sicht von Rom befindet, im Mittelpunkt unserer geringfügigen Hilfsmittel in beherrschender Stellung und in einem Abstand, daß wir den Feind, wenn er gegen uns herankam, beizeiten wahrnehmen konnten. – Aber das alles waren ja nur Vorwände der Mazzinisten, denen der illoyale und verbissene Widerstand der italienischen Regierung, die Macht des Priestertums und die Unterstützung Bonaparte's noch nicht genügten. Nein, auch sie mußten, wie stets, dabei sein und dem, der keinen anderen Ehrgeiz hatte, als unsere Brüder aus der Sklaverei zu erlösen, den Gnadenstoß geben. »Wir werden es besser machen,« sagten mir die Männer jener Sekte, die heute die Männer der Monarchie sind, 1848 in Lugano. Man sieht also, daß der Krieg, den die Mazzinisten mit Nadelstichen gegen mich führten, sich aus ferner Zeit herschreibt. »Gehen wir nach Hause, um die Republik auszurufen und Barrikaden zu errichten,« sagten sie meinen Soldaten 1867 auf dem römischen Gebiet. Und für die armen Jungen, die mich begleiteten, wäre es freilich sehr viel bequemer gewesen nach Hause zu gehen, als im November ohne das Nötigste, um ihre Blöße zu bedecken, und an allem Mangel leidend bei mir und bei unserem Heere zu bleiben und gegen Päpstlinge und Franzosen zu kämpfen.

Das Ergebnis dieser Einflüsterungen der Mazzinisten war die Desertion von etwa 3000 jungen Leuten in der Zeit von dem Rückzug aus dem Casino dei Pazzi bis zur Schlacht von Mentana. Und wenn in einer Kriegsmacht von etwa 6000 Mann die Hälfte durch solche Einflüsterungen, wie sie offen zugegeben haben, zur Desertion gebracht wurde, so mag man sich vorstellen, welcher Grad von Entschlossenheit und Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang des Unternehmens den Rest beseelen mußte! – Unermeßlich sind die Verluste, die die Mazzinisten mir verursacht haben. Ich könnte sie trotzdem vergessen, hätten sie mich persönlich betroffen: aber es war die nationale Sache, die dadurch geschädigt wurde. Und deshalb kann ich sie allerdings nicht vergessen und muß sie jener von ihnen auf falsche Wege geführten erlesenen Jugend unseres Landes darlegen. Mazzini selbst war sicherlich besser als seine Anhänger, und in einem unter dem 11. Februar 1870 an mich gerichteten Briefe über die Affäre von Mentana drückt er sich folgendermaßen aus: »Ihr wißt, daß ich an einen Erfolg nicht glaubte und überzeugt war, es werde besser sein, alle Mittel zu einem entschlossenen Angriff auf Rom zusammenzunehmen; aber nachdem Ihr die Sache einmal begonnen hattet, war ich Euch behilflich, so weit ich konnte.« Ich zweifle nicht an dem, was Mazzini hier behauptet; aber der Schade war einmal geschehen. Entweder gelang es ihm nicht, rechtzeitig seine Anhänger von seinen Absichten zu unterrichten, oder diese wollten nicht ablassen, uns zu schädigen.

Ricciotti fand in England nicht die Mittel, die wir erhofften, weil auch dort unter unseren Freunden das Gerede in Umlauf gesetzt worden war: warum das Papsttum stürzen, um es durch ein noch schlechteres Regiment zu ersetzen? Und im Gebiet von Rom säten die Mazzinisten, wie schon gesagt, Mißtrauen unter meine Leute und verursachten den gewaltigen Abfall, dessen ich gedachte und der zweifellos die Hauptursache des Mißerfolges von Mentana war. Von der Höhe des Turms des Palazzo Piombino in Monterotondo, wo ich den größten Teil des Tages damit zubrachte, die Stadt Rom, die Übungen unserer jungen Krieger in der Ebene sowie jede Bewegung in der Campagna zu beobachten, erblickte ich den Zug unserer Leute, die sich nach dem Paß von Corese in Bewegung setzten, das heißt nach Hause zurückkehrten. Den Gefährten aber, die mich darauf aufmerksam machten, antwortete ich: »Ach was, jene da, die davonziehen, sind nicht die Unsrigen; es mögen Campagnolen sein, die zur Arbeit gehen oder von der Arbeit kommen.« Aber tief in meinem Inneren empfand ich den Schmerz über die schändliche Tat, bemühte mich jedoch, ihn den Umstehenden zu verbergen oder abzuschwächen – mein gewöhnliches Verhalten bei widrigen Umständen.

