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4. Kapitel: Die Dakka

Siehe die Kartenskizze. Die Dakka gehören zur großen Gruppe der Tschambavölker.

Königreich, König. – Die Dakka oder, wie sie sich selbst nennen, die Nagajare, gehören ihrer ganzen Art und Kultur nach fraglos zu den wenig abgewandelten Äthiopen Nordkameruns. Aber sie gehören zu denjenigen, die wenigstens in der Vergangenheit eine wesentliche soziale Geschlossenheit aufweisen konnten. Sie erinnern sich sehr wohl noch an die Tatsache, daß ihre Volksgemeinschaft einen bedeutenden Staat darstellte, wenn es auch anderseits kaum möglich sein wird, aus der Volkserinnerung noch irgendwelche bedeutsame geschichtliche Einzeltatsachen herauszufinden.

Heute sitzen die Dakka ziemlich arg verdrängt in den Tälern des Tschebschigebietes, vordem aber hatten sie ein bedeutenderes Vorland im Westen und Osten inne. In alter, alter Zeit hatte ihr Gangi, d. h. ihr König, seine Residenz in Jelu, einer Stadt, die bei den Dakka Dajella heißt. Von Dajella ward dann der Königssitz nach Sugu verlegt, das bei den Dakka Gassubi heißt, aber Jelu ist bis heute die Grenze zwischen Dakka und Tschamba geblieben. Noch heute ist der Herr von Jelu ein Sproß der Dakkafamilie, wenn er und seine Angehörigen auch die Tschambasprache angenommen haben. Die Könige von Jelu können bis in folgende Kette zurückgeführt werden:

Gang – Duguna,
Gang – Dsagana,
Gang – Djebena,
Gang – Sirena,
Gang – Taonte (heutiger Fürst).

Diese Reihe zählte mir der Jelufürst selbst her. Da nun in der Dakkasprache jedes auslautende »i« des Substantivs vom nachfolgenden Worte verschluckt wird, da demnach in dieser Reihe nach Battasprechweise Gang losgelöst vom Namen in Gangi umzusetzen wäre, so würden wir für die Könige von Jelu genau die Dakkabezeichnung Gangi für König erhalten, während König im Tschamba gleich Gara ist. Daraus ist zu ersehen, daß das Machtbereich der Dakka weitgehender anzusetzen ist, als man bislang auf den Karten annahm.

Die bedeutende Macht des Dakkakönigreiches ist längst verschwunden, gehörte auch schon lange, lange der Vergangenheit an, als die Fulbe dem Benuelande sich näherten. Wir können uns heute zunächst noch kein Bild der vorhistorischen Vorgänge machen, die den heutigen Zustand geschaffen haben. Aber so viel ist sicher, daß in alter Zeit Beziehungen geherrscht haben, die weit über den Rahmen der heutigen Sprachbegrenzungen herausgingen. In dieser Hinsicht mag auf folgende Analogiengruppe hingewiesen werden. König heißt in Dakka Gangi, bei Kirri Gange, im Mundang Gong. Die Beschneidung findet hier wie dort im Zusammenhange mit dem Absterben des Königs statt, die beiderorts mehr oder weniger klar gewaltsam in Perioden von sieben Jahren statthaben mußte. Wir haben in beiden Stämmen nicht nur echt äthiopische Stämme vor uns, die ausgesprochen klare Kulturelemente in diesem Sinne zeigen, die sogar in mancher Hinsicht im Religionswesen untereinander noch größere Analogien aufweisen als andere, sondern die auch in sozialreligiöser Hinsicht Erbschaftsreliquien aus einer gemeinsamen Machtperiode gerettet haben, die sehr bedeutungsvoll sind. – Im übrigen haben die Dakkaalten die Erinnerung an diese Zeit durchaus nicht wie eine solche an goldene Vergangenheit bewahrt, vielmehr erzählen sie, es wäre damals durchaus kriegerisch zugegangen und Königreich und Friede scheinen keine nähere Verbindung geschlossen zu haben, weder hier noch in irgend einer andern westäthiopischen Gegend, als z. B. dem Mossireiche.

Das Reich ist heute ganz zerfallen. Es gibt mehrere Gangi, und eine Gemeinde, die keinen Gangi hat, hat doch wenigstens einen Nissani. Das ist ein kleiner Dorfchef, dessen Amt zwar erblich ist, d. h. früher nicht war, aber im Laufe der Erschlaffung des Königszügels heute geworden ist.

Für die Könige besteht aber auch heute noch folgendes Gesetz: Gangi wird nie der Sohn des verstorbenen Königs, sondern meistens heißt dem Gesetze nach der Sohn seiner Schwester Gangi, wenn der Bruder des Königs nicht geschickt bei Zeiten die Macht an sich reißt. Also matriarchalische Gesetze. (Nur bei Kirri wird der Sohn König!) Und auch das erinnert uns wieder an die Mundang, denn dort ist es der Pulian, der Mutterbruder, der dem allzu Langlebigen am Ende der sieben Jahre das Lebenslicht ausbläst.

Am Hofe des großen Königs gab es vordem – und heute ahmen das die kleinen Könige nach – folgende drei Männer: erstens einen Gweri, der stets den Schultersack des Königs trug. In diesem, »Nerri« genannten Sacke aus Leopardenfell befanden sich auf einer Seite (wohl in einer Tasche) als Amulett Schnurrbarthaare vom Leoparden und Löwen; auf der andern aber Tabak zum Rauchen und Brei zum Speisen. Dieser Gweri, der erste Mann bei Hofe, war ein Schmied. Der zweite an Rang war der Kuni, der hatte immer die Tabakspfeife des Königs zu tragen. Diese war aus Gelbguß und wurde im Werrelande gekauft, denn die Dakka wußten solche Güsse nicht selbst herzustellen. Der Kuni war kein Schmied, und ebensowenig gehörte der dritte Hofmann, der Gwangabeni der Schmiedekaste an, dessen Aufgabe es war, dem Gangi das Bier zu reichen.

Diese drei Männer waren also immer mit dem Könige zusammen. Sie aßen mit ihm und tranken mit ihm. Sie besprachen mit ihm jede Sache, und wenn der König mit dem Volke sprechen wollte, so sprach er durch diese drei. Er selbst wurde eingeschlossen gehalten. Dieses war die weltliche Macht, die in alter Zeit über dem Dakkareiche herrschte. Sie ist nur noch kümmerlich erhalten. –

 

Kameni-Priester, Heiligtümer, Erntefeste. – Nun die geistliche Macht, die Priester.

Kameni ist der Titel des Mannes, der alle Heiligtümer, alle Djubi (in Kirri Jubi) unter sich hat. In jeder größeren oder kleineren Ortschaft gibt es immer nur einen Kameni, der stets eine hochbedeutsame Stellung im sozialen Leben einnimmt. Der Kameni hat meist ein sehr schönes Gehöft, bei dessen Bau oder Ausbesserung jedermann bereitwilligst mit Hand anlegt. Aber die eigentlichen Djubi sind nicht in diesem Wohngehöfte; sie befinden sich vielmehr im Djubuu, einem kleinen, wie es scheint manchmal sehr sorgfältig gebauten, zuweilen auch sehr liederlich unterhaltenen Lehmhäuschen, hinter dem Priestergehöfte. Und während im Priestergehöft durchaus nichts vom heiligen Gerät enthalten ist, birgt ein großer Topf eine umfangreiche Urne, die im Djubuu steht, alle Djubi. Diesen Djubuu kann man also durchaus als Tempelchen bezeichnen, als Allerheiligstes, in das allerdings nur die Kameni und seine priesterlichen Angestellten (seine Söhne) Eintritt haben.

Hier im Djubuu liegen nun die Dosi und die Langa. Diese beiden aber sind die einzigen heiligen Geräte, die das Volk als solches besitzt. Die Dosi bestehen aus einem eisernen Ring, an dem eiserne Glocken und eiserne Platten hängen. Sie gelten als Heiligstes, was das Volk überhaupt besitzt, und werden direkt als »Großväter« bezeichnet. Und das hat seinen guten Grund. Wenn nämlich ein Kameni stirbt und bestattet werden soll, stellt der Schmied alsbald eine eiserne Schelle her, die wird ihm mit in das Grab gegeben. Wenn man nun annimmt, daß die Leiche drunten im Grabgang verwest ist, öffnet man die Gruft, steigt hinab und nimmt die eiserne Schelle heraus. Sie wird mit Medizin gewaschen und andern Schellen der Dosi beigefügt. Die Dosi sind so heilig, daß das Volk um ihren Besitz kämpft.

Zum zweiten gehören zu den Djubi die Langa, die Schwirren. Es gibt Schwirren und Schwirrhölzer. Die Schwirreisen ruhen immer in der Urne. Ihre Anwesenheit schützt und fördert, auch ohne daß sie geschwungen werden. Sie werden nicht mit in die Grube des Kameni oder anderer Leute gelegt. Sie sind ganz einfach nur noch da aus alter Zeit. Nicht alle Djubuu scheinen Schwirreisen zu besitzen. – Dagegen werden die Schwirrhölzer an den entsprechenden heiligen Tagen geschwungen. Sie sind es, die die heiligen, weiberverscheuchenden Töne hervorbringen. – Wenn die Dosi gegeneinandergeschlagen und die Langa geschwungen werden, so sagt man, daß das die Stimme der Väter sei.

Die vornehmsten Obliegenheiten der Kameni sind die Abhaltung der Erntezeremonien, die an zwei verschiedenen Festtagen stattfinden, von denen der eine an den Beginn der Reife, der andere an den Beginn der Ernte gelegt wird.

Der erste der beiden Festtage heißt Kela und hat dem Monat, in dem er begangen wird, seinen Namen gegeben. Der Monat wird Sukela genannt. Er fällt nach unserer Zeitrechnung wohl ungefähr in den Anfang September. An diesem großen Tage hüllt der Kameni sich schon frühmorgens in ein weites Blättergewand, das aus grünen Zweigen zusammengesetzt ist und ihn von oben bis unten so vollkommen verhüllt, daß er fast wie ein wandelnder Busch aussieht. Zum gleichen Tage haben sich festlich vorbereitet vier alte Männer, vier Da-Kalomi, d. s. Greise und viele, viele kleine Knaben. Diese laufen immer hinter dem verhüllten Kameni mit seinen vier Alten her und schreien unentwegt »hu! hu! hu!«, und zwar das immer in den höchsten Tönen.

Die Prozession begibt sich hinaus zu den Farmen. Bei der ersten großen Farm wird haltgemacht. Der Kameni nimmt ein wenig Goo, d. i. Jams heraus. Er wickelt einen Teil davon in die Blätter des Boobaumes. Dieser Boo heißt bei den Haussa Gonda, bei den Fulbe Dukudje, bei Kanuri Gonogo, es ist einer der beiden, aus denen die Tschamba ihre Tauwafiguren machen. Seine Rinde gilt allenthalben als geschätztes Medikament und seine Früchte kann man genießen. Der Kameni scharrt also eine flache Erdvertiefung, legt von dem Jams und den Booblättern hinein und belastet das mit einem Steine. – Die Kirri erklären, daß dieses Opfer (vom Jams Maniok und Guineakorn in Lumiablättern [Haussa = Oroa]) Shie, der Erde, und Ka, den Verstorbenen (merkwürdigerweise bei Fulbe Kaka) geboten wurde, damit die Ka gutes Korn und reiche Ernte gewähren. –

Ist das Werk auf einer Farm vollendet, so zieht die Prozession zu einer anderen, vollführt die gleiche Zeremonie und bricht auf, die Farm einer dritten Familie mit gleicher Maßnahme zu bedenken. Die Prozession zieht von einer Farm zur andern, bis die Farmen aller Familien besucht sind. Dann wendet sie sich zum Heimweg. Von jeder Farm haben die Buben ein wenig Jams mitgenommen. Nun wallt der Zug zum Gehöft des Kameni, betritt dieses aber nicht, sondern sucht den dahinter gelegenen Platz auf, auf dem das Djubuu steht, in dem sich das heilige Gerät befindet. Die Djubi selbst treten heute nicht in Tätigkeit, denn in der Regenzeit sollen die heiligen Stimmen nicht ertönen und soll dann das heilige Gerät überhaupt nicht sein Haus verlassen. Der Priester betritt anscheinend nicht einmal den Tempel. Wohl aber wird nun der mitgebrachte Jams neben dem Tempelchen abgekocht. Mit der Speisung endet das Zeremonial dieses Tages. Ist der Jams gekocht, so genießt erst der Kameni selbst davon, das andere aber verteilt er dann an die vier Greise und die vielen kleinen Kinder, die ihn auf der Prozession begleiten, die aber – wie nochmals betont wird – nur Knaben sind und unter denen sich kein weibliches Wesen befinden darf.

Vor oder während der Speisung wird nicht gebetet, wohl aber verrichtet der Kameni auf jeder Farm, auf der er Jams und Booblätter unter den Stein legt, folgendes nicht uninteressantes Gebet: »Ich gebe diesen Jams allen Vätern und allen Großvätern und allen, die gestorben sind. Ich gebe diese Booblätter und diesen Stein der Erde. Möge alles Schlechte, was das Korn im Boden zurückhält, aus der Erde weggehen!«

Im übrigen tritt von diesem Tage an für jedes Familienleben ein sehr strenges Gesetz ein: zum ersten darf niemand etwas von den Feldern genießen, also die neue Frucht berühren. Fernerhin ist aber auch jeder Geschlechtsgenuß, jede sinnliche Annäherung von Frauen und Männern, Mädchen und Burschen aufs strengste verboten, und zwar ist legitime Hingabe wie illegitime ebenso verwerflich. Über den inneren Zusammenhang dieses Gesetzes mit der Einrichtung der Erntezeremonien waren meine Berichterstatter fast alle gleich unklar. Einer meinte, wenn trotz dieses Verbotes ein Mann den Beischlaf ausübe, so schade das dem Manne an sich nichts, für die Frau sei es aber durchaus schlecht; sie werde entweder das Bein brechen oder schwer erkranken oder so dergleichen. Nachher kam aber einer und sagte folgendes: Wenn eine Frau in dieser Zeit schwanger würde, so könne das Korn nicht gedeihen. – Ich glaube, daß hier ein selten heller Äthiopenkopf den Grundelementen dieser Anschauungswelten nähergekommen, als dies sonst zu erhoffen ist. Denn in unendlich konservativer Starrheit hat die stumpfsinnige Bauernmischung unserer Tage die Formen alten Ritus, erhalten, ohne aber dem inneren Sinne so viel Interesse widmen zu können, daß er davon leben und lebendig fortbestehen könne. Diese Sitten und Zeremonien sind versteinert, sind Knochengerüste ohne Muskelwerk, und nur selten hören wir eine so kluge sinnlich wahrscheinliche Darlegung und Erklärung wie den eben wiedergegebenen Satz meines alten Dakkafreundes.

