Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
ern (der Kanton) wies im Jahr 1900 in seinen 74,366 Wohnhäusern 589,433 Personen und 122,200 Haushaltungen zu durchschnittlich 4,82 Personen auf. Für Grindelwald galten damals die entsprechenden Zahlen 558; 3346; 747; 4,35. Im frühsten statistisch erreichbaren Jahr 1669 betrug Grindelwalds Einwohnerschaft rund 1300 Seelen, bevor die Pest ihr schreckliches Regiment neu begann. Um 1737 wird, nach Maßgabe der auftreibbaren Notizen, die Bevölkerung 1673 Köpfe, also die Hälfte der heutigen, betragen haben. Trotz den Seuchen vollzog sich also die Verdoppelung in etwa 1 3/ 4 Jahrhunderten, während man für Europa hiezu eine Normalfrist von 5 Jahrhunderten ansetzt. 1 Zwischen 1798 und 1900 wuchs Grindelwald um 37%, Unterseen um 73, Gadmen und Guttannen (früher zusammen eine Pfarrei) um 16% der Bevölkerung. Grindelwalds meist landwirtschaftliche Einwohner halten also im Zuwachs ungefähr die Mitte zwischen dem raschen Zunehmen eines industriellen und dem langsamen einer ebenfalls landwirtschaftlichen, aber durch Auswanderung stark geminderten Bevölkerung. Die Auswanderung hat nämlich, wie das Oberhasli und die Lenk, so auch Bergorte wie Lütschenthal, Isenfluh u. a. in so starken Rückgang gebracht, daß eine ferne Zukunft ihnen das Schicksal eingegangener Dörfer wie «Frienisberg» (an Bußalp), 2 Ammerten und dgl. bringen könnte.
507 Blieb Grindelwald im großen und ganzen vom Auswanderungsfieber verschont, so grassierte hier dafür vor Alters das Söldnerfieber. 3 In Annä̆men (Zunamen) wie Päpstler, Năplitaner, Prïïßen-J̣e̥lli, Hŏlẹnder-Bääbi, Fahner-Heini hat es bis heute seine Spuren hinterlassen. Zur Entvölkerung führte der Söldnerdienst freilich nicht, da die Ausgezogenen meist in einem heiratstüchtigen Alter und mit einem anlockenden ökonomischen Satz heimkehrten. Sie zählten also auch nicht unter die zuehag’schlinggete n fremde n Fëtzla, wie man etwa die als minderwertig angesehenen nichtburgerlichen Elemente bezeichnete. Schon 1888 jedoch vertrugen sich 2555 ortsansäßige Burger mit 499 außergrindelwaldnischen Bernern, 18 außerbernischen Schweizern und 15 Ausländern so, das s mu̦ nịịd anders gwißd heed. Die Engilender, Franzosen, Nordamerikaner, Italiener und die Tïïtschen, welche in immer größern Strömen als Pensionäre und Touristen die Wĭ̦site nstŭ̦ba des Berneroberlandes 4 und besonders Grindelwald als das «Mekka der Alpenpilger» 5 zu besuchen kamen, öffneten mit goldenen Schlüsseln die von Natur engen Herzen der Hiesigen auch für die Fremden im allerweitesten Wortsinn. Ein weiteres tut gegenwärtig der neulich eingeführte Wintersport, welcher erst noch recht «die richtige n Llị̈ị̈t» herbringt, wenn auch auf wie kurze Zeit! Denn hurtig e n chlịịn sich auf Schnee und Eis zu tummeln kommen und dann plötzlich dḁrvó n stịịben oder abschieben, daß von heut auf Morgen nid en einzigi Scheiha Fremds meh da ist, das ist ja die Signatur dieses «Winterfeldzugs».
Die Gäste kommen und gehen, um rasch eine Weile sich das Vergnügen zum Geschäft und dem Wirt das Geschäft zum Vergnügen zu machen. Der urchige Landwirt beneidet freilich den Gastwirt auch in den Zeiten nicht, wo selbst er das Gasthaus eine Gäldfalla zu nennen geneigt ist. Er weiß: in der toote n Zịịt gi bd’s denn nịịd, und in der Vorsaison nimmt mu̦ bloß fï̦r Brod u nd Ggaffee ịịn. Drum seine Erklärung: i ch bi n lieber bi’m Landwä̆se n wan bi’m Wirtswä̆sen. Das schließt freilich nicht aus, daß es in bescheidenem Maßstab Übergänge zwischen beiden gibt: Sennhütten als Gasthausvorstufen, 6 die allerdings erst bloß Milch ụụswirten; da und dort ein Marggidänderhï̦ttli als Erfrischungsstation; eine Hütte zum Einstellen der Saumpferde. 7 Hier, wo es noch nicht Verzäpfta (Flaschenwein) zu konsumieren gibt, macht der Inhaber, die Inhaberin der Hütte selbst den Wirt, die Wirtin, den Kellner, die Stŭ̦be nwirti 508 (Kellnerin) oder das Gaststŭ̦be nmeidschi. Als Übergänge anderer Art führen die zahlreichen Pensionen zu der eigentlichen und berufsmäßigen Gastwirtschaft, die sich durch das Wirtsschild: die Taffä́rna 8 kennzeichnet. Auf die Bedeutung beider wies bereits 1892 die «Kapazität» Grindelwalds von beiläufig achthundert Betten. Daß seither diese Zahl auf mehr als achtzehnhundert gestiegen ist und dementsprechend die Zahl der Gasthäuser sich gemehrt hat, macht schon ein Blick auf die Straßersche Karte in unserem Buche glaubhaft.
Wir dürfen aber auf unserem knappen Raume bloß die von ihr ausgeschlossenen Etablissemente des nicht ständig bewohnten Grindelwald berühren. Erwähnen wir zunächst das 1832 durch den Adlerwirt Samuel Blatter erbaute Gasthaus auf dem Fụụlhŏren. Am Sommerwege zu ihm liegt der Waldspitz ( S. 157). Den Wanderer ins Hasli hinüber erfrischen Loïchbïel und Scheitegg, jenes im Sommer 1905 neu, dieses nach dem zweiten Brand von 1894 größer gebaut. Am Milchbach vorbei gelangt der Wetterhornsteiger zu seiner Nachtstation Gläckstein. Der Besucher des untern Gletschers findet Erfrischung u. a. im Marmorbru̦u̦ch, der des Eismeeres Nachtherberge 509 in der nach dem zweiten Lawinenunglück von 1906 ( S. 70) neu errichteten Bä̆regg. Der Weg zur kleinen Scheidegg führt an Alpiglen, diesem lieblichen Pendant zum Waldspitz, vorüber, und der Ersteiger des Männlichen verfehlt seit 1867 schwerlich eine Einkehr im Hotel Rigi Männlichen.