Infolge dieser Auflösung der Disziplin bei meinen Leuten sowie des Umstandes, daß für uns die nördliche Grenze des Kirchenstaates durch Abteilungen des italienischen Heeres fest verschlossen war und wir uns daher in die Unmöglichkeit versetzt fanden, von außen her uns das Erforderliche zu verschaffen, mußten wir ein anderes Aktionsfeld suchen und eine andere Grundlage, um leben und uns aufrecht erhalten zu können und der Ereignisse zu harren, die endgültig die römische Frage lösen sollten. Aus diesen Erwägungen heraus wurde beschlossen, nach links vom Tiber ab gegen Tivoli zu marschieren, um den Appennin im Rücken zu haben und den südlichen Provinzen näherzukommen. Von Monterotondo führt eine Straße über Mentana in südöstlicher Richtung direkt nach Tivoli (östlich von Rom). Der Aufbruch wurde auf den Morgen des 3. November festgesetzt, aber wegen einer Verteilung von Schuhwerk war man erst gegen Mittag dieses Tages marschfertig. Wir verließen also Monterotondo und schlugen den Weg nach Tivoli ein. Unsere Marschordnung war die folgende: Die Abteilungen Menotti's werden in Schlachtordnung marschieren, unter Voraussendung einer Vorhut von Bersaglieri im Abstand von 1 bis 2 Miglien. Vor der Vorhut werden Kundschafter zu Fuß marschieren, denen wiederum berittene Führer vorausziehen. Auf alle Straßen, die auf unserer Rechten von Rom her kommen, werden Patrouillen beritten und zu Fuß geworfen, so nahe wie möglich an Rom heran, auf den Hügeln aber, die die Gegend beherrschen, werden Vedetten aufgestellt, um uns rechtzeitig von jeder Bewegung der Feinde in Kenntnis zu setzen. Eine Nachhut wird die Aufgabe haben, die Nachzügler anzutreiben, und dafür sorgen, daß niemand zurückbleibt. Die Artillerie wird in der Mitte der Abteilungen marschieren. Das Gepäck folgt am Ende jeder Abteilung. In dieser Marschordnung setzten wir uns von Monterotondo nach Tivoli in Bewegung.

Unglücklicherweise fielen jedoch, wie es scheint, unsere wenigen Kundschafter – und wir hatten nur sehr wenige – den Feinden in die Hände, so daß die Päpstlichen, die auf der Via Nomentana herankamen, unsere Vorhut überraschen und angreifen konnten. Das Gewehrfeuer benachrichtigte mich, nachdem ich eben das Dorf Mentana Mentana etwa ein Drittel Weges von Monterotondo auf Tivoli zu, zwischen Via Salara und Via Nomentana, von Rom 22 km entfernt. passiert hatte, von der Anwesenheit des Feindes. In einer solchen Lage, nachdem wir bereits mit letzterem handgemein geworden, zurückgehen wäre soviel gewesen wie die Flucht ergreifen; so war also keine andere Möglichkeit, als die Schlacht anzunehmen, indem wir die starken Stellungen, die sich uns darboten, besetzten. Ich sandte also Menotti, der sich bei der Vorhut befand, den Befehl zu, die erwähnten starken Stellungen zu besetzen und Widerstand zu leisten. Dann ließ ich nach und nach die noch übrigen Abteilungen vorgehen und sich rechts und links als Rückhalt für die vorderen entfalten, während einige Kompagnien in Kolonne rechts als Reserve verblieben.

Die Straße, die Mentana mit Monterotondo verbindet und an jenem Tage unsere Operationslinie bildete, ist gut, aber ins Terrain tief eingeschnitten. Ich war deshalb genötigt, auf unserer Rechten einen geeigneten Punkt zu suchen, um unsere beiden Geschütze, die wir am 25. Oktober den Feinden abgenommen hatten, aufzustellen. Das wurde unter großen Schwierigkeiten bewerkstelligt, weil es uns an ortskundigen Leuten und an Pferden mangelte und weil das Terrain mit Hecken und Weinpflanzungen besetzt und sehr uneben war. – Mittlerweile wütete der mörderische Kampf auf der ganzen Linie. Wir hatten Stellungen eingenommen, die ebensogut, ja besser als die des Feindes waren, weil er während des ganzen Tages seine Artillerie nicht zur Geltung bringen konnte, und eine Zeitlang hielten wir Stand trotz der unendlichen Überlegenheit der Bewaffnung des Feindes und seiner großen Überzahl.

Doch muß ich eingestehen, daß die Freiwilligen, die durch die starke Desertion demoralisiert waren, sich an diesem Tage ihres alten Rufes nicht würdig benahmen. Ausgezeichnete Offiziere und ein Häuflein Hochgemuter, die ihnen folgten, vergossen ihr kostbares Blut, ohne einen Fußbreit zurückzugehen, aber die große Menge erwies sich nicht so unverzagt wie sonst. Sie gab prächtige Stellungen auf, ohne einen so nachhaltigen Widerstand zu versuchen, wie hätte erwartet werden können.

