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Plan und Darstellungsart des Werkes, dessen zweiten Band wir hiermit der Öffentlichkeit übergeben, sind im Vorwort zum ersten Bande ausführlich dargelegt. Sie sind sich, bei aller Verschiedenheit des Gegenstandes, gleich geblieben; denn der Verfasser durfte die Genugtuung erfahren, daß an seiner Arbeit gerade das Neue und Ungewohnte: die eigenartige Verbindung von Volks- und Sprachkunde, sowie die enge Begrenzung des Forschungsgebietes ihm von der Kritik und dem allgemeinen Leserkreis zum Verdienst angerechnet wurden. Er bietet uns also auch in seinem «Grindelwald» ein Bild bernischen Volkstums im Rahmen einer einzelnen Gemeinde und mit ausgiebiger Verwendung der örtlichen Mundart.
Auch in der Entstehungsart des Buches ist keine Änderung eingetreten. Die Arbeit des Verfassers ist die Frucht eines dreijährigen Aufenthaltes in Grindelwald, mit dessen Natur und Bewohnern er in ein Verhältnis trat, wie es dem Forscher selten vergönnt ist. Er bedurfte eines unablässigen persönlichen Verkehrs mit der Bevölkerung um so dringender, als er sich in ein ihm nicht geläufiges Idiom hineinzuleben hatte. Es gelang ihn dies bis zu dem Grade, daß die genaue Kenntnis sprachlicher Besonderheiten einzelner Gemeindeabschnitte den Zweifel in ihm weckte, ob der Begriff eines einheitlichen Grindelwaldner Deutsch sich festhalten lasse. Denn was da alles für grindelwaldnisch galt, schied sich bei näherm Zusehen in ein Mühlebacherisch, ein Dörfisch, ein Spilstättisch, ein Itramerisch, ein Burglauenerisch. Hier sprach man — um bloß von dem ch-Laut zu reden — «Chäs» mit weichen (vorderem), dort mit rauhem (hinterem) Reibelaut; hier hörte man «Zeihen» für Zeichen, aber «gchäben» für «ghäben» (gehabt) und demgemäß auch «gmolhes gchäben». (gemolken gehabt), während dort umgekehrt «Zeichen» neben «gmolches ghäben».
Dieses kleine Beispiel betrifft bloß eine Erscheinung der Wortphonetik und gewiß keine auffallende; es läßt sich leicht denken, daß für einen, der so fein hört, unzählige Unterschiede hörbar werden, und schließlich so hörbar, V daß er nur sie heraushört. Ein guter Ausweg aus dieser Gewissenhaftigkeitsklemme fand sich durch die Mitarbeit sprach- und fachkundiger Bewohner Grindelwalds, die, aus den verschiedenen Sprachkreisen der Gemeinde stammend, in zweifelhaften Fällen durch Übereinkunft am besten entscheiden konnten, welcher Wortform der Vorzug zu geben sei, wenn es sich um die für Grindelwald typische handle. Unter den Mitarbeitern dieser Art gebührt das meiste Verdienst der gastfreundlichen Familie Bleuer im Moos, insbesondere Herrn Gymnasiallehrer Hans Bleuer in Biel, der sich auch hingebend an der Korrektur des Druckes beteiligte. Ein ebenso kenntnisreicher als unermüdlicher Mitarbeiter war Herr Johann Roth, Lehrer im Endweg, der seinen zusammenschauenden Scharfblick und seine sprachkundliche Veranlagung vom ersten Entwurf an bis zur letzten Gestaltung in den Dienst des Werkes stellte. Überhaupt hat die Lehrerschaft, und nicht nur diejenige Grindelwalds, durch freiwillige Mitwirkung sich ihres Berufes würdig erwiesen; es möge wenigstens noch der Herren Sekundarlehrer Peter Studer in Grindelwald, Hermann Schwab in Interlaken und der HH. Balmer, Brawand und Steuri in Grindelmald mit Namen gedacht sein. Ein besonderes Verdienst um die naturwissenschaftlichen Kapitel haben sich durch gründliche und wiederholte Durchsicht des Manuskriptes erworben die Herren Seminarlehrer Gottl. Stucki in Bern, Forstmeister Balsiger in Bern, sowie die Herren Kreisförster Marti in Interlaken und Müller, früher in Meiringen, jetzt in Bern.