Von einer dieser Höhen den Blick nach dem Dorf und seiner Umgebung hinunter werfend und die stattliche Doppelreihe modern ausgestatteter Gasthäuser musternd, schauen wir in die unferne Vergangenheit zurück, wo noch das Pfarrhaus ganz oder größtenteils dem Fremdenverkehr genügte. Langsam nur sehen wir einen Gasthof nach dem andern sich seine Existenz erstreiten, indes Pintenschenken (nacheinander auf- und eingegangen) im alten Tălhụụs, im Graben, bi n der Post (die Pinta), an Stotzhalten, das ụụßer (1790) und innder Wirtshụụs uf der Gärwi, sowie ähnliche Wirtschaften am Endwääg, bi der Saagi im Grund, am Fäslerstutz (1760) mit der vielbesprochenen früheren Knappheit des Geldes sich in seltsamen Widerspruch stellten. 9 Nicht dagegen sind die beiden «Stärnen», 10 von Wald eingerahmte Gütchen, als Restaurants der heutigen Sprache zu deuten. 510 Im Jahr 1628 11 schenkte die Berner Regierung für «so lang es uns und unsern gnädigen Nachfolgern gefällt» der Gemeinde Grindelwald zwei Taffärnenwirtschaftsrechte und ein Pintenwirtschaftsrecht. Mit obrigkeitlicher Bewilligung versteigerte später die Gemeinde die beiden erstgenannten Rechte. Ein Burginer erwarb den Bä̆ren, den Vorläufer des heutigen Hôtel Bear, zwischen 1817 12 und 1820 in dessen Nähe neu gebaut. Auf den Steinbock als «das Wirtshaus zu Gydisdorf» kam jener Christian Bohren, der durch seine glückliche Rettung aus der Gletscherspalte ( S. 57, 126) so bekannt geworden ist. Von der zur Hingabe einberufenen Gemeindeversammlung in der Kirche hatte man die Namen des bisherigen Inhabers, Ritter aus Unterseen, und des neuen Bewerbers Bohren untereinander auf großer Tafel angeschrieben. Der Landvogt eröffnete die Stimmabgabe. Würdevoll erhob er sich von seinem Ehrensitz im Chor, schritt gewichtig zum Taufstein heran, griff gemächlich zur Kreide und ließ einen wohlgezogenen Strich sitzen hinter Ritters Namen. Wie einer, der gelassen ein großes Werk getan, nahm er schweigend wieder seinen Sitz ein. In feierlicher Stille verstrich eine Minute. Dann schlürften über die Fliesen des Chorbodens die schweren Nagelschuhe des Statthalters. Die Ergebenheit symbolisierend, fügte sich hinter des Landvogts Kreidestrich ein kleinerer. Heran nun schritt Mann um Mann des Untergerichts: der Vertreter der Bergschaft hinter Scheitegg, der ab Grindel, von Baach, von Holzmatten, die zwei aus Bueßalp innert und außer Orts, der von Itramen, der von hinter Wärgistal; zehn Stimmen für einen Mann. Jetzt trat aus den Reihen der gemeinen Untertanen im Kirchenschiff der breitrückige Bauer Bŏren-Hansi im großen Huus, schritt wie einer, der seiner Sache und seiner Leute sicher ist, zur Tafel hervor, setzte einen wuchtigen Strich hinter Bohrens noch leeren Raum und murmelte wie für sich in den Bart so vernehmlich, daß es in die hinterste Ecke drang: I ch mmëchti de nn wwissen, warum nid eina von ịị ns das sëllti haan! Und Strich um Strich fügte sich an den seinigen wie zu einer langen hängenden Kirschleiter; bei den zehn Stimmen des Widerparts verblieb es. 12a
Das war um die Zeit des Übergangs. Kurz darauf, im Jahr 1800, 13 erwarb Bohren das Gasthofrecht zum «schwarzen Adler» und erbaute das danach benannte hübsche Haus, welches unser Einlagebild nach Deroy’s vues de Suisse zur Rechten zeigt. Das Gebäude zur Linken aber, d’s ober Huus oder die heutige Dependenz zum «Adler» mit selbständig betriebener Pintenwirtschaft, ist eben der ehemalige «Steinbock». 511 Unser Bild zeigt ihn in seiner vermutlichen Urgestalt von 1779. Der «Adler» selbst, an dessen Bau die Gäste bloß die nächtlich störende Ringhëërigi zu tadeln fanden, 14 ging um 1890 in Flammen auf, wurde aber als Gasthaus durch das ihm benachbarte Grääfihụụs 15 (vgl. S. 543) von 1841 ersetzt.
auf die Urgestalt von 1779 rekonstruiert.
Mit den Gasthäusern wetteifert an Stattlichkeit die Reihe der Kaufläden und Magazine an der Dorfstraße, welche in den seltenern und einfachern Lä̆den der Außenorte allgemach ausklingen. Gŭmiga ( commis voyageurs, Einzahl: der Gŭmi) vermitteln nun an Stelle der alten Su̦st (Warenniederlage) zwischen Klein- und Großhandel. Welch einen Gegensatz aber bieten diese zahlreichen Kaufgelegenheiten erst gegen die noch unferne Zeit, wo d’s Braawḁnd-Elsi im Duftli 512 und d’s Egger-Anni an der Spilstatt die paar einzig gangbaren Wahren von Interlaken hein in Hutten inha g’fergged, um sie hier Bestellern oder Zufallskäufern in einem Găden neben der Wohnung um einen kleinen Profit abzugeben! Das war etwa en Hụụbenblätz ( S. 489) mit Spitzlinen dḁrzue, oder e̥s sịịdigs Halsband (Halstuch). Gewöhnliche Kleiderware war in Grindelwald nicht käuflich. Die mußte von der Frau eigenhändig gefertigt werden; der Mann wies ihr einfach die Gelegenheit an, zu Wolle und Linnen zu gelangen: da sịị n Schaaf, und da ist Land, und da ist Mist! Heute aber gibt es Töchter, welche das selbstgewobene Haustuch zum Krämer tragen und dafür Fabrikplunder eintauschen. Daß auch Lebensmittel, außer allmählich eingeführten Kolonialwaren, selber beschafft werden mußten, ist auf S. 260 ff. auseinandergesetzt.
Seit langer Zeit hat Grindelwald auch einen herbstlichen Märt. Da derselbe jedoch allermeist nur mit Trïecht, besonders Ziegen, befahren wird, hat er den Übernamen Geißgä̆ge̥ller, Geißgăgler bekommen. Um so lebhafter geht’s auf dem Chräämmermärt zu. Der Viehzüchter aber macht seine Geschäfte vorzüglich auf den Großviehmärkten zu Interlaken: dem chaalten Märt im Januar, dem Meie nmärt, dem herbstlichen Michels-, Gallen-, Martis- und nịwwe n Märt. Daneben besucht er den dortigen Sï̦wzịịstăg.
1
Kasth. Hs. 146.
2
Wyß 631.
3
v. Tav. 59-62; Pfr.-Ber. 1764.
4
Str. BO. 6.
5
Wäber 258.
6
König 39.
7
Stud. T, 71.
8
Umgedeutet aus
taberna (Bude, Pinte).
9
Vgl.
Ch.
10
A 1.
11
Berner Mandatenbuch Nr. 7, pag. 730, St.-A.
12
Wyß 626;
Murray 77.
12a
Nach Mili-Jelli (S. 520), dem wir überhaupt viele Beiträge verdanken.
13
Vgl.
Wäber 256.
14
König 27.
15
FG 3.
Gemalt von F. Brand.
Moderne Einrichtungen wie die Kanalisation des Dorfes (1904) und das Elektrizitätswerk (seit 1897) führen über auf das Thema der Verkehrswege. Der einheimische Sprachschatz möge uns eine skizzenhafte Geschichte derselben an die Hand geben.