Der Geschlechtsgenuß und die Genehmigung, von der neuen Saat zu genießen, werden erst wieder berechtigt, wenn die Kräfte, die in der Erde ruhen und wirken, ihr Werk vollendet haben, wenn die Ernte ganz reif ist. Und das wird mit einem zweiten Feste gefeiert, an dem die ganze Bevölkerung viel regeren Anteil nimmt.

Dies zweite Fest ist das Dja, das folgerichtig im Sudja, d. h. im Monat Dezember gefeiert wird. Dann ist nämlich alles Sorghum gemeiniglich zum Schnitte reif. Der Kameni setzt dann wieder den Tag fest und hüllt sich am frühen Morgen wieder in sein buschiges Blättergewand. Er bestellt wieder die vier Greise und versammelt wieder die vielen Knaben um sich. Wie beim ersten Feste zieht die ganze Prozession zu den Farmen hinaus, voran der belaubte Priester, hinterher die Knaben, die just wie damals ununterbrochen schreien. Auf der ersten Farm schneidet der Kameni dann einen reifen Stengel Sorghumkornes ab. Und so machen es die Burschen nach ihm auf den andern Farmen, so daß sie zuletzt mit einer guten Ladung, die von allen Farmen zusammengesammelt ist, in lärmender Prozession zur Ortschaft zurückkommen.

Im Gehöft des Kameni wird die Frucht ausgedroschen, und nachher begibt man sich wieder zum Djubuuplatze. Hier wird aus dem Korne Bier gekocht. Es ist eine große Menge, und für die vielen Leute benötigt man auch ein gut Teil. Der Kameni bringt auch die Opfertiere mit. Das sind vor allem ein ganz schwarzer Ziegenbock (= Win-wirrigi), dann ein gelber Hahn (= gwalum-dji). Mit diesen beiden betritt er das Djubuu, das Tempelchen. Drinnen tötet er beide Tiere, und zwar nicht durch Schnitt, sondern durch Erwürgen. Er vollführt das anscheinend allein im Innern; die andern bleiben draußen, aber während des Würgopfers spricht er ein lautes Gebet, das man auch draußen vernimmt und das etwa folgenden Wortlaut haben soll: »Ich töte diesen schwarzen Ziegenbock und diesen gelben Hahn für euch, daß niemand krank werde! Sorgt, daß alles gut gehe und daß alles gesund sei, während von dem neuen Korne gegessen wird.« Hierauf bringt er die beiden erwürgten Tiere hinaus, die vier Greise zerlegen sie nun. Dann wird auf dem Platze vor dem Djubuuplatz von der Prozessionsgesellschaft abgekocht. Sobald die Gerichte fertig sind, beginnt das Mahl, das der Kameni, die vier Alten und die Knaben miteinander teilen. Außerdem wird auch das Bier getrunken, das erste dieses Jahres, das vom Korn aller Farmen gebraut wird. Wenn das Mahl beendet ist, waschen sie sich insgesamt und gehen auseinander, ein jeder zu seiner Familie.

Wie schon gesagt, sollen während der ganzen Regenzeit bei den Dakka die Djubi nicht ihr Haus verlassen. Heute, am Abend des Djafestes, kommen sie nun zum ersten Male heraus. Lärmend verlassen sie unter Leitung des Kameni ihr Haus und ziehen auf einem Umwege zum Platze vor dem Hause des Königs. Hier dröhnen Dosi und Langa mit aller Macht. Sie danken dem Könige, daß er den schwarzen Bock und den gelben Hahn gestiftet hat (denn er hat ihre Opfergaben zu liefern). Von diesem Augenblick an, wo die Djubi vom Djubuuplatze aus ihre dröhnenden Stimmen erheben, beginnen Weiber und Kinder, den Kopf verhüllend, fortzurennen. Sie laufen in ihre Hütten, verschließen die Türe und verharren in weggebeugter Stellung, bis das Tosen die Stadt verlassen und am Djubuu ausgeklungen hat. Es herrscht eine große Furcht vor diesen Nachtstimmen. Fragen die Kinder am andern Tage nach ihrem Ursprünge, so sagt man ihnen, das sei der ganz alte Koko (= Großvater) gewesen, der gestern so herumgebrüllt habe.

Sobald dieses Fest begangen ist, darf jedermann von der neuen Ernte genießen und sich, soweit nicht andere Behinderungen vorliegen, der Liebe nach Laune hingeben.

Kann man dieses Fest also als eine Gemeindeveranstaltung bezeichnen, in der alle durch gemeinsame Feldfruchtgabe und -opferung vereinigt werden, so wird gleichzeitig ein Opfer dargebracht, das nur im Königshause gefeiert und Sulumi genannt wird. Dieses Sulumi ist eine Art Gottesgericht und findet in dem Zeitpunkte statt, wenn im Periodenbau sonst die Beschneidungszeit einsetzt. Es ist das Fest, dem eventuell der König zum Opfer fällt.

Das Sulumi ist eine Zeremonie, die einen Monat nach dem Dja im Banne des Königsgehöftes stattfindet und zu der sich der Gangi (der König), der Gpegange, d. i. der oberste der Gweri, der Schmied und der Kameni vereinigen. Im Gehöfte des Königs, und zwar in dessen Bierhause, hat der König zwei hölzerne Figuren, die Too genannt werden. Es sind eine weibliche und eine männliche Figur, eine tomi und ein tolumi. Es ist stets ein Paar und die Dakka sagen, sie seien genau von der gleichen Art wie die Tauwa der Tschamba, nur hätte bei den Tschamba eine jede Familie ein Tauwapaar; bei den Dakka besäße aber nur der König ein Toopaar, sonst niemand.

Zur Sulumizeremonie werden die Too also aus dem Bierhause geholt und vor dem Gehöfte, und zwar vor dem Torhause des Gangi aufgestellt. Alle drei, Gangi, Kameni und Gpegange, sind um die Figuren versammelt. Der Kameni kommt mit einer Kalebasse voll Wasser. Der Schmied spricht darauf zu dem Priester: »Ich war es, der diese Too gemacht hat. Ich also beauftrage dich, den Kameni, den König zu den Too sagen zu lassen, was er für richtig hält.« Darauf muß dann der Kameni dem Schmiede gehorchen (auch bei den Tschamba reicht der Oberpriester das Giftordal!); er hält dem Könige die Schale mit Wasser hin und der Gangi spricht vor den Too über oder auf der Wasserfläche in die Kalebasse: »Wenn ich, der Gangi, zu irgend jemand schlecht bin (oder gewesen bin?) und wenn ich gegen jemand ungerecht bin (oder gewesen bin?), dann mögen die Too mich strafen und töten. Wenn ich aber recht gehandelt habe, dann mögen die Too in Freundlichkeit das Wasser hinnehmen!« Wenn der König so gebetet hat, gießt der Kameni das Wasser vor den Too aus und spritzt danach die letzten, in der Kalebasse hängengebliebenen Tropfen auf den Kopf der beiden Figuren. Das ist die Sulumizeremonie, nach ihrer Vollziehung wandern die Figuren wieder für ein Jahr in das Bierhaus des Königs. –

 

Gottesgericht, Schmiede. – Dieses Sulumi ist also eine Art Gottesgericht für den König. Wir sehen auch hier wieder den echt äthiopischen Zug, daß der König durchaus nicht ein reiner Tyrann im orientalischen Sinne ist, daß er vielmehr dem Gerechtigkeitssinne unterworfen ist, so wie wir das schon von Herodot hören, wie die Mossi es üben, wie die Numu der alten Zeit in der Nacht des heiligen Gusses über den Mandekönigen richteten. Und diese Parallelität muß uns auch noch auffallen und unsere Aufmerksamkeit fesseln. Der Schmied fordert auch hier den König zum Selbstgericht vor den Werkzeugen seiner Hand heraus. So haben wir denn wieder einen jener großen Wesenszüge, die die äthiopische Kultur des Westens zwischen Schari und Senegal zu einer stempelt, wenn die einzelnen Varianten zunächst auch in hundert Farben zu schillern scheinen. Nachher werde ich auf die große Bedeutung der Schmiede im Legendenkreise der Dakka und Tschamba zu sprechen kommen.

Wie gesagt, wandern die beiden Too wieder an ihren üblichen Aufenthaltsort, d. i. das Bierhaus des Königs.

Toofiguren und Wuowuo. – Diesem Bierhause müssen wir das richtige Verständnis abgewinnen und ihm eine eingehende Beschreibung zuteil werden lassen, zumal wir es nicht nur in der fürstlichen Behausung, sondern auch bei Vornehmen finden. – Es führt den Namen Wuowuo und liegt, wenn man das Gehöft durch das Torhaus betritt, stets an der rechten Seite. Man kann nicht direkt hineinsehen oder hineingehen. Es ist stets eine Art Sekkozaun davor, in den ein bogenförmiger Eingang geschnitten ist, der durch Ruten versteifte Rahmung hat. Dieser Sekkoeingang heißt Jago. Ein schmaler Raum trennt den Jagobogen vom Wuowuo. In diesem weilt der Hausherr häufig. Es ist ein echtes Männerhaus, welches eine Frau niemals betreten darf. Es geht hier nicht etwa besonders mystisch zu, aber die männliche Exklusivität findet hier ihren bezeichnendsten Ausdruck. Wenn die Männer hier sich abends zum Trunk vereinigen, können sie sicher sein, daß kein Weib ihre Behaglichkeit stört. Hier hat jeder Familienvater auch seinen heiligen Kram. Hier wird z. B. auch das Juptege in einem Topfe aufbewahrt. Vor allen Dingen stecken im Königsgehöft aber die heiligen Geräte, die zum Sulumi herausgebracht werden. Vor den beiden heiligen Toofiguren befindet sich die männliche stets an der rechten, die weibliche immer an der linken Seite über der Mauer im Dach festgesteckt. Das entspricht der Auffassung, daß die rechte Seite Männer-, die andere Weiberseite ist. Aber das ist nirgends konsequent durchgeführt. Die Paarfiguren der Muntschi, Dakka und Tschamba haben alle eines gemeinsam: die männliche Type ist stets durch spitzen Auslauf, die weibliche durch flachen Abschnitt ausgezeichnet. Es ist auffallend, daß alle diese Stämme auf diese Kopfausbildung so großes Gewicht legen und lediglich damit die Geschlechtszugehörigkeit andeuten, die Geschlechtsteile selbst dagegen so gut wie gänzlich vernachlässigen. Es ist sehr selten, daß man einmal hier oder da eine Geschlechtscharakteristik findet. Und doch sind sie wieder in bezug auf die Paarstellung sehr wenig konsequent. Manchmal steht die Frau rechts, manchmal links. Einige dieser Figuren werden übrigens gleich aus einem Stücke geschnitzt. Sie stehen dann paarweise auf einem Sockel. Und das gemahnt dann noch mehr an die Paarfiguren, die auf den Deckelschalen der Tombo- und der Homburistämme stehen.

Noch mehr werden wir aber an diesen Formen-und Gedankenkreis des Westens erinnert, wenn wir das Beiwerk sehen, das diesen Toofiguren beigegeben ist. Es besteht in eisernem Gerät. Da ist vor allen Dingen Wo oder Wuo (einmal gab ein Mann die Bezeichnung Wosomi), das ist ein Eisen in Schlangenform, das heißt ein in Schlangenwindungen gebogenes Eisen. Es soll aber keine Schlange sein, sondern der Blitz. Ferner sind da Torsum und Rumssereni, Eisenstäbe, die zirka zwei Fuß lang und nach oben in eine Lanzenspitzenform ausgehämmert sind. Rumssereni hat jederseits unter dem lanzettlichen Blatt eine nach oben geführte Spirale, über die lange Schelleneisen gehängt sind. Torsum unterscheidet sich von Rumssereni dadurch, daß es diese Schellenspirale nur an einer Seite hat. Alle diese Eisengeräte werden zum Sulumi mit aus dem Wuowuo vor das Gehöft gebracht und rund um die Too in die Erde gesteckt. Sie erinnern jedenfalls ungemein an die gleichen Geräte bei andern Völkern. Besonders wichtig scheint mir die Analogie mit dem Kultus der Tim. Diese haben auch die Paarfiguren und dazugehörig die Eisenschlangen und Eisenrasselstäbe, die so ungemein an die Ossenji der Joruben erinnern. Ja, ich erinnere mich an Timfiguren, die auf dem Rücken mit einer Schlange geziert waren.

Die eiserne Blitzschlange erinnert aber daran, daß auch der Donnergott Schango hie und da in Tempeldarstellungen schlangenförmige Blitze hat, daß dieser Too aber außer Mehl und Bier hier bei Dakka nur einen roten Hahn, überall in diesen Gebieten Symbole der Schmiede und des Feuers (siehe Durru) geopfert werden darf. – Und darin scheinen alle Dakkastämme einig, wenn sie auch sonst im Kultus nicht unwesentliche Varianten zeigen.

Verschiedentlich hörte ich, daß die Too bei den Dakka als uralte Vorfahren des Königs angesehen werden.

Die Kirri nun, um auf diesen Südstamm zu sprechen zu kommen, haben diese Einrichtung der Paarfiguren im Königsbesitze anscheinend nicht, wohl aber konnte ich eine andere ausfindig machen, die mir in höchstem Grade bemerkenswert, und zwar bemerkenswert zur Analogie und zur Eisenausstattung der Too, scheint.

Der König (= Gjang) der Kirri besitzt eine Holzfigur männlichen Geschlechtes, die heißt: Wuo. (Wuo heißt in Kirri: Blitz.) Vor der liegt ein Stäbchen mit Muscheln = Tiksi und ein Wurfmesser aus dem Logonegebiete, im vorliegenden Falle Wuo-ssien, d. h. Speer der Wuo genannt. Diese Dinge repräsentieren gewissermaßen den Donnergott der Kirri, mit dem lediglich der Häuptling Beziehung pflegt, weshalb dieser das Gottesbildnis auch an einem geheimnisvollen Orte verborgen hält. Im allgemeinen erhält diese Gottheit auch nur ein Opfer, und zwar dies am Beginne der Regenzeit. Es besteht in Bier und Kornspeisen, die in Blätter gehüllt sind. Wenn solche Gabe dargebracht wird, sagt der königliche Spender: »Mein Großvater, iß du das Korn, ehe noch ein anderer davon genießt.« Zu dieser Figur gehören dann noch die Ssu, das sind Blasekalebassen, die ihr während des Opfers zu Füßen gelegt, nachher aber, wenn die Männer draußen beim festlichen Umtrunk sitzen, im Hause geblasen werden. Die Frauen können sie dann hören, nie aber sehen. Sowie die Frauen sie sehen würden, würde alle Fruchtbarkeit von den Feldern und aus den Familien verschwinden.

