Anatole France
Thais
Anatole France

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Zweites Kapitel.

Als Paphnucius in seine Zelle zurückkehrte, fand er dort ein merkwürdiges Gewirr vor. Es war, als ob ein Wirbelwind eine Masse Sandkörner herumtrieb, bei näherem Hinsehen erkannte er aber, daß es Hunderttausende kleiner Schakale waren. In der folgenden Nacht sah er im Traume eine hohe Steinsäule, auf der eine menschliche Gestalt stand, und hörte eine Stimme sagen:

›Besteige diese Säule!‹

Er erwachte mit der Überzeugung, daß dieser Traum ihm vom Himmel gesandt worden, sammelte seine Jünger um sich und sagte zu ihnen:

»Meine lieben Söhne, ich verlasse euch, um dahin zu gehen, wohin mich Gott schickt. Gehorcht während meiner Abwesenheit dem Flavianus, als ob ich es wäre, und gebt auf unsern Bruder Paulus acht! Ich segne euch. Lebt wohl!«

Während er sich entfernte, blieben die Jünger noch auf der Erde liegen, und, als sie das Gesicht erhoben, 184 sahen sie seine hohe schwarze Gestalt am Horizont der Wüste.

Er wanderte Tag und Nacht, bis er die Ruinen eines jener alten Götzentempel erreicht hatte, wo er auf seiner wunderbaren Fahrt unter Molchen und Skorpionen geschlafen hatte. Die mit magischen Zeichen bedeckten Mauern standen noch. Dreißig riesige Säulen, die oben in Menschenköpfe oder Lotusblumen ausliefen, trugen noch ungeheure Steinbalken. Nur an einer Ecke der Tempelruine hatte eine Säule ihre uralte Last abgeschüttelt und stand frei. Sie hatte als Kapitäl einen lächelnden Frauenkopf mit langgeschlitzten Augen, runden Wangen und Kuhhörnern an der Stirne.

Paphnucius erkannte in ihr die Säule wieder, die er in seinem Traume gesehen, und schätzte ihre Höhe auf zweiunddreißig Ellen. Er begab sich in das nächstliegende Dorf, ließ dort eine Leiter von dieser Höhe zimmern, stieg, als dieselbe an die Säule angelegt worden war, hinauf, kniete auf den Kapitäl nieder und sprach zum Herrn:

›Dies ist also die Wohnung, die du, mein Gott, mir auserwählt hast. Möge ich bis zur Stunde meines Todes in deiner Gnade hier verweilen!‹

Er hatte keine Lebensmittel mitgenommen, da er sich auf die göttliche Vorsehung verließ und darauf rechnete, daß einige barmherzige Landleute ihm die nötige Nahrung zuführen würden. In der Tat kamen am folgenden Tage zur Zeit der None Frauen mit ihren Kindern herbei, welche Brot, Datteln und frisches Wasser trugen; einige Knaben stiegen damit auf die Säule.

185 Das Kapitäl war nicht breit genug, daß der Mönch sich darauf in ganzer Länge hinstrecken konnte; er mußte daher mit gekreuzten Beinen und den Kopf auf die Brust gesenkt schlafen. So wurde ihm der Schlaf zu einer grausameren Plage als das Wachen. Im Morgenrot streiften ihn die Sperber mit den Flügeln und er erwachte voll Angst und Schrecken.

Es fand sich jedoch, daß der Zimmermann, der die Leiter angefertigt hatte, gottesfürchtig war. Er bemitleidete den Heiligen, daß er der Sonne und dem Regen ausgesetzt sei, und fürchtete, er könnte während des Schlafes herabfallen. Der fromme Mann brachte daher oben auf der Säule eine Brüstung und ein kleines Dach aus Holz an.