Ein unüberschreitbares Gewässer oder dessen trockenes Bett, ein Grăben, bildet in bewohnten Gelände das häufigste Verkehrshindernis. Am einfachsten wird das erstere überwunden durch Benutzung einer seichten Stelle: einer Furt (vgl. die Orte «Fürten», 1 «Er dfurt», 2 « Oxford» = « Bosporus»). Den nassen und mitunter bedenklichen Durchgang ersetzt auf elementare Weise eine Steinbrï̦gg: distanzenweise ins Wasser geworfene Felsstücke, wie über den Abbach im Sụ̆terweidli. Sie ist der Prototyp zur richtigen Brï̦gg, welche als Anknüpfungspunkt von Niederlassungen so viele Brü̦gg, Brig, Bru̦gg, Bruck, Langenbruck u. s. w. als teilweise sehr bedeutende Orte benannt hat. Eine Brï̦gg 513 ohne nähere Bestimmung führt über den Horbach nach dem Haus bi’r Brï̦gg 3 und weiter nach den Brï̦ggmĕd’ren am Bergelbach. Auf Bauteile einer Brücke deuten Namen wie: bi’m Brï̦ggstock 4 (nach dem Fuß der Lütschinenbrücke bei der 1890 errichteten Wirtschaft Burglauenen); die Bŏgenbrï̦gg oder der Schwi̦bbŏgen, 1698 über dem Bergelbach (nördlich der 1904 errichteten eisernen Straßenbrücke) erbaut; die u n’teckt: eine der Brücken des Lütschentals, zum Unterschied von den andern, welche hübsche kleine Gebäude darstellen. Über den Mühlebach führt die Mï̦̆librï̦gg, 5 über das Bernhardsbächlein das Bä̆renhardsbrï̦ggli. 6 Nach nahegelegenen Orten, Fluren u. dgl. sind benannt: die Ei-, Lindi-, Stä̆gmatten-, Horlouibrï̦gg im Lütschental, die Jŭ̦de nwángbrï̦gg 7 mit ihrer bemerkenswerten Bauart, die Schwẹndi-, 8 Eërtli-, 9 Burglauenenbrï̦gg. 10 Dem Eis- und Marmortransport mit Rollwagen diente vormals die Rollbahnbrï̦gg. 11 Nach der Kirche endlich führt von der Schattseite her die Chilchbrï̦gg. 12
Die um 1750 von den Grindelwaldnern erstrittene Gündlischwandbrücke 13 erinnert an deren Nachbarorte Gsteigwyler und Gsteig, alt Gesteige, Steiga, Stega und die dahinter steckende reiche Wortgruppe. Die Brücke nämlich, im Ursinn 14 so viel wie Fußboden (vgl. Brï̦̆gi), braucht schon nach Ausweis voriger Beispiele nicht breiter und länger zu sein, als ein ordentlicher Stääg z. B. bei den Häusern vor dem Stääg 15 oder beim Gut «am Stege» (1345, 16 vgl. «Amstääg»). Ortsnamen wie «der» Kandersteg 17 können denn auch (namentlich in Zukunft) an Bedeutung mit den verschiedenen 514 «Brügg» sich messen, und der Name Stäägbrï̦gg vereinigt sogar beide. Daran hindert auch nicht die leichte Transportfähigkeit z. B. des abziehbaren Winterstäägs oder Schuelstäägs in der Ei, welchen die ehemals auf den Endwääg angewiesenen Schüler von Wärgistal und die in die Schluecht (jetzt Bachsbort) pilgernden Schüler von Itramen benützten, um nicht z’r Chilchbrï̦gg oder Stägbrï̦gg mïeßeṇ ga z’chehren.
Von R. Münger gezeichnet 1907.
Ist nun altes stîgan mit seiner Bedeutung des Auf- und Abwärtsschreitens eine Spezialisierung des Schreitens überhaupt, 18 so ist auch seinerseits der über ein Wasser führende Stääg eine Abspaltung der Gruppe, zu welder u. a. die folgenden Worte mitgehören. Einen Steg machen hieß stëgen, und das Umherklettern der Kinder ist ein stä̆ge̥rren; ein Pfad, Fußsteig ist ein Stịịg; die stîga oder die «Steig» 19 ist uns ( S. 420 f.) unter Stịịja, Sï̦wstịịja begegnet. Auch ein Teil Nodhaaltens, dessen oberster Zugang mehr einer «Stägen» als einem Weg glich, heißt noch heute uf Stịjen. Zu steigel gehört ein gekürztes «steil» (stotzig), zu stëchel die Ortsnamen Stächelegg 20 und Stächchelberg. Eine Schwesterform zu Stiege (Treppe) ist die Stä̆ga, an welche 515 auch bei Benennung der so hübsch sich abstufenden Stä̆glouinen ( S. 69) gedacht ist.
Von Charles Flach gezeichnet 1896.
Die unmittelbar an den Steg anknüpfende Art des Fußsteigs ist die Leitra mit alljährlich erneuerten Seiglen (Sprossen). So führen die Schëënbíelleitri über den riesigen Felsenspalt vom Milchbach zum Gläckstein, führten vormals auch die Zybachleitri gegen letztern hinan. Auf einer langen Leiterreihe steigt man von der Bäregg zum untern Gletscher hinab. Das «Hühnerleiterli» führt auf die Spitze des Strubels. Das romanische Gegenstück scala findet sich in den verschiedenen «Schallenberg».
Wie sehr ist aber selbst eine «schwanke Leiter» noch einem ehemaligen bëës n Tritt zwischen oberm und unterm Challi 21 und über dem Rosenlauigletscher, 22 selbst auch einem Gelten-, Dungel-, Tschingeltritt 23 vorzuziehen! In die eisig polierte Felsenplatte zwischen Milchbach und Gleckstein waren früher nur die Zybachtritta, ist nun aber ein Pfad gehauen. Am nämlichen Wetterhorn führen das under 24 und ober 25 Ịịschpfad über die Ịịschpfadflueh 26 hinan. Ebendort finden sich (s. d. Waldspitz-Panorama) d’s schmaal Pfaad 27 und Loosi’s 516 Pfaad. 28 Das gandig Pfad hinwieder ist ein Felsband zwischen Zäsenberg und Kalli. 29
Die «Furgge», z. B. die Sefinenfurgge zwischen Mürren und Kiental, sowie die Lücken, die Sättel, die Joche — Iï̦̆chcher, Einzahl: das Jooch — und die Pässe, insbesondere die Gletscherpässe, führen über zu der noch belangreicheren Gruppe «Wääg». Der Volksmund stuft ab: das Chatze nwä̆gli, der Geiswääg, der Chï̦ehwääg, der Rŏswääg, die Gassa. Auch letzterer haftet, wie der städtischen Gasse neben der Straße, der Begriff der Enge an; man denke nur an die alt Gassa 30 oder an die Alpgassa nach dem Männlichen. Immerhin ist sie so breit, daß ein im Zickzack wankender Betrunkener, der d’Gassa brụụchd, auf ihr eines schon ordentlichen Spielraumes sich erfreut. Da zudem laut der Definition eines zwölfjährigen Knaben eṇ Gassa ist, wa Schëpf dri̦ n sịịn, so erinnert die Gasse mit solchem wiewohl oft recht regellosen Steinbelag bereits an die Straaß als den «mit Steinen besetzten Weg» ( strata via). Sie unterscheidet sich damit grundsätzlich vom g’wăsmete n Wääg, dessen mit Gras, Wä̆gerich, Kletten u. dgl. bestandene Ränder nach der Mitte hin zusammenwachsen.