Etwa um 1 Uhr nachmittags begann die Schlacht, und um 3 hatte der Feind uns von Position zu Position etwa 1 Kilometer weit auf das Dorf Mentana zurückgeworfen. Doch fanden eben jetzt, um 3 Uhr, unsere Kanonen zu unserer Rechten in vorteilhafter Lage Aufstellung und begannen ein wirksames Feuer auf den Feind. Ein Bajonettangriff, der von unserer ganzen Linie ausgeführt wurde, und die aus nächster Nähe abgegebenen Schüsse der an den Fenstern der Häuser von Mentana aufgestellten Unsrigen hatten den Boden mit Leichen der Päpstlichen bedeckt. Wir waren siegreich, der Feind floh, die verlorenen Stellungen wurden wiedergewonnen, und bis 4 Uhr nachmittags lächelte der Sieg den Kämpen der Freiheit Italiens: wir waren Herren des Schlachtfeldes. Aber, ich sage es noch einmal, eine unselige Demoralisation entnervte unsere Reihen. Wir waren siegreich, wagten es aber nicht, den Sieg durch Verfolgung eines Feindes, der das Schlachtfeld verlassen hatte, zu einem entscheidenden zu machen. Gerüchte von französischen Abteilungen, die gegen uns marschieren sollten, liefen bei den Freiwilligen um, und es war keine Zeit, dem Ursprung dieser Gerüchte nachzugehen, der natürlich bei unseren Feinden, den schwarzen Teufeln, zu suchen war. Man wußte, daß das italienische Heer gegen uns ausgerückt sei; es nahm an der Grenze die Unsrigen fest und fing alles, was für uns bestimmt war, weg, schloß uns auch jede Verbindung nach dieser Seite ab. Kurz also: die italienische Regierung, die Priester und die Mazzinisten hatten es erreicht, daß Verzagtheit sich in unsere Reihen eingeschlichen hatte. Es liegt eben nicht im Charakter eines jeden, derartigen Einflüssen die Stirn zu bieten und erhobenen Hauptes unter allen Umständen seine Pflicht bis zum Äußersten zu tun.

So werden also die mit so großer Tapferkeit zurückgewonnenen Positionen wiederum preisgegeben, und eine Menge Fliehender staut sich auf der Hauptstraße. Vergebens suchen ich und zahlreiche hochgemute Offiziere durch Zurufe jene wieder zu ordnen. Es ist alles vergebens, so sehr wir auch, bis uns die Stimme versagt, rufen und schelten. Vergebens: alles eilt auf Monterotondo zurück, wobei eins unserer Geschütze einfach im Stich gelassen wird, das dann am folgenden Tage in die Hände der Feinde geriet, und es bleibt nur eine Handvoll Tapferer zurück, die fortfahren, aus den Häusern von Mentana auf den Feind zu feuern. – Jedermann ist tapfer, wenn der Feind sich zurückzieht, und so ging es denn natürlich auch unseren Gegnern. Die Päpstlichen, die vor uns geflohen waren, gehen, von den Angriffskolonnen der Franzosen aufgenommen, jetzt wieder kühn gegen uns vor. Sie ereilen uns auf unserem Rückzüge, und ihre überlegenen Waffen verursachen uns namhafte Verluste an Toten und Verwundeten. Nun gehen aber auch die Franzosen, die wir anfangs für Päpstliche gehalten hatten, vor mit ihren entsetzlichen Chassepotsgewehren, aus denen ein Hagel von Geschossen auf uns niedersaust, der freilich glücklicherweise mehr Schrecken als Schaden verursacht. – Ach, wenn nur unsere jungen Leute dem Rufe meiner Stimme gehorsam, die zurückeroberten Stellungen von Mentana, was ohne große Gefahr möglich gewesen wäre, behauptet und sich darauf beschränkt hätten, sie lediglich zu verteidigen, so würde vielleicht der 3. November den Tagen des Ruhms der italienischen Demokratie zugezählt worden sein trotz der großen Dürftigkeit, die auf unserer Seite herrschte, und unserer geringen Zahl.

In einer großen Zahl der voraufgehenden Schlachten waren wir bis gegen Ende des Tages im Verlieren gewesen, dann aber hatte ein günstiger Wind uns auf den Weg des Sieges zurückgeführt. In Mentana waren wir um 4 Uhr nachmittags am 3. November Herren des Schlachtfeldes, und hätten wir uns nur noch 1 Stunde standhaft gehalten, so wäre die Nacht hereingebrochen und vielleicht hätte diese den Feinden den Rat gegeben, sich auf Rom zurückzuziehen, da ihre Stellung im offenen Felde gegen Leute, die ihnen auch bei Nacht keine Ruhe gelassen hätten, kaum haltbar gewesen wäre.

