Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Über die Malinke vgl. Atlantis, Bd. VIII. Die ungeheure Bedeutung dieser Tradition ist nicht nur die einer Volksdichtung, sondern auch die eines historischen Werkes. Aus diesem Grunde lasse ich im 16. Kapitel wenigstens einige Ergänzungen folgen.]
Dies ist die Sunjattalegende, der Sang vom ersten Emir Diarra, dessen Mutter aus dem Stamme der Diarra war. Er hatte demnach seinen Namen nicht nach dem Stamme des Vaters (wie es islamischer Brauch erfordert hätte), sondern nach libyschem Vorbilde nach dem der Mutter. Also beginnt die Glanzzeit der islamischen Periode mit Namengebung in heidnisch-libyschem Sinne. Deutlich sprechen hier alle alten Kulturbeziehungen. Nachdem der Emir sein Reich ausgebaut hatte, nahm er den Namen Koi-ta an, sagt die Legende. Nun, dieses Koi-ta heißt nichts anderes als Sproß des Königs, Anhänger des Königs, und zwar wird als Kei oder Koi lediglich der König der Songhai, des alten Volkes am Niger, bezeichnet, von dem wir durch den alten Leo Africanus wissen, daß dessen Herrscherfamilie libyschen Ursprungs ist.
Die Namengebung und Thronfolge ist libysch, die Königsbezeichnung die einer libyschen Dynastie. Wir werden sehen, daß die ganze Ausgangsidee des Sanges libysch ist, und das ist so wichtig, weil wir uns ja klar machen wollen, wie der Islam sich auf den Wegen, mit den Machtmitteln und im Sinne der vorislamischen Kulturwelt im Sudan einnistete, nicht aber als neue, sondern als umformende, umbildende und verjüngte Kulturwerte spendende Kraft.
Heilige Geschichtsüberlieferung der Malinke, berichtet vom Dialli Kieba Koate genannt Korongo (nach einer Schlange).
Alle Menschen stammen von Mamata. Mamata ist ein Name. Achtzig Familien (ab Vater) führen bis Sunjatta, der der erste König der großen Mandevölker eigentlich war. Mamata aber war der erste Mann.
Danach kommt die Geschichte Sunjattas. Das alles hat sich abgespielt im Dorfe Kirrikoni im Lande Niarasola, welches gegen Kita hin liegt. Man sagt, diese Stadt sei nicht besonders groß, aber sie bleibe sich stets gleich, weil, wenn jemand stürbe, auch jemand geboren werde.
Auch wird gesagt, daß das Land Sunjattas Sangara sei.
Sangara ist das Land der Traore und der Diara (oder Diarra). Im Lande waren zwölf Männer und eine Frau. Jeder Mann hatte ein Dorf. Alle zwölf Brüder mißhandelten die Schwester, trotzdem sie vom gleichen Vater und der gleichen Mutter waren. So verwandelte sich denn die Schwester in eine Koba-Antilope, eine Pferde-Antilope, wie man sie heute nicht mehr findet. Die Koba tötete jeden Tag in jedem Dorfe einen Mann. Sie zeichnete sich aus durch einen Schwanz aus purem Golde.
Ein Jäger machte sich auf den Weg und wollte die Koba töten. Er streifte umher. Er jagte elf Tage und vermochte die Koba nicht zu töten. Danach machten sich zwei andere Jäger auf mit Pfeil und Bogen. Die beiden sagten: »Der eine jagt das Tier, der andere kann es dann schießen.« Man kannte damals die Pferde noch nicht, sondern jagte nur zu Fuß. Man nannte die Pferde »Donwe«. Die zwei Jäger vermochten die Koba nicht zu erreichen. Es machten sich also drei Jäger auf den Weg, um sie endlich zu vernichten. Je einer der Jäger stammte aus einem andern Dorfe. Als die drei Jäger nun auszogen, trafen sie auf die Koba. Sie griff aber jeden einzeln an, so daß jeder einzeln in den Busch gedrängt wurde und nicht wieder heimkehrte.
Die Leute sagten: »Das ist keine gewöhnliche Koba. Das ist keine Buschkoba!« Der Dodugu (Landesherr) Niamorodiote sagte: »Wer die Koba tötet, der mag unter den Mädchen von zwölf Dörfern die schönste, oder welche ihm am meisten zusagt, auswählen und heiraten.« Es waren viele Menschen im Lande. Der Landesherr Niamorodiote hatte aber eine Tochter, die zwar jung, deren Körper aber mit Beulen und Schwären bedeckt war. Dieses junge Mädchen hieß Sugulunkurmang. Die war abschreckend häßlich.
Damals waren Frauen sehr teuer oder schwer zu haben. Deshalb war das Angebot eines Mädchens, das man selbst auswählen konnte, sehr verlockend. So machten sich denn zwei Brüder, Damba Masaulomba (der ältere) und Damba Saulandi (der jüngere), die beiden Onkel der Traore, auf den Weg, um die Jagd zu unternehmen. Zunächst allerdings befragten sie das Kengebugurilala (das Sandorakel), auf welche Weise man die Koba wohl erwischen könne. Kengebugurilala antwortete: »Im Busch nebenan lebt eine alte Frau, die nie ein gutes Wort sagt, die alle beschimpft, die sich ihr nähern. Diese alte Frau ist die einzige, die Auskunft geben kann. Man darf ihren Schimpf nicht erwidern. Dann wird die Frau sagen, wie man die Koba töten kann. Nachher dürft ihr nicht das schönste Mädchen der zwölf Dörfer nehmen, sondern ihr müßt die Beulenbedeckte vorziehen.«
Die beiden Traore machten sich auf den Weg und suchten im Lande nach der alten Frau. Sie kamen in den Busch, in dem sie gerade weilte und Brennholz suchte. Die beiden Jäger sagten: »Guten Tag!« Die alte Frau sagte: »Macht, daß ihr wegkommt!« Die Jäger sagten: »Wir sind gekommen, dir Holz suchen zu helfen.« Die Alte sagte: »Gestern, als ich Holz suchte, wart ihr nicht da. Macht nun heute, daß ihr fortkommt.« Die beiden Jäger lasen unbekümmert das Holz auf und trugen es hinter ihr her. Die Alte sagte: »So, jetzt, wo ihr das Holz angefaßt habt, mag ich es nicht mehr; macht, daß ihr wegkommt! Macht, daß ihr wegkommt!« Die Jäger gingen unbekümmert hinter ihr her. Sie kamen zu einer Hütte im Walde und fragten: »Ist dies das Haus?« Die Alte antwortete nicht. Sie ging in das Haus hinein. Da legten die beiden Jäger das Holz auf den Boden und gingen.
Die beiden Traore gingen zu dem Dodugu Niamorodiote. Sie sagten: »Wir haben deine Botschaft gehört und sind gekommen, um den Versuch zu machen, die Koba zu töten.« Niamorodiote sagte: »Gut, so mögt ihr denn hier schlafen. Allerdings habt ihr wenig Aussicht auf Gelingen des Unternehmens. Es kamen schon viele Jäger, aber keiner vermochte die Koba zu erlegen. Diese Koba ist eine andere als irgendwelche Koba, die je ein Mensch gesehen hat. Sie hat einen Schwanz von Gold. Es ist ein Jäger ausgezogen, sie zu erlegen. Dann sind zwei Jäger ausgezogen, sie zu töten. Dann sind drei Jäger ausgezogen, sie zu töten, aber alle drei mußten nach verschiedenen Richtungen fliehen und sind im Busche verlorengegangen. Ihr seid nun die beiden einzigen eurer Familie; sterbt ihr, so zerbricht euer Haus. Ich warne euch, damit nicht das Haus eurer Mutter zerbricht. Denn ihr werdet das nicht können.«
Zur Nacht machte man eine gute Kalebasse mit Reis und Fleisch für die beiden Traore. Damba Masaulomba sagte: »Wir wollen der Frau etwas von unserem Essen bringen.« Damba Saulandi sagte: »Mein älterer Bruder, sie wird es nicht nehmen.« Der andere entgegnete: »Nun, so kann man ihr wenigstens die Speise und den guten Willen zeigen. Nimmt sie es nicht, so nimmt sie es nicht. Wir wollen es aber versuchen.« Der Jüngere sagte: »Es ist recht.« Sie machten sich also mit Reis und Zukost auf den Weg und gingen in den Busch zu der Alten. Sie klopften gegen die Tür und riefen: »Guten Abend, Mutter!« Die Alte antwortete: »Was willst du da draußen?« Damba Masaulomba antwortete: »Dodugu Niamorodiote hat uns Reis und Fleisch als Zukost gegeben. Nun sind wir gekommen, dir ein wenig zu geben, wenn du es annehmen willst.« Die Alte entgegnete: »Kanibukenkenkan Ntafe (muß ein sehr schmutziges Schimpfwort sein, denn niemand will es übersetzen)! Ich will nicht. Für mich gibt es kein Fleisch in diesem Lande. Alles, was ich wie Fleisch esse, sind Pilze.« Damba Masaulomba entgegnete: »Ich weiß es, aber wir wollen dir ein Geschenk bringen, weil du eine alte Frau bist.« Die Alte sagte: »Legt das Essen draußen auf das Brennholz und schert euch weg!« Die Brüder taten es und gingen.
Die Traore erhielten darauf Milch. Der ältere Bruder sagte: »Wir wollen der Alten etwas von unserer Milch bringen.« Damba Saulandi sagte: »Sie wird es nicht annehmen und uns wieder beschimpfen.« Damba Masaulomba sagte: »Wir wollen es versuchen. Das Kengebugurilala hat gesagt: Man darf ihren Schimpf nicht erwidern; dann wird die Frau sagen, wie man die Koba töten kann. Also müssen wir es versuchen.« Der Jüngere sagte: »Es ist richtig.« Die Brüder brachten der Alten die Milch.
