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»Habe ich dir eigentlich einen Platz für heute Abend gegeben?«
»Ja, danke Lena, ich freue mich sehr …«
»Freuen …?«
»Nein, freuen natürlich nicht … Sage, wird es viel einbringen? Wird es auch wirklich etwas nützen?«
»Ein wenig,« antwortete sie freundlicher, »ein wenig wird es schon nützen. Und dann: wir sind ja nicht die Einzigen. Überall wird gearbeitet, in London, in Wien, in New-York … Nur freilich, die Toten stehen nicht mehr auf davon.«
»Es ist jetzt ruhig dort, wie? man verfolgt Keinen mehr?« Matthias fragte; aber er wußte es.
»Ja,« sagte sie müde und sie sprach wie von einer Sache, die man allzuoft beredet hat, »er ist ja nun fort …«
»Er ist fort?« wiederholte Matthias, ohne den Namen zu nennen. »Abgesetzt doch nicht? Aber nein, natürlich nicht!«
Daß sie einander so ohne Bezeichnung verstanden, gab ihrem Gespräch etwas von früherer Wärme zurück.
»Ach nein,« antwortete Frau Gontard mit einem Seufzer, »nein, Matthias, der wird nicht abgesetzt. Er ist fortgefahren nach vollbrachten Heldentaten, an die Riviera … spielt, amüsiert sich wie alle diese Leute.«
»Jetzt schon?« Matthias wußte von irgend einer Gelegenheit, daß es üblich sei, jene Gegenden erst tief im Winter aufzusuchen.
»Er muß doch zum Neujahrsempfang in Petersburg zurück sein,« sagte Lena, immer ohne den Namen zu nennen, – so wie Dienstboten von einer Herrschaft reden, die sie hassen. »Er darf doch keinen Empfang versäumen! Damit schließlich ein Anderer zum Minister gemacht wird … Und da unten ist es auch im Dezember schon ganz schön. Da kann man schon ganz prächtig das Judengeld für Baccarat und Cocotten draufgehen lassen, glaube nur …«
»Und übers Jahr fängt es von Neuem an,« sagte Matthias erschüttert. Ein Ruck geschah in ihm, die heißen Quellen in seinem Herzen brachen auf. Der knabenhafte Rausch war wieder da, der Rausch des Hasses gegen alles, was unterdrückte und was grausam war. Wenig hätte gefehlt und er wäre in begeisterte Worte ausgebrochen, in seine unbestimmten, wilden Kampfrufe. Er konnte es wagen, Lena in die Augen zu blicken …
»Ich muß lernen,« sagte sie. »Ich sehe dich abends. Komm ins Künstlerzimmer, wenn Rümelin gesprochen hat.«
Schon war sie im Nebenraum. Matthias wagte gar nicht, unter die Tür zu treten und sich nochmals zu zeigen. Er stammelte behindert: »Ja, danke, auf Wiedersehen …« und schlich hinaus.