Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14. Kapitel: Die Tradition der Nupe vor hundert Jahren (von 1786–1911)

Vgl. hierzu das vorhergehende Kapitel und die Beschreibungen und Karten in Bd. VIII.]

Die eigentlich historische Kenntnis des Nupevolkes von seiner geschichtlichen Vergangenheit umfaßt kaum hundert Jahre. Diese hundert Jahre bilden bis zum Eingreifen Englands eine Periode der Vernichtung und Zerstörung. Vor dieser Periode, die wir entsprechend den Leitern des Vernichtungswerkes als Fulbeperiode bezeichnen können, lag eine Zeit ungetrübten Glanzes, eine Periode des Reichtums, ein Zeitraum, den die Nupe im Gedächtnis haben als ihr goldenes Zeitalter. Nach dem Fürsten, der diesen Zustand des wohlhabenden Glückes hervorrief, und nach dem Namen seiner Familie wird man diese Periode als Edegiperiode bezeichnen müssen. Edegi hatte das Land von der Jorubaherrschaft befreit. Er und seine Nachkommen kämpften an den Grenzen des Reiches gegen wilde Stämme. Sie führten Sklavenkriege. Darüber ist kein Streit. Aber das Nupevolk und Nupereich gewann eine hohe Blüte. Die Edegiperiode schloß ab mit dem Zustande einer außerordentlich dichten, wohlhabenden und produktiven Bevölkerung und Kultur. Und dieser Zustand muß auch in älteren Zeiten für das Land und die Bevölkerung der maßgebende, der normale, der charakteristische gewesen sein. Mit wenig Worten charakterisiert der arabische Reisende des Mittelalters das Nupeland: Es ist ein reiches Land; die Araber dürfen nicht hinein; sie fallen dem Heidentum zum Opfer.

Dieser kurze, aber hochwichtige Vermerk sagt vieles. Er bestätigt die Mitteilungen der Eingeborenen: Nupe hat in der Periode der arabischen Kulturinvasion so gut wie nichts übernommen, blieb heidnisch und seinen alten Industrien treu. Gewiß gibt es auch hier in neuerer Zeit ein gewisses Streben, alles Höhere und Bedeutendere von »Mekka«, vom Quell des Islam, herzuleiten. Aber der gesunde Volksgeist widerspricht dem. Die Innung der Glasarbeiter behauptete mir gegenüber: »Wir stammen aus Gabas, aus dem Osten, von den Arabern.« Aber der greise Nachkomme des letzten echten Nupekönigs lachte grimmig und spöttisch, nannte Leute, die das behaupten, bubu, d. h. verrückt und dumm. Wenn wir aber von solchen allgemein sudanischen Ausdrücken der Mekkaabstammungssucht absehen, so finden wir übereinstimmende Überzeugung von der selbständigen Blüte des Nupelandes und der Edegiperiode, zumal auf dem Gebiete des Handwerks und des Kunsthandwerks. Wir hören immer wieder davon, daß solche Blüteperiode schon früher gewesen sei, aber daß die Jorubainvasion deren Beständigkeit unterbrochen habe.

In der Fulbeperiode ist diese alte Blüte, dieser alte Glanz so gut wie vernichtet bis auf den einen Keim, der in der Gesundheit und der Kraft Bidas und seiner Innungen wohnt. Was die arabische Invasion des Mittelalters also nicht vermochte, das glückte den schlauen Fulbe. Die Fulbe haben nun dieses Werk aber nicht aus eigener Kraft vollbracht, sondern die Nupe haben selbst nicht wenig dazu beigetragen, die durchaus schwierige Aufgabe, die gewaltige Nupevolkskraft zu brechen, beschleunigt zu lösen. Und zwar lag die Quelle des Unglücks wie so häufig in den dynastischen Schwierigkeiten, in Familienzwisten, in dem leidigen Konflikt matriarchalischer und patriarchalischer Rechtseinteilung.

Der alte Lille in Mokwa begann seinen Bericht über die geschichtliche Entwicklung des Nupelandes mit den fast klassisch klingenden Worten: »In alter Zeit war hier (im Nupeland) kein Recht des Vaters; nur die Mutter und ihr Bruder hatten etwas über die Kinder zu sagen.« Das heißt also: dem Vater folgte nicht der eigene Sohn in der Herrschaft, sondern der Sohn der Schwester. So wurden die beiden Söhne Edegis, Ebako und Ebagi, nicht die Könige in Gbarra, der ersten Residenzstadt der Edegiperiode, sondern sie wurden mit dem Mokwa-Rabadistrikt beliehen, während Ramatu, die Schwester Edegis, anscheinend in Gbarra als Königin thronte und ihren Sitz dann, als ihr Sohn mündig und Oberherrscher wurde, nach Sugurma verlegte. – In der alten, guten Edegizeit erledigte sich die Thronfolge auf dieser Grundlage durchaus glatt und selbstverständlich. Dann aber rückte das Patriarchat dem Nupelande näher und näher. Waren es die Songhai, die es brachten? War es eine vorislamische oder die arabisch-islamische Sozialanschauung, die die patriarchalische Idee, diese lockende Annehmlichkeit für väterlichen und mütterlichen Ehrgeiz, einführte? Jedenfalls ist so viel sicher, daß schon vor der eigentlichen Nupezeit Abweichungen von der matriarchalischen Erbfolge vorkamen, daß z. B. Edsu Masu gegen den Willen seiner Familie und seines Volkes seinen Sohn Audu zum Saba, d. h. Thronfolger ernannte.

 

1785–1830. – Jedenfalls setzte die Unglücksperiode der letzten hundert Jahre mit einem solchen Bruch des Erbschaftsgesetzes ein und hörte mit dem Verbote des altehrwürdigen Matriarchats auf. Im Jahre 1785 wurde Ismada endgültig der Edsu des Nupelandes. Er regierte bis 1799, und zwar zumeist in der Stadt Ragada bei Patigi. Seine älteste Schwester war verheiratet mit einem gewissen Umoru, einem vornehmen Manne vom Edegistamme. Als Sohn dieses gebar sie Madjia, der damals der eigentliche Thronerbe nach dem Edegigesetz war. Elf Jahre aber, nachdem er König geworden war, ernannte er nicht Madjia, sondern seinen eigenen, noch ganz jungen Sohn Issa (nach Fulbeaussprache Edrissu) zum Saba, d. h. zum Thronfolger.

Daraufhin erklärte Madjia seinem Oheim den Krieg. Die eigene Mutter soll es gewesen sein, die ihn zu solchem Vorgehen aufstachelte, und die vornehmen Familien, die streng auf Einhaltung des Gesetzes sahen, schlossen sich ihm an. Edsu Ismada steht in der Tradition als ein ungeschickter Mann da, von dem mir einmal gesagt wurde, er habe zwar viele Weiber, aber wenig Kinder gehabt, während Edsu Madjia, sein Neffe, wenig Frauen und dreihundert (!) Kinder gehabt haben soll. So verstehen wir es, daß ein gewisser Abudu Romanu eine Gegenpartei aufzubringen wußte, deren Macht nicht unbedeutend war und erst 1806 von Mallem Dando gebrochen wurde.

Im Jahre 1802 besiegte Madjia den Edsu Ismada endgültig und tötete ihn, wie es heißt, eigenhändig. Er wurde zum König ernannt und auch als König anerkannt, natürlich mit Ausnahme der Anhängerschaft des getöteten Ismada. Diese Leute nahmen sich vielmehr des offiziell zum Saba erhobenen jungen Sohnes Edsu Ismadas, des Issa, an und brachten den Knaben nach Ademalelu, wo er versteckt gehalten wurde, damit der König Madjia, der als grausam galt, ihn nicht töten könne.

Damit wäre nun auch diese Episode überwunden und gleich vielen ähnlichen älteren ohne Nachwirkung verlaufen gewesen, wenn sich nicht inzwischen eine stille und unscheinbare andere Gesellschaft im Nupelande eingefunden hätte, die neue Strömungen hervorrief. Das waren die Fulbe. Sie tauchten in diesem Lande ebenso leise und unmerklich auf wie anderweitig. Ich konnte nicht das Jahr ihres Eintreffens erfahren. Nach der Angabe eines in Kabba aufbewahrten Manuskripts langte Mallem Dando im Jahre 1806 im Nupelande an und begann seine Tätigkeit damit, daß er den Edsu Abudu Romanu, der damals die Oberhand hatte, durch »Zauber« tötete.

Die Fulbe erzählen: Zwei Brüder, die Söhne des Fulbe Fate, zogen von Gandu nach Süden; beide waren Mallem. Der eine war Mallem Auimi, der ging nach Illorin, schmeichelte sich durch seine Wunderkunst bei den Joruba schnell ein und ward König. Dieser Mallem Auimi war ein Magier, ein Wulli. Der andere, jüngere, der Mallem Dando oder, wie die Nupe ihn kurzweg nennen, »Manko« ließ sich mit einigen Anhängern in Raba nieder. Aber während der ältere Bruder das Ziel aller Fulbeemigranten jener Zeit schnell erreichte und König von Illorin wurde, geriet Mallem Dando bald mit Edsu Madjia in Konflikt. Der Konfliktgrund ist sehr klar. Erst kamen die Leute zu Edsu Madjia und sagten: »Es hat sich ein Fulbe Mallem in Illorin und ein Fulbe Mallem in Raba niedergelassen.« Edsu Madjia: »Sagt mir, ob er und seine Leute Gutes tun!« Die Leute sagten: »Sie tun Gutes!« Nach einiger Zeit kamen die Leute wieder zu Edsu Madjia und sagten: »Der Fulbe Mallem, der sich in Illorin niedergelassen hat, hat die Joruba als Monafiki (Hetzer) gegeneinander aufgebracht und ist jetzt König von Illorin.« Edsu Madjia sagte: »Dann nehmt Pferde und Waffen und verjagt die Fulbe, die sich im Nupeland, in Raba niedergelassen haben.«

Das ist klar. Der Erfolg des einen Bruders machte dem andern die schnelle Vollendung seines Werkes unmöglich. Und ebenso selbstverständlich ist es, daß die vertriebenen Nupefulbe sich zu den glücklicheren Illorinfulbe zurückzogen, um hier eine neue Angriffsmethode auszuhecken. Edsu Madjias Truppen verjagten Mallem Dando aus Raba nach Illorin und verfolgten ihn hier in jenes Gebiet, um womöglich auch dieses gefährliche Nachbarschaftsnest auszunehmen. Mallem Auimi nahm die fliehenden Rabafulbe freundlichst auf. Er sagte zu ihnen: »Ich bin Wulli (Magier), ich schütze euch. Kein Pfeil soll euch hier treffen. Ihr aber könnt die Nupe, wenn sie hierher kommen, mit der bloßen Hand fangen.« Die Nupesoldaten Edsu Madjias kamen vor Illorin an. Mallem Auimi sammelte alle Fulbe um sich und ritt aus dem Tore den Nupe entgegen. Da flohen die Nupe. Die Illorinfulbe verfolgten sie bis Eggan am Niger. Madjia selbst soll in Raba die Rückkehr seiner Truppen abgewartet und, als die Nachricht vom verlorenen Gefecht kam, sich nach der Jebbagegend, nach Batsua, dann nach Laquata gewandt und drei Monate dort gelegen haben.