Am dritten Tage rief die alte Frau die beiden Traore Jäger und sagte: »Kommt einmal her!« Die beiden gingen hin. Die Alte sagte: »Ich will euch mein Leben geben!« Die Troare sagten: »Wir sind nicht gekommen, um nach deinem Leben zu jagen.« Die Alte sagte: »Nun, was wollt ihr denn anders?« Die Jäger sagten: »Wir sind gekommen, um dich zu bitten, uns bei der Jagd auf die Koba zu helfen.« Da lachte die Alte und sagte: »Ich bin ja selbst die Koba. Nun habt ihr mir Geschenke gebracht, und ich habe euch beschimpft. Ihr habt nicht in gleicher Weise geantwortet, sondern habt mir weiter Gutes getan. Wenn jemand einem Gutes erweist, so soll man es erwidern. Ihr habt mir viele Geschenke gemacht, und ich will euch jetzt bei der Jagd auf die Koba helfen. Ich habe mich jeden Morgen in die Koba verwandelt, weil mich meine zwölf Brüder stets schlecht behandelt haben. Meine Brüder haben alles Gute, Dörfer, Sklaven, Reichtümer, mir gaben sie nicht einen Sklaven, daß er mir Wasser bringe und Feuerholz sammle. Und deshalb habe ich mich jeden Morgen in eine Koba verwandelt und in jedem Dorfe meiner zwölf Brüder einen Mann getötet. Abends bin ich dann zurückgekommen in meinen Busch und wieder Mensch geworden. Wenn ihr die Koba jetzt töten wollt, so merkt, daß kein Eisen ihre Häute durchdringen kann, wenn nicht am Pfeilschaft ein Baumwollfaden befestigt ist. Besorgt euch also einen Knäuel Baumwollfaden und bindet Baumwollfäden (Gendakalla) an eure Pfeile. Nicht wahr, das wußtet ihr nicht?« Die Traorebrüder sagten: »Nein, das wußten wir nicht.«
Die Alte sagte weiter: »Wenn ihr nun nach der Koba schießt und sie auch trefft, so könnt ihr ihrem letzten Zorne doch nicht schnell genug entfliehen. Darum nehmt drei Steine mit, die als Herd unter einem Kochtopfe dienten. Wenn die Koba euch folgt, so werft die Steine hinter euch. Es wird ein Berg entstehen, den die Koba überklettern muß. Die Koba wird euch wieder erreichen. Nehmt ein Ei und werft es hinter euch. Es wird ein Schlammland entstehen, das die Koba nur langsam zu durchwaten vermag. – Nun bin ich müde. Meine Arbeit ist fertig. Ich will schlafen. Morgen müßt ihr früh aufstehen und zu dem Busche gehen. Dort werdet ihr die Koba treffen.« Die Brüder gingen zurück.
Am andern Morgen machten sie sich ganz früh auf den Weg. Sie nahmen drei Steine mit, die um das Feuer eines Herdes gelegen hatten, und ein Ei. Sie banden an ihre Pfeile Baumwollfäden. Sie gingen damit zu dem Busch, den ihnen die Alte bezeichnet hatte. – Damba Saulandi sah die Koba zuerst; er hielt den Bruder am Arm fest und sagte: »Da, da ist die Koba!« Der Ältere sagte: »Es ist richtig!« Sie krochen nun auf den Knien langsam und behutsam auf die Koba zu. Sie kamen ganz dicht heran. Damba Masaulomba legte einen der mit Baumwollfäden geschmückten Pfeile auf den Bogen und schoß. Er traf die Koba. Die Koba sprang auf. Beide Brüder flüchteten in den Busch. Die Koba umkreiste, mit den Nüstern die Fährten aufwirbelnd, das Gehölz, dann folgte sie der Spur der Brüder.
Die Traore flüchteten, aber die Koba kam ihnen immer näher. Da warfen die Brüder die drei Steine, und es entstand ein mächtiger Berg zwischen ihnen und der Koba. Sie flohen von dannen. Die Koba rannte den Berg hinauf und dann auf die Brüder zukommend, wieder hinab. Sie war wieder ganz nahe. Damba Saulandi rief: »Wirf das Ei«, und der ältere Bruder warf das Ei hinter sich. Es entstand ein mächtiges Schlammfeld zwischen den Jägern und der Koba. Die Brüder flohen. Die Koba konnte in dem Schlamm nur langsam weiter laufen. Der Jüngere sah zurück und rief: »Mein älterer Bruder, die Koba ist gefallen!« Sie blieben stehen, und der ältere Traore sagte: »Es ist richtig! Sie ist gefallen. Wir wollen aber nicht gleich hingehen; denn die Koba könnte noch nicht ganz tot sein.« Sie warteten eine Weile. Dann gingen sie hin und schnitten der Koba den goldenen Schwanz ab. Der ältere Bruder steckte ihn in seinen Schultersack, und sie gingen zurück zur Stadt.
Die Traore gingen zu dem Dodugu Niamorodiote. Damba Masaulomba sagte: »Wir haben im Busche etwas getötet. Versammle alle Leute der Dörfer. Wir wollen es zeigen und fragen, ob das nicht die Koba ist, die jahrelang so schlechte Sachen gemacht hat.« Dodugu Niamorodiote sagte: »Wegen nichts rufe ich nicht die Leute, die auf den Feldern sind, von der Arbeit weg. Wahrscheinlich habt ihr irgendein falsches Tier getötet. Denn die Koba war viel zu schlau, als daß ihr sie hättet erlegen können.« Die Jäger sagten: »Wir verlangen, daß du die Leute zusammenrufst, sonst zeigen wir die Koba nicht. Wenn wir nicht die richtige Koba erlegt haben, so reisen wir eben ohne Lohn wieder ab.« Darauf ließ der Dodugu alle Leute aus den zwölf Dörfern zusammenrufen, und als alle beisammen waren, sagte Damba Saulandi: »Mein älterer Bruder, alle Leute sind gekommen. Erhebe dich.« Damba Masaulomba stand auf und sagte: »Reiche mir den Beutel.« Der jüngere Bruder gab ihm den Schultersack. Der ältere Traore riß den goldenen Schwanz heraus, hielt ihn hoch in der Luft und rief: »Was ist das?« Da schrien alle Leute: »Das ist die ganz große Sache. Das ist die Koba! Wir sind befreit und wieder in sorgloser Ruhe. Wir brauchen keine Furcht mehr zu haben, daß die Koba uns alle Tage die Leute aus den Dörfern holt. Diese zwei Brüder haben das Unglück vom Lande genommen. Das ist die große Sache!«
Dodugu Niamorodiote ließ alle jungen Mädchen aus dem Lande zusammenkommen. Er sagte: »Die beiden Traore sollen ein Mädchen auswählen!« Alle Mädchen kamen. Als auch Sugulunkurmang sich hinaufbegeben wollte, sagte Niamorodiote, ihr Vater: »Du bleib nur fort. Du bist mit deinen Beulen und Schwären zu häßlich.« Früher waren die Diarra und die Traore einig, nun aber begannen sie sich zu beschimpfen. Das kam aber so:
Die Brüder gingen die Reihe der Mädchen entlang und betrachteten sie. Der Ältere sagte: »Das Kengebugurilala hat gesagt: ›Nachher dürft ihr nicht das schönste Mädchen der zwölf Dörfer nehmen, sondern ihr müßt die Beulenbedeckte vorziehen.‹ Ein solches Mädchen ist nicht dabei.« Der ältere Traore fragte den Landesherrn: »Sind denn alle Mädchen des Landes hier?« Dodugu Niamorodiote sagte: »Ja, es sind alle da, bis auf Sugulunkurmang. Die ist zu Haus geblieben, weil sie zu häßlich ist.« Die Brüder fragten: »Weshalb ist sie zu Haus geblieben?« Die Leute antworteten: »Weil sie zu viele Beulen und Schwären hat.« Die Traore sagten: »Das wird die rechte sein!« Da lachten die Leute. Sie führten Sugulunkurmang herbei. Sie war sehr häßlich. Damba Masaulomba trat von rechts heran und legte seinen linken Arm um ihren Nacken. Damba Saulandi trat von links heran und legte seinen rechten Arm um ihren Nacken, und die Traore sagten: »Das ist die rechte!« Da riefen die Diarra: »Oh, ihr Dummen! Ihr wißt ja nicht, was gut und schön ist, Ihr laßt die schönen Mädchen und wählt das häßliche. Oh, ihr Narren! Ihr Dummköpfe!« Die Traore sagten aber: »Ihr Törichten, was wißt ihr denn, was nachher gut sein wird, was für die Zukunft richtig ist?« So beschimpften sich Diarra und Traore zum ersten Male, und seitdem haben sie sich immer beschimpft bis auf unsere Tage.
Am Abend wollten sie sich niedersetzen. Damba Saulandi sagte zu Damba Masaulomba: »Du bist der ältere Bruder. Du hast keine Frau, und ich habe keine Frau. Da du aber der ältere bist, so lege dich mit Sugulunkurmang schlafen.« Damba Masaulomba ging mit dem Mädchen beiseite. Als ihn nun die Lust ankam, es zu beschlafen, fuhr er mit der Hand über ihren Leib. Es stach ihn aber irgend etwas sehr stark. Er fuhr entsetzt mit der Hand zurück und sagte: »Was hast du an deinem Kleide? Du hast mich verletzt.« Damba Masaulomba hatte nun Furcht. Er legte sich seitwärts des Mädchens zur Ruhe. Am andern Morgen wollte Damba Saulandi mit seiner Schwägerin Sugulunkurmang scherzen und strich ihr lachend mit der Hand über den Leib. Er fuhr aber mit der Hand zurück und rief: »Ach, du stichst! Du hast etwas Stechendes im Kleid!« Sugulunkurmang sagte: »Oh, das war gar nichts. Aber bei Nacht ist es schlimm. Frage nur deinen Bruder! Oh, bei Tage hat es noch nichts zu bedeuten!« Da ging der jüngere Traore zum älteren und sagte: »Mein älterer Bruder, ich glaube, das kommt daher, daß wir nur einfache Leute, dieses aber das Kind aus einer Königsfamilie ist. Ich glaube dieses Herrscherkind aus Sangara ist gut für den Mandekönig.« Damba Masaulomba sagte: »Mein jüngerer Bruder, ich glaube, du wirst recht haben. Wir wollen dieses Mädchen zum Farkuma Kakenji bringen.«
Die Traore gingen mit Sugulunkurmang von dannen.