Der Ruf einer so wunderbaren Lebensweise drang bald von Dorf zu Dorf und die Landleute der Umgegend kamen jeden Sonntag mit Frauen und Kindern, um den Säulenheiligen zu betrachten. Die Jünger des Paphnucius hatten ebenfalls mit Bewunderung die Kunde von seiner erhabenen Kasteiung vernommen. Sie begaben sich zu ihm und baten sich die Gunst aus, sich am Fuße der Säule Hütten bauen zu dürfen. Jeden Morgen bildeten sie einen Kreis um ihren Meister, der sie durch seine Reden erbaute:

»Meine Söhne,« sagte er zu ihnen, »bleibet jenen Kindlein gleich, welche Jesus liebte. Das ist das Heil. Die Fleischeslust ist die Quelle und der Ursprung aller unserer Sünden; sie stammen von ihr, wie von einer Mutter. Der Hochmut. der Geiz, die Trägheit, der Zorn und der Neid sind ihre geliebte Nachkommenschaft. 186 Sehet, das habe ich in Alexandrien erkannt: ich habe gesehen, wie die reichen Leute durch das Laster der Üppigkeit dahingerissen wurden, das sie, wie ein schlammiger Strom, in den bitteren Abgrund führte.«

Auch die Äbte Ephrem und Serapion wollten, als sie von der Neuigkeit hörten, sie mit eigenen Augen sehen. Als Paphnucius in der Ferne auf dem Flusse das dreieckige Segel erblickte, das sie zu ihm führte, konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, daß Gott ihn den Einsiedlern zum Beispiel gegeben habe. – Bei seinem Anblick verbargen die beiden heiligen Äbte nicht ihre Verwunderung. Nachdem sie sich jedoch beraten hatten, erklärten sie einmütig, daß eine so außerordentliche Kasteiung tadelnswert sei, und ermahnten Paphnucius, herabzusteigen.

»Eine solche Lebensweise«, sagten sie, »ist dem Gebrauch zuwider; sie ist absonderlich und außer aller Regel.«

Aber Paphnucius antwortete ihnen:

»Was ist denn das Mönchsleben anderes, als ein Leben der Wunder? Und sollen die Taten der Mönche nicht ebenso absonderlich sein wie sie selbst? Auf ein Zeichen Gottes bin ich hier heraufgestiegen und nur auf ein Zeichen Gottes werde ich wieder herabsteigen.«

Jeden Tag kamen Scharen von Mönchen an, um sich den Jüngern des Paphnucius beizugesellen, und bauten ihre Hütten um die luftige Einsiedlerzelle. Mehrere erstiegen die übrigen Ruinen des Tempels, um den Heiligen nachzuahmen, aber von ihren Brüdern 187 getadelt und von Müdigkeit überwältigt, verzichteten sie bald auf diese Kasteiung.

Auch Pilger strömten herbei. Viele kamen von weit her und brachten Hunger und Durst mit. Eine arme Witwe kam daher auf den Gedanken, ihnen frisches Wasser und Melonen zu verkaufen. An die Säule gelehnt, unter einer weiß und blau gestreiften Leinwand, hinter ihren Krügen aus rotem Ton, ihren Bechern und Früchten sitzend, rief sie: »Wer will trinken?« Ihrem Beispiel folgte ein Bäcker und errichtete dicht neben ihr einen Backofen aus Ziegeln, um den Fremden Brot und Kuchen zu verkaufen. Da die Menge der Besucher noch immer wuchs und selbst die Einwohner der großen Städte Ägyptens herbeizuströmen begannen, ließ ein gewinnsüchtiger Mensch eine Karawanserei bauen, um Herren und Diener samt Kamelen und Maultieren aufzunehmen. Bald befand sich vor der Säule ein Markt, auf den die Nilfischer ihre Fische und die Gärtner ihre Gemüse brachten. Ein Bartscherer, der die Leute im Freien barbierte, erheiterte die Menge durch lustige Reden. Der solange in Friede und Ruhe gehüllte alte Tempel füllte sich mit den zahllosen, geräuschvollen Äußerungen des Lebens. Die Schenkwirte wandelten die unterirdischen Säle in Keller um und hefteten an die antiken Säulen Schilder, auf denen der heilige Mann Paphnucius abgebildet war und die auf griechisch und ägyptisch die Inschrift trugen: »Hier ist Granatenwein, Feigenwein und echtes zilizisches Bier zu haben.« An den mit schlanken Figuren im Profil bedeckten Mauern hängten die Kaufleute Kränze 188 von Zwiebeln, getrocknete Fische, tote Hasen und abgehäutete Schafe auf. Des Abends flohen die alten Gäste der Ruinen, die Ratten, in langer Reihe nach dem Flusse, während die beunruhigten Ibisse den Hals ausstreckten und ihren Fuß unsicher auf die hohen Mauergesimse setzten, zu denen der Küchengeruch, das Schreien der Trinker und das Gelächter der Mägde hinaufdrang. Rings herum legten die Feldmesser Straßen an, bauten die Maurer Klöster, Kirchen und Kapellen. Nach sechs Monaten war eine Stadt mit Wachttruppen, Gericht, Gefängnis und mit einer von einem alten blinden Schreiber geleiteten Schule gegründet.