Sehr wichtig aber ist, daß diese Figur auch dem Schwure gilt. Wenn eine kritische Situation eintritt, so muß der Angeklagte vor der Figur niedersitzen, muß das Wurfeisen anfassen und sagen: »Wenn ich das getan habe, soll mich der Blitz totschlagen!« Man nimmt an, daß das Wurfeisen den Falschschwörenden tötet. Wichtig ist, daß in älterer Zeit auch der König schwören mußte, wenn er etwas Schlechtes getan habe, solle ihn der Blitz treffen. In welchem Zeitpunkt des Jahres dieser Schwur abgelegt wurde, konnte ich nicht mehr feststellen, jedenfalls stimmt er ganz genau mit dem entsprechenden Eidschwur überein, den der Nagajarenkönig von den Too ablegen mußte.

Und so sehen wir vielfache Verknüpfung. Die Nagajare bezeichnen das heilige Haus, das die Toofiguren birgt, als Wuowuo, die Eisenblitzschlange als Wuo; hier heißt die Figur Wuo und das von weither gekommene Wurfeisen Wuo-ssien, also als des Donnergottes Waffe, die sonst der Blitz, die eiserne Blitzschlange, und bei andern Völkern der Donnerkeil ist. Beiderseits der Eidschwur! Die Fäden verlaufen hier so ungestört parallel, daß das Gewebe einst wiederhergestellt werden kann.

Im übrigen hat der Kameni bei Beschneidung und Begräbnis mitzuwirken – in welcher Weise, soll im nachfolgenden geschildert werden. Dagegen hat er mit Geburt, Heirat und auch dem Regenzauber nichts zu tun. Das sind eben Angelegenheiten, die absolut privatfamiliärer Natur sind oder aber – wie z. B. der Regenzauber – hier mit der Erde, und zwar der gemeinsamen Erde nichts zu tun haben. Mir scheint das Tätigkeitsgebiet des Kameni außergewöhnlich klar begrenzt.

 

Priester und Priestertätigkeit. – Nun noch einige Anmerkungen über die entsprechenden Einrichtungen und Sitten der Kirri. Bei diesen heißt der Priester trotz aller, sonstigen linguistischen Übereinstimmung nicht Kameni, sondern Djakonsu oder Djakomsu. Fernerhin besitzen die Kirri unter den heiligen Geräten nicht die Langa, die Schwirren. Ihre Stelle wird durch ein Kalebassenblasinstrument, ein Ssu, eingenommen. Das Schellengeläute = Dosa ist vorhanden.

Für die Dosa verrichtet der Djakomsu in jedem Jahre, vor der Ernte, also Anfang November, ein Opferfest. Der Djakomsu geht mit einem schwarzen Ziegenbocke (= Djinjuga) in den Busch, in dem der heilige Subiplatz liegt. Dort sind die Dosa in einem geschlossenen Topfe aufbewahrt. Der Djakomsu betritt mit den alten Leuten den Platz, nimmt die Dosa heraus und betet: »Hier bringe ich dir ein Geschenk. Bringe allen Leuten Glück! Sorge, daß keine Krankheit eintrete.« Danach wird der schwarze Bock getötet, zubereitet und vom Djakomsu verspeist. Das ist das wichtigste Fest für die Dosa. Dieselben werden nicht wie bei den Nagajare mit dem Priester begraben, sondern einfach auf den Sohn fortvererbt, der nach dem Tode seines Vaters traditionell Djakomsu wird.

Die nächste Opferung, die der Djakomsu zeitgemäß vorzunehmen hat, ist die vor den Königstoo, die vorher besprochen wurde, und daran schließt sich dann, wenn das Jahr gerade entsprechend liegt, die Beschneidung der Burschen. Die Kirri pflegen auch wie andere Völker dieser Gegenden die Beschneidung nur alle sieben Jahre vorzunehmen. Die Kirri geben an, daß die Beschneidung bei ihnen nichts mit dem Tode des Königs (= Gjang) zu tun habe. Dieser gibt jedes siebente Jahr mit dem Zeichen seiner Macht, dem Speer (= Samiagi), die Zustimmung dazu.

Und doch besteht ein vielleicht nicht ganz zufälliger Zusammenhang zwischen Königtum und Beschneidung. Jedem regierenden König ist es strengstens untersagt, Leoparden (= djue) zu töten oder von ihrem Fleische zu genießen. Wuo selber wacht über der Innehaltung des Gebotes. Anderseits führt der Djakomsu auch hier wieder die Operation in seinem Kleide aus, das nun vollständig eine Vermummung im Leopardenfell darstellt. Ja, es soll sogar vorkommen, daß, wie bei den Nagajare, die Messer in einer Leopardentatze aufbewahrt werden, was um so bedeutungsvoller scheint, wenn man auch gelegentlich hören kann: »Wenn ein Bursch in der Beschneidungszeit stirbt, sagt man nachher der Mutter, ein Leopard habe ihn getötet.« Ich glaube, schönere Zusammenhänge kann man sich nicht wünschen. –

Im übrigen verrichtet der Djakomsu allgemein gesagt dieselben Zeremonien und Opfer wie der Kameni, wenn ihm auch z. B. bei der Dosabeopferung und Begießung mit Bier (= Sim) der Kunzie genannte Unterpriester hilft. Wie bei andern Stämmen liegt in seiner Hand auch das Reifezeremonial, und dessen genußeinschränkende Bedeutung erstreckt sich auch hier auf eine eheliche Enthaltsamkeit und das Sorghum, aber auf keine andern Feldfrüchte.

Der Djakomsu hat aber bei den Kirri noch eine Opferzeremonie auszuführen, die die Nagajare nicht pflegen. Wenn kein genügender Regen fällt und in der Saatzeit Gefahr im Anzüge ist, dann begibt sich der Djakomsu mit gewissen Blättern, Mehl und Wasser hinaus auf einen Kreuzweg (= honuo), legt die Blätter hin, mischt darauf das Mehl mit Wasser und betet: »Dieses Geschenk hier bringe ich, damit es regne. Laßt es regnen, denn dieses Korn vertrocknet in der Erde.« – An wen das Gebet im Speziellen gerichtet ist, konnte ich nicht feststellen, aber sicher ist, daß man an seine Wirkung glaubt.

Wichtig ist, daß die Blätter, die auf dem Kreuzwege unter das Mehl gelegt werden müssen, Blätter vom Baume Luom sein müssen. Dieser Luom heißt bei den Kanuri Runo, bei den Fulbe = Nunudje, in Joruba = Egba, bei den Haussa = Doroa, in Nupe = Ellu. Dieser Baum hat eine längliche Frucht, deren zahlreiche Kerne von Kindern und Erwachsenen gern genossen werden. Es ist die berühmte Sumbala der Mande. Das Wichtigste nun ist, daß die Priester der Dakka nicht nur ihre Opfergabe in Blättern vom Luom (Kirri) oder Lomi (Nagajare) darbringen, sondern daß der Genuß dieser Frucht auch ihr Speise verbot darstellt. Deshalb sind sie alle von einer Familie, die dem verbotenen Baum entsprechend bei Kirri Ljekuna, bei Nagajare Longkumi heißen.

 

Königstod, Beschneidung. – Nun werden wir die merkwürdigste Sitten- und Anschauungsverknüpfung kennenlernen, die das Religionssystem dieser Dakka bietet und die in ihrer Art eine wunderbare Analogie zu ähnlichen Erscheinungen bei den Lakka aufweist.

Man sagt, im allgemeinen fände Jereni, die Beschneidung, nur alle sieben Jahre nach der Begehung des Sulumi statt, und zwar fügten meine Berichterstatter erklärend hinzu: In alter, alter Zeit hätten die Dakka die Beschneidung alle drei Jahre abgehalten; da aber starben die Könige zu schnell, nämlich auch alle drei Jahre; denn das Blut, das bei der Beschneidung fließe, töte die Könige und flösse ihrem Leben nach. Um nun zu verhindern, daß die Könige so oft stürben, hätten sie die Periode der Beschneidungszeiten auf sieben Jahre festgesetzt. Daher stürbe jetzt der größte Teil aller Könige alle sieben Jahre. Wenn er nicht nach sieben Jahren stürbe, so müsse er vor dem fünfzehnten Jahre seiner Regierung sterben – denn nach sieben Jahren würde ja wieder ein Beschneidungsfest abgehalten, und mehr als eine Beschneidungsperiode und deren Blutfluß könne kein König überleben. Soweit die erste direkte Erklärung. Ich werde aber sogleich zeigen können, daß die Beschneidung als Sitte und Opferart noch bedeutend enger mit dem Königswohl, dem Königstode und der Königswahl zusammenhängt. Verfolgen wir aber erst den Weg des toten Königs.

Wenn ein König der Dakka stirbt, was meistens nach dem Sukumizeitpunkt stattfindet, verheimlicht man das dem Volke zunächst so peinlich wie möglich, und wenn es trotzdem Außenstehende merken sollten, so haben auch sie die Pflicht, die Tatsache nicht zu besprechen oder irgendwie von ihr merklich Kenntnis zu nehmen. Nur die Familie, der Schmied und der Kameni wissen darum und erledigen alles. Schmied und Priester bereiten erst die Leiche, dann wickeln sie sie in die bekannten breiten Stoffbänder, die man hier Jagessi nennt und die die Dakka angeblich von den Koma oder Werre kaufen. Darauf schaffen sie bei Nacht den Leichnam heimlich dahin, wo alle Könige nebeneinander begraben liegen, jeder in seinem eigenen Grabe, aber alle auf gleicher Fläche. Jedes Grab ist eine tiefe Grube, von deren Sohle ein Kanal nach Sonnenaufgang verläuft. In diesen Kanal lagert man den Leichnam, und zwar auf seine linke Seite, die linke Hand unter der linken Wange, die rechte Hand oben herüberfallend. Sein Antlitz wird dabei nach Süden gewendet, so daß die Füße also dem Kanalausgange nach Westen zu Platz finden. An sein Kopfende kommt ein Sack mit schwarzem Eingeborenensalz aus Pflanzen- oder Düngerasche gelaugt. Mehr gibt man dem Herrscher nicht mit. – Die Schachtöffnung wird hierauf mit einem flachen Stein geschlossen und hierüber ein großer Topf gestülpt, der von allen Seiten durch Erdverkleisterung fest mit dem Boden verkittet wird, damit kein Wasser hineinrinnen und unten eine Zerstörung anrichten könne. Sollte später trotz aller Vorsicht dennoch das Grab einstürzen, so wird ein schwarzer Schafbock (Tomsulum = wirgi) darüber geopfert. Sein Blut muß hinabtropfen, und dann wird das Grab repariert. –

Nachdem nun der König gestorben und in aller Heimlichkeit begraben ist, geht man sogleich daran, in größerer Menge Bier zu brauen, das drei Tage nach dem Tode des Königs fertig sein muß. Während dieser dreier Tage wird das Geheimnis aber strengstens gewahrt. Um den Volksbetrug aufrechtzuerhalten, setzt der Kameni irgendeinen alten Mann in die Hütte, dahin, wo sonst der König zu hocken und Besuche zu empfangen gewöhnt war. Er sitzt da zusammengekauert und vornübergebeugt, so daß man ihn nicht erkennen kann und man wohl glauben könne, der König sitze da in etwas nachdenklicher Stellung und fühle sich nicht recht wohl. Da nun aber die großen Könige der Dakka vordem überhaupt nicht mit dem Volke zu sprechen pflegten, so braucht es ja auch nicht aufzufallen, wenn der König in diesen Tagen offenkundigen Mißbefindens ganz gleichgültig dahockt. Soweit die Schilderung des Königsvertreters nach den Angaben meiner Berichterstatter.

Drei Tage nach dem Königstode ist nun aber das frisch gebraute Bier fertig. Da ruft der Kameni alles Volk zusammen und verkündet, daß der Gangi gestorben sei. Alle Welt schreit auf. Wehklagen verbreitet sich über die Dörfer und Farmgehöfte. Soweit die Kunde dringt, schneiden Männer und Weiber die Haare und nachts dröhnen die heiligen Schellen und Schwirren durch die Luft – was sich bei Totenfesten nur gelegentlich des Hinscheidens des Gangi oder des Kameni ereignet, sonst aber für keinen Sterblichen.

Am andern Tage ist dann aber ein bedeutsames Fest. Nun wird das Bier hervorgeholt, das nach dem Ableben des Königs gebraut ward. Jeder, der nur ein wenig bedeutet, kommt herzu. Alles trinkt von dem königlichen Leichenbier. Zwischen den zechenden Leidtragenden sind aber auch die Kinder, die Söhne der Schwester des verstorbenen Königs – also dessen Neffen –, anwesend, und unter diesen befindet sich der zukünftige König. Auch der Kameni ist anwesend. In seiner Tasche oder im Lendenbehang trägt er ein bestimmtes Blatt bei sich. Es ist ein Blatt vom Guschinobaume, den die Fulbe Katkatki und die Haussa Schiwaka nennen. Die Blätter dieses Baumes sind bitter und werden häufig als Medizin für kranke Pferde verwendet. Also ein solches Blatt trägt der Kameni bei sich und damit geht er zwischen den Zechenden hin. Kommt er nun am ältesten Neffen (Schwestersohn) des Verstorbenen vorbei, so zieht er unversehens das Blatt heraus und steckt es jenem vorn in den Schurzbehang (vorderer Schurzbehang: Ische = benani, hinterer Schurzbehang: Ische = dunani), und zwar derart, daß es allen sichtbar ist. Diese Anheftung des Blattes durch den Kameni ist gleichbedeutend mit der Königswahl. Sowie das Volk das Blatt wahrnimmt, beginnt ein allgemeiner Jubel. Die Frauen kreischen. Die Männer umdrängen den zukünftigen Gangi. Dann wird an Essen und Bier herangebracht, was irgend aufzutreiben ist, und die Zecherei wird so lange fortgesetzt, wie der Stoff reicht.