Die Illorinfulbe waren nun bei weitem nicht mächtig genug, gegen die Nupemacht selbst einen Vorstoß übernehmen zu können, und so wandten sie denn ihre Zuflucht zu einer List, zu dem berühmten Lehrsatze: »Teile und herrsche!« Als Mallem Dando mit dem Scheich Auimi in Illorin zusammen war, fragte Auimi den jüngeren Bruder: »Gibt es denn keinen Nupe, der ein Recht und den Wunsch hat, in Nupe König zu werden?« Darauf sandte Mallem Dando eine Botschaft nach Gbara und ließ sagen: »Allah hat mir gesagt, daß Issa (Edrissu), der Sohn Edsu Ismadas, König über Nupeland werden wird.« Das hörten die Nupe in Gbara. Das hörten die alten Leute, die den Sohn Edsu Ismadas in Ademalelu versteckt hatten. Die alten Leute sagten: »Vielleicht können wir Edsu Ismadas Sohn so als Edsu einsetzen. Die Fulbe müssen die Erlaubnis eines Nupekönigs haben, um wieder ins Land und nach Raba kommen zu können. Die Fulbe werden also den Edsu Issa unterstützen. Wir wollen uns an die Fulbe wenden.« Die alten Leute sandten also die Fulbe nach Illorin um Botschaft. Sie sprachen mit den Fulbe in Illorin. Die Fulbe sagten: »Edsu Issa soll unser König sein. Wir wollen ihm in diesem Kriege helfen.« Es ward eine Kriegsmacht aufgebracht. Den Grundstock bildeten Nupe des Ostens. Aber auch Joruba aus Illorin fochten unter der Führung der Fulbe mit. Die Fulbe mit ihrem Organisationstalent gaben den Ausschlag. Madjia wurde von Issa geschlagen. Edsu Madjia zog sich nach Mule in der Sugurmaregion zurück, und als die Fulbe mit Edsu Issa noch weiter vorrückten, ließ er sich bis nach Angbarra im Gebiet der Kemberri oder Kambali verjagen.

Danach ging der siegreiche Edsu Issa nach dem Osten zurück. Er ließ sich in Edda im Transkaduna (westlich von Bida) nieder und führte einen Wall auf. Mallem Dando hatte sich nach Issas Erfolg wieder in Raba niedergelassen. Aber andere Fulbe nahmen der alten Fulbepolitik entsprechend am Hofe des neuen Königs, in Edda, Wohnung. Hier hetzten sie den König weiter gegen Madjia auf, denn es war selbstverständlich, daß ihr Ziel war, die Könige der alten Nupedynastie gegeneinander aufzuwiegeln, sie gegenseitig zu Tode zu hetzen. Eines Tages nun sprachen die Fulbe in einem Hause darüber. Ein alter Sklave Edsu Issas war im Hofe. Er hörte, wie ein Fulbe sagte: »Diesen Edsu Issa werden wir leichter überwinden als den Edsu Madjia.« Der alte Sklave ging zu Edsu Issa und wiederholte diesem die Worte des Fulbe. Edsu Issa gab darauf den Befehl, die Fulbe aus Edda zu vertreiben.

Edsu Issa rüstete einen starken Kriegshaufen aus und sandte ihn gegen Raba, um gegen die Fulbe einen vernichtenden Schlag auszuführen. Es gelang auch, Raba zu umzingeln und einzuschließen. Die Stadt war stark befestigt und hielt Widerstand, war aber schlecht verproviantiert. Edsu Issa hoffte, sie aushungern zu können. Dem kam aber Mallem Dando zuvor. Dando sandte nachts eine Botschaft nach dem Norden zu Edsu Madjia und ließ ihm sagen: »Komm nach Raba und falle Edsu Issa in den Rücken. Dann kannst du ihn vernichten.« Edsu Madjia kam, und kaum tauchte er auf, so zog sich die ganze Mannschaft Edsu Issas ohne Bogenschuß nach der befestigten Stadt Edda zurück. Als Edsu Issa die Botschaft vom Zusammenschluß der Fulbe und Edsu Madjias erhielt, floh er Hals über Kopf aus Edda nach Esa (das liegt nahe bei Eting und Charati, einem Platz an der Eisenbahnlinie). Edsu Madjia verfolgte ihn. Edsu Issa brach wieder auf und zog sich nach dem Osten zurück. Er nahm Aufenthalt in Ekadji, das liegt bei Kadja und im Gebiet von Agaye.

Madjia kehrte zunächst nach Raba zurück. Er machte mit den Fulbe Freundschaft. In dieser Zeit starb nun der Mallem Dando, und die Fulbe sandten deswegen nach Gandu eine Botschaft, die um weitere Instruktionen bat und alle Vorgänge schilderte. Edsu Madjia blieb längere Zeit mit den Fulbe zusammen. Um den Frieden zu besiegeln, schenkte er den angesehensten Fulbe drei seiner eigenen Töchter zu Frauen. Die erste erhielt Mutafa, der ein jüngerer Sohn Mallem Dandos, aber kein kriegerischer Mann, sondern ein sehr angesehener und einflußreicher Priester war. Die zweite erhielt Usman Saki, einer der älteren Söhne und später der erste König in Bida. Die dritte gab er dem Mejaki, dem Kriegshauptmann der Fulbe, das war ein Fulbe mit Namen Uallagan, der mächtig, aber mit der Familie Mallem Dandos nicht verwandt war. Nachdem die großartigen Hochzeitsfeste verstrichen waren, begab sich Edsu Madjia wieder auf den Kriegszug. Er marschierte hinter Edsu Issa her und trieb ihn über den Niger bis nach Toji.

Als Edsu Madjia so hinter Edsu Issa herjagte, fiel inzwischen in Raba die Entscheidung. Die Boten aus Gandu kehrten zurück und mit ihnen ein hoher Abgesandter des Gandukaisers. Edsu Madjia wurde zu einer Unterredung nach Raba gerufen. Er folgte dem Rufe. Er traf eine ganze Armee gewappneter und gepanzerter Reiter als Begleiter des Ganduboten. Die Tradition von dem Pompe, den der Gandubote entwickelte, hat sich im Volksgedächtnis erhalten. Dem Edsu Madjia wurden prachtvolle Gewänder geschenkt, wie er sie vorher nicht gesehen hatte. Es war das die Verzuckerung der bitteren Pille, der bittersten, die Madjia zuteil werden konnte. Der Gandukaiser erkannte seine Herrscherwürde in dem Sinne der alten Nupedynastie nicht an. Der Gandubote sagte, der Islam könne eigentlich nur den Sohn als Nachfolger anerkennen, nicht den Neffen. Also im Sinne des Islam sei tatsächlich Edsu Issa König, und zwar natürlich in der alten Edegistadt Gbarra. Da er, Edsu Madjia, aber mit den Fulbe Freundschaft geschlossen, ihnen seine Töchter zu Frauen gegeben habe, so wolle man ihm das Sugurmagebiet als Königreich überlassen. Im übrigen solle das Nupeland von Madjigi, einem Sohne des verehrungswürdigen verstorbenen Mallem Dando, verwaltet werden; Madjigi solle nach Gandu kommen und weitere Instruktionen holen.

Diese Entscheidung war so schlau wie nur irgend möglich. Sie erhielt die beiden feindlichen Parteien aufrecht, schränkte die Machtsphäre beider gebührend ein und gab den Fulbe die Zügel in die Hand. Und unter der Maske des pomphaften Wohlwollens gegen Edsu Madjia gewann die Fulbemacht so die Zügelführung.

Eine möglicherweise später eingeführte Tradition hat noch folgende Einzelheit aus den Friedenstagen verzeichnet. Als die Vornehmen unter dem Vorsitze des Ganduboten und in Anwesenheit des Edsu Madjias über diese Dinge verhandelten, soll ein Fulbejüngling den Madjianupen eine demütigende, schimpfliche Geste gemacht haben. Ein junger Nupe, der hinter Edsu Madjia stand, soll sich da voll Wut den Finger abgebissen und ihn dem Fulbe ins Gesicht geschleudert haben mit den Worten: »Nimm erst dieses! Später werde ich dir Pfeilspitzen zu fressen geben!« Der Fulbe, der die verächtliche Geste machte, soll der spätere König Usman Saki, der Nupejüngling der fürchterliche Edsu Zado gewesen sein. Alle Teile waren damit einverstanden, weil sie sich wohl oder übel dem Willen der Fulbe fügen mußten. Edsu Madjia kehrte nach Sugurma zurück und verbrachte seine Tage in Frieden. Er soll nur noch kleine Sklavenzüge gegen die Kamberri unternommen haben. Edsu Issa ging nach Gbarra und baute die Befestigungen der Stadt aus. Madjigi, der Sohn des Mallem Dando, ging nach Gandu, um sich seine Bestätigung zu holen. Er kam mit großer Festlichkeit von Gandu zurück und starb drei Tage später. Darauf wurde Usman Saki Herrscher in Raba.

 

1830–1846. – Raba entwickelte sich zu jener Zeit sehr schnell zu einer der ersten Städte des gesamten Sudan. Damals blühten noch viele Städte Nupes, vor allem das kunstgewerblich so bedeutsame Gbarra. In jener Zeit, sagte ein alter Nupe, hatte das Nupeland noch hundertundzwanzig Städte, die so groß waren wie heute Bida. Nupe brachte mehr Kleider hervor als die Haussaländer. Aber an der Spitze aller Nupestädte stand Raba. Raba war uralt, stammte aus der Zeit vor Edegi. Raba war aber nicht so alt wie Mokwa, welches als Mutter Rabas bezeichnet wurde, und Raba wurde erst durch Edsu Madjia (oder Magia) mit einem Ebang versehen, und zwar um den Anfang des Jahrhunderts herum, ehe noch die Fulbe nach Illorin getrieben waren. Die Fulbe, zumal Mallem Dando und seine Söhne, hatten Edsu Madjia bei dem Bau der Festungswerke und bei dem Bau des Palastes mit Rat und Tat zur Seite gestanden. In jener Zeit war Raba schon so groß und seine Bevölkerung so wohlhabend und dicht, daß in Raba vierzehnhundert Pferde standen.