Sie brachten Sugulunkurmang zum Farkuma Kakenji, dem Könige des Mandelandes, und dieser gab ihnen dafür ein anderes Weib. Am Abend sagte Damba Masaulomba zu dem Mädchen: »Mädchen, mache in diesem Zimmer Feuer.« Sugulunkurmang sagte; »Ich habe Furcht!« Er fragte: »Was gibt es?« Sie entgegnete: »Ich habe Furcht!« Der Jäger sagte: »Ach, jetzt wirst du einen fürstlichen Gatten haben. Du brauchst keine Furcht mehr zu verspüren.« Sugulunkurmang ging hinein. Farkuma ehelichte sie. Sugulunkurmang ward sogleich guter Hoffnung. Gleichzeitig ward aber auch die erste Frau des Königs guter Hoffnung, der Herrscher aber hatte bis dahin noch keine Kinder.
Damals gab es in Mande Subaga mussu Kononto (neun Zauberinnen), die hießen:
1. Sititi, das war die Führerin,
2. Sototo, das war ihre Adjutantin,
3. Djalimussu tumbumannia, die den Toten das Lied singt,
4. Muruni-pempete, die mit dem Messer den Kopf abschneidet,
5. Sumussu sungana niamorodjote, das hervorragend kluge und starke Zauberweib, das der Adjutantin untergeordnet ist,
6. Dagani kuboga, die den kleinen Zaubertopf auswäscht,
7. Djinbi djamba, die während der Nacht Nachrichten bringt und alles zuerst sagen muß,
8. Miniamba, die sich als Schlange in den Weg legt, um den Verurteilten durch einen Biß zu töten,
9. Kulutugubaga, die gebrochene Arme wieder herzustellen, Fleischwunden zu schließen vermag und tote Menschen wieder lebendig macht.
Als nun Sulugunkurmang Mutter wurde, war Djalimussu tumbumannia mit acht Frauen gegenwärtig. Das Kind schrie viermal. Alle Kinder schreien, wenn sie geboren werden, nur dreimal, aber das Kind Sugulunkurmangs schrie viermal. Beim vierten Male fielen die acht Frauen tot hin, und die Mutter des Kindes starb fast. Der König hörte den Lärm und fragte: »Was ist im Dorfe?« Einige Alte kamen hin und sahen in die Hütte. Sie kehrten zurück und sagten: »Eine Frau wird Mutter. Das Kind schreit so, daß acht alte Frauen starben, und auch die Mutter fast umkommt.« Der König sagte: »Njete maninjoro jataji« (so etwas habe ich noch nie gesehen). Da der König nun dem Kinde keinen andern Namen gab, so nannte man es Sunjatta.
Als das Kind geboren war und die Mutter sich wieder ein wenig bei Kräften fühlte, sagte sie zu Djalimussu tumbumannia: »Geh zum Könige und sage ihm, daß ich ihm den ersten Sohn geboren habe.« Djalimussu tumbumannia machte sich auf den Weg. Sie kam gerade zum Könige, als derselbe aß. In jener alten Zeit aßen die Mandeleute nur Reis. Die Subaga entbot den Gruß, der damals Sitte war, sie sagte: »Konkondogosso!« Der König antwortete mit dem Gruße, wie er damals Sitte war, er sagte: »Tantumberre! Komm, iß mit mir.« Djalimussu tumbumannia setzte sich beim Könige zum Essen nieder. Dabei vergaß sie aber vollständig, ihre Botschaft auszurichten.
Am gleichen Tage, aber einige Stunden später, gebar auch die erste Frau des Königs ein Kind. Die Mutter dieses Prinzen rief Muruni pempete herbei und sagte zu ihr: »Gehe zum Könige und berichte ihm, daß ich ihm einen Sohn geschenkt habe.« Muruni pempete machte sich auf den Weg. Sie kam zum Könige, als er gerade aß. Sie sagte: »Konkondogosso!« Der König antwortete: »Tantumberre! Komm her und iß mit mir!« Die Subaga sagte: »Wer schnelle Füße hat, soll auch eine schnelle Zunge haben. Deine erste Frau sendet mich und läßt dir sagen, daß sie dir einen Sohn geschenkt habe.« Der König sagte: »Das ist sehr schön!« Djalimussu tumbumannia sprang aber auf und sagte: »Ich habe ja auch eine Bestellung auszurichten. Oh, über dem Essen habe ich ganz vergessen, mich meines Auftrages zu entledigen. Deine Frau Sungulunkurmang sandte mich, um dir zu sagen, daß sie dir den ersten Sohn geschenkt habe. Dieser Sohn ist der Erstgeborene.« Der König sagte: »Du kommst jetzt zu spät. Von dem ich zuerst hörte, das ist der ältere!« Man nannte das Kind der ersten Frau des Königs Massa Dangaratuma. Der König sagte: »Massa Dangaratuma ist mein ältester Sohn.« Das war aber nicht wahr, denn der ältere war Sunjatta. –
Die Kinder wuchsen miteinander auf. Sunjatta war schwach auf den Füßen, Massa Dangaratuma aber war stark. Sunjatta blieb immer am Boden hocken, und Massa Dangaratuma lernte bald laufen. Als sie schon ein wenig herangewachsen waren, kaufte sich jeder von beiden einen Hund. Massa Dangaratuma nannte den seinen Dindofollobiulukorote (der zuerst Geborene, aber nicht ältere). Sunjatta den seinen Sobekonssante (gut herangewachsen, aber im nötigen Augenblick unglücklich). Wenn sie aßen, reichten sie ihren Hunden je eine Handvoll Essen hin. Sobekonssante war schnell; er schluckte nicht nur die eigene Speise herunter, sondern nahm auch eilig noch Dindofollobiulukorote das Essen fort. Massa Dangaratuma sagte zu Sunjatta: »Wenn das dein Hund noch einmal macht, werde ich ihn totschlagen. Ich werde ihn töten!« Sunjatta sagte: »Wenn du das tun solltest, werde ich etwas unternehmen und etwas tun, davon soll ganz Mande reden!« Massa Dangaratuma sagte: »Was willst, du! Ich werde ja doch König, und du bist nichts!« Er suchte einen dicken Knüppel und legte ihn neben sich. Als abends das Essen kam, fraß Sobekonssante wieder sein Essen und das des andern Hundes auf. Da nahm Massa Dangaratuma den Knüppel und schlug ihn tot. Nun war Sunjatta ja schwach auf den Beinen (solche Kinder nennt man Nammara) und blieb auch lange Jahre so am Boden hocken. Er war aber am Oberleibe sehr stark. Er packte seinen Bruder an der Ferse und preßte ihn, daß fast die Knochen brachen und er sich vor Angst und Furcht in die Hosen machte. Er preßte ihn sehr, bis Djalimussu tambumannia dazu kam und sagte: »Laß den Fuß deines Bruders los!« Da ließ Sunjatta den Fuß los.
Die Kinder wuchsen heran. Der König sah es, daß zehn der Knaben kräftig und tüchtig waren, während Sunjatta noch immer nicht vom Boden aufzustehen vermochte, trotzdem er schon dreizehn Jahre alt war. Farkuma-Kakenji sagte: »Die Kinder können bis auf Sunjatta nun bald beschnitten werden.« Sugulunkurmang hörte das. Sie weinte, weil ihr Sohn nicht schneller heranwuchs. Sunjatta tröstete sie und sagte: »Weine nicht, denn mein Vater kann meine Brüder nicht vor mir beschneiden lassen. Wenn der Vater den Boten mit der Nachricht sendet, so sage ihm, daß er mir die Nachricht selber bringe.« Nach einiger Zeit kam der Bote zur Mutter und sagte: »Farkuma-Kakenji will alle Knaben bis auf Sunjatta beschneiden lassen, weil der immer noch am Boden hockt.« Sugulunkurmang sagte: »Sage es meinem Sohne selbst. Dort ist er am Boden.« Der Bote ging zu Sunjatta und sagte: »Djata Djata Ninkanja.« Sunjatta sagte: »Ja, ich bin Djata Djata Ninkanja. Ja, ich bin Jatta Jatta Njatauliballi, der die Knochen zerschlägt, aber nicht aufstehen kann.« Der Bote sagte: »Farkuma-Kakenji will deine Brüder beschneiden lassen, aber nicht dich, weil du noch am Boden herumhockst.« Sunjatta sagte: »Antworte meinem Vater, daß, wenn meine Brüder endgültig vor mir beschnitten werden, er etwas erleben wird, was man nie hörte, seit Mande entstand. Mande wird dann zergehen und keiner kann es je wieder gründen.« Der Bote ging hin und sagte es dem König. Der aber erwiderte: »Das Gerede ist mir gleich. Aus meinem Harn kann nicht ein Kaiman kommen, der mich verschlingt.« (Soll heißen: »Meine Nachkommenschaft kann nicht stärker sein als ich es bin.«) Der König fuhr fort: »Man lasse seine Brüder beschneiden, komme, was da komme!«
In der folgenden Nacht begann der Tamtam. Sugulunkurmang weinte wieder. Sie sagte: »Du bist der Älteste und hast immer Unglück. Mußt du denn immer zuletzt kommen?« Sunjatta sagte: »Der Vater kann das nicht durchführen. Du wirst das sehen.« Sugulunkurmang sagte: »Du wirst sehen, daß es der Vater doch kann.« Inzwischen rief der König neun Numu (Schmiede) und gab ihnen den Auftrag, die zehn Knaben zu beschneiden. Also beschnitten acht Numu je einen, der neunte aber zwei Knaben. So wurden die Knaben beschnitten, und die Frauen sangen jubelnd den heiligen Beschneidungsgesang. Sugulunkurmang weinte wieder und sagte: »O mein armes Kind! Mein armes Kind!« Sunjatta sagte zur Mutter: »Laß nur; wir werden sehen, daß es der Vater nicht kann.«
Die Numu kamen zu Farkuma-Kakenji und sagten: »Wir sind fertig, zahle uns!« Der König sagte zu einem von ihnen: »Geh jetzt zu Sunjatta und sage zu ihm, die Beschneidung seiner Brüder sei vollbracht. Er könne jetzt tun, was er vorhabe.« Der Bote ging hin und sagte es so zu Sunjatta. Sunjatta sagte: »Ehe ich dir meine Antwort gebe, geh zur Seite und laß dein Wasser!« Der Numu ging hin, aber als er sein Glied anfaßte, sah er, daß er nicht mehr beschnitten, sondern daß ihm plötzlich wieder die Vorhaut gewachsen war. Er lief entsetzt zum König zurück. Farkuma-Kakenji fragte: »Nun, welche Antwort hat Sunjatta gegeben?« Der Numu sagte: »Ehe ich dir antworten kann, mußt du mir die Hände binden lassen.« Der König ließ den Mann fesseln. Dann sagte der Numu: »Alle die wir gegen den Willen Sunjattas die Knaben beschnitten haben, wir alle werden wohl wieder eine Vorhaut haben und nicht mehr beschnitten sein. Wenigstens ich bin nicht mehr beschnitten.« Alle andern Numu gingen beiseite und sahen und kamen zurück und jeder sagte: »Laß mich binden, ich habe beschnitten und bin selbst nicht mehr beschnitten.« Farkuma-Kakenji sagte: »Das ist eine eigene Sache.« Er ging selbst hin, um zu urinieren und da sah er, daß er nicht mehr beschnitten war. Das kam so, daß ein Numu zwei Knaben beschnitten, und somit reichte der Zauber für den König mit.