Nun aber kommt das seltsame Bindeglied in diesem merkwürdigen Sitten- und Anschauungsaufbau: Nachdem der alte König gestorben und der neue erwählt ward, muß erst eine Beschneidung der Burschen stattfinden, ehe der neue König wirklich anerkannt wird. Nun sind sich meine Berichterstatter darin vollkommen einig gewesen, daß erstens das Beschneidungsfest nur alle sieben Jahre stattgefunden hat, und daß jeder König vordem stets wenige Tage vor dem Ablauf der Sieben-Jahre-Periode und vor dem Beginn einer neuen Beschneidungszeit »gestorben« ist! Also können wir, in Anbetracht, daß wir das Beispiel der Mundang vor Augen haben, ganz folgerichtig annehmen, daß jeder König, wenn ihn nicht eine höhere Gewalt abrief, kurz vor dem Ablaufe einer Interkonzisionszeit ums Leben gebracht wurde. – Diese Annahme oder Schlußfolgerung wird noch dadurch bekräftigt, daß jedes Beschneidungsfest unbedingt für ein Opfer gilt, das dem verstorbenen Könige dargebracht wird. Die Dakka sprechen direkt aus, daß alles Blut, das bei der Beschneidung fließt, dem letztverstorbenen Könige zufließe. Und deshalb, so erklären sie, kann der neue König auch noch gar nicht richtiger König sein, ehe nicht das Beschneidungsfest für den verstorbenen König vonstatten gegangen wäre. Würde er schon vorher als richtiger König angesehen, so sagte ein Dakka, würde er wahrscheinlich während des Beschneidungsfestes sterben!

Also sendet der Kameni in alle umliegenden Ortschaften die Nachricht, daß der Zeitpunkt gekommen sei, die Buben und Burschen zu einer Beschneidungsfeier zusammenzubringen. Und nun kommt alles zusammen, was beschnitten werden kann, will und soll, und das sind ganz kleine Kinder und größere halberwachsene Menschen. Der Kameni, der alledem vorsteht und zu allen Nebendiensten seine eigene Familie verwendet, läßt demnach im Norden und in entsprechender Entfernung von der Ortschaft von seinen Söhnen einen größeren Platz säubern, auf dem alle zusammenkommen. Die Kinder werden von ihren Vätern und Müttern begleitet, die ihnen die nötige Beihilfe zuteil werden lassen.

Die Operation findet dicht neben einem Wasser statt. Der Kameni gibt sich dazu ein möglichst fürchterliches Aussehen. Er ist über und über rot bemalt und trägt auf dem Kopfe ein Leopardenfell. Diese Staffage ist, nach fester Behauptung der Dakka, nur dazu da, die Burschen möglichst zu erschrecken, und soll weiter keine Bedeutung haben. Wir denken aber unwillkürlich daran, daß auch die Mundangbeschneider so gekleidet sind und daß auch bei den Beschneidungsmeistern der Tschamba die Operationsinstrumente in einer Leopardenklaue auf der Brust hängen – wir denken daran, daß die Fürsten dieser Stämme meist den Leoparden oder Löwen zum heiligen Tiere haben, daß die Beschneidung hier bei den Dakka ausgesprochen und bei den Mundang schlußfolgerungsgemäß vordem oder heute als Opfer für den verstorbenen König aus diesem Raubtiergeschlechte galt. Wir denken unwillkürlich an alle diese Zusammenhänge und fragen uns, ob diese Sitte lediglich zum Erschrecken erstand und nicht vielleicht als eine tiefer empfundene Beziehung zu mythologisch-sozialem Wesensglied. –

Der schauerlich ausstaffierte Kameni steht also nahe dem Wasser und läßt sich einen Burschen und Buben nach dem andern vorführen. Er löst mit schnellem Schnitt ein Præputium (Pannguu) nach dem andern ab und wirft es in eine zu diesem Zwecke ausgehobene Grube, die nach Aufnahme aller Operationsobjekte wieder zugeschüttet wird. Die ersten, die der Operation unterworfen werden, sind die eigenen Söhne des Kameni. Jeder Bursche muß den Schnitt im Stehen und in leicht hintenübergebeugter Haltung an sich vollziehen lassen. Vater und Bruder halten ihn. Er darf auf keinen Fall schreien oder strampeln. Das würde eine große Schande über ihn bringen und unendlicher Hohn der Altersgenossen würde ihn noch lange verfolgen. Wenn der Schnitt erfolgt ist, eilt der Operierte ins Wasser, um die Wunde zu kühlen und das Blut abrinnen zu lassen. Nachher wird er von den älteren Söhnen des Kameni, die diesem assistieren, verbunden.

An diesem Abend ertönen weit in die Nacht hinein die Langa und die Dosi oder Doschi. Darob verbreitet sich im Lager der Beschneidungszöglinge große Angst. Sie hocken in ihren Hütten, beugen sich weit nach unten, damit kein Blick nach oben sie irgendeinem unheimlichen Geiste der Luft preisgäbe, und verstecken sich in ihrem Blätterkleide. Wird anderntages irgendeine schüchterne Frage laut, so erfolgt die Antwort: »Das waren die Koko (die alten Großväter), die schrieen.« Die Burschen werden auch während der ganzen, zwei Monate dauernden Zeit nicht in die Mysterien der Djubi eingeführt. Das findet erst ein Jahr, nachdem sie die Beschneidung über sich haben ergehen lassen müssen, statt.

Während der zwei Buschmonate sind die Burschen in Blätterkleider gehüllt, die angeblich ihren ganzen Körper bedecken. Aber an dem Tage, an dem sie zu den übrigen im Dorfe zurückkehren, legen sie diese Kleidung ab. Der Vater bringt ihnen aus der Ortschaft einen neuen, hübschen Vorder- und Hinterschurz, und in dieser Gewandung ziehen sie dann wieder zusammen aus dem Busch in die Heimat zurück. Während der ganzen Zeit ihres Lagerlebens durften sie kein weibliches Wesen sehen, durfte sich ihnen kein weibliches Wesen nahen. Die Speise wurde von den Müttern nur in entsprechende Nähe gebracht und dann von den Vätern oder Brüdern abgeholt. Heute sehen sich nun also Mütter und Söhne, Schwestern und Brüder wieder, und die Weiber geben ihrer Freude gellenden Ausdruck.

Alles zieht zunächst auf den Platz vor dem Königsgehöft. Es ist vorsorglich Bier und allerhand gute Speise bereitet worden. Die Schlemmerei ist eine allgemeine. Nach einem großen Tanze erfolgt der Umtrunk, wieder Tanz usw. Wenn nun aber ein Bursche im Busch starb und die Mutter unter der fröhlichen Gesellschaft ihr Kind vergeblich sucht, so gibt man ihr die niederdrückende Antwort: »Djubi-gani«, das heißt: »Die Djubi haben ihn gegessen.« Diese Antwort aber ist klassisch wertvoll. Ich erinnere daran, was schon der alte Dapper über die Beschneidungszeremonien der Belli in Liberia erzählte, was ich dazu bei Gersse und Tomma usw. erfuhr, was man mir in Nupe sagte. Man spricht hier nur davon, daß ihn der Stammes-, der Ahnengeist verzehrte, man sagt nicht, daß die Wiederkehrenden die Wiedergeborenen sind, aber die Idee liegt in ihrer Projektion auf der gleichen Ebene. Sie ist hier nur nicht zu Ende gedacht.

Sobald dieses Fest begangen ist, gilt der neue König wirklich als bestätigter Herrscher, dem eine Regierungsdauer von sieben Jahren bevorsteht. –

 

Verehelichung, Schmiede, Kinder. – Wir sind es gewöhnt, von den äthiopischen Stämmen Nordkameruns wie von denen Nordtogos zu hören, daß der beschnittene Bursch heimkehrend eine als berechtigt geltende Liebschaft eingeht, die dann häufig und meist in die Ehe auszulaufen pflegt. Die Dakka Nagajare sind eine der seltenen Völkerschaften, bei denen das nicht zutrifft. Die Jugendliebe ist hier illegitim. Dagegen ist sie bei den Kirri üblich und heißt dort Juan, Der Bursche nennt das Mädchen Nogum, dieses den Burschen Lolum. Die Dakka kennen nur den kurz besonnenen Sprung in die Ehe und geben keinem Anlauf Raum.

Nur ein Beschnittener kann heiraten. Das scheint die einzige Vorbedingung der Ehe. Es ist sicher kein Zufall, daß gerade hier, wo die Jugendliebe fehlt, die Verehelichung um ein Bedeutendes vereinfacht ist gegenüber jenen Stämmen, bei denen die Burschen erst eine Zeitlang mit ihren Mädchen legitim in freier Liebe leben dürfen. Ja, ich gewinne sogar den Eindruck, als ob hier gar nicht etwa die Jugendliebschaft aus dem Leben der Burschen ausgeschaltet ist, sondern als ob die Verehelichung der Dakka der Liebschaftsanknüpfung der andern Stämme entspreche, also bei ihnen die Ehe weiter nichts sei als eine zur Dauer erhobene Jugendliebschaft – daß also demnach bei den Dakka nicht etwa die Jugendliebe mit ihrer wunderlichen Form der Probenächte, sondern die Erwerbung des Besitzrechtes an die Frau durch Zahlung, alias »echte« Verehelichung fehle. Ob das ein älterer archaistischer oder ein jüngerer durch Sittenverlust entstandener Zustand ist, will ich dahingestellt sein lassen. – Die Sache geht nämlich in folgender Weise vor sich:

Der Bursche und das Mädchen sprechen zunächst miteinander über die Möglichkeit einer Verehelichung. Niemand wird zu Rate gezogen weder von ihrer noch von seiner Seite. Sind sie sich einig, so geht der Bursche eines Tages mit einigen Freunden in das Gehöft des Vaters der Braut, und da wird diese denn eingefangen und in das Haus geschleppt, in dem der Bursche auf seines Vaters Grund und Boden wohnt. Dabei strampelt und wehrt sich das Mädchen durchaus nicht. Sie geht willig mit und es scheint, daß ihre Angehörigen kein Recht irgendeines Einspruchs besitzen. Daß dieses eine Brautraubsitte, wenn auch eine um das Heulen und Zähnefletschen beschnittene Variante derselben ist, daß hier überhaupt keine Besitzergreifungsform durch Kauf vorliegt, geht nicht nur daraus hervor, daß die Genehmigung der Brauteltern verschmäht wird, sondern auch aus der Kümmerlichkeit der Geschenke und daraus, daß die Braut überhaupt keine Aussteuer mit in das Haus ihres Gatten bringt.

Sowie der Bursch seine Braut im Hause hat, sendet er dem Schwiegervater fünf Hühner und eine Ziege. Das ist alles. Er ist auch in keiner Weise weder vor noch nach der Verehelichung gezwungen, auf den Farmen des Schwiegervaters zu arbeiten. Wenn er an großen Arbeitstagen, wenn der Schwiegervater viel Bier gebraut hat und alle Leute zum Biertrinken und Mitarbeiten zusammenruft, auch hingeht und trinkt und arbeitet, so tut er das eben wie jeder andere Bursche des Dorfes, der für ein gutes Freibier schon gern einmal auf dem Acker eines Großbauern in fröhlicher Gemeinschaft arbeitet. Aber er tut das nicht etwa als Schwiegersohn. – Nachdem der Bursche seine fünf Hühner und eine Ziege abgeliefert hat, erfolgt anstandslos die eheliche Verbindung. Die Stellung ist die echt äthiopische, d. h. der Mann hockt hin, legt das Weib vor sich auf den Boden und schlingt dessen Beine um seine Lenden. (Beschlafen = Læneni, Penis = quani, Skrotum = derre, Vagina = dori, Klitoris = dormiri.) Ein reichlicher Blutfluß in der Hochzeitsnacht als Zeichen weiblicher Unberührtheit ist erwünscht, und wenn er dem jungen Ehemanne genügend erscheint, sendet er dem Schwiegervater ein Huhn. – Damit ist alles erledigt. Weiteres Aufheben macht man von der Verehelichung nicht.

Nun kann sich jedoch nicht jeder Bursche mit jedem Mädchen ehelich verbinden. Es herrscht streng totemistische Exogamie. Man unterscheidet im Dakkalande fünf verschiedene Sippen (= kuni), und zwar sind dies unter gleichzeitiger Aufzählung des Speiseverbotes folgende:

1. Gan-kuni (Königssippe), ißt nicht Njiki = Löwe und Gwe = Leopard.

2. Kongla-kuni, ißt nicht Kongla, den Elefanten.

3. Fed-kuni, ißt nicht jerri, den Büffel.

4. Gin-kuni, ißt nicht gingi, d. i. Adja (panicum).

5. (G)bae-kuni, die Schmiedesippen, die alles essen (siehe unten).

6. Long-kuni, die vornehme Sippe der Priester (Karemi, siehe oben).

 

Totemistische Sippe. – Bei den Kirri wurden mir als totemistische Sippen unter andern folgende aufgezählt:

1. Gank-una, die Sippe der Fürsten, deren regierende Mitglieder den Leopard weder töten noch von seinem Fleische genießen. Sie haben in früherer Zeit angeblich das Gebot befolgt, alle oberen Schneidezähne zu spitzen, das heute aber von ihnen wie andern Stammesgliedern der Laune entsprechend durchgeführt wird.