Die Pilger waren nicht mehr zu zählen. Die Bischöfe und Chorbischöfe kamen voll Bewunderung. Der Patriarch von Antiochien, der sich gerade in Ägypten befand, erschien mit seiner gesamten Geistlichkeit. Er billigte durchaus die außerordentliche Lebensweise des Säulenheiligen, und die Häupter der libyschen Kirchen stimmten in Abwesenheit des Athanasius dem Urteil des Patriarchen bei. Als die Äbte Ephrem und Serapion dies erfuhren, kehrten sie zurück, um sich zu Füßen des Paphnucius für ihre frühere Mißbilligung zu entschuldigen. Paphnucius antwortete ihnen:

»Wisset, meine Brüder, daß die Kasteiung, die ich ertrage, an Härte kaum den Versuchungen gleichkommt, die mir gesandt werden und deren Zahl und Gewalt mich in Erstaunen setzt. Die äußere Erscheinung des Menschen ist klein und von der Höhe dieses Sockels herab, auf den mich Gott gestellt hat, sehe ich die 189 menschlichen Wesen wie Ameisen wimmeln. Aber das Innere des Menschen ist unendlich groß: so groß, wie die Welt, denn er enthält sie. Alles. was sich um mich her ausdehnt, diese Klöster, diese Herbergen, diese Barken auf dem Flusse, diese Dörfer und was ich im weiteren Umkreise an Kanälen, Sandflächen und Bergen entdecke, alles das ist nichts, verglichen mit dem, was in mir ist. Ich trage in meinem Herzen unzählige Städte und grenzenlose Wüsten. Und das Böse, das Böse und der Tod, die auf dieser Unendlichkeit ruhen, bedecken sie, wie die Nacht die Erde. Ich bin für mich allein ein Weltall böser Gedanken.«

Er sprach also, weil die Begierde nach dem Weibe in ihm war.

Im siebenten Monat kamen Frauen aus Alexandrien, Bubaste und Saïs, welche nach langer Unfruchtbarkeit durch die Vermittlung des heiligen Mannes und die Wunderkraft der Säule Kinder zu bekommen hofften. Sie rieben ihre unfruchtbaren Lenden an dem Steine. Dann waren es unabsehbare Reihen von Wagen, Sänften und Bahren, die unter dem Manne Gottes anhielten, sich drängten und stießen. Aus ihnen kamen Kranke zum Vorschein, die schrecklich anzusehen waren. Mütter zeigten dem Paphnucius ihre Knäblein, welche verrenkte Glieder, verdrehte Augen, Schaum vor dem Mund und eine rauhe Stimme hatten, und er legte ihnen die Hände auf. Blinde nahten sich mit flehenden Armen und hoben aufs Geratewohl ihre durch zwei blutige Löcher entstellten Gesichter zu ihm auf. Lahme zeigten ihm die unbewegliche Last, die tötliche 190 Abmagerung und die häßliche Verkürzung ihrer Glieder. Hinkende boten ihm ihren Klumpfuß dar. Krebskranke Frauen faßten ihre Brüste mit beiden Händen und entblößten vor ihm ihren vom unsichtbaren Geier zerfressenen Busen. Wassersüchtige ließen sich auf die Erde legen, sodaß es schien, als ob man Schläuche ablade. Er segnete sie. Aussätzige Nubier kamen schweren Schrittes und sahen ihn mit weinenden Augen in leblosen Gesichtern an. Er schlug das Kreuzeszeichen über sie. Auf einer Bahre trug man ein junges Mädchen von Aphroditopolis herbei, das nach einem Blutsturz seit drei Tagen schlief. Sie sah wie ein Wachsbild aus und ihre Eltern, die sie für tot hielten, hatten ihr einen Palmenzweig auf die Brust gelegt. Nachdem Paphnucius für sie zu Gott gebetet hatte, hob das Mädchen den Kopf empor und schlug die Augen auf.