Farkuma-Kakenji kam zurück und sagte: »Bindet mich, denn ich bin auch nicht mehr beschnitten.« Darauf gingen der König und alle Schmiede zu Sunjatta und begrüßten ihn als ihren »Kuntigi« (Kopf oder Chef gleich Chef im allgemeinen) und baten ihn um Entschuldigung. Da begann Sunjatta das Spottlied: »Ankatulunke Mande amanji« (amüsieren wir uns Mande schlecht), d. h. etwa: Verspotten wir das heruntergekommene (schlechte) Mandeland. Viele Leute sangen das Spottlied. Inzwischen kam Djallimussu tumbumannia und sagte: »Laß deinen Vater nunmehr frei. Er ist müde. Man weiß jetzt, daß du stärker bist als er.« Sunjatta sagte: »Ich will meinen Vater unter der Bedingung frei lassen, daß die andern Knaben nicht vor mir beschnitten werden!« Man sagte es Farkuma-Kakenji. Darauf gingen seine Vorhaut und die der Numu wieder zurück; die zehn Knaben hatten dafür aber wieder die ihre, und nun waren sie nicht mehr beschnitten.
Die Mutter Sunjattas bat ihre Nebenfrau: »Gib mir von deinen Sira-(Affenbrotbaum-)Blättern.« Die andere Frau sagte heftig: »Heute will ich dir noch geben, dann ist es aber zu Ende. Dein Sohn ist älter als der meine; laß ihn doch auf den Sirabaum klettern und Hals und Knochen beim Klettern riskieren. Der meine sucht für mich. Weshalb rutscht dein Sunjatta immer auf der Erde herum?« Sunjatta hörte draußen, daß seine Mutter mit jemand stritt, und fragte: »Was sprichst du da mit den andern Frauen?« Sugulunkurmang sagte: »Ach, es ist nur wegen der Sirablätter, die ich von einer Nebenfrau erbat.« Sunjatta sagte: »Gibt es denn in Mande keine Schmiede? Hat mein Vater keine Schmiede?« Seine Mutter sagte: »Ja, dein Vater hat Schmiede.« Da erwiderte Sunjatta: »So sollen sie mir jetzt einen Eisenstab machen, an dem ich mich aufrichten kann.« Die Numu (Schmiede) bauten sieben Ganso (Hochöfen), um das Eisen zu einem starken Stabe zu schmelzen. Sie schmiedeten den Stab und brachten ihn Sunjatta. Er nahm den Stab und zerbrach ihn zwischen den Fingern wie ein Rohr. Er sagte: »Das kann mir nichts nützen. Gibt es in Mande keine rechten Schmiede?« Die Leute sagten: »Ja, es gibt Schmiede.« Sunjatta sagte: »Dann sollen sie mir einen ordentlichen Eisenstab machen, der hier kann mich nicht tragen.« Die Numu bauten nun siebzehn Ganso, um das Eisen zu dem Stabe zu schmelzen. Sie schmiedeten den Stab und brachten ihn Sunjatta. Dieser stemmte ihn nur gegen die Erde, da bog er sich krumm wie ein Bogen. Er warf den Stab weg und sagte: »Nun bringt mir endlich etwas Ordentliches. Derartiges kann mir nichts nützen.« Darauf bauten die Schmiede siebenundzwanzig Ganso, um das Eisen zu einem einzigen Stabe zu schmelzen. Sie schmiedeten den Stab und viele Leute trugen ihn. Er war dick wie ein Baumstamm. Sunjatta stützte sich auf ihn; er wollte sich aufrichten. Der Stab war aber nicht ganz stark genug und bog sich wieder ein wenig. Da rief Sunjatta: »Schnell, Mutter, komm, hilf mir!« So stützte er sich links auf die Schulter seiner Mutter und rechts auf den Eisenstab. Die Mutter sang jubelnd: »Heute ist ein schöner Tag, der gute Gott hat mir noch keinen gleichen gegeben.«
Damals gab es in Mande einen einzigen großen Sirabaum. Wer einen Kern aus der Frucht dieses Baumes verschluckte, der wurde in Mande König. Sunjatta ging mit seinen Leuten zu dem Baume. Viele Leute hatten es schon versucht, mit Knüppeln da hinauf zu werfen, um eine Frucht zu erhalten. Keiner aber hatte soweit hinauf getroffen. Sunjatta aber ergriff statt eines Stockes einen Menschen. Er packte ihn bei den Beinen, aber als er ihn packte, brach dem armen Tropf ein Bein. Unter diesem Baume stand Balla-Fasege-Kuate, ein uralter Sänger (von dem noch heute viele Sänger ihre Herkunft ableiten). Der sang: »Sinkate Namara Konate!« (Beinzerbrecher Namara-Familie). So erhielt Sunjatta einen seiner Namen. Der hinaufgeworfene Mensch schlug gegen eine Frucht, brach sie und schleuderte sie herab. Dann fiel er auf der andern Seite selbst wieder zu Boden und zerbrach dabei einen Arm, so daß Balla-Fasege-Kuate sang: »Bulukati Namara Konate!« (Armzerbrecher Namara-Familie), was wiederum ein Name Sunjattas wurde. Als die Frucht herunterfiel, begnügte sich Sunjatta nicht damit, wie andere es getan hätten, einen einzelnen die Königsherrschaft spendenden Samenkern zu verschlucken, sondern er schluckte die ganze Frucht so, wie sie war, hinab und verhinderte so, daß ihm ein Rivale entstand. Dann aber ergriff er den ganzen riesigen Baum, wie er vor ihm stand, riß ihn aus der Erde, wie andere ein kleines Pflänzlein gepackt hätten, trug ihn in die Stadt und setzte ihn in das Gehöft seiner Mutter. Er sagte: »Bisher mußte sich meine Mutter an andere wenden, um Sirablätter zu erhalten. Jetzt sollen die andern zu meiner Mutter kommen, wenn sie Sirablätter begehren.« Er ließ den Baum im Gehöft seiner Mutter stehen.
Der Vater hörte das und sagte: »Aha, Sunjatta ist jetzt auf, und man kann daran gehen, ihn zu beschneiden.« Nun war es Sitte, daß man in feierlichem Zeremonial dem ersten unter den Beschnittenen damals die Kongoton (Mütze) aufsetzte und den Muruffe Durruki (Mantel aus rotem Stoff) umhängte. Kongoton und Muruffe Durruki waren aber so schwer, daß man den Menschen, den man damit geschmückt hätte, gleichzeitig erdrückt hätte, und somit begnügte man sich damit, den Mantel dreimal um seine Schultern und die mit dreihundertdreiunddreißig Köpfen von Tauben (Tubani) und dreihundertdreiunddreißig Köpfen von Kronenkranichen (Koma) geschmückte Kongoton dreimal über seinen Kopf zu halten. – So hielt man auch den Muruffe Durruki über ihn, einmal, nahm ihn wieder weg, zum zweiten Male und nahm ihn wieder weg, da rief Sunjatta: »Nun laßt ihn aber schnell auf meine Schultern fallen, sonst passiert etwas Schlimmes in Mande!« Man ließ ihn auf ihn fallen und der Mantel, der andere zerdrückt hätte, zerriß ein wenig auf den Schultern Sunjattas, so mächtig war er gebaut. Man hielt die Mütze Kongoton über ihn, einmal, man hob sie fort, zweimal, man hob sie fort. Sunjatta rief: »Nun setzt sie aber schnell auf meinen Kopf, sonst passiert etwas Schlimmes in Mande!« Man setzte sie auf seinen Kopf und die Mütze, die jeden andern unter sich zermalmt hätte, sie zerriß auf seinem Haupte» sie war zu eng, zu zart – so mächtig war das Haupt Sunjattas!
Dann wurde Sunjatta in diesem Kleide beschnitten.
Drei Jahre waren nach der Beschneidung Sunjattas vergangen. Einmal war Djalimussu tumbumannia verreist, da einigten sich die andern acht der neun Subaga auf Veranlassung von Verwandten Sunjattas und verwandelten ihn in einen Turani (Stier). Dann führten sie den jungen Turani heraus und schnitten ihm den Kopf ab, sie töteten ihn; sie zerlegten ihn und machten neun Teile daraus. Jeder nahm seinen Teil, und das neunte Teil für Djalimussu tumbumannia hoben sie auf und gaben es der (Sunjatta schützenden) Subaga, als sie wiederkam. Djalimussu tumbumannia nahm ihren Teil und fragte: »Was ist das für Fleisch?« Die andern Subaga antworteten: »Das ist das Fleisch Sunjattas, des Sohnes Sugulunkurmangs, den wir in einen Turani verwandelt und dann zerlegt haben.« Djalimussu tubumannia sagte: »Was ist mehr Fleisch, ein junger Turani oder neun große Buschbüffel?« Die acht Subaga antworteten: »Neun große Buschbüffel haben mehr Fleisch!« Djalimussu tumbumannia sagte: »Gut, dann bringt morgen sämtliche Knochen und Sehnen eurer Teile herbei, ich will euch dann jeder einen großen Buschbüffel dafür geben.« So ward es; man brachte am andern morgen alle einzelnen Teile des Knochen- und Sehnengerüstes herbei und setzte den Turani wieder zusammen. Es wurde wieder ein junger Ochse daraus. Djalimussu tumbumannia schlug ihn auf den Schwanz, und er wurde wieder Sunjatta. Djalimussu tumbumannia sagte zu ihm: »Laufe schnell von dannen. Bleibe nicht! Gehe aus dem Mandelande! Die junge Schlange muß sich verstecken, wenn sie nicht von den Menschen getötet und so jung ums Leben gebracht werden soll.«
Sunjatta machte sich mit seiner Mutter auf und ließ durch einen bekannten Mann das Kengebugurilala, das Sandorakel, über sein Schicksal befragen. Das Orakel sagte: »Ehe du dahinkommst, wohin du willst, wirst du dreimal in Zorn geraten. Wenn du dich aber nicht vom Zorn wirst hinreißen lassen, dann wirst du König des Mandelandes werden. Zunächst gehe hin und verstecke dich im Lande Mema.« Da machte sich Sunjatta auf den Weg und zog von dannen. Er nahm mit sich seine Mutter Sugulunkurmang, seine kleine Schwester Killikillimadjumasuko und seinen jüngeren Bruder Simbombatanganjati, der auch ein großer starker Mann war. Mit diesen dreien entfloh er und zog aus dem Mandelande.