2. Tua-kuna, der die Schmiede angehören, von deren Speiseverbot ich nichts erfuhr.

3. Gua-kuna, die den Alligator = Cuarum nicht genießen.

4. Lje-kuna, der Sippe der Djakomsu (siehe vorher).

Das Tier oder Gewächs, das eine Sippe nicht ißt – man sieht, drei von ihnen haben danach direkt ihren Namen –, wird als girenni bezeichnet. Leute mit gleichem girenni können einander nicht heiraten. Außerdem heiraten die ersten vier Sippen zwar alle durcheinander, nie aber mit Schmiedesippen, über die wir dann noch besonders zu sprechen haben. Das Speiseverbot wird durchweg mit der Abstammung oder einer Urverehelichung in Verbindung gebracht, und zwar ward mir als ausdrücklich beweisendes Material folgende wertvolle Legende erzählt, die den Ursprung des Jed-kuni und ihres Speiseverbotes erklären soll:

In alter, alter Zeit ging einmal ein gola, ein Jäger, in den Wald, um ein Tier aufzuspüren. Er kam an eine Stelle, an der der Boden wie Salz (salzhaltig) war und an der er die Spuren vieler Büffel sah, die hier Salz geleckt hatten. Der Jäger stieg auf den Baum, um auf die Tiere zu warten. Nachdem der Jäger lange auf seinem Baume gewartet hatte, kamen viele, viele Büffel an. Es waren Bullen und Kühe und Kälber. Der Jäger nahm seinen Bogen hoch und wollte einen guten Bullen schießen. Da fingen alle Büffel an, ihre Haut abzulegen. Überall lagen die Häute der Büffel und die Büffel waren nun selbst Menschen, Männer und Frauen, und diese fingen an, von der salzhaltigen Erde abzukratzen und zu essen. Nachdem sie das eine Zeitlang getan hatten, gingen sie wieder zu ihren Häuten. Ein jeder legte seine Haut an, ward wieder ein Büffel und lief in den Wald. Die Bullen liefen in den Wald, die Kühe liefen in den Wald, die Kälber liefen in den Wald. – Als die Büffel fortgelaufen waren, stieg der Jäger von seinem Baume und ging in seinen Ort. Er sammelte viele Termiten. Am andern Tage ging er dann wieder in den Busch und nahm die Termiten mit sich. Er versteckte sich im Gebüsch der Bäume und wartete. Nach einiger Zeit kamen die Büffel wieder, Bullen und Kühe und Kälber. Die Büffel fingen an derselben Stelle an, ihre Haut abzulegen. Überall lagen die Häute der Büffel und die Büffel waren nun selbst Männer und Frauen und diese fingen an, die salzhaltige Erde abzukratzen und zu essen. Darauf stieg der Jäger aus seinem Baumgezweig und ging dahin, wo ein großes Büffelkalb, ein Mädchen, seine Haut abgelegt hatte. Der Jäger legte die mitgebrachten Termiten darauf und diese fingen sogleich an, die Haut zu zerfressen. Nachdem die Büffel eine Zeit aber die Salzerde abgeschabt und gegessen hatten, gingen sie wieder zu ihren Häuten. Ein jeder legte seine Haut an, ward wieder ein Büffel und lief in den Wald. Die Bullen liefen in den Wald, die Kühe liefen in den Wald, die Kälber liefen in den Wald. Das eine Mädchen, auf dessen Haut der Jäger die Termiten gelegt hatte, ging auch zu ihrer Büffelhaut und wollte sie anziehen. Die Termiten hatten sie aber so zerfressen, daß sie ihr wieder abfiel. Alle andern Büffelbullen und Kühe und Kälber hatten ihre Haut schon lange angelegt und waren in den Wald gelaufen. Das Mädchen stand noch bei seiner Haut und weinte. Da stieg der Jäger heimlich vom Baume, schlich sich zu dem Mädchen und fing es. Er brachte es nach seiner Ortschaft und heiratete es. Aus dieser Ehe ist die Jed-kuni(familie) hervorgegangen, und weil eine Büffelkuh ihre Ahnfrau ist, deshalb essen sie kein Büffelfleisch.

 

Büffelmasken, Büffellegenden, Büffelhornzauber. – Dieser Legende entspricht aber nicht nur die entsprechende totemistische Familie, sondern auch eine Maske, die hier Nangbiningi heißt. Sie entspricht der Form nach ziemlich vollständig der Nassa der Tschamba, stellt also den klobigen Büffelkopf mit lang herabwallendem Farnbehang dar. Auch hier dürfen die Weiber die Maske selbst sehen, nicht aber wissen, wer darin tanzt. Nur zwei Leute haben das Recht, eine solche Maske zu besitzen, der König und der Kameni. Ein besonderes Zeremonial findet mit ihrem Auftreten nicht statt – sie kommt und geht ohne viel Aufhebens wie ein anderer Tänzer, mischt sich bald in die Reihen der Lærabläser, tanzt bald seitwärts. Die drei Gelegenheiten, bei denen sie auftritt, sind:

  1. das Beschneidungsfest,
  2. die Bestattung des Königs und
  3. die Bestattung des Kameni.

Mit dem wilden Büffel und dem Dienste dieser Art hängt aber auch noch eine Einrichtung zusammen, die als Jup-tege bezeichnet wird. Sie besteht aus einem großen Büffelhorn, dessen Rand mit Eisenringen besetzt ist, und einem kleinen Hörnchen. Jeder Wohlhabende hat ein solches, aus zwei Stücken bestehendes Instrument, denn es gilt als wertvoller, im Wunschfalle todbringender Beschützer einerseits und als die Familie unterstützender Segenspender anderseits. Jeder Hausherr hat das Instrument, in einem Topfe geborgen, in seinem Wuowuo liegen. Wenn ihm nun etwas gestohlen ist, so nimmt er das Jup-tege heraus, schlägt mit dem kleinen Hörnchen gegen das große Ringhorn und betet: »Wer mir das stahl, den töte! Wer mir das stahl, der soll sterben! Wer mir das stahl, der soll sterben!«

Frauen dürfen das Jup-tege auf keinen Fall sehen, wohl aber seine befruchtende Kraft genießen. Wenn eine Frau unfruchtbar bleibt, so füllt der Hausherr im Wuowuo ein wenig Medizin und Wasser in das Ringhorn und betet: »Möchte diese Frau doch ein Kind erhalten. Möchte diese Frau doch ein Kind erhalten!« Dann gießt er den Trank aus dem Horn in eine Kalebasse, bringt ihn der Frau in ihr Haus und gebietet ihr zu schlürfen. Die Folgen bleiben nicht aus.

Wir sehen hier also Tod und Leben in einem Instrumente zusammengefaßt. Hier ist es an der Zeit, auf die erstaunliche Ähnlichkeit hinzuweisen, die diese Kulturform mit der der Jukum gemeinsam hat. Das Jup-tege ist genau das gleiche Instrument, das die Aku-kua schwingen. Auch dort ist, den Entstehungszügen nach, die Idee des Todes diesem Instrumente einerseits nach allen Konsequenzen, anderseits nach der totemistischen Grundidee verbunden. –

Genau gleiche Anschauungen und Legenden finden wir nun auch bei den Kirri; und da doch eine Abweichung der Sitten und Berichte von denen der Nagajare vorliegt, so mögen alle Angaben hier wiederholt werden.

Die Kirri haben ein Instrument, das heißt Ta-djubi. Das besteht aus mehreren rohen, zusammengebundenen Aststücken, an denen an einer Schnur das Horn eines wilden Büffels herabhängt. Der Mann, der dies aufbewahrt, führt den Titel eines Singterra. Das Ta-djubi hängt an der Wand des Hauses des Singterra. Wenn der Gatte nun mit allzu langer Sterilität seiner Gattin unzufrieden ist, begibt er sich mit ihr zu diesem Heiligtume. Als Gabe bringt er guten Mehlbrei mit. Vor dem Ta-djubi betet der Mann: »Hier ist meine Frau. Ich habe sie vor so und so langer Zeit geheiratet. Ich beschlafe sie. Sie wird nicht schwanger. Sage du, daß sie schwanger werde! Dieses gebe ich dir!« Danach gießt der Gatte den Brei auf die Holzstücke und das Horn, und damit ist dann das Befruchtungsopfer abgeschlossen. Das Ehepaar geht hoffnungsvoll nach Hause.

Die Kirri haben angeblich auf deutschem Gebiet keine Masken, dagegen sollen einige englische Kirriortschaften Büffelmasken haben, die dann auch Nanbiningi heißen. Näheres konnte ich nicht hören. Dagegen haben die Kirri ebenfalls die Büffellegende, und zwar die schönste und vollständigste Form, die mir überhaupt bekannt geworden ist. Sie lautet:

Ein Jäger (Sanam-buka) ging einmal in den Busch. Er war lange umhergelaufen. Er kam an ein Wasser. Der Jäger hörte etwas. Er versteckte sich. Nachdem der Jäger sich versteckt hatte, kamen Büffel (Nam oder Namm) an. Diese Büffel begannen ihre Haut abzulegen. Sie wurden Menschen. Jeder Büffel legte seine Haut ab und ward ein Mensch. Als die Büffel ihre Häute abgelegt hatten, begannen sie von dem Salz, das am Wasser war, zu essen. Der Jäger sah das alles. Er schlich sich vorsichtig hin und nahm eine Haut der Menschen, die am Wasser waren, weg. Er nahm die Haut mit und versteckte sich. Nach einiger Zeit kamen die Menschen wieder. Sie begannen ihre Häute anzulegen. Jeder legte seine Haut an und lief als Büffel von dannen. Die letzte Büffelfrau suchte ihr Büffelfell. Sie konnte ihre Haut nicht finden. Sie ging hierhin und ging dahin. Sie konnte nun nicht mit den andern fortlaufen, denn sie hatte keine Haut. Die andern Büffel waren weit fort. Die eine Frau saß da und weinte. Der Jäger kam heraus aus seinem Versteck. Er sagte zu der Frau: »Komm mit mir, ich will dich in ein Haus bringen und dir ein Kleid geben!« Die Frau kam mit dem Jäger. Der Jäger heiratete die Frau. Der Jäger hatte einen Knaben von ihr. Der Knabe wurde größer. Eines Tages sagte der Jäger zu seinem Sohne: »Weißt du, wie ich deine Mutter gewonnen habe?« Der Junge sagte: »Nein, ich weiß es nicht.« Der Jäger sagte: »Ich war einmal am Wasser, da kamen Büffel. Sie legten am Wasser ihre Büffelkleider ab und waren Menschen. Ich nahm einer der Frauen die Büffelhaut fort. Sie konnte nicht mit den andern wegrennen, denn sie hatte keine Haut. Dann nahm ich die Frau mit nach Hause. Ich habe sie geheiratet. Das ist nun deine Mutter. Die Büffelhaut habe ich aufgehoben.« Der Junge fragte: »Wo hast du die Büffelhaut versteckt?« Der Jäger zeigte es seinem Sohne und sagte: »Hier habe ich sie versteckt.« Der Junge sagte: »Behalte sie nur gut versteckt.« Der Vater sagte: »Das werde ich tun.« – Der Jäger ging zur Jagd. Der Sohn ging zu seiner Mutter und sagte: »Mein Vater sagte mir, er habe einst an einem Wasser viele Büffel gesehen. Die legten ihre Büffelkleider ab und waren Menschen. Mein Vater nahm einer der Frauen die Büffelhaut fort. Sie konnte nicht mit den andern wegrennen; denn sie hatte keine Haut. Damals nahm mein Vater die Frau mit nach Hause. Mein Vater hat sie geheiratet. Das bist du, meine Mutter. Die Büffelhaut hat mein Vater aufgehoben.« Die Mutter sagte: »Ich danke dir! Wo hat dein Vater meine Büffelhaut versteckt?« Der Sohn sagte: »Komm mit, ich will es dir zeigen.« Der Sohn zeigte der Frau, wo der Vater die Büffelhaut versteckt hatte. Die Frau nahm die Büffelhaut heraus. Sie zog die Büffelhaut an. Sie war nun ein Büffel. Sie nahm ihren Sohn und lief mit ihm in den Busch. –

Leider haben wir von den andern Familien keine entsprechenden totemistischen Sagen. Aber es ist wohl kein Zufall, daß wir hier, zumal noch in der Nachbarschaft der Büffelmaskentänzer (Jukum und Tschamba) gerade diese Büffelfamilienlegende erhalten finden; wenn die Dakka auch selbst, wenigstens auf dieser deutschen Seite des Tschebschigebirges, keine Maskensitten üben. Wichtig ist es fernerhin, daß die Ahnfrau das Büffelwesen ist und nicht der Ahnherr. Auf die ursprünglich weibliche Natur der Maske wurde ich schon oft aufmerksam, besonders jedesmal dann, wenn die verschiedenen Stämme mir erzählten, daß die Masken ursprünglich in den Händen der Frauen und nicht in den Händen der Männer gewesen waren. Die Legenden und Sitten der drei Nachbarvölker Dakka, Tschamba und Jukum erklären in ihrer entwicklungsgeschichtlichen Beziehung und Stufenbildung sowie in ihrer produktiven und modifizierenden Wirkung auf das Ritual, zumal Maskenritual, eine große Anzahl von Erscheinungen des westlichen Sudan und Afrikas überhaupt. –

Soweit die totemistische Exogamie. Im übrigen gibt es noch die kastengemäße Sitte des Ausschlusses der Schmiede aus dem Vierfamilienverbande, und diese wesentliche Tatsache gibt uns Veranlassung dazu, den Schmieden überhaupt einmal unser Augenmerk zu widmen. – Also kein anderer Dakka heiratet eine Schmiedemaid oder gibt seine Tochter einem Schmiede zur Frau. Und die Schmiede selbst verschmähen solche Verbindung auch; und außerdem ist jeder Schmied ein Omnivore, ist keinem totemistischen Gesetz unterworfen. Dabei sind die Schmiede hoch angesehen. Ihr Oberhaupt bildet mit dem Könige und dem Priester zusammen eine gewisse Regierungseinheit. Diese Leute werden reich beschenkt, und ein Dakka sagte, wenn ein König eine schöne Sache erhalte, beeile er sich, noch eine zweite, gleiche zu erwerben, um sie dem Schmiede zu schenken. So hoch achtet und ehrt man diese abgesonderte Kaste.