Als nun Usman Saki in Raba König ward, d. h. um das Jahr 1831, nahm die Bedeutung Rabas noch zu. Usman Saki muß, besonders in seiner Jugend, einen ungemeinen Einfluß auf seine Altersgenossen ausgeübt haben. Schon als sein Vater vor seiner Vertreibung als einfacher Mallem in Raba lebte, versammelte sich allabendlich die Jugend um Usman Saki, dem sie auf den Fingerwink gehorchte. Usman Saki war kein großer Krieger. Er war ein Redner, ein geschickter Massenleiter, ein Mann, der die Massen in ihren Empfindungen zu lenken verstand, dabei aber ebensowenig ein anständiger Charakter wie irgendeiner seiner Brüder oder Nachkommen. Als er nun Edsu war, übte er seinen ganzen Einfluß aus, die Bedeutung Rabas zu heben, und allgemein wird gesagt, daß Usman Saki in den ersten sechzehn Jahren seiner Regierung die Bedeutung des Nupelandes gehoben habe. Man sagt, daß er mehrfach seinen jüngeren Bruder Massaba arg geschädigt habe, weil dieser im Nupelande selbst Sklavenzüge veranstaltete. Usman Saki hoffte offenbar, das reiche Land auf friedlichem Wege allmählich unter seine Hoheit zu bekommen. Er sagte seinen Brüdern: »Wenn ihr Sklaven jagen wollt, geht zu den Bunu, geht zu Kukuruku. Aber laßt die Nupe in Frieden. Die Nupe sollen Kleider machen, daß sie reich werden!« Er sandte seinen Bruder Massaba nach Lade, um von da aus gegen Bunu und Igbirra Züge zu unternehmen.

Usman Saki wollte das Nupeland auf seine Weise in seine Hand bekommen. Man sagt, er habe Edsu Madjia zweimal zu vergiften versucht. Einmal soll eine Frau statt Edsu Madjia gestorben sein, einmal aber soll Massaba, der Bruder des Usman Saki, die warnende Botschaft hiervon dem Sohne Edsu Madjias, dem Zado, gemacht haben. Und mit diesem Edsu Zado tauchte dann die charaktervollste, imposanteste, in ihrer brutalen Art wirklich einzig großartige Gestalt des Dramas auf.

Im Jahre 1847 starb der Edsu Madjia eines natürlichen Todes in Sugurma, nachdem zwei Versuche Usman Sakis, ihn und seinen Sohn zu vergiften, gescheitert waren. Sowie Edsu Madjia tot war, sandte Massaba an seinen Bruder Usman Saki die Botschaft: »Edsu Madjia ist gestorben. Nimm die goldenen (?) Krakas (Trompeten), den silbernen (?) Sattel und die andern Schätze Edsu Madjias in Besitz, denn sie sind zu gut für die Nupe.« Er sandte auch eine Botschaft an Edsu Zado und ließ ihm sagen: »Mein Bruder hat mich schlecht behandelt. Er hat deinen Vater und dich vergiften wollen. Laß uns Freundschaft schließen. Mein Bruder Usman Saki wird jetzt sowieso gegen dich ziehen, um dir die goldenen Trompeten und den silbernen Sattel und die andern Sachen wegzunehmen.«

Man erzählte mir von Zado eine sehr charakteristische Geschichte. Wenn sie nicht wahr ist, was möglich ist, so beleuchtet sie doch den Charakter dieses Königs, wie er heute noch im Kopfe alter Nupe lebendig ist, ausgezeichnet. Edsu Zado sagte, als sein Vater gestorben und die Botschaft Massabas angekommen war, zu seinen Freunden: »Ich will das Nupeland wieder für die Kinder Edegis von den Fulbe rauben. Zehn mutige Männer sind mir mehr wert, als hundert mit schwachen Herzen. Macht morgen früh auf der einen Seite der Stadt Kriegslärm und sagt: ›Usman Saki kommt!‹ und kommt dann zu mir auf die andere Seite und helft mir die Tapferen von denen schwachen Herzens teilen!« So geschah es. Als die Nachricht vom Herannahen Usman Sakis auf einer Seite Sugurmas auftauchte, flohen alle Feiglinge zum andern Tore hinaus. Auf der Seite lag aber Zado mit seinen Getreuen im Busche und schoß einen Flüchtling nach dem andern nieder.

Dann nahte die Truppenmacht Usman Sakis in Wirklichkeit, und Zado nahm einen kleinen Sohn und eine kleine Tochter mit und – floh! Es war die grauenvollste Flucht, von der ich je gehört habe! Mit seinen beiden Kindern und seinen Getreuen floh der König zu den berühmtesten Magiern des Landes. Er floh nach Kanji oder Kanschi, das ist eine Ortschaft, die bei Bussa auf einer Insel im Niger liegt. Er kam zu diesen als Magiern bekannten Leuten und bat: »Helft mir gegen Usman Saki!« Die alten Leute sagten: »Was können wir, die Alten, dir, dem König helfen? Bist du nicht stärker als Usman Saki, wie sollen wir es sein? Wenn wir dir nun aber eine Tschigbe (magisches Instrument; Haussa: magirri oder asirri) geben, wird dir das nützen?« Edsu Zado sagte: »Das ist es, was ich von euch haben will!« Die alten Leute fragten: »Willst du uns deinen ältesten Sohn und deine älteste Tochter geben?« Edsu Zado sagte: »Ich habe sie deswegen mitgebracht. Nehmt sie!«

Alle Leute von Kanji kamen zusammen. Es wurde ein großes Feuer angezündet. Edsu Zado stand neben dem Feuer. Neben dem Feuer töteten die Kanjileute durch Keulenschläge Edsu Zados Sohn und Tochter. Der Vater stand daneben. Sie zogen die Haut vom Rücken des Sohnes und spannten sie über eine Trommel. Der Vater stand daneben. Sie zogen die Haut vom Rücken des Mädchens und spannten sie über eine Trommel. Sie verbrannten die beiden Leichen, mischten die Asche mit magischen Mitteln und füllten sie in die Trommelsärge. Dann pflöckten sie die Häute fest. Edsu Zado stand daneben. Er sah bei allem zu. Als die Trommeln fertig waren, gaben die Kanjileute sie dem Edsu Zado. Edsu Zado nahm die Trommeln und sagte zu seinen Leuten: »Sagt in allen Nupestädten, welche Tschigbe ich jetzt habe. Diese Trommeln sollen geschlagen werden, bis Raba zerstört ist!«

Die Nachricht von diesem fürchterlichen Opfer, das der König Zado der Nupedynastie dargebracht hatte, verbreitete sich mit Windeseile über das ganze Land. Von allen Seiten strömten die Leute zusammen, denn derartig grauenvolle magische Instrumente mußten den Sieg bringen. Nur die Mokwaleute blieben dem König Usman Saki treu. Sie kamen von Mokwa nach Raba und sagten zu Usman Saki: »Der Edsu Zado kommt! Er hat seine eigenen Kinder geopfert. Alle Nupe kommen zu ihm!« Usman Saki fragte die Mokwaleute: »Weshalb geht ihr denn aber nicht zu Edsu Zado?« Die Mokwaleute sagten: »Wir können dich nicht verlassen, um zu Edsu Zado zu gehen!« – Die Fulbe haben diese Treue der Mokwaleute in schöner Weise später vergolten!

Der König Usman Saki stellte ein größeres Heer auf und sandte es unter Soadjia nach Jebba, um erst diesen Vorposten Edsu Zados zu brechen. Zado sandte eine starke Hilfsmannschaft nach Jebba; der Soadjia wurde mit List auf die Insel gelockt; er wurde überwältigt und gefesselt. Die Nupe schlugen dann den erschrockenen führerlosen Heerhaufen und brachten Soadjia nach Jeni, das nahe Sugurma liegt, an diesem Platze hatte Zado seine wichtigsten Kräfte vereinigt.

Dieser Soadjia war bei den Nupe ganz besonders verhaßt, denn er war der Haufenführer Usman Sakis, den dieser bei jeder Gelegenheit zur Abstrafung unbotmäßiger Nupe ausgesandt hatte. Soadjia hatte dann ganze Ortschaften vernichtet, die Bewohnerschaft in die Sklaverei verkauft und sich so bereichert. Als nun Usman Saki nach dem hinterlistigen Wegfange seines Anführers bei Jebba eine noch bedeutendere Heeresmacht nach Jeni schickte, ließen die Nupe Zados an Soadjia ihre ganze Wut aus und erschreckten durch außerordentliche Brutalität die Usman Sakileute. Angesichts der Rabaleute ward ein großes Feuer entzündet.

Zuerst zeigten Zados Leute den Rabatruppen den gefangenen Soadjia und schrien: »Den habt ihr uns geschickt! Nun nehmt ihn euch doch wieder!« Sie trommelten auf den beiden heiligen Trommeln, tanzten um das Feuer und sangen: »Hier! Das ist der Soadjia, der immer die Leute gefangen und verkauft hat! Er hat sich mit der Arbeit viel Geld verdient. Nun wollen wir sehen, wie er sich im Feuer fühlen wird!« Dann schlugen sie Soadjia die Arme ab und warfen sie ins Feuer. Sie schnitten dem Soadjia die Füße ab und warfen sie ins Feuer. Dann schnitten sie den Leib in der Mitte quer durch und warfen beide Teile ins Feuer; so daß alles verkohlte. Zado stand bei alledem daneben und blickte zu.

Als der Soadjia so geopfert und verbrannt war, ergriff das Heer Zados die Waffen und stürmte auf das Lager der Rabaleute los. Die erschrockenen Rabatruppen wurden aufgerieben und eilten nach ihrer Hauptstadt zurück. Usman Saki rüstete noch ein Heer aus. Edsu Zado, dem nun immer mehr Kriegslustige zuströmten, führte seine Truppen von Jeni zwischen Bokani und Mokwa (näher letzterem Platze) hindurch nach Kwota. Der Maejaki oder Majaki (General) Usman Sakis, Dagana mit Namen, führte die andere Armee ebenfalls dahin, und in Kwota kam es dann zum dritten Gefecht, das Zado selbst leitete und gewann. Der Rest der Leute Usmans floh nach Raba. Eine Armee konnte Usman Saki nicht mehr aufstellen. Alle Beredsamkeit, alles Aussenden von Boten nützte nichts mehr; Edsu Zados Name war überall gefürchtet. Niemand wagte ihm mehr im offenen Gefecht entgegenzutreten. Ganz Transkaduna gehörte Edsu Zado, und der unternahm nun den letzten Schritt. Er belagerte Raba.

Raba war ohne Heere. Usman Saki hatte es vorgezogen, beizeiten das Weite zu suchen. Er entfloh erst nach Agaye, von da aus dann nach Gandu. Erst hoffte er, hier mit neuen Mitteln ausgerüstet zu werden. Aber seine Kriegsuntüchtigkeit war wohl zu deutlich, auch entwickelten sich die Verhältnisse im Nupelande und unter den Fulbe des Nupelandes so eigenartig, daß Usman Saki elf lange Jahre in Gandu im Exil schmachtete und erst 1858 nach Nupe zurückkehren konnte.

