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Der Feind, durch seine anfänglichen Erfolge aufgeblasen, rückte mit einer Kühnheit vor, an die wir wenig gewöhnt waren, und vertrieb die Unseren nach und nach aus allen Dörfern des Tales von Conzei. Vergebens war vor Bezzecca eine Achtpfünder-Batterie aufgestellt, die ihn eine Zeitlang beschoß; vergebens stürzten sich unsere Anführer und Offiziere an der Spitze der Freiwilligen, ihres Lebens nicht achtend, vor, um den Angriff der Feinde zum Stehen zu bringen. Alles war umsonst. Bis Bezzecca wurden unsere sämtlichen Stellungen vom Feinde erobert, der nicht nur dieses Dorf besetzte, sondern auch noch weiter vordrang und eine Abteilung auf unseren rechten Flügel östlich im Tal von Ledro brachte, um uns von der Flanke her anzugreifen.
Ich war bei Tagesanbruch zu Wagen, da meine Wunde vom 3. Juli noch ungeheilt war, von Storo aufgebrochen und erwartete nach den mir gewordenen Mitteilungen keineswegs, meine Leute in ein so erbittertes Treffen verwickelt zu sehen. Ich hatte jedoch, als ich Storo verließ, dem 9. Regiment und den 1. Bersaglieri für 3 Uhr Nachmittag Befehl gegeben, sich nach der gleichen Richtung hin, nach der ich mich begeben hatte, in Bewegung zu setzen. – Als ich in die Nähe von Bezzecca gekommen war, gaben mir Kanonendonner und Gewehrfeuer Kunde, daß eine Schlacht sich entsponnen hatte. Ich ließ den General Haug rufen, um das Nähere zu erfahren, und ersah aus seinem Bericht, daß es sich um eine ernste Sache handelte. Wir kamen beide überein, die Höhen zur Linken durch Bataillone des 9. Regiments, die allmählich ankamen, besetzen zu lassen. Und das wurde uns von größtem Nutzen: jenen Stellungen, die die Tapferen des genannten Regiments, angeführt – ich sage es mit wahrem Stolz – von meinem Sohne Menotti, einnahmen, verdankten wir unsere Rettung an jenem Tage in erster Linie. Die beiden Bataillone des 9. Regiments standen unter dem Befehle von Cossovich und Vico Pellizzari, die beide den Tausend angehört hatten und dieser Zugehörigkeit wert waren.
In der Mitte und auf unserem rechten Flügel gingen die Freiwilligen zurück und ebenso die erwähnte Batterie, die aber noch auf dem Rückzuge feuerte und sich wacker hielt. Bei einem der Geschütze dieser Batterie waren sämtliche Pferde tot und die Bedienungsmannschaft mit einer Ausnahme tot oder verwundet. Der einzige unverwundete Tapfere bestieg, nachdem er dem Feinde die letzte Kugel gesandt, das Pferd seines Geschützes mit so großer Kaltblütigkeit, als wenn er sich auf dem Manöverfeld befände. Mittlerweile benachrichtigte mich Major Dogliotti, daß er eine frische Batterie im Rückhalt habe. »Vorwärts!« rief ich, und nach wenigen Minuten kam jene brave Mannschaft im Galopp heran, bog rechts ab, stellte ihre 6 Geschütze auf einer kleinen Bodenerhebung auf und begann ein derartiges Schießen auf den Feind, daß man hätte glauben können, es sei Gewehr-, nicht Artilleriefeuer, so schnell folgten die Schüsse aufeinander. Der frischen Batterie schlossen sich noch 3 Kanonen von den 6, die zurückgegangen waren, an, so daß wir nun insgesamt über 9 furchterregende Feuerschlünde verfügten.
Alle Offiziere meines Hauptquartiers und alle übrigen, die ich mit dem Ruf erreichen konnte, erhielten von mir Befehl, die Leute wieder zu sammeln und vorwärts zu dirigieren. Canzio, Ricciotti, Cariolati, Damiani, Ravini und andere stürzten sich an der Spitze einer kleinen Schar Tapferer vor und warfen, von den unerschrockenen Neunern auf dem linken Flügel unterstützt, den Feind, der bereits durch das Feuer unserer Artillerie ins Wanken gebracht worden war, über Bezzecca und die umliegenden Dörfer zurück. Bald leistete der Feind nirgends mehr Widerstand, sondern zog sich überall zurück und gab alle eroberten Stellungen bis tief oben im Tal von Conzei und in den Bergen des Ostens auf.
Dieses Treffen vom 21. Juli, Die italienischen Ausgaben der Memoiren lesen hier fälschlich: August. das hitzigste und verlustvollste des ganzen Feldzuges, kostete uns eine große Zahl Toter und Verwundeter. Unter den ersteren fiel an der Spitze seines Regiments der heldenmütige Oberst Chiassi. Verwundet wurden die hochgemuten Majore Pessina, Tanara und Martinelli, die Hauptleute Bezzi, Pastore und Antongina und viele andere von den Besten. Aber auch der Feind hatte derartige Verluste, daß er von diesem Tage ab jeden Gedanken an die Verteidigung des italienischen Tirol aufgab und sich anschickte, nach dem deutschen Tirol zurückzugehen.
