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18. Kapitel.
Kampf bei Caserta Vecchia am 2. Oktober 1860

Als ich am Abend des 1. Oktobers müde und ausgehungert, weil ich im Laufe des Tages nichts zu mir genommen hatte, nach Sant' Angelo zurückkam, hatte ich das Glück, dort meine hochgemuten genuesischen Schützen im Hause des Pfarrers vorzufinden. Das war für mich wirklich eine glückliche Entdeckung: ich bekam ein prächtiges Mahl und danach den Kaffee und streckte mich dann irgendwo behaglich zum Schlafe aus.

Aber es war mir auch in dieser Nacht nicht beschieden, zu ruhen. Kaum hatte ich mich hingelegt, so kam die Meldung, daß eine feindliche Kolonne von 4–5000 Mann sich in Caserta Vecchia Caserta Vecchia (Alt-Caserta), ein Dorf, liegt nordöstlich von Caserta am Rande des Gebirges. befinde und sich anschicke, nach Caserta hinabzusteigen. Das war eine Nachricht, die nicht unbeachtet bleiben durfte, und ich erteilte daher den genuesischen Schützen den Befehl, um 2 Uhr morgens nebst 350 Mann vom Korps Spangaro und 60 Leuten vom Vesuvgebirge bereit zu stehen. Zur erwähnten Stunde marschierte ich dann mit dieser Streitmacht über die Berge und San Leucio nach Caserta. Ehe ich dieses erreichte, benachrichtigte mich Oberst Missori, den ich beauftragt hatte, mit einigen seiner wackeren Führer den Feind zu beobachten, daß letzterer in Schlachtordnung auf den Höhen von Caserta Vecchia stehe und sich gegen Caserta hin ausdehne, wovon ich mich bald darauf auch selbst überzeugen konnte.

Ich eilte nach Caserta, um mit dem General Sirtori den Angriffsplan auf den Feind festzustellen, dem ich nicht die Verwegenheit zutraute, unser Hauptquartier angreifen zu wollen. Aber, wie sich bald ergeben wird, täuschte ich mich in dieser Annahme. Ich verabredete mit dem genannten General, alle Streitkräfte, die wir gerade bei der Hand hatten, zusammenzuziehen und uns dem Feinde von der rechten Flanke her zu nähern, d. h. ihn auf der Seite der Höhen des Parks von Caserta anzugreifen und ihn so zwischen uns, die Brigade Sacchi von San Leucio und die Division Bixio zu bringen, der ich den Befehl gesandt hatte, den Feind von Maddaloni aus anzugreifen.

Die Bourbonischen aber, die von den Höhen aus in Caserta nur schwache Kräfte bemerkten und das Ergebnis der Kämpfe des vorigen Tages wahrscheinlich noch nicht kannten, beschlossen, sich Casertas zu bemächtigen, und sandten daher die Hälfte ihrer Macht gegen diesen Platz vor, den sie nachdrücklich angriffen, so daß also, während ich sie auf gedeckten Wegen umging, um ihnen von rechts her in die Flanke zu fallen, 2000 der Ihrigen von den Höhen herab sich auf unser Hauptquartier warfen. Und sie hätten sich dessen bemächtigt, wenn nicht General Sirtori mit seiner gewohnten Umsicht und Tapferkeit eine Handvoll wackere Streiter, die sich in der Stadt fanden, unter sich gesammelt und die Feinde zurückgeschlagen hätte. – Mittlerweile ging ich mit den Calabresen des Generals Stocco, 4 Kompagnien der regulären italienischen Armee Garibaldi bemerkt hier: »Der Major dieser hochgemuten Streiter hatte sich erboten, sich mir anzuschließen, was ich gern bewilligt hatte.« und kleinen Abteilungen anderer Korps gegen die rechte Flanke des Feindes vor, den wir auf der Höhe in Schlachtordnung aufgestellt fanden, indem er denen, die sich anschickten, Caserta anzugreifen, als Reserve diente und sicherlich alles andere eher erwartete als unser plötzliches Erscheinen. Überrascht leisteten die Bourbonischen nur geringen Widerstand und wurden in eiliger Flucht auseinandergetrieben und von den mutvollen Calabresen bis Caserta Vecchia verfolgt. In diesem Dorfe hielt sich ein Teil der Feinde eine kurze Weile, beschoß uns aus den Fenstern und hinter gewissen Anhäufungen, die ihnen als Schutzwehr dienten; doch wurden sie bald umgangen und zu Gefangenen gemacht. Diejenigen aber, die gegen Süden flohen, fielen den Abteilungen Bixio's in die Hände, der, nachdem er am 1. Oktober bei Maddaloni so wacker gestritten und gesiegt hatte, mit Blitzesgeschwindigkeit auf dem neuen Schlachtfelde erschien. Andere Feinde, die sich nordwärts gewandt, kapitulierten vor dem General Sacchi, dem ich befohlen hatte, sich dem Vordringen meiner Kolonne anzuschließen. So waren es schließlich von der ganzen feindlichen Streitmacht, durch die wir uns mit gutem Grunde einigermaßen beunruhigt gefühlt hatten, nur wenige, die sich zu retten vermochten. Jene Streitmacht aber war die nämliche, die bei Castel Morrone das schwache Bataillon des Majors Bronzetti angegriffen und vernichtet hatte, durch den heroischen Widerstand jenes Tapferen aber und seiner Handvoll hochgemuter Streiter den größten Teil des 1. Oktobers hindurch aufgehalten und dadurch verhindert worden war, uns während jener blutigen Schlacht in den Rücken zu fallen. Wer weiß, ob nicht das Opfer der 200 Märtyrer die Rettung für unser Heer geworden ist! Wie nämlich aus unserer Schilderung der Schlacht am Volturno hervorgeht, waren es die gegen 3 Uhr nachmittags auf dem Schlachtfelde eingetroffenen Reserven, die die Entscheidung herbeigeführt hatten. Wären diese Reserven aber in Caserta durch ein feindliches Korps aufgehalten worden, so wäre der Tag im günstigsten Falle unentschieden verlaufen. Das zeigt aber auch, daß die Dispositionen der bourbonischen Anführer nicht übel getroffen waren und daß man in den Wechselfällen der Kriege auch vom Glück oder überlegenem Genie unterstützt sein muß. – Das Korps Sacchi trug nicht wenig dazu bei, die erwähnte feindliche Kolonne während des 1. Oktobers jenseits des Parks von Caserta festzuhalten, indem es sie tapfer zurückwarf.

