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Es war als sei damit eine Pforte aufgestoßen. Wie auf Verabredung fielen die Mädchen des Gutes nun über ihn her. Er blieb wirklich nirgends mehr sicher vor ihnen. Dies schmeichelte ihm nicht, Eitelkeit war nicht in seinem Wesen, und bald ertrug er es schwer. Vielleicht war er nicht tugendhafter als andere heranwachsende Knaben auch, aber sein Sinn war früh schon auf eine bestimmte Art wählerisch. Dennoch wußte er nicht recht zu widerstehen. Das Weibervolk dort in der Gegend war – eine Folge gewiß der Blutvermischung – recht zügellos, und sie scheuten sich nicht, ihn ohne Umstände anzupacken. Und obgleich ihm das zuwider wurde, so erlag er gleichwohl fast jedem dieser schamlosen Angriffe, es war sogar eben ihr Unverhülltsein und ihre Frechheit, was ihn erliegen machte, und er wußte das und ängstigte sich davor, als vor einem schlimmen Geheimnis.

Er fragte seinen Vater eines Tages, ob es nicht möglich sei, ihn statt erst im kommenden Frühjahr schon jetzt, schon im Herbst, zur Kreisstadt auf die Schule zu schicken. Der Vater, der seit einiger Zeit weniger fröhlich war und zur Seltsamkeit neigte, sah den bleichen Sohn scharf und unverwandt an und sagte nach einer Weile langsam: »Gut, werden sehen, mag sein, mag alles sein …« Matthias behielt von diesen nicht ganz gewöhnlichen Worten einen Schauer auf dem Rücken, aber nach einigen Tagen, man hatte Erkundigungen eingezogen, wurde alles endgültig nach seinem Wunsche bestimmt.

Er hatte nur einen Monat noch zu warten: man schrieb Anfang September. Die Jagd ging auf, und eines Tages, wie Matthias müßig im Walde umherging, sah er vor sich in einiger Entfernung den Grafen und die Gräfin mit zwei Hunden. Sie standen still. Die Frau hatte einen angeschossenen Hasen bei den Löffeln gefaßt, der unter ihrem Griff hin und her zappelte. Matthias konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber es war deutlich, daß sie dem Grafen einen schlechten Schuß vorwarf, den er wohl aus großer Nähe getan hatte. Der Graf stand in verlegener Haltung neben ihr. Schließlich, nachdem die Frau ihre Vorhaltungen beendet hatte, warf sie das Tier zu Boden, bückte sich und gab ihm mit einem kurzen Stoße den Rest … Matthias sah an ihrer Bewegung, daß sie ein Jagdmesser zwischen die Nackenwirbel stieß; eigentlich genügte ja ein Schlag mit der flachen Hand. Die Gräfin war eine nicht sehr große, doch straffe junge Dame, mit hellem Haar über einem weißen Gesicht, mit Augen wie aus blauem Stein. Matthias hatte sie nur zwei, drei Mal aus der Nähe gesehen und jedes Mal mit Herzklopfen. Schon sehr bald erzählte man auf den Gütern eigentümliche Geschichten: von Nächten, die der Graf in Unterhosen an ihrer Tür verbracht haben sollte; von einem schlecht gegürteten Steigbügel, den sie ihm vor Leuten ins Gesicht geschleudert habe, so daß sein Zahnfleisch anfing zu bluten; und mehr dergleichen.

Matthias vergaß niemals ihre stolze und boshafte Haltung vor ihrem zerknirschten Gatten und den zugleich nachlässigen und hastigen Stoß, mit welchem sie dem zuckenden Hasen zum Tode verhalf.

 


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