Am 22. unternahm ich eine Wagenfahrt bis Pieve di Ledro, wo ich den Obersten Spinazzi mit einem Teile seines 2. Regiments fand. Man bemerke, daß Pieve nur einen Büchsenschuß von Bezzecca entfernt ist. Ich fragte den Oberst, wie lange er sich schon in dieser Stellung befinde, und erhielt die Antwort: seit 3 Tagen. Ich war befremdet und fragte weiter, warum er nicht an dem Kampf des Tages vorher teilgenommen habe. Er antwortete: Aus Mangel an Munition. Ich verließ ihn und befahl dem General Haug, jenen zu verhaften, sobald er sein Regiment zusammengezogen habe. Es scheint, daß das Verhalten des Oberst Spinazzi zum Teil auf Geistesverwirrung zurückgeführt werden muß, weil das frühere Verhalten dieses Anführers, soviel wie bekannt war, durchaus nicht das eines Feiglings gewesen war; aber so feige ein Mensch auch sein mag, es war doch eigentlich undenkbar, mit einem Teil eines Regiments, das bis dahin wacker gekämpft hatte, 1 Kilometer von Bezzecca entfernt, wo von Tagesanbruch an bis 2 Uhr nachmittags gekämpft worden war, wo die Kanonen 9 Stunden gebrüllt hatten, wo 12 000 Menschen von der einen und der andern Seite einen erbitterten Kampf bestanden hatten, gleichgültig und untätig zu bleiben! Es ging jedoch aus seinem Prozeß hervor, daß er sich am 21. nicht in Pieve di Ledro, vielmehr auf dem Monte Nota befand, der von Süden her jenes Dorf beherrscht (was meine Ansicht von der Geistesgestörtheit jenes unglücklichen Offiziers bestärkt) und daß er auf dem Monte Nota einen Kriegsrat seiner Offiziere versammelte, die sich dafür entschieden, auf das Schlachtfeld zu marschieren, wo sie dann endlich, aber wegen allzu großer Saumseligkeit zu spät, eintrafen. Und doch hätte das 2. Regiment unter einem energischen Anführer an jener Schlacht einen ruhmvollen Anteil nehmen können. Es befand sich geradezu im Rücken des Feindes, als dieser Bezzecca besetzte, und wenn es sich dann der Höhen im Osten bemächtigte, die jenes Dorf beherrschen, so hätte es unseren Sieg vervollständigen können, so daß die Österreicher ihre Artillerie und zahlreiche Gefangene verloren hätten. Man braucht sich nur an Ort und Stelle zu begeben, um sich von der Richtigkeit dieser meiner Behauptung zu überzeugen. Allein es geschah das Gegenteil; jenes prächtige Regiment, für dessen Rettung wir in Bezzecca unter so großem Blutvergießen stritten, blieb untätig, ohne uns irgendwie zu Hilfe zu kommen. – Diese Begebenheit diene den jungen Offizieren zur Warnung; wenn die Kanonen brüllen und man daraus ersieht, daß die Genossen engagiert sind, so gibt es keine Entschuldigung; man muß dorthin eilen! Ihr habt keine Munition? Gut: die Verwundeten und Toten werden euch damit versehen. Ihr müßt marschieren, wiederhole ich, es sei denn, ihr habt eine andere Aufgabe zu erfüllen oder ausdrückliche zuwiderlaufende Befehle. –
Ich will die einzelnen Kämpfe, die in den Bergen stattfanden und denen ich nicht habe beiwohnen können, nicht erzählen, wenn auch solche darunter waren, die sehr ruhmvoll für uns ausfielen. Ich erzähle nur, daß der Feind am 21., um seine ernstgemeinte Bewegung auf Bezzecca zu verschleiern, mit einer ansehnlichen Streitmacht auch gegen Condino demonstriert hatte, wo der hochgemute General Fabrizi, Chef des Generalstabes, ihn mit den Brigaden Nicotera und Corte sowie einigen Geschützen zurückwarf. Auch bei Molina, gegen den Gardasee hin, fanden zu verschiedenen Zeiten 2 Zusammenstöße mit dem Feinde statt, bei denen einige Kompagnien des 2. Regiments sich tapfer schlugen. Nach dem 21. aber zeigte sich der Feind nicht mehr, und von Oberst Missori, den ich mit seinen Führern veranlaßt hatte, die Gegend jenseits Condino zu erforschen, erfuhr ich, daß das ganze Tal bis zu den Forts von Lardaro Nördlich von Condino, in den nördlichen Teilen der Giudicaria. unbesetzt sei. – Das Demonstrieren und Operieren des Feindes gegen unsern linken Flügel durch das Tal Giudicaria hatte den Zweck, unsere Vereinigung mit der Kolonne Cadolini, die von Valcamonica aus durch die Täler von Fumo und Daone gegen uns heranzog, D. i. das Tal des oberen Oglio; Fumo und Daone schon in der Giudicaria oberhalb Storo. zu verhindern. – Gleichzeitig mit den Kämpfen von Bezzecca und Condino fand ein anderes Treffen an unserem linken Flügel in den Bergen statt, wo Major Erba mit einzelnen Abteilungen (ich glaube vom 1. Regiment) sich gegen eine überlegene feindliche Macht hielt – was wiederum zeigt, wie stark die Österreicher waren, die uns gegenüberstanden.