Er floh auf dem Wege, den das Orakel angegeben hatte und kam zunächst in das Land Dabo, in dem jeder Mann als »guten Tag« »dabo« sagte, und der Häuptling als Kissima Dabo bezeichnet wurde. Die Daboleute hatten drei verschiedene Arten von Baschi (Heiligtümer). Zunächst hatten sie die »Do«, das waren Getränke wie das Dolo (Sorghumbier), aber von verschiedener Stärke. Einige konnten nur die Biere vertragen, welche einen Monat alt waren, andere die von fünf Monaten, andere die von sechs Monaten und andere gar die von zehn Jahren Alter. Das waren aber ganz starke Menschen, und nach dem Genuß waren sie müde und betrunken. Das zweite Baschi wurde genannt Tulu Kavuli Faga Kono, das war ein großer Topf, in dem viel Öl gekocht wurde. Wer nun etwas beschwören wollte, der zog seinen Ring vom Arm, warf ihn in das kochende Öl und zog ihn mit entblößtem Arme wieder heraus. Wer falsch geschworen hatte, dem verbrannte das kochende Öl den Arm bis auf die Knochen. Wer aber die Wahrheit gesagt hatte, dem konnte das Öl nichts anhaben. Zum dritten hatten sie das Baschi Binje, das bestand aus sieben doppelten Türen, die stellte man vor einen Baum von der Art des Bamanju (d. i. ein Bananenbaum). Vor diesen Türen schwor man. Wer richtig geschworen hatte, dessen Pfeil drang durch je zwei, ja drei Türen. Wer aber falsch geschworen hatte, dessen Pfeil konnte nicht einmal in das Holz der ersten Tür eindringen.
Die Leute von Dabo sahen aus der Ferne Sunjatta mit seinen Begleitern kommen. Sie sagten: »Was ist das? Es ist ein Fremder, wir wollen ihm den Do von einem Monat Alter geben.« Sie reichten ihn Sunjatta, um zu sehen, wie stark er sei. Sunjatta nahm den Becher, und reichte ihn gleich weiter an Killikillimadjumasuko und sagte: »Das mag gut sein für ein kleines Mädchen. Für mich ist das nichts.« Die Schwester nahm das Gefäß, setzte es an die Lippen und warf dann Becher und Trank fort. Sie sagte: »Pfui, das ist schmutziges Wasser, aber kein Getränk!« Die Leute von Dabo sagten: »Wir wollen ihnen zweijährigen Do geben.« Sie reichten ihn Sunjatta. Er setzte es an die Lippen und sagte: »So etwas gibt man bei uns Kindern. Meine Schwester mag das versuchen.« Man reichte den Trank Killikillimadjumasuko. Das Mädchen trank davon, warf Trank und Schale fort und sagte: »Das taugt nichts. Die Frauen von Dabo verstehen kein Bier zu brauen.« Die Daboleute sagten: »So sollen sie den Do von zehn Jahren versuchen.« Sie reichten eine kleine Schale Sunjatta hin. Er versuchte davon und sagte: »Für Frauen mag das gehen, für Männer nicht. Gebt den Trank Killikillimadjumasuko!« Man gab dem Mädchen den Trank. Killikillimadjumasuko setzte die Schale an die Lippen, trank sie aus und sagte: »Gut ist das nicht. Wenn es aber nichts Besseres gibt, wenn die Frauen von Dabo nichts Besseres zu machen wissen, so kann man damit leidlich den Durst löschen. Man bringe mir also den großen Topf.« Da brachte man einen ganz großen Topf mit dem zehnjährigen Do, und den trank das Mädchen aus, um damit den Durst zu löschen.
Die Leute von Dabo sagten: »Das sind starke Leute. Dieser Mann soll den Tulu Kavuli Faga Kono versuchen. Man bringe ihn herbei.« Die Leute brachten den Topf mit Öl herbei. Sunjatta zog seinen Ring vom Arme, warf ihn in das kochende Öl und sagte: »Njatta, Njatta, Njatta ninkanja, Njatta Namara! Das bin ich. Als ich noch unter dem Herzen meiner Mutter ruhte, da mag sie ein Vogel im Busch erschreckt haben, und sie mag erschrocken sein. Das ist dann nicht mein Fehler. Meine Mutter mag damals erschrocken sein, wenn ein Löwe brüllte. Das kann ich nicht wissen. Damals mag sie vor dem Djinna (Teufel) erschrocken sein. Davon weiß ich nichts. Das gehört nicht in meinen Schwur. Wenn der Donner grollte, wenn der Vater mit ihr schalt, dann mag sie erschrocken sein, und das nehme ich nicht in meinen Schwur auf. Aber seitdem ich meine rechte und meine linke Hand unterscheiden kann, bin ich nicht erschrocken. So mag das jetzt als mein Schwur gelten und alle Haut und Fleisch mag von meinem Arme brennen, wenn ich falsch schwöre. Wenn es aber so ist, dann mag mein Arm so bleiben, wie er ist.« Er steckte die Hand in die kochende Flüssigkeit und zog sie wieder empor. Es war alles wohl erhalten, nur ein Härchen war verbrannt. Darüber lachten die Daboleute. Wie die Leute lachten, wurde Sunjatta grimmig und wütend. Seine Schwester aber nahm ihn zur Seite und sagte: »Das Kengebugurilala hat gesagt: ›Wenn du dich aber nicht vom Zorne wirst hinreißen lassen, dann wirst du König des Mandelandes werden.‹ Sei also auf deiner Hut. An der Angelegenheit aber bist du selber schuld. Warum hast du mir nicht vorher deine Absicht gesagt. Ich bin nur ein schwaches Mädchen, eine Frau, aber ich vermag viel. (Das Mädchen verfügte nämlich auch über große Zauberkräfte.) Also sage mir vorher immer alles und ich werde dir behilflich sein.« Sunjatta sagte: »So werde ich noch einmal schwören.« Sunjatta ging hin und schwur nochmals. Seine Schwester stand daneben. Er steckte den Arm in das kochende Öl und zog ihn wieder heraus. Da war das Härchen, das vorher verbrannt war, wieder hergestellt.
Die Leute von Dabo brachten nunmehr das Binje herbei. Sie stellten die sieben Türen vor dem alten Bananenbaum auf und sagten: »Sunjatta, nimm Pfeil und Bogen und schieß auf die sieben Türen.« Da rief er seine Schwester und sagte: »Killikillimadjumasuko, sieh, ich will auf diese sieben Türen schießen.« Sie kam herbei. Die Leute sprachen zu ihm: »Wenn du reinen Blutes bist, wenn du das Kind deines königlichen Vaters bist, so magst du getrost auf diese sieben Türen schießen, dann wird dein Pfeil zwei, oder gar drei Türen durchschlagen. Sonst aber wird er das Holz nicht zu durchboren vermögen.« Man stellte die Türen auf. Sunjatta nahm seinen Pfeil auf die Bogensehne und sprach: »Wenn ich nicht reinen Blutes bin, so mag der Pfeil zurückkehren und mich töten.« Er schoß; der Pfeil sauste von dannen und zerschlug nicht nur alle sieben Türen, sondern drang auch noch mit voller Wucht in die Wurzel des Baumes, vor dem die Platten standen und warf den Baum um. Da schrie Kissima Dabo, der König des Landes Dabo, laut auf, und sogleich war der Baum wieder aufgerichtet an seinem Platze wie vorher. Sunjatta schrie – der Baum fiel wieder hin. Der König schrie – da stand der Baum wieder auf. Beide schrien, da fiel der Baum zur Hälfte um, die andere Hälfte blieb stehen. Und so ist es bis heute. Alle Bananenbäume stürzen nach und nach ein.
Die Leute von Dabo sagten aber: »Dies ist ein tapferer und starker Mann«, und sie zeigten ihm den Weg nach Mema.
Das Kengebugurilala hatte zu Sunjatta gesagt: »Zunächst gehe hin und verstecke dich im Lande Mema.« Faran Tungara, der erste Tungara von Mema, war an einer Kette vom Himmel gestiegen. Ihm folgte Farambram oder Bram Tungara, diesem Mene Tungara, diesem Menemene Tungara, diesem Kundu Tungara. Zu jener Zeit herrschte Farambram, der erste Nachfolger Faran Tungaras. Zu ihm kam Sunjatta und vertraute sich ihm an. Er sagte: »Ich komme mit meinen Angehörigen zu dir, weil ich in Mande die Subaga und meine Verwandten fürchten muß.« Zunächst blieb er in diesem Lande.