Da das Volk überall von den Wundertaten des Heiligen sprach, liefen auch alle Unglücklichen, die von jener Krankheit befallen waren, welche die Griechen das göttliche Übel nannten, aus allen Teilen Ägyptens in Scharen herbei. Sobald sie die Säule erblickten, wurden sie von Zuckungen befallen, wälzten sich am Boden, sprangen wieder auf und krümmten sich zusammen. Und, was kaum glaublich erscheint, die gesunden Zuschauer wurden ebenfalls von heftigen Anfällen gepackt und ahmten die Verrenkungen der Fallsüchtigen nach. Mönche und Pilger, Männer und Frauen wälzten sich und warfen sich hin und her. Mit verrenkten Gliedern und schäumendem Munde verschlangen sie ganze Hände voll von Erde und weissagten. Da fühlte 191 Paphnucius auf seiner Säule ein Zittern durch seine Glieder fahren, und er rief zum Herrn:

»Ich bin der Sündenbock und nehme alle Unreinheiten dieses Volkes auf mich. Darum, o Herr, ist mein Körper voll von bösen Geistern.«

So oft ein Kranker sich geheilt entfernte, jubelten ihm die Anwesenden zu, trugen ihn im Triumph und riefen fortwährend:

»Wir haben einen zweiten Teich Siloë gesehen!«

Schon hingen Hunderte von Krücken an der Wundersäule. Dankbare Frauen hängten Kränze und Votivbilder daran auf. Einige Griechen gruben sinnreiche Distichen ein, und, da jeder Pilger wenigstens seinen Namen auf dem Stein verewigte, so war die Säule bis zu Menschenhöhe bald vollständig bedeckt von einer Unzahl lateinischer, griechischer, koptischer, phönizischer, hebräischer, syrischer und magischer Schriftzeichen.

Als das Osterfest kam, war der Zudrang zu der neuen Wunderstätte so groß, daß die Greise sich in die Zeit der alten heidnischen Mysterien zurückversetzt glaubten. Man konnte da in buntem Gemisch das gestreifte Kleid der Ägypter, den Burnus der Araber, den weißen Schurz der Nubier, den kurzen Mantel der Griechen, die langfaltige Toga der Römer, die Ärmelröcke und roten Beinkleider der Barbaren und die goldgestickten Schleier der Buhlerinnen sehen. Verhüllte Frauen ritten auf Eseln, während schwarze Eunuchen ihnen mit Stockschlägen einen Weg bahnten. Gaukler breiteten Teppiche aus und machten vor einem Kreise schweigender Zuschauer allerhand Kunststücke. 192 Schlangenbändiger entrollten mit ausgestreckten Armen ihre lebenden Gürtel. Die ganze Menge glänzte, sprühte, wirbelte Staub auf, klingelte, tobte und schrie. Die Flüche der ihre Tiere schlagenden Kameltreiber, die Rufe der Kaufleute, welche Amulette gegen den Aussatz und den bösen Blick feilboten, die Psalmodien der Mönche, welche Verse der Heiligen Schrift sangen, das Gewimmer der in prophetischem Anfall niederstürzenden Frauen, das Gekrächze der Bettler, welche alte Haremslieder wiederholten, das Blöken der Schafe, das Iahen der Esel, der Zuruf der Schiffer an verspätete Fahrgäste, alle diese Geräusche flossen zusammen und bildeten einen betäubenden Lärm, den aber immer noch die schrille Stimme der nackten Negerkinder übertönte, welche überall herumliefen, um frische Datteln feilzubieten.