Als nun das Tal Giudicaria von den Feinden geräumt war, bot unsere Vereinigung mit der Kolonne Cadolini keine Schwierigkeit mehr, und nach Rekognoszierung der Forts von Lardaro beschloß ich eine Bewegung nach rechts gegen Riva und Arco. Bereits wurde damit begonnen, den General Haug, der jenen Flügel befehligte und zu der genannten Aufgabe ausersehen war, zu verstärken, als am 25. August der Befehl eintraf, die Feindseligkeiten zu suspendieren, als wir eben jene Operation beginnen wollten. Am 24. August war der Friede von Prag, der auch Italien einschließen sollte, zustande gekommen.
Der Feldzug von 1866 ist durch Unfälle in dem Maße bezeichnet, daß man nicht weiß, ob man mehr das Geschick oder das Übelwollen derer, die den Feldzug leiteten, anklagen soll. Tatsache ist, daß, nachdem wir so viele Mühen überwunden und so viel kostbares Blut vergossen hatten, um die Herrschaft in den Tälern von Tirol zu erlangen, in dem Augenblick, da wir die Früchte unserer Mühen ernten wollten, wir in unserem siegreichen Vormarsch aufgehalten wurden. Man wird aber diese meine Behauptung nicht für übertrieben halten, wenn ich berichte, daß am 25. August, dem Tage, an dem die Suspension der Feindseligkeiten befohlen wurde, kein Feind mehr diesseit von Trient stand, daß Riva bereits von den Österreichern aufgegeben war, die die Geschütze der Befestigungen in den See versenkten, daß wir 2 Tage lang den feindlichen Anführer, dem wir die Einstellung der Feindseligkeiten mitteilen sollten, nicht auffinden konnten; daß unser 9. Regiment bereits im Rücken der Forts von Lardaro von den Bergen herunterstieg, ohne auf ein Hindernis zu stoßen, weil die ganze Besatzung jener Forts in weniger als einer Kompagnie bestand; endlich weil General Khun, der Höchstkommandierende der österreichischen Streitkräfte in Tirol, in einem Tagesbefehl ankündigte: da man nicht mehr imstande sei, das italienische Tirol zu halten, so ziehe man sich zur Verteidigung von Deutschtirol zurück. – An jenem Tage befand sich General Medici nach seinen prächtigen Leistungen in der Valle Sugana nur noch wenige Kilometer von Trient entfernt General Cosenz folgte ihm mit seiner Division, und es ist nicht zu bezweifeln, daß wir imstande gewesen wären, innerhalb 2 Tagen 50 000 Mann um die Hauptstadt von Tirol zusammenzuziehen. Durch solche Erfolge gehoben und durch die zahllosen Haufen, die sich bereits in Cadore, in Friaul usw. bildeten, vergrößert – was hätten wir nicht versuchen mögen! Statt dessen sitze ich hier, um Papier zu bekritzeln, damit die Nachlebenden unser Elend erfahren mögen! Ein Befehl der höchsten Truppenleitung wies mich an, zurückzugehen und Tirol zu räumen. Ich erwiderte: »Ich gehorche«, ein Wort, das hernach zu den üblichen Beschuldigungen der Mazzinisten Anlaß gab, die, wie immer, gewünscht hätten, daß ich die Republik proklamiert hätte oder auf Turin oder Florenz Bekanntlich damals die Hauptstadt des Königreichs Italien. marschiert wäre!
Im ganzen Verlaufe des Feldzuges von 1866 wurde ich von meinen höheren Offizieren ungemein unterstützt, da ich, gezwungen im Wagen zu fahren, nicht imstande war, so wie ich gesollt hätte, den kriegerischen Bewegungen und Operationen beizuwohnen. Chiassi, Lombardi, Castellini und die zahlreichen Hochgemuten, die in jenem Feldzuge fielen, erlösten mit ihrem Heldenblut unsere in der Sklaverei schmachtenden Brüder, die Italien sicherlich nicht wieder dem Fremden preisgeben wird, und wäre es der Teufel. – Auch dieses Mal kamen uns, als der Krieg zu Ende war, einige gute Gewehre zu. Doch still davon! Aus Tirol zogen wir nach Brescia, wo die Auflösung der Freiwilligenkorps erfolgte; dann wandte ich mich wieder meinem Zufluchtsort Caprera zu. Garibaldi macht hier eine Anmerkung oder Postskript, worin er die Verdienste des englischen Obersten Chambers hervorhebt, der ihm 1866 als Feldadjutant gedient hatte, während dessen Gattin sich der Pflege der Verwundeten annahm.