In das Mandeland fiel damals Susu Sumanguru ein. Sumanguru, der König der Susu, hatte seinen Namen, weil er von zwei Müttern geboren worden war. Seine beiden Mütter hießen Sansu und Dabi. Als diese schwanger waren, war die eine es immer tagsüber, und die andere immer nachtsüber und dafür die eine zu dieser Zeit nicht trächtig. So wechselten sie immer ab. Nachts verließ der Knabe den Mutterleib und lief im Hause herum. Aber die Frauen konnten das Kind nicht gebären. Da wandten sie sich an das Orakel und fragten, was da zu tun sei. Das Orakel antwortete: »Stellt in dem Zimmer, in dem die beiden Frauen Sansu und Dabi schlafen, einen großen Holzmörser auf, wie ihr ihn zum Stampfen gebraucht. Dann wartet ab, was sich ereignen wird!« Wie das Orakel es angab, so wurde im Hause der beiden schwangeren Frauen ein Holzmörser aufgestellt. Wie immer schlüpfte in der Nacht Sumanguru aus dem Mutterleibe und lief umher. Nachher wollte er in den Leib der andern Mutter zurückkehren, er traf aber auf den Holzmörser und setzte sich in den Mörser. Beide Frauen saßen dabei aufrecht im Bette, auch entfloß beiden Blut wie bei der Entbindung, was man Ulodjoli (Ulo = sich legen; djoli = Blut) nennt. Darauf sagten die Leute: »Sansu und Dabi haben geboren.« Sie nannten den Knaben Susu Sumanguru und erzählten von ihm, daß er zwei Mütter habe. Die beiden Mütter stritten aber miteinander. Sansu sagte: »Er ist mein Sohn.« Dabi sagte: »Er ist mein Sohn.« Sie stritten sich hin und her. Sumanguru wurde groß und stark. Wenn Sunjatta von ihm hörte, sagte er: »Es wird sich niemand mit Sumanguru schlagen können.« Sumanguru aber sagte: »Niemand kann Sunjatta widerstehen.«
Susu Sumanguru wurde groß und begann seine Kriege, als Sunjatta in Mema weilte und in Mande Mansa Dangaratuma herrschte. Er begann den Krieg gegen Mande, fiel in das Land ein und eroberte einen Teil nach dem andern. Es weilte noch eine kleine Schwester Sunjattas im Lande, namens Sigassuko. Sumanguru taufte sie um und nannte sie Taffesiga (Ta-Feuer, fe-blasen, Siga ist der Name. – Die Massari nennen die Frauen Siga, die Männer Keita). Er packte fernerhin Balla Fasege Kuate, den Sänger. Massa Dangaratuma floh und kam mit seinen Leuten in das Land Nkissi (Nkissi heißt »Wohlbefinden«). Da ließen sie sich nieder, und es entstand das Volk der Nkissi. Mande verfiel, und die Leute sagten: »Wenn Sunjatta nicht bald zurückkehrt, ist Mande für immer verloren.« Andere sagten: »Man soll Sunjatta rufen.« Andere aber sagten: »Wie sollen wir Sunjatta finden?« Sie dachten nach und einige sagten: »Alle Mali essen für ihr Leben gern Sirabulu (Sirablätter), die es in keinem andern Lande gibt. Nun soll man Sirabulu auf alle Märkte senden und ausrufen: »Sirabulu, Sirabulu!« Sogleich werden Sunjatta und seine Leute herbeikommen und die Blätter kaufen wollen. Daran erkennt man sie und kann ihnen die Botschaft berichten. Das schien allen gut, und man sandte die Leute aus. Susu Sumanguru hörte aber davon und ließ eine Last Gold bereiten. Er sandte diese Last an Farambram und ließ ihm sagen, er solle Sunjatta töten lassen. Farambram liebte über alle Maßen das Siggispiel, ein Spiel, bei dem es darauf ankommt, auf welche Seite die ausgeworfenen Eisenwürfel fallen. Er rief Sunjatta zum Siggispiele, schüttelte das Eisen in der Hand und sagte: »Wenn mir jemand seinen Vater gibt, daß ich ihn töte, so töte ich ihn. Wenn mir jemand seine Mutter gibt, daß ich sie töte, so töte ich sie. Wenn mir jemand seine Verwandten gibt, daß ich sie töte, so töte ich sie.« Mit diesen Worten warf er. Sunjatta ergriff das Eisen, schüttelte es in der Hand und sagte: »Wenn dir jemand eine schlechte Arbeit gibt und Gold, so laß die schlechte Arbeit und laß das Gold.« Mit diesen Worten warf er. Sunjatta gewann.
Sunjatta und sein jüngerer Bruder Simbombatangajagati waren einmal auf der Jagd nach wilden Büffeln und von Mema abwesend. Da kamen die Mandeboten und hielten die Sirabulu laut rufend feil. Killikillimadjumasuko ging über den Markt. Sie hörte die Rufe und ging hin. Sie nahm die Sirabulu in die Hand und sagte: »Das sind Blätter aus meinem Lande.« Sie fragte die Leute: »Woher kommt ihr?« Und sie antworteten: »Wir kommen aus Mande.« Sie fragte die Leute: »Weshalb reist ihr im Lande umher?« Da sagten sie: »Wir suchen Sunjatta. Wir wollen ihn zurückrufen. Wenn er nicht kommt, wird das Mandeland zerfallen.« Killikillimadjumasuko sagte: »Ich will euch das Haus Sunjattas zeigen. Kommt mit mir.« Sie führte die Boten in das Haus und sagte: »Ich werde euch sogleich etwas Essen bereiten.« Sunjatta und sein Bruder hatten inzwischen neun Büffel erlegt. Die Schwester wußte das (infolge ihrer Zauberkräfte). Sie zog die Herzen und Lebern aus den neun Büffeln, ging nach Mema und machte daraus für die Boten ein Gericht. Das setzte sie den Männern vor. Im Busch schnitten die beiden Jäger den ersten Büffel auf. Sie fanden kein Herz, keine Leber darinnen. Simbombatanjagati sagte: »Was ist das? Hier ist keine Leber, kein Herz?« Sie schnitten alle Büffel auf. Es war in keinem ein Herz, in keinem eine Leber. Sunjatta sagte: »Das hat unsere Schwester Killikillimadjumasuko getan. Es ist sicher ein Bote gekommen, dem sie ein gutes Essen vorsetzen wollte.« Die beiden Brüder machten sich auf den Heimweg. Vor den Toren trafen sie die Schwester. Simbombatanjagati schlug die Schwester ins Gesicht, daß ihr Kleid zerriß und sagte: »Was hast du mit den Lebern und den Herzen unserer Büffel gemacht?« Die Schwester sagte: »Du hast mich beleidigt.«
Killikillimadjumasuko sagte zu Sunjatta: »Es ist eine Botschaft aus Mande gekommen. Susu Sumanguru ist ins Land gekommen, hat den König verdrängt, und jetzt zerstört er es. Die Leute aus Mande lassen dir sagen, wenn du nicht bald kämst, würde das Reich vollständig zerstört werden. Die Leute sind gekommen, dich zurückzurufen.« Sunjatta sagte: »Ich kann jetzt nicht dahin zurückkehren, denn meine Mutter ist alt und kann den weiten Weg nicht mehr zurücklegen.« Sugulunkurmang sagte: »Du willst mein Leben nicht für eine ungewisse Sache auswerfen. Deshalb gehe hin und schwöre, daß du mein Leben nicht für nichts hingeben willst, daß du nicht etwas Unsicheres unternehmen willst. Wenn du König werden wirst, so werde ich sterben. Wirst du nicht König, so werde ich am Leben bleiben.« Sunjatta ging aus der Stadt und in den Busch. Er schwor: »Ich schwöre, daß ich nicht fortgehen werde, wenn ich nicht König von Mande werde.« Sunjatta ging aus dem Busch wieder nach Haus, und als er heimkehrte, war seine Mutter gestorben.
Darauf ging Sunjatta zu Farambram und sagte: »Meine Mutter ist gestorben, ich will sie begraben.« Der König sagte: »Du kannst deine Mutter begraben, du mußt aber das Land und die Erde kaufen, Um darin Sugulunkurmang zu begraben. Tust du das nicht, so mußt du ihre Leiche zurückführen bis Mande.« Sunjatta fragte: »Was kostet die Erde?« Farambram sagte: »Land und Erde kostet Mutukalli (hundert Gramm Gold).« Sunjatta sprang auf und sagte: »Ich werde dir das Land und die Erde bezahlen, damit ich meine Mutter begraben kann.« Er ging hin und brachte das Geld auf; dann tat er aber in eine Kalebasse eine Feder von einem Perlhuhn, eine Feder von einem Feldhuhn, ein kleines Stück einer zerbrochenen Kalebasse, ein kleines Stück eines alten zerbrochenen Topfes, eine eiserne Gewehrkugel, denn damals kamen die ersten Gewehre auf (da die Tradition Vorgänge aus dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts schildert, so muß die Einschiebung der Verwendung von Gewehren eine ziemlich späte sein). Diese Dinge tat er in eine Kalebasse und sandte die mit dem Gelde zusammen zu Farambram.