Auf solch einem Weg, sei es nun der Terrasse nwwäg zwischen Chlụụsi 31 und Duftbach, 32 sei es der angenehme Edle nwääg der Lütschine entlang und dessen noch liebliche Fortsetzung bis Burglauenen, oder was immer für einer der zahlreichen halbtägigen Spazierwege, denken wir uns einen frohen Wanderer: ụụfliha, d’s guete n Muets oder bi guetem Mued. Nehmen wir sogar an, er finde Reisegesellschaft, mit welcher er gued z’wääg, d. i. befreundet wird. Es sei eine alte Bekanntschaft, zu der es in freudigem Erstaunen heißt: Eh bist du ó ch d’wä̆ga! oder gewöhnlicher: t’wä̆ga! 33 (Lässest du dich ebenfalls 517 hier blicken?) Die Antwort lautet etwa: Ach ja, ich habe dort und dort ein Geschäft zu besorgen, und dḁrvo n t’wägen 34 (deswegen) bin i ch grăd ei nswä̆gs (ohne Umweg und Zögerung) z’wääg (auf den Weg) und ha n ’tẹichd, i ch welli ei ns t’wä̆ga choon; vo n wä̆gen (denn), wen n i ch lẹnger warte n, su̦ bringe n i ch nịịd z’wä̆gen (erreiche nichts).
Man soll ja überhaupt seine Stunde und seine Gelegenheit wahrnehmen; nur in dä́ n Wääg (so) erreicht man etwas. Der andere: Grăd in dä́ n Wääg (nach dieser Seite hin) führt mich mein Geschäft ebenfalls; und es ist ungefähr, wie du sagst; das ist nid wịịt — oder nid vi̦i̦l — us dem Wääg . Reisen wir also eine Strecke zusammen! U nd wen n i̦ ns d’Oigen nid am Wääg sịịn (so daß wir das zu allernächst Liegende nicht gewahren und z. B. nach dem Hute suchen, der uns auf dem Kopfe sitzt, oder nach dem Stock, den wir bereits in der Hand tragen), 35 so kann unser Geschäftsgang zugleich zu einem hübschen Lustreischen werden.
518 Die Breiteabstufungen des Weges setzen sich fort im Straäßli und in der Straaß. Das straaßen bringt auch in Grindelwalds Budget zuzeiten empfindliche Ebben; und vor den daherigen Anforderungen zurückzuweichen, sich gleichsam «davon zu machen» oder si ch z’strääßen geht auf die Dauer nicht an. Die Lasten sind um so schwerer, da die Gemeindesträßchen oder Straßen vierter Klasse (3,6 m breit) neben den drittklassigen Verbindungsstraßen (4,8 m breit) seine einzigen Fahrwege ausmachen. Landstraßen (5,4 m) und Transitstraßen (7,2 m) beginnen erst zu Interlaken.
(1815-1900)
Der staatliche Wä̆gchnächt (Wegmeister, Straßenwärter, wie es deren seit 1787 gibt) hat bloß von Burglauenen bis zur Kirche zu arbeiten; auf dem 1899 erstellten Sträßchen von der Kirche bis zum Wetterhorn, sowie auf den übrigen Gemeindewegen arbeitet der kommunale Wegmeister unter der Wä̆gkomission jährlich vier Monate. Bei dringenden Werken wie Schneebruch u. dgl. und bei bedeutenden Korrektionen hilft ihm das gmei n Wwäärch in genau festgelegtem Pflichtanteil jedes Familienhauptes. — Bald wird nun auch das von Itramen und Wärgistal so bitter vermißte Sträßchen seine endliche Auführung finden. Die 1828 des Namens würdig gemachte Dorfstraße, seit 1901 durch einseitiges Trottoir verbreitert, findet seit etwa vierzig Jahren ihre westliche Fortsetzung durch die Burglauenenstraße, die u. a. an der Straßschị̈ị̈r vorüberführt. Dieser Weg nach Interlaken ist der einzige fahrbare ze’m Tellti ụụs, während an den gigantischen Scheidewänden für Wetter und Wind, für Volk und Verkehr, für Kultur und Sitte die Lütschinentäler wohl für immer erwinden. Wie an den bisweilen jähen — gääjjen — Wegbiegungen im Chehr, 36 wo es buchstäblich wie sonst auch bildlich (im Sinn von angewendeter List) e n Rank z’brụụhen gilt, müssen diese Täler auch auf jenem mächtigen Umweg ihre Anschlüssen suchen. Glücklicherweise ermöglicht ihren nun die Bahn ( S. 528 ff.) eine schätzenswerte Ersparnis an Zeit, Geld und Mühe.
(1847-1907.)
519 Von letzterer sei hier zuerst die Rede. Alte 37 und neue 38 Klagen über schlechte Wege und Straßen beziehen sich zunächst auf Staub und Kot: in trockenen Sommertagen stoibed’s und in regnerischen is’ ’s plŭ̦drig, e̥s grị̈ị̈sli chß Plŭ̦der, e n wïesta Papp. Dazu kommen die zahllosen Unebenheiten. Es ist u nmmŭ̦gli ch oder uṇgä̆big z’gaan. Der Weg ist uneben: der Weg ist hotzelochta, u ng’hampleta, u ng’hŏbleta oder (in seltsamer Wortmischung von «ungehobelt» und «holperig»): ung’holpre̥ta, wie auch gewisse ihn begehende oder befahrende Menschen es sind. Es geht oder fährt sich auf ihm in der Weise eines hotzelochte n Meidschi, eines «Houde̥ridou»; e̥s geid hotzelocht zue; es hotzled u ng’hị̈ị̈r; auf den Hotzle̥rren oder Sprengginen (vgl. S. 83) hotzled’s einen, oder e̥s sprenggd n en ụụf. Eine Sprenggi ist also ein höchst unnötiger Absatz in einem Wege. Von ihr unterscheidet sich die Sprengge̥ta als Irreführung. So lockt etwa zweifelhaftes Heuwetter zum nutzlosen zertuen der Schochen; und der Erfahrne sagt: äs gi bd hịịt fajst aber no ch e n Schochche nsprengge̥ta!
Die Jugend, für die es noch nichts zu verlieren gibt, hat daran ihre Luft; und in freier Zeit däṇ Gglu̦st z’bịeßen, ist jedenfalls harmloser, als das Gehaben der Wegelagerer noch vor wenig Jahrzehnten. Wie war das ein umhalasten (umherfaullenzen), e̥s umha fahren oder troolen (vagieren), umhafändren, ein feien: tagedieben nach Art einer anrüchig gedeuteten «Fee» oder einer Umhafahren! Klagen über das Verbarrikadieren von Naturschönheiten, über absichtlich nötig gemachtes Brückenlegen und Pfadweisen, über die verkappte Bettelei von Zaungatteröffnern, Echokanonieren und Fremdenansingern 39 waren leider begründet genug, bis Obrigkeit, Pfarramt, 40 Gemeindebehörden und 520 edeldenkende Fremde zumal in Grindelwald dem Unwesen energisch und erfolgreich steuerten. Um die Grenze des Zulässigen herum schwankte bis letzthin etwa noch die winterliche Lotz zusammengerotteter Knaben, die durch looßen, durch Lëëßer unter sich ausmachten, wer dem nächsten in Sicht kommenden Fremden stoßen (auf schwachem Gefäll ihm den Schlitten schieben) dürfe. Diese Art «Fremdenindustrie» hatte denn auch die gesamte Männerwelt der Erde in zwei ganz neuartige große Klassen geteilt, zu welchem System die Soziologie der Zukunft noch Stellung zu nehmen haben wird. Die Klassifikation lautete: Wer wenigistens e̥s Halbfränkli gi bd, ist eṇ gä̆biga Heer (im Ursinn dieses Wortes); wer weniger oder gar nichts gibt, ist eṇ gịịtiga.
1
Lf. 51.
2
Rebm. 387.
3
H 1.
4
B 1.
5
G 2.
6
GH 2.
7
H 3.
8
D 2.
9
D 2.
10
B 1.