Die literarischen Quellen, deren auch für diesen II. Band eine Menge, und darunter manche selten gewordene, benutzt sind, wurden dem Verfasser auf freigebigste Art durch den in Grindelwald ansäßigen Rev. W. A. B. Coolidge erschlossen, dessen reiche Sammlung alpiner Literatur Herrn Friedli die mühsame Benutzung entlegener öffentlicher Bibliotheken ersparte. Ein guter Führer durch allerhand literarische Raritäten, aber auch ein unschätzbarer Führer zu den Türen, an denen nicht vergeblich angeklopft wird, war dem Verfasser Herr Pfarrer Gottfried Straßer in Grindelwald. In uneigennützigster Weise stellte auch Herr Pfarrer Otto Hopf in Gerzensee sein reichhaltiges, zu fruchtbaren Vergleichungen anregendes Meiringer Glossar der Oberhasli Mundart in der Handschrift zur Verfügung. Im Lötschental endlich, das Herr Friedli behufs Durchleuchtung des Grindelwaldner Sprachschatzes noch vor der Aufschließung durch die Lötschbergbahn bis zu seinen letzten Wohnungen bereisen konnte, leisteten ihm die Herren Pfarrer Imhof und Kastlan Bellwald in Blatten, Landwirt Werlen in Ferden und Gastwirt Lehner in Gampel treffliche Dienste.
All diesen Mitarbeitern, sowie den unserm Werke treu gebliebenen Illustratoren, sei auch an dieser Stelle der wohlverdiente Dank ausgesprochen. VI Ihrem Zusammenarbeiten auf getrennten Gebieten ist es zuzuschreiben, wenn das Bild, das der Verfasser uns vom Grindelwaldner Volkstum gibt, der Vielgestaltigkeit des Lebens einigermaßen gerecht geworden ist, ohne deshalb der Zuverlässigteit im einzelnen zu entbehren. Wenn der Leser gleichwohl Lücken empfindet, so sei er daran erinnert, daß eine erschöpfende Darstellung des unerschöpflichen Reichtums, sei es des Lebens oder der Sprache, nicht im Plane dieses Werkes liegt, und daß ferner manche Lebensgebiete, die sachlich anziehend sind und vielversprechend scheinen (wie z. B. Älplerfeste, Schwingen, Volksgesang, Schulgeschichte), sprachlich eine dürftige Ausbeute liefern. Das heute wirklich Volkstümliche an und in Grindelwald ist der harte und ernste, freilich nicht an der Straße sich abspielende Existenzkampf mit der strengen und rauhen Gebirgsnatur. Darum bilden, wie im Leben so auch in diesem Spiegelbilde desselben, die Land- und Alpwirtschaft als eiserner Bestand bernischer Kultur das Fundament und den Grundstock des ganzen Gebäudes, an dem sich die kleinen Lebensausschnitte und -bilder nur wie Zieraten an Zimmer- und Giebelbalken ausnehmen.
Immerhin sollen die Lücken, soweit es möglich ist, in der Fortsetzung des Werkes ergänzt werden. Diese Fortsetzung ist dank dem Beistand der Regierung des Kantons Bern und dem Unternehmungsmute des Herrn Verlegers gesichert. Bei dem Erscheinen dieses II. Bandes wird der Verfasser seinen Wohnsitz bereits auf die Höhen von Guggisberg verlegt haben, um seine rastlose Arbeitskraft und gereifte Erfahrung unverzüglich der Aufgabe des III. Bandes ( «Guggisberg») zuzuwenden. Nach dem lebhaften und verständigen Interesse, das seiner Arbeit in dem neuen Forschungsgebiete schon entgegengebracht wird, will es uns scheinen, die Sache sei «gued im Schleif», wie der Grindelwaldner sagt; so wünschen wir dem Unermüdlichen, «daß er’s megi gfäcknen!»
Im Auftrag der Direktion des Unterrichtswesens des Kantons Bern
die mit der Leitung des Unternehmens betraute Kommission:
Dr. O. v. Greyerz, Gymnasiallehrer.
J. Sterchi, Oberlehrer.
Prof. Dr. H. Türler, Staatsarchivar.
Bern, im September 1907.