Gegen 5 Uhr abends befanden sich mit Ausnahme der wenigen Verteidiger von Mentana, die dort in den Häusern Stellung genommen hatten, unsere sämtlichen Abteilungen in Unordnung auf dem Rückzüge gegen Monterotondo. Munition für die Artillerie gab es überhaupt nicht mehr, für die Gewehre nur in geringer Menge, und allgemein ging die Ansicht dahin, den Rückzug nach dem Paß von Corese zu bewerkstelligen. Von der Höhe des Turmes des Kastells von Monterotondo aus hatte ich mich überzeugt, daß die Nachricht von den 2000 Franzosen, die auf der römischen Straße gegen uns unterwegs sein sollten, um uns von hinten anzugreifen, wie mir während des Kampfes von vielen Seiten mitgeteilt worden, grundlos war. Es scheint unmöglich, daß derartiges vorkommen kann, aber es kommt doch vor. Selbst mehrere meiner Offiziere, die zweifellos im besten Glauben waren, versicherten mich, dies Gerücht gehört zu haben, und es ist sicher, daß es während der Wechselfälle der Schlacht bei uns umlief: nun macht Euch einmal unter solchen Umständen auf und sucht den Ursprung einer Nachricht, die den schwärzesten Verrat in sich trägt. Mittlerweile aber machte dieses Gerücht, indem es bei den Kämpfenden umlief, sie mutlos, und es verbreitete sich mit der Schnelligkeit des Blitzes. Bosheit der Menschen, rufe ich! Und wieviel Boshafte müßte man nicht aus der italienischen Gesellschaft austilgen, die in so hohem Maße von den Priestern und Priesterfreunden verdorben worden ist. – Eine Lagerpolizei ist in jeder bewaffneten Abteilung unentbehrlich; aber die Freiwilligen hegen eine solche Abneigung gegen die Polizei, daß es stets schwer fällt oder unmöglich ist, sie einzurichten. –

Bei Einbruch der Dunkelheit am 3. November gingen wir bis zum Passe von Corese zurück und verbrachten den Rest der Nacht noch auf römischem Gebiet im Wirtshaus und in dessen Nähe. Einige Befehlshaber ließen mich wissen, daß ein Teil der Soldaten entschlossen sei, die Waffen nicht niederzulegen und das Kriegsglück aufs neue zu versuchen; aber am Morgen überzeugte ich mich, daß eine derartige Stimmung entweder gar nicht vorhanden gewesen war oder wenigstens jetzt nicht mehr vorhanden war. Am Morgen des 4. November wurden also die Waffen auf der Brücke niedergelegt und die Soldaten gingen waffenlos auf das italienische Gebiet über.

Ich schulde ein Wort des Lobes dem General Fabrizi, meinem Stabschef, den ich, mit den weiteren Veranstaltungen zur Entwaffnung beauftragt, zurückließ. Dieser hochgemute Veteran der italienischen Unabhängigkeitskriege betrug sich auf dem Schlachtfelde von Mentana mit der ihm eigenen Mannhaftigkeit und ließ sich dann, von den Strapazen und seinen Jahren übermannt, von den Soldaten begleitet, nach Monterotondo bringen, nachdem er unsere Leute durch seine Worte und durch seine Gegenwart angefeuert hatte, ihre Pflicht zu tun. – Oberst Caravà, der in Corese ein italienisches Regiment befehligte und in früheren Feldzügen als Offizier unter meinem Kommando gestanden hatte, beobachtete gegen uns in allen Wechselfällen jener Tage ein wahrhaft löbliches Verhalten. Er nahm mich sehr freundschaftlich auf, tat für mich und die Freiwilligen alles, was in seinen Kräften stand, und stellte mir einen Eisenbahnzug zur Verfügung, um mich nach Florenz zu begeben. Aber das waren nicht Verfügungen der Regierung. Der Abgeordnete Crispi, der mit mir im Zuge war, meinte, ein Grund zu meiner Verhaftung liege nicht vor. Ich war der entgegengesetzten Ansicht, da ich wußte, mit wem ich es zu tun hatte. Aber indem ich mich der Ansicht des Freundes unterordnete und da auch tatsächlich sonst nichts zu machen war, so setzte ich in jenem Zuge meine Reise nach der Hauptstadt fort.

Auf dem Wege waren die üblichen Maßnahmen der Regierung getroffen, Polizisten, Bersaglieri usw. Ich reiste mit aller Schnelligkeit und wurde endlich wieder nach meinem alten Gefängnis, Varignano, gebracht, von wo sie mich schließlich nach meinem Caprera zurückkehren ließen.


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