Die Belagerung von Raba spielt in der Erinnerung der alten Nupe eine ganz eigenartige Rolle. Man erzählte mir gern davon. Zado hatte um Raba regelrecht eine neue Stadt errichtet. Er hatte überall Posten, die regelmäßig abgelöst wurden. Wer aus der Stadt entweichen wollte, ward gefangen und verkauft. Auch die Wasserseite ward abgesperrt. Der Hunger quälte bald die Leute. Es starben viele. Die Leute in der Stadt begannen einander tot zu schlagen. Auch teilten sie untereinander das Fleisch der Erschlagenen und verzehrten es. Zuletzt entfloh der Rest der Überlebenden auf eine nicht erklärliche Art und Weise. Edsu Zado zog in die Stadt ein. Edsu Zado zerstörte die Stadt von Grund auf. Zado sagte: »Nun habe ich meinen Willen erreicht. Diese Leute werden mir nichts mehr tun. Jeder kann jetzt heim und an seine Arbeit gehen!« Edsu Zado entließ sein Heer.

Nach meiner Berechnung müßte die Einnahme und Zerstörung Rabas 1846 stattgefunden haben. Meyer hat sie auf 1845 angegeben (Paul Constantin Meyer, Erforschungsgeschichte und Staatenbildungen des Westsudan, S. 55). Es ist dies ein so geringer Unterschied, daß mir diese Genauigkeit für die Richtigkeit des Ganzen eine wesentliche Probe mit günstigem Resultat darstellt. – Mit dem Untergange Rabas und dem ersten Sturze der Fulbedynastie endet der zweite Abschnitt der Fulbeperiode.

 

1846–1852. – Dies war der letzte Augenblick, in dem Gelegenheit zur Neuschöpfung oder zur Wiederherstellung des alten Nupereiches gegeben war. Die Fulbe waren nach Süden über den Niger gedrängt und ihre Macht gebrochen. Der eigentliche Nupeherrscher war nach Gandu entflohen, in Lade am Südufer des Niger weilte nur noch sein Bruder Massaba, ein Ränkeschmied erster Ordnung, ein blutgieriger Geselle, aber weder Krieger noch Organisator. Er hatte die letzten Anhänger seines Vaters um sich versammelt und führte ein nur auf persönliche Bereicherung hinzielendes Raubmörder- und Sklavenjägerleben.

Also das eigentliche Nupeland war frei. Im Osten herrschte Edsu Zado, im Westen Edsu Jissa, ein Sohn des inzwischen verstorbenen Edsu Issa. Einige Berater sollen dem Edsu Zado geraten haben, erst nach Gbarra zu marschieren und den Edsu Jissa zu töten, dann den Krieg gegen Massaba zu beginnen. Im Interesse und Sinne der glücklichen Entwicklung des Nupestaates wäre das fraglos gewesen, denn Edsu Zado hätte sicherlich beide Gegner mit seinem persönlichen Geschick, mit der Menge seiner Truppen und vor allen Dingen mit dem ungeheuren Ansehen, das ihm alle Nupe entgegenbrachten, ohne große Schwierigkeit beiseite gedrückt. Aber Edsu Zado war kein zielbewußter Fulbe, sondern eben ein schwerfälliger Nupe, ein Mann, der genug getan hatte. Er lehnte alle derartigen Ratschläge ab. Er wollte nun in Frieden leben.

Edsu Zado lebte nicht lange. Er starb um das Jahr 1850, und zwar in der Stadt Borodji oder Borogi, die zwischen Ebako und Gjikum liegt. Da diese Stadt auf dem Wege nach Gbarra gelegen ist, behaupten einige, er habe sich doch noch zu dem Kriege gegen Edsu Jissa entschlossen. Mit Edsu Zados Tod war das Unglück des Nupelandes besiegelt. Nunmehr zog die Zerstörungszeit mit Riesenschritten ein. Die nun folgende Zeit ist es gewesen, in der das arme Nupevolk am meisten gelitten hat. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit manövrierten nunmehr die Fulbeintriganten, in deren Händen die schwächlichen letzten Nupekönige nicht viel mehr als Schachfiguren waren.

Nach Edsu Zados Tode wurde dessen Sohn Surugi König. Er muß ein kümmerlicher Patron gewesen sein. Sein Vater hatte ihm eingeschärft: »Geh nie mit einem Fulbe!« Kaum war der Vater gestorben, so erschien eine Botschaft der Fulbe bei Edsu Surugi. Edsu Surugi nahm sie an. Surugi weilte damals in Jangi, nahe Raba. Er soll den Gedanken gehabt haben, Raba neu aufzubauen. Die Fulbebotschaft kam von dem Ränkeschmied Massaba. Massaba hetzte Surugi zu dem Schritt, den Zado hätte tun müssen: zum Krieg gegen Edsu Jissa. Ob aber ein Zado den Krieg unternahm oder ein Surugi, war eine ganz verschiedene Sache. Zado war Krieger, erfahren, angesehen, großzügig; Surugi war jung, unerfahren, kleinlich und entbehrte noch jedes Ansehens. Wenn Zado den Krieg unternommen hätte, hätte er ihn zum Abschluß großzügiger Pläne aus dem Wunsche seines Nupeadels heraus unternommen. Surugi aber unternahm den Zug auf Anraten des Erbfeindes der Nupe, auf Rat der Fulbe, und in dieser Tatsache lag allein schon die Ursache des Mißlingens. Massaba hatte Surugi sagen lassen: »Ich möchte mit dir Freundschaft machen. Behalte dir das Nupeland. Ich will dann Kaba und die Igbirraländer nehmen. Du mußt aber als mein Freund alleiniger Herrscher des Nupelandes sein. Edsu Jissa mußt du vernichten. Edsu Jissa hat in Gbarra die Fahne, den Ring und das Bett Edegis (gewissermaßen die Kroninsignien). Diese Dinge gehören in deinen Besitz. Gehe hin und hole sie. Wenn du Edsu Jissa geschlagen hast und die Fahne, den Ring und das Bett Edegis hast, komm zu mir nach Lade! Da wollen wir dann Freundschaft schließen!« Und Edsu Surugi fiel auf diese Intrige glatt herein. Er antwortete Massaba: »Ich komme!«

Kaum hatte Massaba diese Zusicherung in der Tasche, so sammelte er alle Anhänger der Fulbe, die Freunde des verjagten Usman Saki usw. und marschierte nach Süden ab. Er unternahm einen Sklavenraubzug in der Gegend von Kaba. Surugi aber marschierte gegen den Edsu Jissa, der in Gbarra residierte. Massaba behielt die Bewegung der gegeneinander aufgehetzten Vettern im Auge. Kaum war er seiner Sache sicher, so sandte er eine Nachricht nach Gandu, die lautete: »Die Nupekönige sind wieder im Streite gegeneinander. Es ist an der Zeit einzugreifen und die Fulbevorherrschaft wieder herzustellen.« Der damalige Ganduherrscher hieß nach Nupeangabe Malle-Ualelu. Malle Ualelu fragte erst Usman Saki, ob er die Gelegenheit ergreifen wolle, nach Nupe zurückzukehren. Usman Saki sagte: »Er wolle erst zurückkehren, wenn der Krieg am Ende sei.«

Usman schlug den jungen Umoru als tüchtigen Führer vor. Umoru aber lehnte ab, da er mit Massaba sich überworfen habe (?) und nun nicht Seite an Seite mit diesem kämpfen könne. Darauf bestimmte der Emir von Gandu, daß Situ, der Fulbekönig von Illorin, die Nupeangelegenheiten ordnen solle. Situ kam dieser Aufforderung sogleich nach. Er traf mit vielen Reitern und großem Troß in Nupe ein. Surugi wurde geschlagen, er und sein Heer flohen nach Jeni zurück. Surugi starb noch im selben Jahre, und zwar anscheinend eines natürlichen Todes. Situ »ordnete« inzwischen die Verhältnisse im Nupelande nach seiner Weise. Er raubte und plünderte allenthalben und begann somit die endgültige Verwüstung, die dann andere fortsetzten.

Als Edsu Surugi gestorben war, ernannten die Westnupe Masa zum König. Edsu Masa erklärte, ebenfalls in Jeni residieren zu wollen. Die Nachricht ward nach Gandu gesandt. Der Emir bestätigte die Wahl Edsu Masas und rief Situ zurück, zumal Massaba, der alte Intrigant, gemeldet hatte, Situ verwüste das Nupeland derart, daß wohl im nächsten Jahre keine Abgaben nach Gandu gezahlt werden konnten. Damit trat etwa 1853 wieder Friede in Westnupe ein.

 

1852–1856. – Mit dem Ganduheere unter Situ war ein außerordentlich tüchtiger Befehlshaber gekommen, ein Haussaführer mit Namen Omar. Dieser Omar war bald durch seine Geschicklichkeit berühmt geworden, und als Situ nach Illorin zurückkehrte, wußte Massaba diesen tüchtigen Mann zu überreden, in seinem Dienste zu bleiben und den Befehl über den Heerhaufen Massabas in Lade zu übernehmen.

Dieser Omar ist in diesem Jahrhundert der zweite wirklich großartig veranlagte Mann, dessen Charakter einige sehr bemerkenswerte Züge zeigte. Omar war ritterlich; das geht aus dem Vertrage hervor, den er mit Massaba schloß, und das geht aus der Art des Zwiespaltes hervor, der ihn später von Massaba trennte. Omar erklärte sich bereit, dem Massaba die Truppen gegen die Nupe zu führen; er bedingte sich dabei einen bestimmten Lohn aus, erklärte aber, sich nicht auf Sklavenraubzüge einlassen zu wollen. Diese Angabe der Nupe ist hochinteressant. Man ersieht daraus, daß auch damals – schon oder noch – vornehmere Gesinnungsart in diesem Stück Afrikas vorkam. Daß die Fulbe im Gegenteil den Omar aber als einen bluttriefenden Tyrannen schildern möchten, entbehrt jeder Begründung. Daß Omar wirklich in seiner Ritterlichkeit auch den Nupe zusagte und daß sie Massaba wegen seiner Grausamkeit haßten, geht daraus hervor, daß sie später Omar gegen Massaba zum Nupekönig wählten und sich ihm anschlossen und ihn erst verließen, als er seinen letzten Pyrrhussieg gewonnen hatte.