11
F 4.
12
E 3.
13
Cronegg im
GlM. 167.
14
Kluge 55.
15
D 2.
16
Font. 7, 104.
17
Grun. 1, 132.
18
Vgl. z. B. gr.
steichô (gehen, schreiten, stapfen, auch wie ein kleines Kind
stiffellen) und das daraus geleitete Stöchio- svw. Elementar- (-Messung u. dgl.).
19
Roth 125.
20
A 2; vgl.
S. 11.
21
Der Name seit
Rohrdorf (12); vgl.
Stud. T. 72.
22
Roth 127.
23
BOB. 36.
24
Gadmerisches «Fat» neben «Fad» (
AR. 1814, 271), «Bärenfaat» oder «Bärfaaten» könnte die Bedingung einer Urverwandtschaft mit gr.
pátos (Weg) usw. (
Kluge 291) erfüllen.
25
W 3.
26
W 3.
27
W 3.
28
W 5 (sP).
29
W 3 (LoPf).
30
F 3.
31
G 2.
32
E 2.
33
«Die Wege»: der Akkusativ der Richtung zu dem des Verweilens erweitert, wie in
uehi, ahi usw. Der Artikel machte in dieser Verbindung auch die Verflachung der demonstrativen Bedeutung durch («die Wege» = diese Wege). Vor Dauerlauten wird das aus «die» gekürzte
d’ überall zu
t’ als verstärkter Lautstütze. Man sagt
t’Epfla neben
d’Biri, resp.
b’Biri. Vgl. auch
jetwäda (jedweder) usw. Drum sagt man auch z. B. nicht «an d’Alp», sondern
a t’Alp (vgl.
S. 303).
34
Dies
t dagegen ist Einschiebsel wie in «deßtwäge» oder sogar «dessitwäge».
35
Im Emmental sagt man: We’s e Hund wär, är hätt di ’bbisse!
36
D 2.
37
König 61.
38
BOB. 118; Schmidt (1897).
39
v. Tav. 3. 126;
Roth 124; Schmidt 366;
SAC. 19, 125; 40, 72.
40
GlM. 44. 54. 59 f.
Wie man seit Kant in dreimal vier Kategorien die kleinen und die großen Bürden des menschlichen Erkennens unterbringt, so gibt es schon seit Jahrhunderten drei mal vier Grindelwaldner-Arten, in unwegsamem Gelände wie auf bessern Pfaden die realen Lasten des Alltagslebens zu bewältigen. Es gibt Achselträger im ehrlichen und ehrenhaften Sinn dieses Worts, Rückenträger und Handträger. Nur das Lasttragen auf dem Kopfe, das einen so dauerhaften Schädel und eine graziös straffe 521 Haltung anerzieht, überläßt der Bewohner des allzu unebenen Alpen-Bodens den Frauen des Oberaargaus und deutscher Gegenden! 1 Der Tragende aber bewegt sich entweder auf freiem Fuß, oder auf dem altmodischen Schlitten, auf den neusten winterlichen Schịịern oder auf dem sommerlichen Zweirad. Dies letztere erhält durch den Straßenbau immer mehr Vorschub und wird bereits nicht mehr als das ausschließliche Zunftabzeichen städtischer Gewerbsleute anerkannt.
Auf zwölf Arten also fretted mu̦ oder fergged mu̦ Lasti, wie dagegen der Bauer so und so viel Vieh fergged ( S. 249), wie man alte Sitten und Gewohnheiten fergged, wie der des Alten Gewohnte auch noch die alt Spraach fergged. Dieses ferggen ist mehr ein mühevolles und beschwerliches, traagen (emmentalisch «träägen») eher ein leichteres Vorwärtsbringen von Lasten. So treid mu̦ d’s Ässen uf d’Wịịti ụsi oder zum Vater, zum Bruder auf dessen entfernten Arbeitsplatz und wählt dazu ein 522 trĕgigs, meidet ein u ntrĕgigs Gefäß. Mit Vorliebe dient dazu das kleine, zierliche, aus modellierten Schienen gebaute Broodhu̦ttli (das «z’Morgenhu̦ttli» am Brienzersee). Statt «trĕgig» sagt man aber auch fĕrig, was mittelst der Faktitivbildung «fehren» und der Einkürzung «ferggen» aus «fertigen» und «fertig» auf «fahren» zurückgeht. Viel häufiger braucht man d’Fị̈ehri. Das bedeutet (vgl. bereits S. 75) ein umständliches Inbeschlaggenommensein von einer Angelegenheit. Am konkretesten gilt das Wort von einem Zaagg: är hed e̥s rächts Zaagg mit dieser Sache, mit der er nie fertig wird; är hed en Hellfị̈ehri, e n tụụsigs Hellfịehri dărmid. Är fïehrined menga Tag dran umha, wa en andra in ei’m fertig wurd. Eben anlangende Herrschaften, die es zu empfangen gilt, sịịn uf der Fiehri. Wer Kopfschmerz nahen fühlt, hed Hoi ptweh uf der Fịehri. Ein Säufer hed aber ei ns en Hŭ̦delfịehri g’hä̆ben, oder e n Stëër. Anmutiger hört das Wort sich an bei einer komplimentfreien Einladung: Mier heiṇ grad d’s tische̥nieren, oder ’s z’Morgen usw. ụf der Fïehri, oder: mier heiṇ Ggaffee uf der Fïehri; wolltid e̥r nid o ch es Chachte̥lli?
Man vergegenwärtige sich hierbei, daß in alter Sprache «fahren» gleich wie «führen» sich auf jegliche Art der Fortbewegung bezog. Es galt also auch dem gaan (sich hin begeben) nach einem bestimmten Ziele ( na ch n es Brëëtli gaan); dem an sich ziellosen loị̈ffen (gehen) z. B. des kleinen Kindes; dem eiligen springen (laufen). Letzteres übt man z. B., um nicht vom Regen b’sŏgen («bezogen, e̥b’sŏge», d. h. eingeholt, ereilt) zu werden. Dieses bsiehn («beziehen») hat auch den Sinn schließlicher Abrechnung und Vergeltung in einem Satze wie: e̥s b’siehd e̥s anders gẹng («eines holt das andere immer ein», d. h. jedes Tun belohnt oder bestraft sich einmal).
Wer uns beim Vorwärtseilen im Wege steht, im Wääg ist, zu dem kann es heißen: du̦ irrst mi ch! du bist mi ch am irren! 2 Flĭ̦ch! (Heute hiefür: gang dänna!) Dies gut mundartliche «irren» ist altes irran, 3 während irrôn 4 seine Entsprechung in schriftdeutschem «irren» findet. Mundartliches irren ist aber auch sonst ein Stören in einem Tun, und zwar mit dem Nebenbegriff des Verdrießens, des Ärgerns, welcher besonders in altem irri, irre (erzürnt) liegt. 5 Ein solches «irren» ist z. B. das zï̦cken: ausglitschen und fallen. Es hed mu̦ z’ï̦ckd oder ne̥ n z’wä̆ggrịehrd, weil er etwa keinen Stecken zur Stütze besaß. 523 Dieser Stäcken ist noch die letzte irgendwie tragbare Waffe; und wer «Butz und Benz», 6 «Krethi und Blethi» 7 zusammenfassend benennen will, sagt: was Stäcken u nd Stab hed më̆ge n tragen, Lăhms u nd Chrumms, Alts u nd Jungs. Daneben bedeutet der Stecken auch eine moralische Stütze. Törichte Eltern, welche ein Kind noch gar in seiner Widersetzlichkeit gegen den Lehrer bestärken, gää n ’mmu̦ daheimmen no ch de n Stäcken i n d’Hand, oder sie gää n ’mmu̦ Starz. 8
Aber auch der starke Lastträger, z. B. der Milchtrĕger ab der Alp ( S. 385) hält es trotz dem besten Stecken nicht aus, ohne von Zeit zu Zeit auszuruhen: z’lịwwen oder nach gutem altem Grindelwaldner- und nach heutigem Haslerwort: z’ghi̦rmen. 9 Dazu dienen die Lịwwischëpf oder Lịwwisteina, von Natur oder von Menschenhand distanzenweis am Weg oder Nicht-Weg aufgerichtet.