Aber nicht nur das. Wir haben gesehen, daß der Schmied mit dem Priester zusammen den König begräbt – daß der Schmied dem toten Priester die zukünftigen Heiligtümer ins Grab gibt – ja, daß der König einem jährlichen Gottesgericht unterworfen ist, dem der Schmied präsidiert. Also hier wie anderweitig steht der Schmied dem Kultus und Religionswesen in leitender Stellung nahe, und solche Beachtung dieser Kaste findet ihren bedeutsamen Ausdruck in folgender Kulturlegende, die die Dakka fast gleichlautend mit den Tschamba gemeinsam haben:

In alter Zeit waren es drei Sachen, die die Menschen nicht kannten. Einmal konnten sie nicht kochen. Wenn sie essen wollten, stellten sie ausgehöhlte Steine (wahrscheinlich sind Mahlsteine gemeint) in die Sonne, füllten sie mit Wasser, warteten, bis die Sonne das Wasser erhitzt hatte, und rührten dann darin ihr Mehl an. Das so bereitete Gericht aßen sie dann. Zum zweiten hatten sie wohl Häuser. Sie verstanden es aber nicht, darin eine Türöffnung zu machen, und so konnten sie nicht hineingehen und waren gezwungen, unter dem Dachvorsprunge zu schlafen. Drittens endlich verstanden sie es gar nicht, mit den Weibern richtig umzugehen, sie sachlich zu beschlafen und von ihnen dann Kinder gebären zu lassen. Sie hielten die in der Menstruationszeit blutende Vagina für eine ungesunde Einrichtung, für eine kranke Stelle, und koitierten deshalb ihre Frauen unter der Achselhöhle. Trotzdem wurden die Frauen von Zeit zu Zeit schwanger und dann schnitten die Leute den Weibern von oben bis unten den Leib auf, um dem jungen Wesen den Austritt zu verschaffen. Dabei starben aber dann jedesmal die Mutter und das Kind. Das also waren die drei Dinge, die die Leute in jener alten, alten Zeit nicht verstanden. – Damals kam aber ein Schmied. Der wanderte von Dorf zu Dorf und belehrte die Menschen in allem, was sie noch nicht verstanden. Er zeigte ihnen erst, wie sie die Frauen richtig beschlafen könnten, daß sie sich nämlich auf die Erde legen, zwischen ihren Beinen niederhocken, ihre Beine hochziehen und um die Lenden schlingen und dann in die Vagina hinein begatten sollten. Der Schmied zeigte es und dann machten die Menschen es auch so. Darauf wurden die Frauen schwanger. Die Männer wollten nun den Frauen den Leib aufschneiden, um die Frucht herauszunehmen. Der Schmied sagte jedoch: »Tut das nicht! Setzt jede schwangere Frau auf einen Stein. Eine alte Frau soll hinter ihr niedersitzen, sie umschlingen und ihr den Leib drücken, eine andere alte Frau soll vor ihr niedersitzen und soll das zwischen den gespreizten Beinen der Frau heraustretende Kind aufnehmen! Das Kind wird dann von selbst kommen.« Die Männer machten es so mit ihren Frauen und die starben nun nicht mehr, sondern gebaren lebende Kinder. – Dann zeigte der Schmied den Leuten das Kopira (d. i. das Eisensteinfeuerzeug) und wie man Feuer mache. Er zeigte ihnen die Töpferei und wie sie mit dem Feuer in den Töpfen ihr Essen bereiten könnten. – Endlich zeigte der Schmied den Menschen, wie sie in ihren Häusern schlafen könnten, indem sie Türen hineinmachten, so daß sie nicht mehr nötig hätten, unter dem Dachvorsprunge zu schlafen. –

Dieses ist die Kulturlegende der Dakka. Man ersieht aus ihr, welche eminente Bedeutung man den Schmieden seit alter Zeit beimaß. Es sei erwähnt, daß auch die Kirri mir mancherlei über die ursprüngliche Bedeutung der Schmiede erzählen konnten, die Kulturlegende aber nur in folgender kurzen Fassung kannten:

Anfangs hatten die Männer die Frauen nur unter der Achselhöhle beschlafen, weil ihnen die Vagina krank vorkam. Dann aber kam ein Schmied (= Pie) und sagte: »Das ist falsch! So beschläft man nicht die Frauen. Ich werde euch aber zeigen, wie es richtiger ist.« Dann rief der Schmied eine Frau. Er legte sie hin und beschlief sie. Er stand auf und sagte: »Habt ihr gesehen, wie man es macht? Könnt ihr es nun auch?« Die Männer sagten: »Wir haben es gesehen. Wir können es nun auch.« Die Männer gingen hin und jeder beschlief seine Frau. Darauf wurden die Frauen schwanger. Die Männer sagten: »Wir wollen ihnen nun den Leib aufschneiden und die Kinder herausnehmen.« Der Schmied sagte aber: »Tut das nicht! Ihr tötet nur die Frauen und Kinder. Ich will es den alten Frauen zeigen, wie sie einer jungen Frau bei der Geburt helfen sollen.« Darauf zeigte das der Schmied. –

Auch für die Dakka liegt die wesentliche Bedeutung der Verehelichung in dem Familienzuwachs, der allein Ausblick auf ein angenehmes Alter bietet. Denn alles Streben und Arbeiten erachten diese Völker ja nur als Vorspiel zur großen Periode ihres Lebens: d. i. die, in der ihre Kinder für sie alle Arbeit verrichten und sie selbst sich auf Anleitung und Verteilung beschränken und im übrigen ein behagliches Leben fristen können.

Zwei bis drei Monate nach der Eheschließung erwartet man, daß die junge Frau die Schwangerschaft verspüre. Und einen Zeitraum von neun Monaten schreibt man überhaupt der Entwicklung der Frucht zu. Die Geburt soll gewöhnlich im Hause verlaufen, und zwar in jener Stellung, die die Kulturlegende der Schmiedebelehrung zuweist. Der Nabel (Ubani oder Uwani) wird mit dem Splitter eines Sorghumhalmes abgeschnitten und Njessa, die Nachgeburt, außerhalb des Hofes begraben. Die Mutter muß nach der Geburt mehrere Tage das Haus hüten, und zwar, wenn sie ein Mädchen gebar, vier, wenn einen Knaben, drei Tage. Man nimmt auch hier an, daß die zwischen ein gespaltenes Rohrstück geklemmte und dadurch unterbundene Nabelschnur bei männlichen Kindern in drei, bei weiblichen in vier Tagen abfalle. Am Nachmittage des Tages, an dem das morgens geschah, darf die Mutter das erstemal ausgehen. Die Dakkamütter tragen ihre kleinen Kinder angeblich meist auf der linken Schulter, und nur wenn sie ermüdet sind auf der Lende. Sie nehmen sie nie mit aus dem Gehöft, weder mit zum Wasser, noch etwa in die Farm. Daher ist das Tragleder der Komai ihnen unbekannt. – Übrigens werden sonst alle Lasten, sowohl Körbe als Töpfe, von Männern wie Frauen auf dem Kopfe getragen. Das Schultertragen der Töpfe, wie es in der oberen Benue- und in der Faroebene üblich ist, ist ihnen unbekannt. –

 

Altersklassen, Krankheit, Zauberei, Tod, Begräbnis, Ahnendienst. – Die Namen der Altersklassen lauten bei den Dakka folgendermaßen:

bei den Dakka   bei Kirri
midji Babys, njisinji
mibonani unbeschnittene Burschen, bamburen
mijerreni beschnittene Burschen, netschakpall
gaptschi verheiratete Männer, njesuka
neba-wori leitende Familienväter, nejatu
da-kalomi verbrauchte Alte, Greise, namhori

Die Stellung der einzelnen Typen untereinander ist eine naturgemäß vorgeschriebene. Die mijerreni und gaptschi sind die wertvollsten Arbeiter der Familie und Gemeinde in Farmarbeit, sind auch die gegebenen Krieger und in jeder Hinsicht von den neba-wori abhängig, welche vom Bierhause und von dem Dorfplatze aus alles leiten und anordnen. Endlich die da-calomi, die Greise, werden noch durchgefüttert, stellen aber im großen und ganzen einen nicht gerade sehr gern gesehenen, nur konsumierenden und nicht produzierenden Teil der Bürgerschaft dar. Und doch rühmen auch die Dakka, daß ihre Alten so außerordentlich alt würden – sie bestätigten also seufzend das, was Herodot erstaunt über die Äthiopen berichtet und was mir selbst bei vielen Stämmen auffiel. –

Wenn ein Mensch erkrankt, gibt man ihm Medikamente. Aber die Massage mit heißgemachten Blättern wollen die Dakka nicht kennen. Um über den Zustand des Kranken in Klarheit zu kommen, wendet man sich an einen Newonani, d. i. ein Wahrsager. Der Wahrsager der Dakka hat als Orakelinstrument ein Schneckenhaus = Tiktra (in Fulfulbe = honjoltu; in Kanuri = Katantaua), das ist mit der durchbohrten Spitze an einen Faden gebunden. Der Newonani läßt das Fadenende, an den das Schneckenhaus gebunden ist, aus der Hand gleiten und so das Gehäuse zur Erde fallen. Wenn das Schneckenhaus bis zum Boden fällt, dann stirbt der Kranke, dessentwegen er konsultiert ist. Bleibt es aber in der Luft stehen, dann kann jener gerettet werden. Mit diesem Schneckenhaus kann der Newonani durch Fallenlassen alles feststellen, wie man den Kranken legen, welche Blätter, Wurzeln oder Rinden man ihm als Medizin geben soll usw. Also verfährt man, wenn man glaubt, daß der Kranke einer natürlichen Krankheit anheimgefallen sei.

Bricht sich aber bei der Familie des Kranken die Überzeugung Bahn, daß der Kranke einem Noreni, einem Zauberer anheimgefallen sei, so bringt sie die entsprechende Klage sogleich beim Könige vor. Der läßt dann seinerseits den Newonani kommen und gibt ihm den Auftrag, mit seinem Tiktra festzustellen, wer dieser böse Noreni sei. Der Newonani läßt also nun beim Könige sein Schneckenhäuschen fallen und spricht bei jedem Fallenlassen den Namen eines Dorfgenossen aus. Wenn das Tiktra zu Boden fällt, so ist der, dessen Name ausgesprochen wurde, unschuldig. Wenn es aber in der Luft stehenbleibt, so ist damit unbedingt der Name dessen gefunden, der die Verhexung des armen Kranken ausgeführt hat. –

 

Wahrsager, Subachen usw. – Mit ihrem Glauben an Erkrankung und Tod durch Verhexung und Seelenraub stehen die Kirri genau in der Mitte zwischen einerseits Westäthiopen und Atlanten und anderseits den Zentraläthiopen. Sie verfügen nämlich über beide Glaubensarten, über den an Seelendiebstahl durch Subachen und den an Behexung durch Deeren. Die Deeren nennen sie Dega, die Subachen None.

Von den None sagen sie, daß es Menschen seien, die ihr schlechtes Werk nachts ausführen. Sie verlassen dann ihr Haus und fliegen als Eulen (= Djisso) umher. Sie pflegen sich schreiend auf das Haus eines Menschen zu setzen, der dann nachher sterben wird. Das Wie und Warum konnten meine Leute nicht sagen, wohl aber, daß sie das Herz ihres Opfers zu essen pflegten, und darin liegt schon der Beweis, daß die Quelle der Legende dem Subachentum entstammt. –

Die Dega sind echte Deeren; es gibt aber eine seltene und sehr hübsche Erzählung von ihnen: In alter Zeit hatten nämlich die Dega Hörner wie Antilopen. Daher wußte jeder Mensch, der sie sah, sogleich: »Das ist ein Degal« Darauf kamen einmal alle Dega zusammen und sagten zueinander: »Wir wollen diese Hörner uns abnehmen lassen.« Die Dega gingen also alle zusammen zu einem Schmiede und sagten: »Mache uns die Hörner ab, damit man uns nicht immer gleich erkennen kann. Wir wollen dir zahlen, was du willst.« Die Dega baten sehr. Der Schmied tat es. Er nahm ihnen allen die Hörner ab. Seitdem haben die Dega keine Hörner mehr und man kann sie nicht so leicht erkennen.

Die Dega der Kirri verrichten ihr Werk ein klein wenig anders als die Deeren anderer Stämme. Der Dega pflegt seinem Opfer tagsüber in den Busch zu folgen. Er geht in der Gestalt, in der er ist, als Mensch. Im Busch überfällt er aber sein Opfer und nimmt ihm den Körperteil weg, der zur Bezauberung nötig ist, das ist hier das Herz. Er schneidet dem Überfallenen die Brust auf, nimmt das Herz heraus und näht sie wieder zu. Danach fragt er den Beraubten noch: »Kennst du mich?« Der Beraubte sagt dann: »Nein, ich kenne dich nicht.« Der Dega geht mit dem geraubten Herzen heim. Er legt es in seinen Topf mit Medizin (Genjegu genannt) und deckt es mit einem Steine zu. – Der Beraubte kommt auch nach Hause. Er ist krank, er weiß von dem, was vorgefallen ist, gar nichts und stirbt meist. Man kann aber den Tod vermeiden, wenn man vorsichtig ist.

Wenn nämlich ein Familienmitglied bei den Kirri schwer unter Aufsehen erregenden Umständen und Symptomen erkrankt ist, soll man zu einem Davinse, d. i. ein Orakelmann, ein Wahrsager, senden. Der hat ein Djabusi, das ist eine Art Würfelorakel. Es besteht aus über hundert kleinen geflochtenen Strohzöpfchen, die der Davinse vor sich auf den Boden schüttet. Aus ihrer Lage und Konstellation erkennt er den Sachverhalt und gewinnt von dem Tatbestande ein Bild. Wenn also ein Verwandter eines derartig durch Deerenberaubung Erkrankten beizeiten zu diesem Wahrsager geht, so kann der seine Strohwürfel ausschütten und den Dega erkennen. Der wird verhaftet und gezwungen, ein Geständnis abzulegen. Er muß dann den Stein von seinem Zaubertopfe nehmen und vor allem dem Kranken das Herz zurückgeben. Das tut er in der Weise, daß er von der Medizinflüssigkeit und Wasser in den Mund nimmt und dem Kranken auf die Brust speit. Dann wird der gesund! – Wenn man aber erst nach dem Tode des Erkrankten den Davinse aufsucht, so nutzt das nichts, da der Wahrsager dann nur feststellen kann, daß ein Dega die Hand im Spiele hat, nicht aber dessen Persönlichkeit. –

Die Hexenmeister stellen die Dakka sich nun in der Weise vor, daß sie annehmen, der Noreni habe den Tina, d. h. den Schatten (in Fulfulde = Dendi; in Kanuri = Kaïme) des dar ob Erkrankten gefangen und habe ihn in eine leichte Erdhöhlung gelegt, wo er ihn mit einem Steine belastet und so festgelegt habe. Wenn – und das soll noch vor einigen Jahren so gewesen sein – früher ein solcher Noreni entdeckt wurde, so ließ der König ihn mitsamt seiner ganzen Familie vernichten. Die Männer wurden dann von den Schmieden mit Keulen totgeschlagen, Weiber und Kinder weit fort verkauft. Der Sünder selber aber wurde vor seinem Ende durch entsprechende Behandlung dazu gezwungen, den Schatten des Kranken freizugeben. Wenn er sich dazu bereit erklärt hatte, führte man ihn zu einem von dem Noreni selbst angegebenen Orte. Dort forderte der Zauberer die den Strick haltenden Schergen auf, sich abzuwenden, und wenn sie dieser Aufforderung nachgekommen waren, nahm der Noreni schnell den Stein weg. Der gestohlene Schatten wurde dadurch frei, konnte weg und zu seinem Herrn eilen, und der ward darauf gesund. Der Noreni aber ward vernichtet.

Die Subachen fehlen auch hier. Der Kameni hat mit alledem nichts zu tun.