Diesen wertvollen Mann also fesselte Massaba, der Fuchs, an sich, und sowie er diesen tüchtigen General hatte, wagte er es zum ersten Male, einen Krieg gegen die Nupe zu führen. Er brach ihn vom Zaune. Er sandte von Lade aus an Edsu Jissa nach Gbarra die Nachricht: »In Zukunft sind alle im Nupelande wachsenden Kolanüsse (die sog. Labodji) an mich abzuliefern.« Edsu Jissa ließ sagen: »Mein Vater, der immer ein Freund der Fulbe war, hat die Labodji gegessen. Ich, der ich immer dein Freund war, werde die Labodji auch essen dürfen.« Edsu Jissa wußte noch nicht; daß Massaba den General Omar engagiert hatte.

Edsu Jissa erschrak, als ihm gesagt wurde: »Massaba hat Omar gegen dich gesandt!« Omar war sehr gefürchtet. Jissa ging nach Lobodji und befestigte diese Stadt. Aber er vermochte sich nicht gegen den gefürchteten General zu halten. Der Krieg dauerte nur fünf Monate. Edsu Jissas Hilfsquellen waren dann in Labodji erschöpft. Seine Leute flohen. Der König mußte fliehen. Edsu Masa öffnete ihm die Tore Jenis. Jissa schlüpfte unter den Schutz, den der Vertreter der feindlichen Vetternfamilie ihm bot. Die erste Episode dieses Aktes hatte damit ihren Abschluß gefunden.

In dem Kriege gegen Jissa soll nun Massaba mit seinen Leuten immer den Spuren Omars gefolgt sein. Massaba empfing bei den Nupe den Namen Makundulu, Hyäne, weil er überall da, wo Omar das Land unterworfen hatte, sich beeilte, nach rechts und links seine Sklavenzüge zu unternehmen. Massaba muß fürchterlich gehaust haben, denn die Erinnerung an seine Grausamkeiten haftet heute noch im Gedächtnis des Volkes fester als irgendein anderes Ereignis. Aber augenscheinlich hatten die Nupe das Vertrauen zu ihrer Edegidynastie verloren. Das Natürliche wäre gewesen, daß alle alten Familien sich zu gemeinsamem Vorgehen gegen die fremden Eindringlinge, zu Edsu Masa, zusammengezogen hätten, zumal ja auch Edsu Jissa jetzt in Jeni blieb. Aber das Vertrauen nach dieser Seite fehlte. Auf der andern Saite muß schon damals die Achtung vor Omars ritterlicher Kriegskunst groß gewesen sein, denn eine große Deputation von Nupeedlen kam nicht zu Edsu Masa, sondern zu Omar, dem fremden Feldherrn der Fulbe aus dem Haussalande.

Die Nupe sagten zu Omar: »Wir bitten dich, eine Botschaft nach Gandu zu senden. Wir bitten den Emir zu Gandu, dich zu unserem Edsu zu ernennen. Wir werden, wenn Massaba so weiter unsere Familien und Farmen vernichtet, sonst alle zugrunde gehen.« Omar aber sagte: »Gut, ich will euch helfen!« Omar hielt Wort. Er wandte seine Heeresmacht zurück und marschierte gegen seinen eigenen Herrn, den Fulbe Massaba. Er ließ ihm sagen, daß Massaba selbst den Vertrag gebrochen habe (?). Von nun ab sei er (Omar) König des Nupelandes. Gleichzeitig sandte Omar eine Nachricht mit eingehender Erklärung nach Gandu. Der Emir von Gandu war zu klug, so schnell eine Entscheidung zu treffen. Er wollte abwarten, auf welche Seite der Sieg fallen würde. Inzwischen ward Massaba nach Mali oder Mari gedrängt. Sein Onkel, der Nupekönig von Illorin, nahm dann den Fliehenden auf.

Aber nach Omars Botschaft traf noch eine andere Nachricht in Gandu ein. Madjigi, der erste Fulbekönig von Raba, der daselbst drei Tage nach seiner Bestallung starb, hatte u. a. zwei Kinder hinterlassen, einen Sohn Moru oder Umoru und eine Tochter Abiba, die unverheiratet blieb. Umoru war mit Usman Saki nach Raba vertrieben. Abiba aber war in Nupe geblieben. Sobald nun Omar den in der ganzen Familie Mallem Dandos anscheinend gleich unbeliebten Massaba vernichtet hatte, sandte sie eine Nachricht an ihren Bruder, die lautete: »Der Haussa Omar hat unseren Onkel Massaba vertrieben. Es ist kein Fulbe mehr im Nupeland. Komm!« Diese Botschaft zeigte so recht das solidarische Gefühl der Fulbe, das übrigens in der Geschichte der Senegal-Nigerländer ebenso klar und deutlich auftritt wie in den Niger-Benuegebieten. »Es ist kein Fulbe mehr im Land« oder »es ist noch kein Fulbe im Land« ist immer die Aufforderung, einen Angelhaken auszuwerfen, der die betreffende Landschaft dem Fulbemagen sichern soll. Umoru machte sich sogleich auf den Weg. Er traf in Mali oder Mari ein und sammelte hier die Weiber, Kinder und Sklaven Massabas auf. Er sandte diesen Besitz seinem Oheim nach Illorin und stieß dann mit dem von Gandu mitgebrachten Volk zu Omar.

Eine Aufklärung zu gewinnen über das Verhältnis, in dem Omar und Umoru anfangs standen, und darüber wie sich dasselbe umbildete und entwickelte, war ganz außerordentlich schwierig. Die Angaben der Fulbe und Nupe waren sehr widersprechend. Aber ich glaube, aus allen Mitteilungen den einen Schluß ziehen zu können, daß nämlich Omar durch die Ankunft des Prinzen nicht sehr beglückt war und auch wohl nicht sein konnte.

Wenn Umoru auch wohl nicht als offizieller Gesandter des Gandu-Emirs, als Familienersatz für den augenblicklich unmöglich gewordenen Massaba übersandt wurde, so lag doch in den Empfehlungen, die er mitbrachte, und in dem reichen Troß, den der Emir ihm mitgegeben hatte, ein Wink für Omar, der summa summarum, wenn auch nicht in Worte gefaßt, lautete: »Du bist ein tüchtiger General, aber wenn es sich darum handelt, einen König einzusetzen, dann wollen wir Fulbe doch lieber einen aus unserer Mitte haben.« Und Omar folgte dem Winke. Er sagte zu Umoru: »Wenn ich hier Seki oder Edsu werde, sollst du mein Jerima oder Saba sein!« Und der Fulbe Umoru soll darauf geantwortet haben: »Ich glaube nicht, daß du das willst!« – Dieses in der Tradition bewahrte Gespräch und seine einfache Überlegung scheinen mir zu belegen, daß das Verhältnis des Generals zum Prinzen von Anfang an kein sehr erfreuliches gewesen ist.

Im übrigen erwies sich Umoru, der spätere fürchterliche Emir Umoru, schon damals im Intrigenspiel seiner übrigen ehrenwerten Familie durchaus ebenbürtig. Er sandte an Edsu Jissa, der zu Edsu Masa geflohen war, heimlich und ohne Kenntnis Omars eine Botschaft, die lautete: »Wenn du König über Nupe werden willst, so liefere uns Edsu Masa aus, komme uns entgegen. Richte deine Botschaft an Omar.«

Omar hatte erst nach dem Kriege mit Edsu Jissa in Ischegi oder Etschegi bei Sagbe und Kutigi gelegen. Er hatte sich dann bei Tatungbafu bei Dabba gelagert und hielt dieses Lager ein Jahr. Hier traf Umoru zu dem General. Hier spielte sich die oben entwickelte Besprechung ab. Von hier aus sandte Umoru seine verräterische Botschaft an Jissa. Hier traf auch Edsu Jissas Antwort aus Jeni ein. Edsu Jissa ließ Omar sagen: »Mein Vater war ein Freund der Fulbe. Edsu Masas Vater Zado war ein großer Feind der Fulbe wie kein zweiter. Ich will euer Freund sein und weil ich glaube, daß ihr mich ebenso freundlich bedenken werdet wie meinen Vater, sage ich dir, Omar, daß Edsu Masa einen Krieg gegen dich plant und der Edsu in ganz Nupe werden will. Komm also!«

Und Omar fiel geradeso auf die List Umorus herein wie der dumme Edsu Jissa. Er setzte sich mit Umoru und seinem Heere in Bewegung und traf prompt in Etzegi(ng), das etwa zwei englische Meilen von Jeni entfernt liegen soll, ein. Die Nupe forderten nun Edsu Masa auf, gegen den Feind zu ziehen. Anscheinend hätte die Sache zunächst nicht schlecht gestanden. Aber Masa hatte allzuwenig vom kriegerischen Geiste seines Vaters geerbt. Er selbst blieb mit seinen Kerntruppen in dem wohlbefestigten Jeni. Er sandte kleine Kriegshaufen hier und da zur Beunruhigung des Lagers von Etzegi(ng) aus und schob dadurch die Entscheidung während sechs Monaten hinaus. Dann aber entschied eine große Verräterei den Untergang der Edegidynastie ein für allemal.

Eines Tages lief Edsu Jissa aus der Stadt Jeni, in der Masa ihm großmütig Unterkunft gewährt hatte und zeigte Omar den Weg in die Befestigung. Omar holte zu einem gewaltigen Streich aus. Die Nupe wurden geschlagen. Sie flohen Hals über Kopf nach Kpatatschi bei Lieba. Edsu Masa floh ganz allein zu Pferde aus Jeni. Er erreichte glücklich Sugurma. Hier sah ihn eines Tages ein Haussa. Der Haussa erkannte den König und schlug ihm auf dem Marktplatze unversehens den Kopf ab. Den Kopf brachte er Omar. – So endete der letzte König aus der Edegidynastie.

Damit war die Nupemacht endgültig gebrochen. Die alten und edlen Nupeleute flohen über den Niger zu den Borgana Borgus. Sie nahmen den Weg über Bussa. Dort drüben ernannten sie nicht wieder einen Edegisprossen zum König, sondern Baba, den Sohn Schaibus. Die Wahl fiel auf ihn, weil Schaibus Frau, Babas Mutter, eine Borgana war, und damit hofften die Nupe eine freundliche Beziehung zu ihrem derzeitigen Gastherrn zu gewinnen.

Der treulose Jissa wurde von Freund und Feind verachtet, er lief immer in Omars Gefolge und starb als mißachteter Mann in Bida.

1856–1859. Dann zog Omar nach Mofange, von Mofange nach Modschupa ins Kambarriland. Er unterwarf die Landstriche, machte dann Kehrt und maschierte nach Satagi, dann nach Mule und endlich nach Egbe(ng) oder Egbei nahe Sugurma. Als ich die ersten Berichte über diese Episode hörte, fiel mir schon eine eigentümliche Inkonsequenz auf. Während in den vorhergehenden Zeiten Omar in der Tradition der Völker als eine ganz außerordentlich sympathische Figur erhalten ist, machen ihn viele Erzählungen für die Zeit nach der Vertreibung der Nupekönige zu einem Scheusal ersten Ranges, einem Bluthund. Daß es sich hier um irgend etwas ganz Außerordentliches handelt, geht daraus hervor, daß die Nupe kurze Zeit später von Omar abfielen.