524 Sehen wir uns die eine und andere dieser Lasten an! Den Tu̦tel kennen wir bereits aus der Milchwirtschaft ( S. 385), das pu̦gglen der Futter- und Streuvorräte aus S. 289. Auch die Hu̦tta (der Rückentragkorb, die «Tschĭ̦ffe̥ra» des Goms und besonders des «Tschĭ̦ffe̥re nviertels» von Niederwald bis Reckingen) 10 ist uns nichts Neues; erinnern wir uns bloß noch einmal der Grindelwaldner Salzschĭ̦fe̥rren ( S. 404). Neu ist dagegen dem Besucher des Oberlandes das Reff ohne Deckel, verschieden vom gedeckelten Techchelrääf, Uberrääf. Es kam hieher aus dem Wallis, wo es noch in ursprünglichster Form einfach aus zwei seitlichen, über den Rücken des Trägers hinüber mit Holzstäben verbundenen Astgabeln besteht.
Mit einer Trïeglen wird die Last, die sich hoch auftürmen läßt, festgebunden. Dieses Gábe̥lli wanderte über die Alpen, um hier verschiedene Formen anzunehmen. Jedes solche Găbe̥lli — auch die Găbe̥lla oder das Halbrääfli geheißen — trägt eine geschlossene hölzerne Rückwand, welche im Underwaldnergabe̥lli ein Rechteck, im Schwịzergăbe̥lli ein Trapez mit der kürzern Breitseite nach oben, in Grindelwald aber nach unten, bildet. Frei herausstehende Trĕgra (am Brienzersee; Schwĭ̦re̥ni) tragen die Last, z. B. Käselaibe, aber auch das schwere Chääschessi und den anderen Alpzịịg ( S. 307) beim Fahren von Staffel zu Staffel. Auf diesem so äußerst fĕrigen oder trĕgigen ( S. 520), dazu handlichen und hübschen Gerät, oder aber in der Hu̦tten, trägt auch der jugendkräftige Hausierer seine Waren selbst über die beiden Scheideggen, ja als willkommener Gast bis aufs Faulhorn. Sogar recht schwere Lasten bewältigt er wohlgemut, weil er i ’n Brä̆tschlen ist: wohlgemut und zwääg; weiß er doch, daß er seine Absichten erreichen wird und wohl mag z’Schlaag choon. Auch sind Rücken und Brust der Last gewohnt: är is’ ’se̥ n gwŏhned, sie zu tragen, und er g’spịrd’s, das s er ḁ lsó i’n Brä̆tschlen ist. Dies Bild « i ch bin ḁ lsó i’n Brä̆tschlen» bedeutet überhaupt: so bin ich’s gewohnt. Weh dagegen, wenn der Träger bëës in Brätschlen ist: ökonomisch oder sonstwie «in bösen Hosen steckt», so daß er als fallit mues us den Brätschle n schleiffen; daß er also in ẹngen Brätschlen oder in bëësen Bẹndren ist. — Was sind die Brätschla? Der Brätschel ist das aus dem Armband ( braciale, bracelet) umgeformte und umgedeutete Schulterband. Es ist bisweilen 525 ungemein zierlich aus Ahorn oder anderm zähen Holz geschnitzt. Es legt sich vom Achselbein weg bis über die unterste Rippe hin an den Leib an. In geschickt gearbeiteter Rundung paßt es sich mit seiner dreifingrigen Breite so trefflich der Achsel und der Brustwölbung an, daß auch bei schwerer Last schmerzendes Drücken und Atembeengung möglichst verhindert wird. Obna und unna nimmt je ein knaufartiger durchlöcherter Ansatz das Band, speziell das eiserne Tụtelband auf. An beide Bẹnder knüpft man die Rückenlast. Mit dieser Last, in oder auf Tụtel, Wässerbränten, Hutten, Rääf, Gabelli geborgen, kann der Träger abbrătschlen: sich auf den Weg machen. Einfacher als das Rääf- oder Găbe̥lle nfẹrtli rüstet man zum pŭ̦gglen die verschiedenen Pï̦ntla ( S. 288), auch die schweren Holzbürden.
Altväterisches
mit natürlichem Ast als Träger.
An diesen Lasten sind Rücken und Schultern gleichmäßig beteiligt. Ähnlich werden kleine Kinder g’chrääzd (Huckepack getragen), wenn nicht zu schwache Kindermädchen sie mühselig umha pelzen (halb tragen und halb schleppen). 11 Ebenso einfach wie interessant ist die Art, wie der Zimmermann lange und schwere Lä̆den (Bretter) nach der Alp verbringt. Er bindet mit guter Gleichgewichtskunde die an Tich so plumpe Last auf das Lade ntraagi: ein möglichst leichtes Holzgestell, das in manchem an den Beinz ( S. 85) erinnert und wohl auch im Notfall durch einen solchen ersetzt wird.
In den Händen oder der Hand endlich trägt man alle möglichen Gschi̦rri. So die Handhu̦tta oder das Handhu̦ttli («Steinkratten») und den bauchwandigen Chratte n für Beeren oder Kirschen — Chirschratten. — Alta Chratten oder alti Tru̦cka heißt eine verschätzte alte Kuh; e n tumma Chratten ist ein Dummkopf; wohl auch einer, dem man beim Todfallen seines Vaters vom Kirschbaum das albern egoistische Diktum in den Mund legte: Es ist me̥r nid wä̆ge̥ n ’m Atten, es ist m̥er wä̆ge n ’m Chratten (daß ich traure). — Wer schließlich nicht mehr wie sonst sịịs Pï̦nte̥lli im verknüpften 526 Kopf- oder Nastuch zu tragen begehrt, formt sich daraus einen P’hack (ein Paket) oder verbringt es in altmodischem Wartsack old Wartseckli (Waatsack, d. i. eigentlich Gewandsack), 12 oder im hochmodernen Gare̥n (Marktnetz).
Während für Bäregg, Gläckstein, Waldspitz die Inhaber einfach mit Hülfe von Knechten oder Burschen sich verproviantieren, geschieht dies für den Männlichen mit Bahn und Pferd, für die große Scheitegg mit zwei Mụụltĭ̦gen oder Pastĭ̦gen ( S. 342), für das Faulhorn obendrein mit einem Roos, alle geleitet vom Basti (Säumer, mularius). Zum pasten (säumen, säumern) hängt oder knüpft dieser die Ladung: das Păst («Gebast»), an das Past (Sattel) des Pastĕsels oder des Pasti, womit das Mụụlti ( petit mulet, unfruchtbarer Bastard — Păster — von männlichem Steinesel und weiblichem Pferd) gleichbedeutend ist. 13 Eine Säumerladung für das Faulhorn veranschaulicht unser Bild. Es könnten dazu beispielsweise auch zwei beiderseits herunterhängende Lä̆ge̥lle̥ni 14 voll Wein gehören. Prosaischer nehmen sich aus: zwei Säckchen Zimänt für Höhenbauten; oder e̥s Past Holz, im Wallis mittelst des Chraapfens am Bast befestigt; oder zwei am Boden zu entleerende Kisten voll Dünger. Derart ụụfpasteds, geht das Tier gemütlich langsam, aber nachhaltig seinen Weg, um auf der Scheidegg oder auf des Faulhorns Höhe nach seiner Entladung sich am Boden zu wälzen, die Glieder wohlig zu strecken und derart si ch ze ntmïeden.