Als Gold und Kalebasse ankamen, saßen die drei alten Weisen bei dem Könige. Er fragte sie: »Was ist denn das in dieser Kalebasse?« Die drei Weisen waren Kemoro-kubelong (der alles kennt), Kemoro-kubakurosi (der alles merkt und versteht) und Kemoro-komabefu (der alles sagt und verkündet). Als der König so gefragt hatte, beugte sich Kemoro-kubelong über die Kalebasse, blickte hinein und sagte: »Ng!« Kemoro-kubakurosi beugte sich vor und sagte: »Ich weiß es!« Kemoro-komabefu aber hob den Kopf und sagte: »Die Stücke einer zerbrochenen Kalebasse sollen bedeuten, daß Sunjatta einstmals wieder nach Mema kommen und das Land dann zerbrechen könne; das Stück eines zerschellten alten Topfes soll sagen, daß Mema zerspringen würde wie ein morsches, altes Gefäß; die Feder eines Perlhuhns und die Feder eines Feldhuhns sagen, daß die wilden Tiere ihre Nahrung in den Ruinen Memas suchen werden; die Gewehrkugel sagt, daß deine Leute unter diesem Geschosse fallen und auseinandergetrieben werden.« Als Kemoro-komabefu das gesagt hatte, schob Farambram das Gold und die Kalebasse zurück und sagte zu Sunjatta: »Ich will nicht dein Gold. Nimm dein Gold und bestatte deine Mutter. Du brauchst die Leiche Sugulunkurmangs nicht in das Land Mande zurückzutragen.« Da bestattete Sunjatta die Leiche seiner Mutter und sagte: »Nun will ich in mein Land zurückkehren.«
Sunjatta machte sich auf den Heimweg. Er kam an im Lande Mande, sandte einen Boten an Sumanguru und ließ ihm sagen: »Komm mit deinen Kriegern nach Kankinja, da wollen wir uns schlagen.« Sumanguru kam mit seinen Helden nach Kankinja. Bei Kankinja schlugen sich die Mande und die Susunke neunmal. Bei Kankinja weinten die Leute aus Mande, aber die Susu lachten (d. h. gewannen die Schlacht). Sunjatta sandte seine Boten an Sumanguru und ließ ihm sagen: »Komm, wir wollen uns in Djendjenfe schlagen.« Sumanguru kam mit seinen Kriegern nach Djendjenfe. Bei Djendjenfe schlugen sich die Mande und die Susu neunmal. Bei Djendjenfe weinten die Leute von Mande und die Susu lachten. Sunjatta sandte Boten an Sumanguru und ließ ihm sagen: »Komme mit deinen Horden nach Djabefuga, da wollen wir uns schlagen.« Sumanguru kam nach Djabefuga. Bei Djabefuga schlugen sich die Mande und Susu neunmal. Bei Djabefuga weinten die Mande und lachten die Susu. Sunjatta sandte an Sumanguru eine Nachricht und ließ ihm sagen: »Komm nach Tingambare, da wollen wir uns schlagen.« Bei Tingambare schlugen sich die Heere neunmal. Bei Tingambare weinten die Mande und lachten die Susu. Sunjatta sandte Boten an Sumanguru und ließ ihm sagen: »Komme mit allen deinen Heeren und Kriegern nach Dagadjalla, da wollen wir unsere Kräfte erproben.« Sumanguru kam. Die Schlacht bei Dagadjalla begann. Neunmal schlugen sich die Heere. Bei Dagadjalla lachten die Mande und die Susu wurden geschlagen. Sumanguru und die Susu mußten das Land verlassen. Sunjatta ward König von Mande.
Sunjatta rief Sirmangande, den Ahnherrn der Turre herbei und sagte zu ihm: »Es gibt in der Welt etwas, das heißt Donfe (so wurde damals das Pferd genannt). Geh in das Land Djolof und kaufe für Gold Pferde, damit ich sie meinen Kriegern geben kann.« Sirmangande Turre machte sich auf den Weg. Er suchte das Land des Djolofemansa (Mansa = König) auf, gab dem König das Gold und sagte: »Sunjatta, der König von Mande, schickt dieses Gold, damit du ihm dafür Pferde sendest.« Der Djolofemansa ließ für das Gold fünfhundert Büffelhäute und fünfhundert Kobahäute bringen und legte sie an Stelle der Pferde vor den Boten Sirmangande. Er sagte: »Sage Sunjatta, daß die Malinke Jäger und Trinker sind, die besser Sandalen tragen als auf Pferden reiten. Sage Sunjatta, er solle aus diesen Fellen Sandalen für seine Leute machen. Die Pferde sind für wirkliche Könige. Die Pferde sind für den Djolofemansa.« Damit entließ der König der Wolof den Boten.
Sirmangande kam zurück. Er traf zuerst Ulali Brahima, den Ahnherrn der Garanke, und sagte zu ihm: »Geh zu Sunjatta und sage ihm, daß der König der Wolof seine Botschaft verspottet hat und ihm sagen läßt, die Malinke seien Jäger und Trinker, aber keine Krieger, und die Pferde kämen nur wirklichen Königen zu.« Ulali Brahima sagte: »Ich bin ein Arbeiter und arbeite meine Sachen stets gern und gut, aber ich bin kein Mann, der solche Sachen gut reden und vortragen kann.« Sirmangande traf dann Fosana, den Ahnherrn der Fina, und sagte zu ihm: »Geh du zu Sunjatta und sage ihm, daß der König der Wolof seine Botschaft verspottet hat und ihm sagen läßt, die Malinke seien Jäger und Trinker, aber keine Krieger, und die Pferde kämen nur wirklichen Königen zu.« Fosana sagte: »Ich schlage gern die Trommel und spiele gern, aber ich bin nicht geeignet, schlechte Worte zu sagen.« Sirmangande traf dann Dumfaila, den Ahnherrn der Numu, und sagte: »Geh du zu Sunjatta und sage ihm, daß der König der Wolof seine Botschaft verspottet hat und ihm sagen läßt, die Malinke seien Jäger und Trinker, aber keine Krieger, und die Pferde kämen nur wirklichen Königen zu.« Dumfaila sagte: »Ich bin ein Numu (ein Schmied) und verrichte jede Arbeit gern, die dem Numu zukommt. Solche Schimpfworte zu übertragen, schändet aber, und das mag ein anderer tun.« Sirmangande traf dann auf Surrakata, den Ahnherrn der Djalli (der Sängerkaste). Er sagte: »So geh du denn zum König Sunjatta und sage ihm, daß der Djolofemansa seine Botschaft verspottet hat und ihm sagen läßt, die Malinke seien Jäger und Trinker, aber keine Krieger, und die Pferde kämen nur wirklichen Königen zu.« Surrakata sagte: »Ich könnte es sagen, aber es wird jetzt Nacht, und die Geschichten der Nacht sind stets lang. Ich will aber zum Könige gehen und ihm sagen, daß ich ihm am Morgen die Botschaft bringen würde.«
Surrakata ging zu Sunjatta und sagte: »Narremaga!« Der König anwortete: »Njatta, Njatta Ninkanja, Njatta, Njatta Namara!« Surrakata sagte: »Ich habe dir lange Worte zu überbringen, darum kann ich es dir heute abend nicht mehr berichten. Was ich zu sagen habe, ist nicht kurz. Sobald die Sonne den Osten rot macht, werde ich es dir sagen.« Sunjatta sagte: »Sage es gleich, ich habe nicht die Gewohnheit, lange aufzuschieben, sage es!« Surrakata sagte: »Warte bis die Sonne den Osten rötet.« Sunjatta hatte einen kleinen Sklaven mit Namen Djonfissiko (Djon = Sklave), zu dem sagte er: »Rufe alle meine Diener, sie sollen im Osten viel Holz aufschichten und es anzünden, damit der Himmel rot wird und man glaubt, die Sonne gehe auf.« Der Knabe ging hin und tat so. Als der Himmel rot war, sandte Sunjatta zu Surrakata und ließ ihm sagen: »Der Himmel ist rot, komm und sage deine Worte!« Surrakata sagte: »Ich habe noch nicht die Hähne krähen hören. Es wird jemand Holz angezündet haben und davon wird der Himmel rot sein.« Sunjatta sagte zu seinem Sklaven: »Geh hin und laß die Hähne schlagen, so daß sie krähen.« Der Knabe ging hin und tat so. Als die Hähne krähten, sandte Sunjatta zu Surrakata und ließ ihm sagen: »Die Hähne krähen, komm und sage deine Worte!« Surrakata sagte: »Ich habe noch nicht die alten Leute husten hören. Es wird jemand die Hähne geschlagen haben, so daß sie krähen. Warte bis zum Morgen.« Sunjatta sagte zu Djonfissiko: »Geh hin und laß die alten Leute schlagen, so daß sie husten.« Der Sklave ging und ließ die alten Leute schlagen, so daß sie husteten. Dann sandte Sunjatta zu Surrakata und ließ ihm sagen: »Die alten Leute husten, komm und sage deine Worte!« Surrakata sagte: »Ich habe noch nicht die Sonne selbst gesehen. Es wird jemand die alten Leute haben schlagen lassen, so daß sie husten.« Da wartete Sunjatta, bis die Sonne aufging.
Als die Sonne aufging, kam Surrakata und sagte: »Du hast Sirmangande in das Land der Wolof mit Gold gesandt, daß er es dem Könige bringe und dafür Pferde kaufe. Sirmangande ist hingegangen und hat das Gold dem Djolofemansa überreicht. Der hat vor ihm fünfhundert Büffelhäute und fünfhundert Kobahäute ausbreiten lassen an Stelle der Pferde und hat gesagt: ›Sage Sunjatta, daß die Malinke Jäger und Trinker sind, die besser Sandalen tragen als auf Pferden reiten. Sage Sunjatta, er solle aus diesen Fellen Sandalen für sich und seine Leute machen, die Pferde seien für wirkliche Könige. Die Pferde sind für den Djolofemansa.‹ Mit diesen Worten hat der Djolofemansa dich verspottet und deinen Boten entlassen!«
Es waren damals um Sunjatta versammelt: zum ersten die Tuntjontaniuoro, das sind die sechzehn unterworfenen Stämme, dann die Djabefedjonani, das sind vier fremde, und die Morikantalulu, das sind fünf islamische Völker oder Familien, und endlich die Ngaranani, die vier Helden Surrakata, Dumfaila, Ulali-brahima und Fosana mit ihren Anhängern. Von allen diesen galten die vier Helden als die klügsten.
Alle diese waren um Sunjatta versammelt, als Surrakata die beschimpfenden Worte des Königs der Wolof wiederholte.
Als der Djalli vollendet hatte, sagte Sangaradambinjakonte: »Laß mich diesen Schimpf rächen und gegen den Djolofemansa zu Felde ziehen!« Sunjatta sagte: »Das ist eine Sache, die ganz allein ich ausführen muß.« Fagolibarma, der Großvater der Sussoro, sagte: »Laß mich diesen Schimpf rächen und gegen den Djolofemansa zu Felde ziehen.« Sunjatta sagte: »Das ist meine Sache, die ganz allein ich ausführen muß.« Tiramaga, der Großvater der Traore, sagte: »So laß mich denn diesen Schimpf rächen und gegen Djolofemansa zu Felde ziehen.« Sunjatta sagte: »Der Schimpf ist zu groß, ich muß es selbst ausführen.« Tiramaga sagte: »Wenn du mir das nicht erlaubst, so will ich mich selbst töten und begraben lassen.« Sunjatta sagte: »Ich werde es selbst tun.« Tiramaga ließ darauf sein Grab graben und hüllte sich in die Totenkleider. Er sagte nochmals zu Sunjatta: »Erlaube es mir!« Sunjatta sagte: »Ich muß es selbst tun.« Da ging Tiramaga hin und legte sich in sein Grab. Er sandte einen Boten an Sunjatta, der sagte: »Tiramaga liegt im Grabe. Man wird es jetzt zuwerfen.« Balla-Fasege-Kuate, der weise Sänger, stand bei Sunjatta, als die Botschaft ankam. Er sagte zu ihm: »Laß es jetzt genug sein und erlaube ihm, gegen den König der Wolof zu Felde zu ziehen.« Sunjatta sagte: »So mag es denn sein.« Tiramaga hörte die Nachricht, stand auf und sammelte seine Leute. Er zog von dannen in den Krieg. Tiramaga erschlug im Kriege selbst den Djolofemansa und hieb ihm den Kopf ab. Die Wolof stampften inzwischen wie wilde Büffel den Boden. So zerstörte Sunjatta das Wolofreich und erhielt Pferde.