Glücklicherweise erzählte mir ein gesprächig gemachter, auf die Zeit seines Volkes stolzer Fulbe, wie der Vorgang in Wahrheit war. Genau wie vordem Massaba, so zog auch jetzt Umoru, der Prinz, hinter dem Soldatenkönig her. Und genau wie vordem der Oheim Massaba, so vernichtete jetzt der Neffe aller Orten jenes Besitztum. Umoru, der wahrscheinlich der grausamste aller Fulbeführer in Nupe war, begnügte sich nicht mit der Ausraubung der Eingeborenen und mit dem Einfangen von Sklaven. Umoru ließ Menschen zusammenbinden und ins Feuer werfen. Er stieß alten Leuten die Augen aus, schnitt Geschlechtsteile ab, goß Häuptlingen flüssiges Eisen in den Mund; einmal trieb er einer Frau, die nach alter Sitte eine Ortschaft regierte, einen Eisenpfahl in die Geschlechtsteile und sagte: »Mit diesem Geschlechtsglied wirst du mir einen eisernen Sohn gewinnen!« Alle diese Scheußlichkeiten beging er aber »im Auftrag des Edsu Omar«. Umoru ging dabei mit der raffiniertesten Schlauheit vor, die man sich denken kann. Einmal fing er öffentlich, »im Auftrag Omars« einen hochangesehenen Mann ein. Der Mann ward in der Sonnenhitze an einen Pfahl gebunden. Nachts schlich sich dann Umoru zu ihm, schnitt ihn los und hieß ihn schnell fliehen; auch dürfe es nie jemand erfahren, daß er, Umoru, aus gutem Herzen gegen den Willen Omars den Mann freigelassen habe. Derart wußte er Omars angesehene Stellung zu untergraben. Umoru sagte zu den Nupeführern: »Früher war Omar milde, bis ihr ihm geholfen habt, die Nupekönige zu vertreiben. Jetzt aber will er das Land ausrauben. Ich muß für ihn alles wegnehmen und wegfangen. Ich muß ihm alles abliefern. Omar ist schon ein reicher Mann. Omar wird hier noch alles vernichten.«

Umoro bereitete sein Feld sorgfältig vor. Immer mehr Nupeführer schlossen sich den nächtlichen Versammlungen, die er veranstaltete, an. Die Verschwörung wurde auch so geschickt geheimgehalten, daß ihre Frucht voll ausgereift war, als Omars Faust zu schütteln begann. In Egbei hörte Omar von den Räubereien Umorus. Er rief den Prinzen zu sich und machte ihm Vorhaltungen. Umoru warf aber die Maske des Bescheidenen ab und beschimpfte Omar. Umoru sagte: Omar, er, Omar, habe hier nichts zu sagen, könne nie König werden, denn sein Vater sei nur ein Krämer gewesen; wenn der Krämersohn auch als Feldherr eingesetzt sei, so werde er doch nie etwas ihm, dem Umoru, dem Sohn der Fulbe, des ersten Fulbekönigs in Umoru, vorschreiben können.

Der Feldherr rief zu den Waffen. Der Feldherr Omar wollte Umoru und seine Fulbe- und Ganduleute verjagen, wie er schon Massaba verjagt hatte; da mußte er wahrnehmen, daß seine Leute ihn im Stich ließen. Alle Nupe gingen zu Umoru über. Omar war verraten. Umoru verjagte seinen Feldherrn. Omars Flucht wurde mir von einer alten Frau sehr anschaulich geschildert. Omar war in einem letzten Gefecht, das er gewagt hatte, nach Daba verdrängt worden. Er sagte seinen letzten Getreuen nachts, sie sollten sich halten und nicht schlagen. Sie sollten sich vor Umorus Truppen immer zurückziehen, bis er mit einer neuen Macht, die er nun sammeln wollte, wiederkehre. Dann floh der Feldherr, nur begleitet von seiner Frau und seinem Sohn Albadji, nach seiner Vaterstadt Kamuku. Dort warb er. Es scheint in jenen Zeiten nach den Fulbehaussakriegen und bei dem Vordringen dieses Staatengründers nach Adamaua usw. sich eine Art Landknechtstum ausgebildet zu haben, eine Art Söldnerberuf. Diese Söldlinge liefen bald zu dieser Partei, bald zu jener, immer dahin, wo am reichlichsten Beute zu erhoffen war.

Omars Name war nun damals schon berühmt in den Haussaländern. Sein Aufruf führte nicht nur eine bedeutende Macht zusammen, sondern zog wie ein Magnet auch nachher noch Leute zu sich, als er wieder im Nupeland angelangt war. Bei seinem Eintreffen lag Umoru selbst in Edjigi, sein Heer aber bei Tatung. Omar drang auf dieses Heer ein und warf es nach Daba zurück, griff es hier nochmals an und drängte es nach Sakbe. In Sakbe stieß zwar Umoru zu seinen Leuten, aber viele Nupe und alte Omaranhänger hatten sich doch mittlerweile den Fall schon näher überlegt und waren zu der Überzeugung gekommen, daß es doch wohl mit Umorus Warmherzigkeit gegenüber den Nupe so eine Bewandtnis habe. Viele Nupe liefen hier in Sakbe schon zu Omar über.

Bei Sakbe kam es dann zu einer wirklichen Schlacht. Auf beiden Seiten soll hier mit großer Tapferkeit und schweren Verlusten gekämpft worden sein, und wenn Omar siegte, so war es entschieden ein Pyrrhussieg. Es war offenkundig, daß seine Söldlinge einmal die Masse der Nupe, die vor Umoru stand, zurückdrängen konnte, zweimal aber nicht. Denn der Söldlinge Gewinn und Vorteil bestand darin, daß der Feind in rasender Flucht weglief. Dann konnte man Beute und Sklaven machen und plündern usw. Aber Omar vermochte nicht die Nupe und Fulbe in die Flucht zu schlagen. Er drängte sie gewaltig beiseite. Aber dann zog Umoru, anscheinend sehr wohlgeordnet, über den Kaduna nach Bida zurück. Als der Feldherr das gesehen hatte, soll er sehr traurig gewesen sein. Als er in sein Lager kam, begrüßten ihn alle Männer und Weiber jubelnd als Sieger mit dem Zuruf: »Saki! Saki! Saki!« Omar stieg ab, ging zu seiner Frau hinein und sagte: »Packe deine Last. Gehe zu deiner Mutter zurück. Mit diesen Soldaten werde ich nicht zweimal gewinnen können.« Wenn dieser kleine Zug wahr ist, so wirft er wieder ein klares Licht auf die Ungewöhnlichkeit dieses »Negers«. Ist er aber erfunden, so ist die Erfindung sehr gut in das Bild eingefügt, das das Volk sonst von ihm hat.

Genau so wie Omar sah auch Umoru die Sachlage an. Er schlug in der Nähe Bidas sein befestigtes Lager auf; während Omar Bida selbst besetzte und auszubauen begann. Das Lager Umorus lag auf dem Hügel, auf dem heute die englische Residenz sich befindet. Umoru befestigte das Lager. Omar griff aber diese Befestigung an und Umoru zog seine Truppen heraus. Er überließ die befestigte Stellung dem Feinde und zog sich selbst nach Bida hinein, welches er weiter ausbaute. Somit tauschten sie die Stellung aus. Übrigens benutzte Umoru die Zeit von fünf Monaten, die er der feindlichen Macht gegenüberlag, so gut wie möglich aus. Er sandte an sämtliche Angehörige seiner Familie Botschaften. Zuerst schickte er an Usman Saki nach Gandu die Botschaft: »Komm jetzt! Der Sieg ist bald gewonnen. Ein Nupekönig ist nicht mehr. Bring aber doch lieber Edsu Babu mit, du sollst dann Emir von Nupe sein.« An Massaba nach Illorin aber schickte er die Nachricht: »Wir wollen unsern alten Streit vergessen. Das Emirat von Nupe ist eine allgemeine Fulbesache. Deshalb muß dein Bruder Usman Saki jetzt Emir werden. Der Sieg wird bald gewonnen sein. Komm also!«

Der schlaue Umoru wird wohl ganz genau gewußt haben, daß er sich auf das wirkliche Kommen seiner Oheime nicht verlassen konnte, daß diese vielmehr wie die Aasgeier aus sicherer Ferne aufpassen würden, bis der Löwe wirklich verschieden sein würde. So kam es auch. Aber doch hatte Umoru eine Absicht, die er auch vollkommen erreichte: Die Aasgeier hüpften um einige Flügellängen näher, als sie Wind von dem Todesröcheln bekamen. Und das erschreckte nicht Omar, wohl aber die Nupe.

Usman Saki brach von Kabi bei Gandu, wo er nun elf Jahre im Exil gelebt hatte, auf. Ein Beamter des Gandu-Emirs begleitete ihn. Er sandte eine Botschaft an Edsu Babu. Edsu Babu, der auch von der Konzentration der Fulbe hörte, stellte seine ganze Macht Usman Saki zur Verfügung. Und Usman Saki sandte diese Truppen, die aus den letzten Anhängern der Madjiafamilie bestanden, in der Richtung nach Bida ab. Usman Saki folgte diesen Truppen in guter Entfernung. Erst im letzten Moment traf er auf dem Felde der Entscheidung ein. Ähnlich machte es Massaba. Die Illorinfulbe stellten ihm einige Truppen, und Massaba sandte sie vor sich her. Er schickte die Truppen zu Umoru nach Bida und blieb als vorsichtiger Mann in der Ortschaft Edschu am Niger.

Als Umoru sich so einerseits mit Truppen, vor allem aber durch das Gerücht vom Heranrücken weiterer Fulbeführer gestärkt sah, holte er zu einem letzten Schlage aus. Er rief alle Nupeführer zusammen und sagte ihnen: »Wenn ich noch einmal geschlagen werde, dann werdet ihr diesen Omar mit seinen Straßenräubern zum Herrn haben. Dann müßt ihr euch eines solchen Herrn schämen. Wenn ihr mich verlaßt, werde ich vielleicht geschlagen, dann werden aber die andern Fulbe und Edsu Babu kommen und euch vernichten!«

Es kam zur Schlacht. Omar lagerte am Tscheckten, Umoru am Landribach. Dann griffen die Nupe Umorus die Söldlinge Omars an. Omar ward geschlagen. Er zog sich zum Bakobache zurück. Die Flucht ward allgemein. Als Omar mit seinem Pferd durch den Tschatschakabach schwimmen wollte, wurden Roß und Reiter von den geschwollenen Wellen fortgerissen. Seine Leiche ward von zwei Soldaten Umorus aufgefischt, die sie dem siegreichen Fürsten brachten. Dieser ließ sie enthaupten und den Kopf auf dem Wall Bidas aufstellen. Die einzig wirklich edle Erscheinung in dieser Geschichte von hundert Jahren verkam wie eine ersäufte und aufgespießte Ratte.