Uf g’ị̈ebter Straaß dagegen wälzt, sobald sich dies rentiert, auch der Grindelwaldner die Last auf ein Gefährt. Schlitten und Schịị sind unter « Schnee» verhandelt ( S. 80 ff.); das «Velo» und die «gelbe Gefahr», das «Auto», sind bloß zu berühren. Mundartlich benannt sind der Rĕdig (zweiräderiger Karren), der Charrwăgen (Lastwagen für Holz, Stroh, Steine, Sand, Eis), der Brĭ̦ttsche nwăgen (Brückwagen). Im Dienst des Fremdenverkehrs stehen nicht mehr der veraltete Schä̆rembaich ( char à banc, der ja allerdings beim schărbaihen «Schärem» bot); 15 wohl aber dienen die Schĕsa ( chaise) und das Schĕsli zum wagnen (Fremde im Wagen fahren) und gụ̆tschnen (Lohnkutscherei betreiben). Rĕdigen und charren bedeutet: tote Lasten führen; allgemeiner aber heißt letzteres: ein Gefährt in Bewegung setzen 527 und darin erhalten. Das Sitzen auf irgend einem Gefährt heißt auch hier 16 rịịten. Das ịị ngschi̦rred Zugtier gemahnt an einen Menschen, der z. B. als ungeberdiger Kranker seine Angehörigen auf starke Geduldproben setzt: sie ịị ngschịrred. Daß erst recht im Gebiet des Fremdenverkehrs «d’s Gold am Sattel schịịnd» (daß es glänzend zugeht), versteht sich; gleich selbstverständlich aber ist es, daß eben nid alls Gold ist, was am Sattel schịịnd. Ganz auf das Gold des Geschirres wird der Fuhrmann verzichten, der allenfalls einmal ein schlecht geladenes, daher auseinanderfahrendes Fuder loser Dinge fährt; ein Fuder, welches zergĭ̦ge̥rreds oder zergăge̥rredds aussieht und hinna usi ggarred. Weh erst, wenn ein solches Fuder an böser Stelle blịịbd stächchchen, weil es aa ngstochchen (auf ein Hindernis 528 «gestochen» ist), ein Hindernis es g’stelld heed. Es kann dies irgend eine bedenkliche Wegstelle sein, die der Fahrende nicht aufmerksam genug ins Auge gefaßt hat, auf welche hin er nicht gehörig ’zaaled heed. Weh hinwieder, wenn eine Gefällegefahr nicht hinreichend bekannt ist, wie etwa ostwärts des Staldens! Da lauern allerdings Spannbueben, um an Fremdenwagen etwas zur verdienen. Am Ende des Gefälls hinwieder sind Feïgenbueben uf der Lotz, um ruhende oder langsam bergan ziehende Pferde vor Geschmeiß zu schützen. Ebenso wünschbar aber wäre zuzeiten das aanheihen von Vorspann.
Ohne solchen kommt das tapfere schwarze Roß aus, das wohlgemut, obschon weit vernehmbar pustend, die dortige Zahnbahnstrecke durchmißt. Uns wenigstens kommt das Lŏkŏmŏdịịv (das «Chŏle nmotiv» eines alten Gsteigwilers), welches ja auch sein Führer in all seinen individuellen Eigenschaften und Launen, in seinen Stärken und Schwächen, so durch und durch kennen muß, immer wie ein selbstbewußt handelndes, beinahe menschliches Wesen vor. Wir könnten nicht auf die Schịịnigi fahren, ohne oben dem unermüdlich, wackern «Tier» ein herzlich anerkennendes «brav gemacht!» entgegenzurufen. Nicht könnten wir Mürren bereisen, ohne auf so angenehm sittiger Fahrt das leise Schnurren der Drahtseilrollen, von Grütschalp weg das noch leisere Gesumse der Elektrischen als ein freundlich gemütliches Plaudern aufzufassen, welches Antwort oder doch Verständnis erwarte.
Und solchen Verständnisses ist es wert! Was hat das tote Metall der Wägen, Schĭ̦nen und Drăht uns nicht alles zu sagen! Als im Jahr 1811 die Kaiserin Josephine von Interlaken aus Grindelwald besuchen wollte, mußte man für sie eine Extrakutsche aus Bern b’schicken. 17 Jetzt gelangt man in einem Tage von Bern nach der Station Ịịschmeer und zurück, Vor siebzig Jahren noch erklärten deutsche Ärzte die Vernagelung eine Bahnkörpers, den man allfällig doch zu bauen wage, mit mannshohem Bretterzaun für unerläßlich zur Vermeidung der Gehirnkrankheit Delirium furiosum bei allen Fahrgästen. Heute plant der Mensch, der ja von Natur wilda ( S. 20) ist oder durch gutgeleitete Trainierung es werden kann, eine Schwebebahn von der Station Eismeer zur Eigerspitze. So schwindelhaft nun, im Doppelsinn des Wortes, manch ein ins Auge gefaßtes oder bereits ins Werk gesetztes Bahnprojekt ist oder ausieht: auch hier wird der Besonnene von Fall zu Fall urteilen und nid all Chïeh i’ n glịịhen Napf mälhen ( S. 321). Von abscheulichem verhunzen, verungesten herrlicher Naturgebilde zugunsten krasser Spekulation auf Faulheit und Genußsucht 529 einer öden Lebewelt ist himmelweit verschieden das Hineinstellen wunderbarer Zeugnisse menschlichen Denkens und Könnens in eine öde, monotone, nichtssagende Bergwildnis hinein. Auch ist das Entgegenkommen gegenüber Naturfreunden mit beschränkter Zeit und bescheidener Börse, mit unsportmäßigen Neigungen und Eigenschaften, das Verhüten zahlloser Unfälle und das Erschließen der ersten Herrlichkeiten unserer Alpennatur für alle zu deren Genuß sich berechtigt und befähigt Fühlenden ebenfalls ein Stück Heimatschutz. Ein Blick sodann auf alle die Angestellten und Gelegenheitsarbeiter, die unbeirrt durch fremdländische Hetzer des ehrlichen Verdienstes sich freuen! Wir gedenken der Ggramper, welche mit den Ggramphauen im Takt arbeiten: ggrampen (schottern), um die Querschwellen des Bahnkörper neu zu stützen. Wir vergessen nicht ihre Vorarbeiter: die Grienhŭ̦rter, welche das Kies rüsten. - Wer dächte nicht auch an die Schneeschaufler, die Bahnbrecher bei Überrieselungen, bei Lawinenverschüttung!