Wenn ein Kranker stirbt, so wird wie allenthalben in diesen Ländern für einen Jungen ein Klagen angestimmt, das weit über das Land hin ertönt. Für einen Alten war man ja auch ein wenig traurig – aber die allgemeine Fröhlichkeit betäubte doch schnell vereinzelte Schmerzgefühle und es hob ein allgemeines Bier trinken und Jubeln an, das in folgenden bezeichnenden Worten die Meinung wiedergab: »Laßt ihn gehen! Laßt ihn gehen! Er wird wiederkommen!« Wie wunderbar klar äußert sich hierin der unbeirrte Seelenwanderungsglaube!

Die Leiche wird erst gewaschen, dann von oben bis unten mit roter Erdfarbe (= Kurri) eingerieben und hierauf mit breitem Baumwollband in zusammengedrückter Stellung eingewickelt und verballt. Zunächst kommt sie dann in ein Verwesungsgrab. Jede Familie hat ein solches. Es ist angelegt wie die Gräber der Könige und besteht aus einem Schacht mit einem Seitenkanal. In diesen Seitenkanal wird jede neue Leiche niedergelegt, und zwar in gleicher Richtung wie die Königsleiche, also mit dem Antlitz nach Süden. Ist diese Leiche zerfallen und eine neue einzulagern, so nimmt man die Knochenteile der älteren heraus. Man hebt aber nicht wie bei den Splitterstämmen der Mittellinie (Falli, Nandji, Bokko) die Schädel in einem Mausoleum auf, sondern man verscharrt sie an einer beliebigen Stelle des Kirchhofes, ohne ihnen weitere Bedeutung beizulegen. Ein eigenes Grab erhält nur jeder König. Im allgemeinen wird den Toten nichts mit ins Jenseits gegeben. Nur Schmiede erhalten Axt, Speer und Messer als Grabbeigabe. Irgendein Opfer findet auch nicht statt. Wenn ein König oder ein Kameni stirbt, ertönen abends die heiligen Djubi. Für andere Sterbliche erklingen sie aber nicht.

Nun das Totenfest. Im Gegensatz zu den meisten andern Stämmen feiern die Dakka das Totenfest nicht im Herbste, am Ende der Erntezeit, sondern zu Beginn der Regenzeit. Wenn die erste Saat in die Erde gebracht ist, veranstaltet man dieses sogenannte Urumsimi für jeden Toten, der in den Gräbern liegt, alljährlich, für Männer aber erst drei Jahre, für Frauen vier Jahre, nachdem sie bestattet sind. Also ausdrücklich: man wartet nach dem Tode eines Mannes drei, nach dem einer Frau vier Jahre, ehe man beginnt, ihnen zu opfern. Das Opfer selbst geht in folgender Weise von statten: Jeder Grabschacht ist mit einem flachen Steine geschlossen, über jeden Stein ein großer Topf gestülpt. Der Hausherr naht nun an der Spitze der Familienglieder mit einem weißen Hahne dem Grabe. Die andern halten den Hahn ganz stramm und fest, so daß er sich nicht rühren und bewegen kann. Denn wenn er irgendwie zucken kann, wird im kommenden Jahre ein Familienmitglied sterben. Der Hausherr selbst durchsticht mit einem Messer den Hals des Hahnes. Er durchsticht ihn, er durchschneidet ihn nicht. Das Blut tropft auf den Grabtopf. Man hält den Hahn, bis er ausgeblutet hat und verendet ist. Danach gießt man noch rund um den Topf eine Schale Bier aus und betet dabei: »Großvater, mach nichts Schlechtes in der Farm. Mach nichts Schlechtes in der Familie! Gib, daß wir Kinder bekommen! Gib, daß wir reiche Ernte haben! Mach, daß kein Streit entsteht.« Nach diesem Opfer zieht die Familie heim und genießt das Opfermahl. Hernach pflanzt man das Korn. Wie gesagt, die Dakka feiern nur dieses Opferfest alljährlich für die Ahnen und keines in der Erntezeit. Aber bei mancher andern Gelegenheit äußert sich der manistische Glaube.

Zum Beispiel: wenn ein Mädchen heiratet und längere Zeit mehr erhofft, als die Natur ihr gewährt. Der Vater einer solchen jungen Frau pflegt dann mit diesem, seinem Kinde, einem weißen Huhn, Bier und etwas Sorghummehl zum Kirchhof seiner Familie zu gehen und an das Grab des Verstorbenen zu treten. Dort bringt er die Opfer dar und betet: »Mein Großvater, gib, daß diese Frau bald schwanger wird. Tue ihr Gutes. Tue nur Gutes!« Danach geht er mit seiner Tochter heim. Man glaubt bestimmt an Erfolg.

Wenn ein Kind geboren wird, gibt der Vater des Ehemanns, also der Großvater ihm den Namen, und zwar wenn es ein Knabe ist, sieben, wenn es ein Mädchen ist, zehn Tage nach der Geburt. Den Namen erhält er aber nach einem verstorbenen Mitgliede seiner Familie, nach einem, das er in diesem Kinde bestimmt wiederzuerkennen glaubt. Dabei achtet man auf allerhand Ähnlichkeiten. Wenn ein Urahn z. B. eine Pfeilschußnarbe am Arme hatte, muß seine Wiedergeburtsform an gleicher Stelle auch irgend ein Mal oder Zeichen haben. Wenn er irgendeinen Finger oder Zehen zuviel oder zuwenig hatte, so muß das auch wieder zutage treten.

Der Manismus äußert sich auch, wenn ein Suondchimi stattfindet, das ist ein Trinkgelage, bei dem auch Frauen und Kinder gegenwärtig sind. Wenn es abgehalten wird, erklingen die Lära, hier auch Lärs genannt, aber ohne Schalltrichter von Kalebasse oder Horn. Wenn der Kameni bei einem solchen Feste anwesend ist, so muß der im Beginn der Trinkerei eine Kalebasse Bier schöpfen und sie auf die Erde entleeren. Er muß dann beten: »Wenn der Kameni ein rechter Kameni ist und kein Betrüger, so bitte ich, daß alle Farmen und alle Kinder gut gedeihen mögen. Ich bitte euch, meine Großväter in der Erde, dieses zu verschaffen.« Ist der Kameni nicht im Kreise, dagegen der Gangi, so hat dieser das Opfer darzubringen und ein Gebet an die Großväter zu sprechen. Danach beginnt dann der allgemeine Umtrunk. –

 

Die Gestirne usw. – So intim die Beziehung dieser ganzen Anschauung in Zusammenhang mit der Erde, mit dem das Korn hervorbringenden Boden und mit der die Leiche bergenden Scholle verbunden ist, so gleichgültig und indifferent verhält sie sich zu den Erscheinungen des Himmels. Die Dakka der Tschebschi haben nicht einmal einen eigenen Regenzauber. Wie die Bokko solche Sache den Nandji, so schieben die Dakka sie den Jelluleuten zu. Brauchen sie Regen, so senden sie einen schwarzen Schafbock (Tomji-virgi) und einen schwarzen Hahn (kwalumji), allerdings da, wo eine Dakkafamilie regiert die dann das Opfer darbringt, wo aber die Tschambasprache und Tschambasitte herrschen. Wenn das Gewitter herniedergeht, Donner grollt und Blitze zucken, wissen die Dakka nicht viel dazu zu sagen. Sie wissen nur, daß die Wuu, die Donnerkeile, Menschen töten und Häuser in Brand setzen. Näheres darüber sollen aber nur die Kuti jenseits Kontscha wissen. Von den bekannten Sternbildern wissen die Dakka kaum die Namen. Wenn sie aber eine schöne Sternschnuppe fallen sehen, dann sagen sie leise vor sich hin: »Ein großer König muß jetzt sterben!« Die Könige daheim beugen sich aber und zittern oder weinen vor Furcht. Das ist demnach ein Glaube, der genau dem der Nupe und so vieler anderer entspricht. – Dagegen besitzen die Dakka einige sehr hübsche Legenden über Sonne und Mond, die genau mit den bei den Tschamba gesammelten übereinstimmen. Die erste ist die von Sonne und Mond, die andere die vom Sonnenfang.

Sonne und Mond machten einmal Streit miteinander. Die Sonne sagte zum Monde: »Ich bin stärker als du durch meine Hitze. Jedermann stirbt unter meiner Macht. Sende deinen Sohn, er wird es sehen.« Der Mond sagte: »Es ist mir recht!« Der Mond brachte seinen Sohn zur Sonne. Der Sohn stand vom Morgen bis zum Abend in der Sonne. Es war sehr heiß. Dem Sohn des Mondes ward heiß. Der Mond goß aber Wasser auf seinen Sohn. Da wurde der Sohn wieder kalt. Der Mond goß immer wieder Wasser über den Sohn, so daß er immer wieder kalt wurde. Abends lebte der Sohn des Mondes. Der Mond sagte: »Nun sende du mir deinen Sohn.« Die Sonne sagte: »Es ist recht.« Die Sonne sandte ihren Sohn. Der Mond stellte den Sohn der Sonne unter die Wolken. Er schien ganz klar und kalt herab. Es war sehr kalt. Die Sonne sandte Leute, die für ihren Sohn Feuer machen sollten, aber der Mond goß Wasser darüber, daß das Feuer immer wieder erlosch. Der Mond tötete alle Leute der Sonne durch seine Kälte. Auch der Sohn der Sonne starb. Der Mond sagte zur Sonne: »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich stärker bin als du?« – Daher ist der Mond stärker als die Sonne. Der Mond ist sehr schlecht. –

Ein Jäger fand einmal im Busch einen ganz schmalen, aber sehr gut ausgetretenen Weg. Der Jäger sagte: »Hier muß eine gute Antilope ihren Weg gehen. Hier will ich meine Falle aufstellen.« Der Jäger stellte seine Falle auf. Am Abend fing sich in der Falle ein über und über weißer Schafbock (Tomtschi burgi). Nachts schliefen alle Menschen. Niemand wachte auf. Alles schlief und schlief. Die Leute wachten auf. Es war ganz dunkel draußen. Der Gangi ließ einen Newonani kommen und sagte: »Sieh nach, weshalb es nicht wieder Tag wird.« Der Newonani warf seine Schneckenschale. Der Newonani sagte: »Es muß ein Tier im Busche gefangen sein.« Alle Leute suchten. Der Jäger ging und fand, daß in seiner Falle ein weißer Schafbock gefangen war. Der Jäger band darauf den weißen Schafbock los. Darauf ließ der Gangi durch den Kameni ein großes Opfer darbringen und durch alle einen großen Gruß (mit Händeklatschen) ausführen. Alle dankten der Sonne (Suu) und Gott (Urumi). –

 

Sonnenlegende und Fabelwesen der Kirri. – Die Kirri nun erzählen die Legende folgendermaßen:

Eines Nachts, d. h. abends nach Sonnenuntergang, mußte ein Mann einmal hinausgehen, um sich zu entleeren. Er ging in den Busch und verrichtete seine Angelegenheit. Als er zurückkam, traf er auf einen weißen Schafbock (= Djinbuga). Er griff den Schafbock und brachte ihn mit nach Hause. Er ging zu seinem Freunde und sagte: »Ich mußte eben in den Busch gehen, um mich zu entleeren. Als ich zurückkam, traf ich einen ganz weißen Schafbock. Ich habe ihn ergriffen und mit nach Hause gebracht.« Der Freund sagte: »Es ist gut. Halte ihn nur fest.« – Die Leute legten sich nieder, um zu schlafen. Alle Leute schliefen. Die Leute erwachten. Es war Nacht. Die Leute sagten: »Wir haben Hunger.« Die Leute machten Essen und kochten. Es blieb Nacht. Sie legten sich wieder hin und schliefen. Sie wachten wieder auf und sagten: »Wir haben Hunger.« Die Leute machten Essen. Die Leute aßen. Die Leute legten sich hin und schliefen. Die Leute wachten auf. Die Leute hatten Angst, sie sagten: »Diese Nacht will kein Ende nehmen. Wir fürchten uns. Wir wollen zum Könige gehen!« Sie gingen zum König. Sie sagten zum Könige: »Diese Nacht nimmt kein Ende. Wir fürchten uns. Was sollen wir machen? Sieh doch, was es ist, daß es nicht wieder Tag werden will!« Der König sagte: »Ich werde alle Leute fragen, was es sein kann.« Der König rief alle Leute zusammen. Die Leute kamen. Der König fragte: »Weiß niemand, was sich Besonderes ereignet hat, daß es nicht mehr Tag werden will?« Der Freund sagte: »Als die Sonne das letztemal untergegangen war, mußte mein Freund noch einmal in den Busch gehen, um sich zu entleeren. Als er aber zurückkam, traf er nun einen weißen Schafbock. Er griff ihn und band ihn fest. Er sagte es mir.« Der König sagte: »Bringt mir den weißen Schafbock her.« Man brachte dem Könige den weißen Schafbock. Der König sagte: »Bindet ihn los und laßt ihn laufen.« Die Leute banden den weißen Schafbock los und ließen ihn laufen. Gleich darauf ging die Sonne auf.