Das Nupeland hatte aber seine Zwingherren endgültig. Das war im Jahre 1857.

 

1857–1859. Usman Saki. – Der große Eroberungskrieg war zu Ende. Edsu Babu, dem falsche Versprechungen gemacht waren, sah sich gänzlich eliminiert. Er verkroch sich an den Grenzen »seines« Reiches und wartete auf bessere Zeiten. Umoru aber, der wirkliche Sieger in diesem Kriege, ließ nun seine Brüder zu sich kommen. Er sagte: »Usman Saki ist von uns der älteste. Usman Saki ist von Mallem Hallelu noch zum Emir von Raba bestimmt gewesen. Er war sechzehn Jahre Emir in Raba. Wir wollen ihn nun zum Emir von Bida machen. Wenn du, Massaba, nun damit einverstanden bist, dann will ich dich als zweiten anerkennen und dritter sein.« Damit waren die andern zufrieden. So ward, während Edsu Babu in Zuafu (im Abevaland nahe Bokani), Usman Saki König von Nupe.

Usman Saki war dann zwei Jahre König. Er lebte mit den Nupe in Frieden, und blieb überhaupt immer in Bida ansässig. Nun sandte er seine Brüder zur Fehde aus, denn das »wirtschaftliche System« dieser Reichsgründer beruhte auf Sklavenkriegen und Lösegeldern. Zuerst brach Umoru allein auf. Er hatte einen tüchtigen Kameraden in Naqua Madje, einem Sohn des Sokotofürsten. Naqua Madje hatte nur zwanzig Pferde, soll aber ein sehr tüchtiger Krieger gewesen sein. Mit diesem zusammen führte Umoru einen fröhlichen Kriegszug ins Gwariland, und zwar erhob er das dort gelegene Buji zum Ausgangspunkt seiner Razzien.

Dann kehrte er nach Bida zurück und bereitete eine zweite Kampagne vor, auf der ihn diesmal auch Massaba begleitete. Die beiden Fulbe bezogen in Dem bei Minna ein Lager. Aber kaum hatten sie die Vorbereitungen zum ersten Kriegszug getroffen, so erreichte sie die Nachricht vom Tode Usman Sakis. Massaba wollte nun eiligst nach Bida zurückkehren, um sich krönen zu lassen. Aber Umoru überredete ihn, noch hier zu bleiben, er könne auch im Kriegslager zum König erhoben werden. So ward es. Die Fulbe stürzten erst auf Minna. Ein Teil der Eingeborenen eilte fliehend auf die Berge und wurde da durch Aushungerung vernichtet. Ein anderer ward gefangen und versklavt. Minna ward zerstört. Dann kehrten sie nach Bida zurück.

 

1859–1873. Massaba. – Massaba ward auf einem Kriegszuge Emir. Die Periode seiner Emirates war dementsprechend. Der Emir von Gandu bestätigte ihn nach seinem Eintreffen in Bida. Dann folgten drei Jahre des Friedens.

Das Blut der Erobererzeit wallte aber noch. Drei Jahre nach seiner Ernennung zum Emir beschloß Massaba eine große Unternehmung zur weiteren Ausdehnung des neuen Nupereiches. Er richtete sie nach Südosten, in welcher Gegend noch außerordentlich wohlhabende, kulturstarke und kulturalte Völker wohnten. Massaba schlug in Kwalleke ein Lager auf und Umoru mußte nach allen Seiten Raubzüge in die Gebiete der Bassa, Igbirra und Korro unternehmen. Umoru verwüstete in gewohnter Weise den Wohlstand dieser Länder aufs gründlichste und machte den ganzen Länderstrich tributpflichtig. Massabas Plan der Ausdehnung seiner Macht war somit nach dieser Richtung erfüllt. Er sagte aber: »Ich will selbst den Ukarifluß (den Fluß, an dem Wukari liegt) sehen!« Und somit machte er selbst im Gefolge des siegreichen Umoru einen Inspektionsritt bis Wukari und kehrte dann nach Bida zurück. Im ganzen währte der Krieg fünf Monate.

Kurze Zeit nachher stieg in Massaba neue Wanderlust auf. Er beschloß eine Reise nach seiner Vaterstadt Gandu. Er brach auf und kam mit seinem prächtigen Gefolge bis Kontagora. In Kontagora erreichte ihn die Nachricht vom Verscheiden des derzeitigen Gandukönigs Hallelu. Somit kehrte er um und nach seiner Hauptstadt zurück. Ein Jahr weilte er nun in Bida, ohne Wanderungen und kriegerische Unternehmungen zu beschließen. Dann aber tauchte im Südosten eine bedeutende Gefahr für das Nupereich auf.

Massaba hatte selbst nach Süden die Ausdehnung Nupes durch Eroberung der Länder der Jagbatschi und der Bunu vervollständigt. Dieses Vorgehen der Nupefulbe und auch der Illorinfulbe hatte eine gewisse Gegenbewegung von Seiten der Joruba zur Folge. Vor allem tat sich ein ganz großer Sklavenjäger und -händler der Joruba Ibadans, ein gewisser Adje hervor. Dieser Adje hatte eine Kriegsmacht von etwa viertausend Flinten und da er außerdem der Waffen- und Pulverzufuhr von der Küste her bedeutend näher wohnte als die Nupe und Fulbe, so war sein Auftreten in Bagi im Akokolande (nahe Bunu) für letztere durchaus nicht unbedenklich. Die Leute Adjes standen zudem im Rufe jugendlicher Kraft, Frische und Unbeugsamkeit. Also schlossen sich alle Fulbe zusammen, sobald die Nachricht von dem weiteren Vordringen Adjes nach Norden drang. Sollte doch einem Gerücht zufolge Adje auch mit dem letzten, mißvergnügten, weil verdrängten Nupekönig, mit Edsu Baba, in Beziehungen wegen eines Trutzverhältnisses gegen die Fulbe getreten sein.

Sogleich sandte Massaba Umoru gegen Adje und regelte auch einen regelmäßigen Nachschub von Waffen, Munition und Truppen über den Koarra. Fernerhin rückte Usman Lufadi der Mejaki dem Herrn von Illorin zur Hilfe heran, so daß sich Adje bald arg bedrängt sah. In seiner Not sandte Adje eine Botschaft an den Bale von Illorin. Adje gab trotz der Vorzüglichkeit seines Fußvolkes bei dem Vorrücken dieser Reitermassen den Widerstand auf. Sein Gesuch an den Ibadan König ging dahin, zu intervenieren und Frieden zu stiften, ehe der eigentliche Krieg ausbrechen würde. Ogumula-Are, der König (are-Bale) von Ibadan, erklärte sich hilfsbereit und sandte an Umoru die Nachricht, daß er Adje aus dem Akokolande nach Ibadan zurücknehmen wolle, wenn die Fulbe vom Kriege ließen. So geschah es denn auch, denn die Fulbe fühlten sich dieser Macht gegenüber durchaus nicht ganz sicher. Der Zug ward abgebrochen. Umoru kehrte nach Bida zurück.

Aber Umoru war noch keine vier Freitage nach Bida zurückgekehrt, da traf wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel die Nachricht vom Aufstande der gesamten Transkaduna in Bida ein. Anstifter waren einige alte Nupehäuptlinge, denen die Art der Abgabeneinziehung der Fulbe durch Wegfang armer Leute nicht zusagte. Die Alten hatten den Edsu Baba aufgestachelt, sich zu erheben, und insgeheim war die Angelegenheit sehr geschickt angelegt, als Umoru ins Akokoland abgereist war. Der einzige alte Nupe, der das Fruchtlose dieses Unternehmens einsah, war der Ndeji (Älteste) des Königs Baba. Er wohnte in Boada. Von Boada sandte er eine warnende Nachricht an Baba, der in Egbe (oder Egbeng) residierte. Edsu Baba antwortete darauf, indem er mit seinen Truppen von Egbe aufbrach und gegen Boada zog. Der Ndeji floh. Er eilte nach Bida zum Fulbeherrscher, und dieser sandte sogleich einen Kriegshaufen unter der Anführung eines gewissen Massalatschi gegen die Aufständigen. Die Hauptmasse der Truppen sollte folgen.

Es war das aber in der Höhe der Regenzeit und die Nupe hatten nicht ohne Berechtigung geschlossen, daß in dieser Zeit die Kriegsführung nicht ganz so leicht sein würde. So kam es denn, daß die Hauptmacht Massabas in Jipa Lager beziehen mußte. Aber Massaba wollte nicht lange zögern. Er forderte den Wasserhäuptling Kuta von Moregi auf, Boote auf dem Koarra zu stellen. Er rüstete also eine Flotte aus, die vor allem auch reichlich Pulver ins Aufstandsgebiet bringen sollte. Tschoada, Kutas Bruder, wurde der Admiral dieses Vorstoßes. Aber Tschoada war nicht vorsichtig genug. Er näherte sich allzusehr dem feindlichen Gestade. Babas Leute warfen einige geschickte Schüsse, und das Pulverschiff explodierte. Tschoada kam ums Leben.

Als Massaba das hörte, kam er selbst nach Jipa. Er brachte Umoru mit und übertrug dem die Heeresführung. Umoru rückte nach Bjegi, ward der Situation aber nicht Herr, so daß Massaba zum zweitenmal auf die Kampfwiese kam und nach Kascheka rückte. Umoru aber legte einstweilen den Oberbefehl über seine Truppen in die Hände seines Bruders Kotu. – Inzwischen konzentrierte sich die Nupemacht in Nuele (oder Nuelo). Nur der feige Baba selbst war nicht dabei. Er war in Egbe (Egbeng) geblieben. Massaba war nun wieder in Bida, und Umoru leitete die entscheidende Schlacht ein.

Diese Schlacht spielte sich am Ekaflusse, an dem auch Sugurma liegt, ab, und zwar bei der Stadt Bedja. Als Umoru ankam, fand er sie so gut wie menschenleer. Umoru setzte über und kampierte nachts auf dem andern Ufer. Die Nupe folgten am andern Ufer, und zwar ließen sie ihre Pferde beim Übergang zurück. So hatte Umoru bei seinem plötzlichen Angriffe die Sache leicht. Babas Heer ward geschlagen. Umoru schlachtete viele Menschen und nahm ebenso viele gefangen.