«Unter sehr gemischten Gefühlen», heißt es, «sah 1890 die Talbewohnerschaft die ersten Züge der Berneroberlandbahnen von Interlaken nach Grindelwald und Lauterbrunnen fahren, 1891 deren Züge nach Mürren und 1892 auf die ‹Schynige Platte›, woran sich 1893 die Bahn über die kleine Scheidegg schloß.» 18 Gewiß mischte sich unter diese Gefühle doch auch recht manche Hoffnung der Angehörigen von Marktbesuchern, daß die nun künftig z’rächter Zịịt hei m chë̆men. Wie viel Zeit und Geld blieb so dem Heim und Heimwesen erhalten und konnte an dessen Aufbesserung gewendet werden! Hören wir ferner die Zugführer reden vom Abstand des Benehmens ihrer hiesigen Fahrgäste zwischen den wenigen Jahren 1890 und 1907! Wie viel Hotzelochtigi, wie viel Flegelhaftigkeit als Kehrseite des Naturburschentums machte sich im Anfang des Bahnbetriebes behaglich oder auch protzig breit; und wie sittig fährt jetzt auch der Angesäuselte mit, sobald er merkt, wie wenig Anklang und Beifall er mit andersartigem Gehaben findet! Lebhaftes brichten, schallendes Gelächter, 530 fröhliches hoiren und lustiger Gesang gehört gewiß immer zur Rückfahrt vom chalte n Märt oder von einer wohlgelungenen Skitour; allein gerade die Öffentlichkeit solcher Intermezzi zwischen Ernst und Verdruß des Berufslebens hinein bietet die größte Gewähr für eine fröhliche Stunde ohne den bittern Nachgeschmack eines übel verbrachten Tages.
Daß aber auch die Verwaltung einer privaten Touristenbahn in seinem Menschen Fische zu sehen begehrt, beweist sie mit ihrer kluge berechneten Taxermäßigung für die Ein- und Umwohner der so sang- und redelustigen Talschaft. Diese Konzession an die örtlichen Verhältnisse gewährt sie trotz dem kostspieligen Bau und Betrieb, 19 welch letzterer aber selbst in dem schwierigen Winter 1906/07 g̣eng u nd gẹng d’Lị̈ị̈t zur Zịịt hei m gferged heed.
Gegenüber der Kopfstation Grindelwald errichteten die B. O. B. das hübsche Post- und Telegraphengebäude, welches in der Nacht vom 15./16. November 1905 bezogen wurde. Vorher hatte die nunmehr alti Post zu Gydisdorf dem Verkehr notdürftig genügt, und noch früher mußte die durch Posthalter Rịịhen von Erlenbach im jetzigen Stettlerhụụs bediente Postablage für Grindelwald gut genug sein. Als ältestes Posthaus figurierte das alt Tălhụụs, welches 1889 dem jetzt ausschließlich als Schulhaus dienenden neuen Talhaus weichen mußte. Noch heißen die hieher zur Schule gehenden Kinder im Mund alter Leute etwa d’Pëste̥ller oder d’Poster.
Vom Aufschwung des Verkehrs in Grindelwald, bloß zwischen 1889 und 1904, zeugen die Versechsfachung des Briefverkehrs und der Einzugsmandate, der 3½ Mal größere Wertzeichenumsatz und Zeitungsverkehr, die Verdreifachung des Paketverkehrs. Die Bewältigung der Arbeit erfordert seit 1899 vier Briefe ntrĕger mit dreimaliger Vertragung im Dorfbezirk. 1892 ward ein dritter, 1888 ein zweiter, 1885 der erste Austragende angestellt. Es war dies Frau Rŭ̦bi, die Mutter eines jetzigen Boten. Es gibt also seit 1885 auch einen eigenen Posthalter für den ausschließlichen Bureaudienst. Demselben stehen seit 1898 zwei bis drei Gehülfen zur Seite. Mit der Errichtung des Postbureaus im Jahr 1861 gab es auch einen Postwagenkurs. Der Wagen fuhr anfänglich viermal in der Woche, seit 1868 täglich und seit 1872 im Sommer halbtäglich nach Undersewwen. Das waren schon gewaltige Fortschritte gegenüber 1857, wo noch d’s Posthänsi (Hans Bohren) die Postsachen in Unterseen abholte, um sie tags darauf zu vertragen. Er 531 tat dies sukzessive ein-, dann zwei-, drei-, viermal in der Woche. 20 Mit seinem Pferd fuhr er jeweils vom Hellbach, wo er wohnte, ab.
Wie aber erst, als der Verkehr mit dem Flachland bloß in Privathänden lag! Da fuhr die Thun-Bëtti («Bötin») alle Wochen ein bis zweimal nach Thun, woher sie mit ihrem Pferd oft beträchtliche Lasten heimbrachte. In Meiringen verrichtete solches tụụnbotten ein Charrer. Zu Fuß aber reiste — nicht ganz selten heimtückischen Raubmordanfällen ausgesetzt — alljährlich auf einen durch Verlesen publizierten Novembertag ( um d’Märta umha) der Ziistrĕger nach Bern. Als riskierter Luxus galt es bereits, wenn er in Neuhaus sich in einen Wasserschlitten oder eine Strueffa (Kahn) setzte, um sich in solchem bis nach Thun und dann bis nach Bern in einem Weidlig rudern zu lassen.
Im neuen Postgebäude sind also auch der Tĕligraaf und das Tĕliffoon (hie und da töricht französelnd «Teleffong») eingerichtet. Der Telegraph — anfangs durch Private garantiert — spielt seit 1866, das Telephon — vom Gemeinnützigen Verein und schließlich durch die Gemeinde lebensfähig erhalten 21 — seit 1892. Die Telegramme wuchsen 532 zwischen den Jahren 1867 und 1898 von 1597 auf 7376, die interurbanen Gespräche zwischen 1893 und 1898 von 3673 auf 8594. Diese Zahlen leisten ihren guten Beitrag zu dem Tatbestand, daß 1906 in der Schweiz auf 64 Einwohner ein Telephon- und auf 11,3 Quadratkilometer (im dichtbevölkerten Belgien auf 24,1 Quadratkilometer) ein Postamt entfällt.
1
Odenwald 159.
2
Umgestellt aus: du bist am mich irren.
3
Graff 1, 452.
4
Ebd. 456.
5
Kluge 177: Zorn wurde als Abirrung des Geistes betrachtet, wie auch
de-lirare, delirium ein Austreten «aus der Furche», aus dem Geleise ist.
6
Luther in Hiob 2, 4.
7
Ders. 1. Sam. 30, 14.
8
Rücken, Rückhalt. Dazu gehört stürzen und Sturz (auch als «gestürzter» Deckel und Stoff dazu:
Lf. 317 ff.), wie purzeln zu Bürzel.
9
Es gibt ein ahd.
hirmjan (
Graff 4, 1034), ein mhd. (
WB. 1, 691)
gehirmen (ruhen, ablassen),
ungehirme und
ungehirmlich (rastlos), «das»
ungehirme (Ruhelosigkeit).
10
Goms 97; vgl.
Eivisch 42. 142.
11
Vgl. die tirolischen Penen:
Lus. 53.
12
Waadsack:
Kyburtz A 22.
13
Über den afrikanischen Esel vgl. besonders
Berd. 2, 239, Lat.
mulus wurde altdeutsch «der» oder das
mûl, erst später auch
mûltier, woran «das Muulti» halbwegs erinnert. Zu «Bast» gehört neben den aufgeführten Ableitungen auch Paster:
Kluge 30.
14
Lagella aus
lagena: Flasche, Korbflasche; vgl.
Osenbr. 6, 118 ff.
15
Andere Volksetymologien:
Lf. 342.
16
Lf. 279.
17
Str. BO. 73.
18
Bern V. 319.
19
Man denke z. B. an die beiden Zahnradstrecken zwischen Interlaken und Grindelwald von 4,4 km Gesamtlänge und mit einer Maximalsteigung von 12%.
20
Vgl. die Publikation des Kur- und Verkehrsvereins Grindelwald im
EvG. 1905, 103.
21
Ebd.
15 cm hoch.