Diese Kirri wissen noch einiges von alten Fabeln zu erzählen und berichteten mir darüber folgendes:

In alter, alter Zeit gab es ein Volk, das hieß Talum. Das waren ganz kleine Menschen. Die kämpften mit Speeren und Messern. Sie hatten große, dicke Hoden, wie heute nur noch ganz kranke Menschen. Sie gingen immer zu zweien umher; es war immer ein Paar, ein Mann und eine Frau. Aber solcher Paare waren sehr viele. Sie gingen überall im Lande umher. Man konnte aber kein Essen machen, ohne daß die Talum kamen. Wenn man das Wasser im Topfe auf das Feuer setzte und kein Talum in der Nähe war, dann sagte das Wasser: »Ich koche nicht, ich koche nicht, denn es ist kein Talum da. Ich koche nicht, ich koche nicht, denn es ist kein Talum da.« Wenn dann aber ein Talumpaar in die Nähe kam, begann das Wasser zu kochen und sagte: »Die Talum kommen. Die Talum kommen! Tu Mehl hinein. Ich koche! Die Talum kommen! Die Talum kommen! Tu Mehl hinein! Ich koche!« Dann warf die Frau schnell das Mehl in das kochende Wasser und bereitete die Speise. – Wenn das Essen aber so bereitet war, dann kamen die Talum ganz dicht heran und sie schüttelten die Speise selbst aus dem Kochtopf in die Kalebassen, verteilten sie und sagten: »Frau, nun rufe deinen Mann. Nun wollen wir sehen, wem das zukommt.« Es blieb den Kirrifrauen alsdann nichts weiter übrig, als ihre Gatten zu rufen, und die mußten mit den Talum kämpfen. Die Talum und die Kirri kämpften aber solange miteinander, bis einer von beiden unterlag. War der Kirri zu Boden geworfen, rief der Talum seiner Frau zu: »Stich ihn tot.« Und dann nahm die Talumfrau den kurzen Talumspeer und tötete den Kirri. Wenn der Talummann aber unterlag, tötete die Talumfrau ihn auch, denn die Talumfrauen waren sehr, sehr schlimm. Wer aber gesiegt hatte, der konnte die Speisen, die die Kirrifrau vorher gekocht hatte, essen. Niemand konnte aber sein Essen ohne einen solchen Kampf mit den Talum gewinnen. – Die Kirri sagten: »Wir müssen einen Platz suchen, wo die Talum uns das Essen nicht wegnehmen können. Wir wollen aus dem Dorfe in den Busch gehen!« Die Kirri gingen mit ihren Frauen aus dem Dorfe. Sie gingen dahin, wo rundherum Sidigras wuchs (das Gras heißt in Haussa = tofa, in Kanuri = Suduk, in Fulfulde = soo; es zeichnet sich, besonders wenn es noch niedrig ist, durch so dornigscharfe Keimspitzen aus, daß es allgemein gefürchtet ist). In der Mitte machten die Frauen Feuer und setzten das Wasser im Topfe darauf. Das Wasser im Topfe aber sagte: »Ich koche nicht, ich koche nicht, denn es ist kein Talum da! Ich koche nicht, ich koche nicht, denn es ist kein Talum da.« Nach einiger Zeit kam aber ein Talumpaar in die Nähe. Da sagte das Wasser: »Die Talum kommen! Die Talum kommen! Tu Mehl hinein! Ich koche! Die Talum kommen! Die Talum kommen! Tu Mehl hinein. Ich koche.« Die Kirrifrau warf also ihr Mehl in das kochende Wasser und bereitete die Speise. Als das Essen nun bereitet war, wollten die Talum ganz dicht herankommen, um es aus dem Kochtopfe in die Eßkalebasse zu schütten. Sie traten aber auf das spitze Sidigras und zogen die Füße zurück. Sie versuchten es an einer andern Stelle. Es war aber überall dasselbe. Es kamen viele Talum und sahen, daß sie nicht mehr zu den Töpfen konnten. Als der große Talumfürst sah, daß da nichts mehr zu machen sei, flog er in die Luft. Und die andern Talum zerstreuten sich in alle Welt. Die Menschen konnten ungestört ihre Speise verzehren, und nachher, als die Talum erst fortgegangen waren, brauchten sie auch gar nicht mehr auf ihre Nähe zu warten; das Wasser kochte, wenn das Feuer stark genug war. Was sonst über diese Talum erzählt ward, ist teilweise wesentlich. Immer wieder hörte ich, daß stets zwei, Mann und Weib, zusammen umherzogen. Sie gelten vor allen Dingen als eine Art wandernder, zigeunerhafter Schmiede der Urzeit. Wenn man an eine Stelle im Busche kommt, wo Eisenschlacken aufgehäuft liegen, wenn irgendwo die Reste längst zerschlagener Hochöfen gefunden werden, dann sagt man, daß das eine Stelle sei, an der in alter, alter Zeit einmal die Talum ihr Werk betrieben. Sie sollen die ältesten Schmiede gewesen sein. Wenn man an solchen Stellen nicht die Blasebälge findet, so sagt man, das komme daher, daß sie zu tief unten gewesen wären. Aber etwas anderes schreibt man noch der Eigenart dieser Talum zu, nämlich jene ovalen Reibsteine in den Felsen, in denen seit undenklicher Zeit die Frauen ihr Korn mahlen. Von ihnen sagt man, sie seien überall da entstanden, wo ein Talum sich niedergesetzt habe, und zwar seien sie die Eindrücke ihrer ungeheuerlichen Hoden. – Diese Sache mit den Talum soll sich in uralten Zeiten abgespielt haben. Später – und das ist auch schon sehr, sehr lange her – hatten die Kirri dann noch einmal ein Erlebnis mit einer Art Jajawa. Die Talum waren Menschen. Diese Pensuguri, mit denen sie nachher zu tun hatten, waren aber Jajawa, d. h. soviel wie Geister.

Einmal fanden die Kirri im Busch einen Platz unter Bäumen, der war ganz ausgezeichnet geeignet für eine Farm, denn die hohen Bäume verbreiteten nach unten hin breite Schatten. Die Kirri machten da also eine Farm, und zwar eine Maisfarm. Einmal schlief ein Bursche, der da gearbeitet hatte, im Schatten der großen Bäume ein. Darauf kam ein Pensuguri. Die Pensuguri sind ein Volk, von dem jeder nur ein Bein hat. Es sind Jajawa. Der Pensuguri kam auf die Maisfarm unter die Bäume und sagte: »Das ist mein Platz. Das war immer mein Platz. Nun haben die Menschen hier eine Farm gemacht. Das will ich nicht.« Der Pensuguri sah den Burschen. Er weckte den Burschen und sagte: »Mein Junge, ihr habt hier eine Farm gemacht. Der Platz ist aber mein Platz. Geh also nach Hause und sage deinem Vater, daß dies Pensuguriland ist und daß hier niemand eine Farm machen darf. Ich bin aber ein guter Mann. Daher will ich dir nichts tun. Ich möchte dich nur bitten, mir deinen Armring zu schenken.« Der Bursche zog darauf den Armring herunter und gab ihn dem Pensuguri. Der Pensuguri sagte: »Ich danke für den Ring. Geh nun heim und sage deinem Vater, daß alle solche Plätze, über denen die Bäume einen weiten Schatten machen, dem Pensuguri gehören und daß man da keine Farmen machen darf.« Der Bursche lief nach Hause und sagte zu seinem Vater: »Ich schlief auf der Farm. Da kam ein Pensuguri und sagte: ›Mein Junge, ihr habt hier eine Farm gemacht. Der Platz ist mein Platz. Geh also nach Hause und sage deinem Vater, daß das Pensuguriland ist und daß hier niemand eine Farm machen darf. Ich bin aber ein guter Mann. Daher will ich dir nichts tun. Ich möchte dich nur bitten, mir deinen Armring zu schenken.‹ Ich gab ihm meinen Armring und er sagte: ›Sage deinem Vater, daß alle solche Plätze, über denen die Bäume ihre weiten Schatten werfen, dem Pensuguri gehören und daß man da keine Farmen machen dürfe.‹« Seitdem meiden die Kirri Plätze um Bäume, wenn sie eine Farm bauen wollen. –

Die Nagajare haben mir nicht solche Dinge erzählen können. Aber ich hörte, daß auch sie sich eines schmiedekundigen Volkes erinnern, daß sie Tirim oder Tirimbu nennen. Die Pensuguri als gute Geister wollen sie nicht kennen. Dagegen sagen sie, daß es im Busche Kona oder Konabu gebe, das sei ein ganz schlimmes Volk. Wenn man davon einen träfe, käme man sicher krank nach Hause. Diese hätten auch die Eigenschaft, daß sie sich vor den Augen des Wanderers plötzlich aus einer in zwanzig und mehr Personen verwandeln können.

Nachträge aus Alkassom. – Die Leute von Alkassom, dem Bergplatze, nennen sich selbst Daga. Sie geben an, daß dies Tal vordem von Djibu, das ist der bei Karbabi und Belim in den Tälern wohnende Jukumstamm, bewohnt war. Die Jukum drangen aber niemals mit Übergewicht in die Berge. Diese blieben stets in Dagahänden. Die Daga oder Dakka stellen auch, nach hier unternommenen Untersuchungen, das älteste staatenbildende Volk dar. Der Schwerpunkt liegt nach hiesiger Tradition ebenfalls weit im Norden. Und zwar sagen sie: in ur-, ur-, uralter Zeit war ein König der Dakka, der hieß Bansche. Dieser Bansche regierte auf dem Berge Djangam, der nicht weit fort von Jola liegt. Das war vor der Zeit der Tschamba, die ihnen als jüngere Brüder gelten. – Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß der Schwerpunkt des Dakkareiches im Norden lag. Denn alle Angaben sind darüber völlig einig. –

Die Alkassomleute (Dakka der Berge) erzählen von den Schmieden: Auf dem Sagamberge an der Grenze des Dagalandes lebte der erste Pie (Schmied), den Gott (Urumkuksa) gemacht hatte. Von ihm lernten die Daga die Feuerbereitung. Die Schmiede sind auch hier ganz außerordentlich geachtet. Aber niemand will eine ihrer Töchter heiraten oder ihnen eine der eigenen zur Frau geben. Man zahlt auch hier in den Dagadörfern des Gebirges an die Schmiede Abgaben, und zwar zahlt jeder Farmer ein wenig Sorghum, jeder Jäger einen Anteil vom Fleische seiner Jagdbeute. – Über ihren Schmiedefeuern haben die Schmiede auch hier einen Hühnerkopf hängen. –

Diese Leute erzählen über die Jeskinna, die hier Urumkuksa (also »Gott«) heißen: Wenn man in uralter Zeit das Sorghum zu Mehl rieb, so ward es über Nacht wieder zu Korn. Wenn man damals ein Tier geschlachtet hatte, dann ward das zerlegte Fleisch über Nacht wieder zum lebendigen Tiere. Jedes Ding, sei es Pflanze oder Tier, das man schon zum Essen bereitet hatte, ward über Nacht wieder zusammengefügt und lebendig. Darauf stellte ein Schmied die Urumkuksa (also die Jeskinna) her. Man schwang diese, und seitdem hat sich nichts wieder in seinen früheren Zustand zurückverwandelt, nachdem es einmal zerteilt war. Es blieb dann immer wie es war. – Man opfert den Urumkuksa Sorghumbier, und zwar im Busch. –

Daga über die Blitzschlange = Wuo, aus Eisen. Wenn man bestohlen ist, geht man zu dem Wuoeisen und betet: »Bitte, töte den Dieb.« Dann kommt der Blitz herab und tötet den Dieb. – Es wird Hühnerblut jeder Art in der Erntezeit über den Wuoeisen geopfert. Man gibt ihnen aber nur das Blut. –

Daga über die Figurenpaare: heißen hier Mun. Es kamen einmal die Blattern (= komma; in Fulfulde = Katschindang; in Haussa = Massassawa) ins Land und töteten viele Menschen. Darauf stellte man die Munfiguren her, die vertrieben diese Krankheit. Seitdem opfert man ihnen im Hause Schim oder Tschim, d. i. Bier. –

Daga über die Ta-djubi. Wenn ein Mensch erkrankt, wird auf den Ta-djubi geblasen und auch hineingesprochen: »Ich bitte dich, daß der Mann gesund werde.« Solches Gebet wird viermal wiederholt. Es wird Wasser hineingegossen und dieses über den Mann ausgeleert. Dann wird er gesund.

Früher hatte ein Oberpriester bei den Daga alle diese Heiligtümer unter seiner Verwaltung. Der Mann wurde Karam Kungum genannt. Heute macht es alles Gjagse, der König selbst. –

Daga haben weder Schwirrholz noch Schwirreisen. –

Daga tragen am Gürtel ein Eisen (= Djennpisso) als Schutzamulett gegen Stich und Hieb. –

Daga haben folgende Opferfeste:

1. In der Pflanzungszeit erhalten alle Heiligtümer Bier, dazu eine Ziege oder zehn Hühner ohne Rücksicht auf Farbe und Geschlecht. Dies ist ein Opfer für die Heiligtümer insgesamt.

2. Wenn das Sorghum reift, wird Mais- und Sorghumbier gebraut und dieses auf einer Bergspitze geopfert.

3. Wenn die gesamte Ernte beendet ist, muß erst ein gutes Sorghumbier gebraut und dies über dem Urumkuksa (Jeskinna) geopfert werden, ehe irgend jemand vom neuen Korn genießen darf.

4. Als letztes Opfer gilt das alle vier oder fünf Jahre wiederholte Beschneidungsfest. –

Irgendwelche besonders zu beobachtenden Schaf- oder Ziegenopfer, bei welchen Geschlecht und Farbe wichtig sind, kennen die Daga nicht. –

Daga haben einen Orakelmann = bi-mwua, der seine Weissagungen aus dem Gegeneinanderreiben seiner beiden Handflächen und dem etwa eintretenden Hängenbleiben derselben liest. –

Daga haben Beschneider. Ein solcher pflegte gekleidet zu sein in ein Gewand aus breitem, bis fünf Hände breitem Stoffbande, das Usipassi genannt und das wohl mit einem dem Muntschityp ähnlichen Webstuhl hergestellt wurde. Da die uralten Nachbarn der Daga, die heute von den Jukum unterworfenen Wurbo diese Breitweberei am Griffwebstuhl seit uralten Zeiten kannten, so kann sehr wohl auch dem Südwestdakka dies Gerät bekannt gewesen sein. Jedenfalls hatten die Daga für ihre Weiber Umschlagetücher aus Breitstreifen, die dann Ja-usi genannt werden. Usi-passi – und demnach auch Ja-usi – sind nicht mehr gebräuchlich. Ich konnte nur noch die Erinnerung daran und nicht mehr die Namen der Produkte selbst auffinden. Heute wird nur noch auf Trittwebstuhl das übliche Schmalband von Handbreite, das Usi-tari, hergestellt. Der Beschneider trug früher also, wie gesagt, ein Ja-usi. –

Dagakönig (Gjagsa) durfte nicht essen: Elefant (= Kogna), Nilpferd (= Dung-barre) und vor allem nicht Leopard (= bie), trotzdem er auf einem Felle von letzterem Tiere zu sitzen pflegte. –

Daga haben folgenden Rest der alten Amazonentradition: Anfangs lebten die Männer und Weiber getrennt voneinander und keiner der beiden wollte sich dem andern nähern. Eine Frau nahm aber eines Tages viele Blätter. Sie breitete vor der Ansiedlung der Frauen bis zu der der Männer einen weichen Weg, auf dem sie dann nachts zu den Männern hinüberging. Sie ließ sich von einem derselben beschlafen und kam dann ebenso leise und vorsichtig wieder zurück. Eine Frau machte es der andern nach. Wenn eine Frau nachts einen Mann besuchen und sich beschlafen lassen wollte, bereitete sie einen weichen Weg aus Blättern, so daß niemand ihre Schritte hören konnte. – Eines Tages nun wollte auch ein Mann einmal den Versuch machen, in die Ansiedlung der Frauen zu gehen, um eine von ihnen zu beschlafen. Der Mann vergaß aber in seiner Hast eine Blätterunterlage auf den Weg zu breiten. Also machten seine Tritte viel Geräusch. Die Frauen hörten das. Die Frauen kamen heraus und fingen den Mann. –


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