Edsu Baba, dessen Kriegsführung hauptsächlich im Fliehen bestanden zu haben scheint, zog sich auch hier schnell genug über den Koarra zurück nach Liaba. Umoru rückte erst wieder in Massabas Hauptlager und von da aus mit frischen Truppen ins Sugurmagebiet. Nun erfolgte die Bestrafung der Anführer. Es sollen 703 Ortschaften in weitem Umkreise um die ebenfalls der Zerstörung anheimgegebene Stadt Sugurma von Grund auf in fulbischer Art zerstört worden sein – es fand ein so grausames Gemetzel statt, daß der Rest der Fulbe zu Baba über den Koarra entwich. Mit dieser Hilfe rief Edsu Baba die Joruba, Borgana und andere zum Kampfe auf. Er hatte wieder ein Heer vereinigt, da tauchten Umoru und Massaba im Kanuja (Bedegebiet in Nupe) auf. Baba hatte den Mut, nach der Liabavorstadt auf dem Nordufer des Niger überzugehen. Da stießen die Heere aufeinander. Der erste Kampftag verlief ohne Entscheidung. Ja, es fiel sogar ein angesehener Nupefürst, so daß die Stimmung in Umorus Nachtlager nicht die rosigste war. Aber dieser Edsu Baba. war zu feige. Nachts entwich er über den Niger. Umoru sandte aber an die Joruba Babas eine Botschaft: »Kennt ihr kein Geld?« Die Joruba sagten: »Wir wollen doch Geld!« Antwort: »Dann fangt Babas Leute und macht Sklaven!« So wurden Babas Jorubaverbündete die schlimmsten seiner Verfolger. Umoru machte einen Vorstoß über den Niger, und es entstand eine allgemeine Sklavenfängerei. Dann ging Umoru zurück, nach Kanja, wo Massaba noch immer das Hauptlager innehatte. Edsu Babas erster Versuch, sich zu erheben, war gescheitert.

Die in Kannja oder Kanja vereinten Nupefürsten kehrten aber nicht nach Bida zurück. Es entwickelte sich damals im Anschluß an den Nupeaufstand Unruhen im Jauri-Kambellilande. Jauri gehörte nicht zum Nupeemirat. Es regierte da ein eigener Fulbe mit Namen Memadu Me Karifi, ein Rigio (oder Riglio), der der Kämpfe offenbar nicht allein Herr ward. Kotu blieb im Hauptlager. Massaba stieß nach Saka im Kambellilande vor, folgte dann aber einer Einladung des Jauriemirs und ging nach Mamba. Darauf erhob sich der in Ibeto ansässige Oberhäuptling der Kambelli, Ibellu. Ibellu versuchte bei Fulbe Madu Mekarifi und Massaba zu bekriegen, aber Massaba wandte sich gegen ihn und der Jauriemir trieb ihn fort.

In jenen Tagen vereinigten sich dann viele Fulbe in der Stadt Ibeto im Kambellilande. Es waren da Massaba und Umoru aus Bida, es war da der Emir Mamadu Mekarifi aus Jauri-Mamba. Dann kam aus dem Süden der Jorima des Illorinreiches, Alleu mit Namen, der selbst nie König wurde, aber der Vaterbruder des nachfolgenden Königs Mama und Vater des abermals folgenden Königs Sule war. Alleu brachte die Abgabe für Gandu (Abgabe: Edu; Haussa: Gandu; Joruba: Oole). Dann kam aber auch der Mauro (Tributeintreiber; Nupe: Tutschi; Joruba: Oni-pasche) aus Gandu, nahm von den Vertretern aller dreier Emirate den Sandu in Empfang und kehrte heim.

Auch die andern trennten sich. Massaba kehrte mit Umoru nach Bida zurück, das keiner der beiden zu Massabas Lebzeiten wieder verließ; wenn Massaba auch noch mehrere Kriegs- und Sklavenzüge in das Kukuruku-(Ig)birra- und Akokoland aussandte.

 

1873–1884. Umoru. – Zu Massabas Zeiten erreichte Nupe die größte Ausdehnung, eine Form, die es nach allgemeiner Volksvorstellung als Emirat heute noch hat, wenn England die Verwaltung durch Abtrennung vieler Provinzen auch gänzlich geändert hat. Im Norden gehörten zweihundert Kambelli- oder Kambarriortschaften zu Nupe, die andere Hälfte zum Emirat Jauri. Ebenso zahlte von den Gwari die südliche Hälfte an Nupe, die nördliche dagegen, die unter Naqua Madje, also der Kontogoraprovinz stand, an Sokoto Tribut. Die angesehene Stadt Sadi gehörte dagegen zu Nupe. Das eigentliche Reich der Korro oder Korrorofa (Korrorauwa!) war Saria zuzurechnen, wogegen Bassa, westlich Igbirra, alle Kabba oder Bunu, Kukuruku und bei diesen zumal Alagwele oder Alagwete und Jagba (bei Nupe Jagbatschi) zum Nupeemirat gehörten. Ebenso zahlten unter den Joruba die Meri nur an Nupe Tribut, wogegen Ilescha, Ife und Ibadan dem Ojoreiche zugehörten. Am Niger selbst rechnete man Jebba und Tscharagi zu Nupe, Bussa aber zu Borgu, und Borgu wurde von einem wenig bedeutungsvollen Fulbe namens Kaoje regiert.

Dies war der Umfang des Nupereiches, das Umoru um 1886 übernahm. Umorus Vorleben war nicht derart, daß er zu einem friedlichen Emir prädestiniert gewesen wäre. Das erste Jahr seiner Regierung verbrachte er in einem Kriege mit Igbirra, den er im Bündnis mit Igbadan- und Illorinleuten führte. Im nächsten Jahre trieb ihn ein Befehl aus Gandu gegen Djirro im Haussalande, und nachher sehen wir ihn auf eigene Rechnung gegen den Häuptling Anifi von Oka im Okokoland aufbrechen. Dieser Kriegszug ward während fünf Monaten betrieben, und von den vergifteten Pfeilen der Akoko fielen viele Nupe. Umorus Leute kamen in eine gefährliche Lage, aber die alten Nupeedlen überschätzten die Schwierigkeit. Sie reizten den braven Edsu Baba auf, sich nochmals zu erheben, und vergaßen, daß Edsu Baba alt, daß Nupe kriegerisch verbraucht und die Fulbeherrschaft genügend befestigt war. Die größte Torheit beging anscheinend der Emir von Kontagora, Bubaker, der Sohn Naqua Madjis, der alte Kampfgenosse Umorus. Er muß mit seinen alten Nupefreunden zerfallen gewesen sein. Jedenfalls unterstützte er den dummen Edsu Baba Bubaker. Als echter Fulbe sandte er allerdings an Umoru die Mitteilung, daß Edsu Baba einen neuen Kriegszug begonnen habe.

Umoru empfing die Nachricht von der neuen Erhebung der Nupe in Oka. Sogleich brach er den Akokokrieg ab und eilte heim. Edsu Baba war nach Mokwa gegangen, von da nach Laboji, und hier hatte er alle seine Leute versammelt. Als dann aber Umoru von Bida her nahte, floh er nach Sugurma. Die Fulbearmee zog nach Liaba, dem alten Stützpunkt Edsu Babas, und hier fiel denn auch Edsu Baba seinem Schicksal anheim. Der letzte König der Nupe wurde getötet.

Diesen Krieg führte Umoru nicht selbst, Maliki, der Sohn Usman Sakis, war sein Mejaki und Saba. Maliki führte den Vernichtungskampf am Koarra, und es wird behauptet, daß der erste Europäer in Lokoja oder Gbaebe (Maibirra?) zwei Dampfer zur Verfügung gestellt haben soll, auf denen Maliki übersetzte und gegen die Aufrührer vernichtende Schläge führte. Jedenfalls war dieses Aufbäumen der Nupe ebenso sinn- wie erfolglos.

Eine Einzelschilderung aus diesem Kriege verdient aber Beachtung, weil sie ein scharfes Licht auf diese in diesen Ländern übliche Kriegsführung wirft. Es war die Nachricht, daß Edsu Baba in Mokwa Unterkunft gefunden hatte, natürlich auch nach Bida gelangt. Darauf sandte Umoru einen Fulbe namens Usman Zadu mit vier Reitern nach Mokwa zur Erkundung. Die erbosten Mokwaleute packten die Boten und schlugen sie in Fesseln. Dann schlugen sie ihnen die Köpfe ab. Umoru ward das hinterbracht. Er sandte sofort einen Kriegshaufen und ließ Mokwa ausnehmen und zerstören. Man brachte den (heute noch lebenden) Lille und alle angesehenen Leute nach Bida. In Bida wurden dem Lille Makulo, dem Schechu Magani, dem Goro Dadan und dem Mama Mdatschako die Köpfe abgeschlagen und die blutigen Häupter auf dem Marktplatze aufgestellt – auf den vier Ecken einer erhabenen rechteckigen Tafel. Damit sollte eine Warnung gegeben werden. Alle andern Mokwaedlen, auch der Lille, wurden nach dem Haussalande in Verbannung gesandt, und von da kamen sie erst nach Eintritt der englischen Okkupation nach Mokwa zurück. – Überhaupt kann man wohl mit Recht sagen, daß beim Eingreifen Englands das Nupeland so gründlich zerstört und entvölkert war wie nur möglich.

Als Maliki in Lafia am Niger gegen die letzten Reste der Nupeempörung kämpfte, starb Umoru in Bida.

 

1884–1895. Maliki. – Maliki, der Sohn Usman Sakis, eilte heim, ward Nupeemir und als solcher von Gandu bestätigt. Maliki war an sich von allen Fulbe der umgänglichste und menschlichste. Allerdings ließ er Sklavenkriege führen, aber Nupe schonte er. Seine ersten vier Sklavenkriege führte Mamudu, der Sohn Massabas. Das waren: 1. ein Krieg gegen die Jagba oder Jabatschi, 2. ein Zug gegen Kotonkarifi am Benue, 3. von Banigi aus ins Bassaland, 4. von Tauari aus ins Bassa- und Igbirraland. Dann starb Mamudu und ernannte Bukari, den zweiten Sohn Massabas, zum Saba und Kriegsherrn. Der führte nun den fünften Feldzug gegen Ibe im Kukurukuland.

Im allgemeinen gilt Maliki als ein großer Freund der Weißen. Er führte als Emir nie einen Krieg.

 

1895–1897. Bubaker. – Bubaker, der Sohn Massabas, war das Opfer Mamadus. Mamadu, der heutige Emir und Sohn Umorus, der seinem Vater durchaus ebenbürtig, verfiel dem Andrang der Engländer. Mamadu war damals schon ein Intrigant sondersgleichen. Bukari trug die Kosten und ward zum Emir ernannt. Er starb Januar 1901 in der Verbannung in Lokoja.

 

1897–1912ff. – Im Jahre 1897 ward Bukari abgesetzt. Mamadu ward Emir und ist es noch heute. Die Geschichte seiner Regierung werden am besten die Engländer schreiben können. Ich habe noch nie einen so knickerigen König kennengelernt wie diesen Mamadu.


 << zurück weiter >>