Alle diese verschiedenen Wesen erstickten fast unter einem weißglühenden Himmel in einer schweren Luft, welche von den Wohlgerüchen der Frauen, der Ausdünstung der Neger, dem Dampf der Bratöfen und dem Rauche des Gummis erfüllt war, den die frommen Leute den Hirten abkauften, um ihn vor dem Heiligen zu verbrennen.

Wenn die Nacht kam, wurden überall Feuer, Fackeln und Laternen angezündet. Man sah dann nichts als rote Gestalten und schwarze Schatten. Inmitten eines Kreises kauernder Zuhörer erzählte ein Greis, dessen Gesicht von einem rauchigen Lämpchen erhellt wurde, wie einst Bitiu sein eigenes Herz bezauberte, es aus seiner Brust riß und in eine Akazie versetzte und sich dann selbst in einen Baum verwandelte. Er machte 193 große Gesten, die sein Schatten komisch verzerrt wiederholte, und die entzückte Zuhörerschaft stieß Rufe der Verwunderung aus. In den Schenken verlangten die auf Ruhebetten liegenden Zecher Wein und Bier. Tänzerinnen mit bemalten Augen und entblößtem Bauche stellten vor ihnen bald religiöse, bald unzüchtige Szenen dar. Nebenan spielten junge Leute mit Würfeln oder übten das Fingerspiel, und im tieferen Schatten stellten einige Greise den Buhlerinnen nach. Über diesen bewegten Gruppen erhob sich einsam und unbeweglich die Säule. Der Kopf mit den Kuhhörnern blickte in die Nacht hinaus, und über ihm wachte Paphnucius zwischen Himmel und Erde. Plötzlich geht der Mond über dem Nil auf. Er gleicht der nackten Schulter einer Göttin. Die Hügel schimmern in bläulichem Licht, und Paphnucius glaubt den Körper der Thaïs im Glanze der Gewässer unter der saphirblauen Nacht zu sehen.

So verstrichen die Tage, und der Heilige blieb auf seiner Säule. Als die Regenzeit eintrat, drang das Wasser des Himmels durch die Fugen des Holzdaches und netzte seinen Körper. Seine erstarrten Glieder wurden bewegungsunfähig. Von der Sonne verbrannt und vom Tau und Regen erweicht, fing seine Haut an aufzuspringen. Breite Geschwüre fraßen an seinen Armen und Beinen. Aber das Verlangen nach Thaïs verzehrte ihn immer noch innerlich, und er rief:

»Es ist noch nicht genug, allmächtiger Gott! Noch mehr Versuchungen! Noch mehr unreine Gedanken! Noch mehr ungeheuerliche Wünsche! O Herr, laß alle Sinnenlust der Menschheit in mich übergehen, damit 194 ich sie alle abbüße! Wenn es auch falsch ist, daß Helena, die argivische Hündin, die Sünden der Welt auf sich genommen habe, wie ich das von einem gewissen Lügenschmiede habe sagen hören, so enthält diese Fabel doch einen geheimen Sinn, dessen Wahrheit ich heute einsehe. Es ist in der Tat wahr, daß die Greueltaten der Völker in die Seelen der Heiligen übergehen, um sich darin, wie in einem Brunnen, zu verlieren. Daher sind denn auch die Seelen der Gerechten mit mehr Schlamm verunreinigt, als je die Seele eines Sünders enthielt. Und deshalb preise ich dich, mein Gott, dafür, daß du mich zur Kloake des Weltalls gemacht hast.«



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