Mit dem Siege von Caserta Vecchia am 2. Oktober 1860 schließt die glorreiche Epoche unserer Schlachten im Feldzuge von 1860. Die italienische Nordarmee, die Farini und Genossen entsandten, um uns als die personifizierte Revolution zu bekämpfen, fand in uns Waffenbrüder, und jenem Herre fiel nun die Aufgabe zu, die Vernichtung des Bourbonentums im Königreich beider Sizilien zu vollenden. In dem Bestreben, die Lage meiner hochgemuten Mitstreiter zu sichern, ersuchte ich um die Anerkennung der Südarmee als Teil des nationalen Heeres, und es war eine Ungerechtigkeit, mir dies Verlangen abzuschlagen. Man wollte die Früchte unserer Eroberung genießen, aber die Eroberer fortjagen. Als ich das einsah, legte ich die Diktatur, die mir vom Volke verliehen war, in die Hände Viktor Emanuels nieder und rief ihn zum König von Italien aus. Hier bemerkt Garibaldi: »In anderen Zeiten hätte man eine konstituierende Versammlung berufen können; damals aber war das nicht tunlich und man hätte dadurch lediglich Zeit verloren und sich lächerlich gemacht, denn damals waren die Annektionen auf der Grundlage von Volksabstimmungen Mode. Die Völker, von den herrschenden Koterien hinters Licht geführt, erhofften ihr Heil einzig von der ›Erneuerungs-Regierung‹ (nämlich der piemontesischen).« – Die Begegnung des Volkshelden mit Viktor Emanuel, den er als »König von Italien« begrüßt, fand am 29. Oktober 1860 in Montecroce unweit Teano statt; wenige Tage später legte Garibaldi Kommando und Diktatur nieder und kehrte nach Caprera zurück, während die Königlichen Capua einnahmen und König Franz in dem festen Gaëta, wohin er entwichen war, belagerten. Am 13. Februar fiel die Festung, womit die Eroberung des Doppelkönigreichs, das sich mittels Volksabstimmung (Plebiszit) Piemont anschloß, beendet war. Ihm empfahl ich meine tapferen Waffenbrüder, und dies war die einzige Angelegenheit, die mir bei meiner Verabschiedung wehe tat, während ich im übrigen mich danach sehnte, in meine Einsamkeit zurückzukehren.

So schied ich dann von jenen hochherzigen Jünglingen, die im Vertrauen auf mich das Mittelmeer durchmessen hatten, über jede Art von Widerwärtigkeiten, von Entbehrungen und Gefahren erhaben, dem Tod in 10 heißen Schlachten die Stirn bietend, einzig in der Hoffnung auf den gleichen Lohn, den sie in der Lombardei und in Mittelitalien gefunden hatten: den Beifall ihres eigenen engelsreinen Gewissens und den der Welt, die Zeuge ihrer gewaltigen Taten war.

Mit solchen Gefährten, deren hingehender Tapferkeit ich den größten Teil meiner Erfolge verdanke, würde ich zuversichtlich auch die schwierigste Unternehmung wagen.


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