Seitdem singt man folgendes Lied: »Tiramaga wird nie verletzt. Nie trifft ihn ein Pfeil. Nie trifft ihn ein Ball. Nie trifft ihn ein Messer. Wenn das Wasser steigt, kann Tiramaga es durchschreiten. Wenn ein Sumpf entsteht, so wird Tiramaga durch ihn hindurchgehen.«
Balla-Fasege-Kuate fragte Sunjatta: »Weshalb hast du den Djolofemansa töten lassen?« Sunjatta sagte: »Weil er mich einen Trinker geschimpft hat.« Balla-Fasege-Kuate sagte: »Das hat nicht nur Djolofemansa gesagt, das sagte auch Ulimansa.« Ulimansa war ein König, der nahe dem Lande Djolof wohnte. Sunjatta sagte: »So werde ich diesen Schimpf ebenso rächen«, sandte eine Kriegsschar gegen den Mansa von Uli, ließ ihn töten und seine Herrschaft zerstören. Bald darauf hörte man, daß auch Njanimansa einen gleichen Schimpf gewagt hatte. Da sandte Sunjatta eine Kriegsschar gegen ihn und ließ ihn töten und seinen Kopf abschlagen.
Damals sagte man sich noch »Konata« als guten Tag und noch nicht »Keita«, d. h. »Erbe« (in Wahrheit heißt Kei-ta oder Koita »Glied der Königsfamilie«). Nachdem aber alle diese Kriege gewonnen waren, sagte man »Keita« statt »Konate«, und so veränderte die Familie ihren Namen. Das Land war groß und die Krieger Sunjattas waren mit Pferden ausgerüstet.
Kante Numu aber war ein Schmied, dem Sunjatta kein Pferd gegeben hatte. Deswegen war er sehr erbittert. Er sandte darum eine Nachricht an Susu Sumanguru und ließ ihm sagen: »Sende mir einen Pfeil!« (d. i. bildlich und soll eigentlich heißen ein Pfeilbündel und bedeutet eine Streitmacht), so will ich gegen Sunjatta zu Felde ziehen.« Sumanguru empfing die Botschaft und war damit einverstanden. Er sandte eine Kriegsschar zu Kante Numu, der von Sunjatta abfiel und gegen ihn einen Krieg begann.
Sunjatta versammelte die Tuntajontanniuorro, die Morikantalulu, die Djabifedjonani, die Ngaranani und zog in den Krieg. Es kam zur Schlacht. Kante Numu sandte einen Pfeil auf Sunjatta, der den König an der Stirn verletzte. Die Leute wollten auf Kante Numu stürzen, um ihn zu töten. Sunjatta aber hielt sie zurück und sagte: »Laßt ihn, ich werde das selbst machen. Laßt ihn noch.« Er nahm zwei Pfeile und schoß einen nach dem andern auf Kante Numu. Es waren Zauberpfeile und Sunjatta hatte zu ihnen gesagt: »Folgt Kante Numu, dem Abtrünnigen. Tötet ihn zunächst nicht, aber bleibt immer über seinem Haupte. Reitet oder geht er, so folgt seinem Wege, schläft, steht, sitzt, ruht er, so bleibt schwirrend über seinem Haupte. So bleibt bei ihm, bis er zu Sumanguru, dem Herrscher der Susu, seinem neuen Herrn kommt. Wenn er dort den Mund öffnet, um zu erzählen, daß er mich mit einem Pfeil getroffen habe, dann trefft, dann tötet den Abtrünnigen.« Sunjatta schoß. Er schoß den ersten Pfeil. Er schoß den zweiten Pfeil.
Kante Numu war geschlagen, seine Truppen waren zersprengt. Er floh nach Süden (?), wollte zu Susu Sumanguru reisen. Die beiden Pfeile Sunjattas folgten ihm. Sie töteten den Abtrünnigen zunächst nicht, aber sie folgten ihm überall, wohin er ging, wo er stand. Sie blieben ständig über seinem Haupte. Ritt und wanderte er, so folgten sie ihm. Ruhte, lag, saß, stand er, so kreisten sie schwirrend über seinem Haupte. So blieben sie während der Reise immer bei ihm und verließen ihn nie. Mit den beiden Pfeilen im Gefolge kam er bei Sumanguru, dem Herrscher der geschlagenen Susu an. Sieben große Tor bauten, die zusammen Bulungoulongola (ulongola = sieben) hießen, führten zum Regierungsplatze des Königs. Das erste Haus hieß Bulumbaualanta. Kante Numu trat hinein. Die Pfeile folgten ihm. Er schritt zur andern Seite heraus. Die beiden Pfeile traten mit ihm heraus. Das zweite Hofgebäude hieß Kiebalesigibung. Kante Numu trat hinein. Die Pfeile kamen mit ihm hinein. Er verließ das Torgebäude. Die Pfeile verließen es mit ihm. Er trat in das dritte, vierte, das fünfte, das sechste Torgebäude. Die Pfeile verließen ihn nicht, sondern blieben bei ihm. Das letzte Torgebäude hieß Gadaferubulong. Kante Numu trat hinein. Die Pfeile folgten ihm. Er durchschritt das Haus und trat auf der andern Seite ins Freie. Die Pfeile verließen mit ihm das Haus. Er durchschritt den Hof, die Pfeile folgten ihm.
Kante Numu trat vor den König. Die beiden Pfeile kreisten schwirrend über seinem Haupte. Kante Numu begrüßte den König und begann zu erzählen: »Du hast mir Krieger gesandt, mit denen zog ich gegen Sunjatta. Der hatte um sich Tuntjontaniuoro, die Djabifedjonani, die Morikantalulu, die Ngaranani. Es kam zur Schlacht. Sunjatta hatte viele Streiter. Wir fochten hin und her. Ich ergriff im Gefecht einen Pfeil und –«. In diesem Augenblick schossen die beiden Pfeile auf Kante Numu herab – denn Sunjatta hatte ihnen gesagt, sie sollten den Abtrünnigen in dem Augenblicke töten, in dem er erzählen wollte, daß sein Pfeil den König der Mali getroffen habe. Kante Numu sank tot zu den Füßen des Königs Sumanguru. Dieser verfügte auch über starke Zauberkraft. Er ergriff seinen Baschiku (heiligen Kuhschwanz, Zeichen des Regenten) und wedelte mit ihm über dem Toten hin und her. Kante Numu erhob sich wieder. Susu Sumanguru sagte: »Sprich weiter.« Kante Numu sagte: »Ich ergriff im Gefecht einen Pfeil und« – dann fiel er wieder tot zu Boden. Susu Sumanguru ergriff wieder den Baschiku und wedelte über ihn hin. Kante Numu erholte sich wieder. Susu Sumanguru sagte: »Sprich weiter!« Kante Numu sagte: »Ich ergriff im Gefecht einen Pfeil und –« dann fiel er wieder tot zu Boden. Susu Sumanguru ergriff nochmals den Baschiku. Noch einmal konnte er Kante Numu zum Leben erwecken. Das viertemal gelang es nicht wieder, denn der Leib des Burschen war dann in Staub zerfallen. So erfuhr es Susu Sumanguru nie, daß einer seiner Pfeile Sunjatta verletzt habe. Der Krieg mit ihm nahm ein Ende. Die Susu waren geschlagen. Der König Susu Sumanguru ist bei Kulikorro in einen Berg verwandelt, der heute noch zu sehen ist. Der Ort ist heilig. Kein Fremder darf ihn betreten. Noch heute werden in der Umgebung bestimmte Zeremonien abgehalten.
Zu jener Zeit erschien oftmals ein Zwerg (Gotte) in den Träumen Sunjattas und erschreckte ihn bald mit einem, bald mit mehreren, bis zu sieben Köpfen. Sunjatta mußte im Schlafe weinen. Die Zwerge (Gotteni) gab es als lebendige Menschen in großer Menge in jener alten Zeit. Dies war ein ganz besonders gefährlicher. Es war Fakolobarama, der Vater der Koromagafamilie, der den Zwerg tötete und den König von der Plage befreite. – Ein Bruder Sunjattas, der Fatigi oder Fatjigi hieß, kam einst zum König und sagte: »Ich will nach Maka gehen. (Maka liegt im Osten und ist ein mythisches Land. Die Reihenfolge ist von West nach Ost: Medina, Maka, Dame Same, das Land, in das alle Toten gehen.) Es liegt sehr weit fort. Ich will aber alle Baschi und Komma suchen.« Fatigi ging von dannen und holte tausendundvier Komma und Sanene, das sind die Urahnen der Komma, dann tausendundein verschiedene Baschi, und vor allem die Großväter der Baschitubalala, die Großväter der Tubalala, die aus goldenen Kuhstatuetten bestehen. Weiterhin brachte er die Großväter der Djakarri, d. h. der Hühner, die noch nicht bekannt waren, und die kleinsten Torre (Küken). Mit den Torre nährte er die Tubalala. Weiterhin kamen die Niginikonta, die Großväter der Bosso (Fischer) mit.
In Mossi brachte Fatigis Frau auf dem Heimwege einen kleinen Sohn zur Welt. Fatigi sagte: »Wie soll ich die beiden nach Mande bringen? Ich werde sie hier lassen.« Er ließ Frau und Kind da, und von denen stammen die Mossi ab. – Er kam aber mit allen Baschi und mit den Komma in Mande wieder an.