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Verfolgt verlassen und verflucht,
Doch von dem Herrn hervorgesucht; Ein Narr vor aller klugen Welt, Bei dem die Weisheit Lager hält; Verdrängt, verjagt, besiegt und ausgefegt, Und doch ein Held, der Palmen trägt. |
E. G. Woltersdorf |
Prinz Louis Ferdinand, Prinz August – sie waren Friedrichsfelder Schloßkinder; aber auch die Pfarre stellte ihren Mann: am 31. Mai 1725 wurde Ernst Gottlieb Woltersdorf in ihr geboren. Auch ein Streiter, auch gefallen (wie der Saalfelder Prinz) auf dem Felde der Ehren. Ein Weltkind der eine, ein Gotteskind der andre.
Ernst Gottliebs Vater war Gabriel Lukas Woltersdorf. Über ihn zunächst ein kurzes Wort.
Gabriel Lukas W., der neunzehn Jahre lang das Friedrichsfelder Pfarramt bekleidete, wurde den 10. November 1687 zu Kyritz geboren, wo sein Vater als Rektor amtierte. Gleich einem alten Edelmann konnte Gabriel Lukas Namen und Stand seiner Familie bis ins siebente Glied hinauf verfolgen. Es waren sämtlich Prignitz-Ruppiner. Und zwar:
Anton Woltersdorf (damals noch Woltersdorp), geboren 1430.
Johann Woltersdorf, Potinken- oder Pantinenmacher, geboren 1460.
Joachim Woltersdorf, Goldschmied in Ruppin, geboren 1496.
Joachim Woltersdorf II., Tuchmacher, Gildemeister und Vorsteher der Klosterkirche zu Ruppin, geboren 1530.
Gabriel Woltersdorf I., Pastor und Inspektor zu Ruppin.
Gabriel Woltersdorf II., Pastor und Inspektor zu Zehdenick.
Gabriel Woltersdorf III., Pastor und Rektor zu Kyritz.
Unser Gabriel Lukas, des Letztgenannten Sohn, studierte von 1711 an in Halle, das um jene Zeit »das Herz war, dessen Schläge man weit und breit fühlte«. August Hermann Francke stand eben damals in der Blüte seines Wirkens, »dieser Mann der Demut und Wahrhaftigkeit, der sich rühmen durfte, daß von den 6000 Studenten, die während zweimal zehn Jahren in Halle studiert hatten, Tausende von erweckten Predigern ins deutsche Vaterland ausgegangen seien«. Unter diesen erweckten Predigern war auch Gabriel Lukas Woltersdorf. Er blieb bis zuletzt eine Leuchte für seine Kinder und seine Gemeinde.
1716 erhielt er durch einen vom Könige gutgeheißenen Machtspruch des kirchlich gesinnten Markgrafen Albrecht die Friedrichsfelder Pfarre, die bis dahin der alte Samuel Donner innegehabt hatte. Samuel Donner war schon fünfundvierzig Jahr im Amt und wollte von Adjunktur oder gar Entlassung nichts wissen. Er remonstrierte deshalb und glaubte dies um so mehr zu dürfen, als er die Friedrichsfelder Pfarre als eine Erbpfarre betrachtete. Denn schon sein Vater und Großvater waren Prediger ebendaselbst gewesen. Er wurd aber durch den Markgrafen energisch abgewiesen. Der Entscheid lautete:
»Da sich sowohl bei der Lokalvisitation als auch sonsten mehr als zuviel erwiesen hat, wie schlecht Supplikant bis dahero seinem Amte vorgestanden und wie wenig die ihm anvertraute Gemeinde durch ihn erbauet worden, so stehet ihm auch gar nicht an, eine dergleichen ungegründete Vorstellung gegen die von Seiner Königlichen Majestät so nötig gefundene Bestimmung zu tun. Und wie er damit gänzlich abgewiesen, ihm sein Unfug auch nachdrücklich hiermit verwiesen wird, so hat er es außerdem noch einzig und allein der königlichen Gnade zu danken, daß er wegen seiner in der ihm anvertrauten Amt- und Seelensorge bezeugten strafbaren Nachlässigkeit nicht noch schärfer angesehen wird.«
Dieser Bescheid, wie sich denken läßt, ging dem armen Samuel Donner sehr zu Herzen, und er starb wenige Tage später in Berlin am Schlagfluß. In seine Stelle rückte nunmehr Gabriel Lukas Woltersdorf ein.
Das wichtigste kirchliche Vorkommnis innerhalb seiner Friedrichsfelder Amtsjahre war die Einführung des sogenannten »Simultaneums«, also der Gleichberechtigung der Reformierten in Benutzung der lutherischen Kirche.
Hiergegen scheint sich nun Gabriel Lukas in Gemeinschaft mit seinem Berliner Propste Roloff anfänglich aufgelehnt zu haben, welcher letztere nicht nur vorstellig wurde, sondern auch von »unüberwindlichen Schwierigkeiten« sprach. Auf diese Vorstellung erhielt er einen zweifachen Bescheid, einen amtlichen und einen königlich- persönlichen. Der amtliche Bescheid lautete: »Wohlehrwürdiger, lieber Getreuer. Ich habe Eure Vorstellung vom 8. dieses, in der Ihr meint, daß das Simultaneum in der Kirche zu Friedrichsfelde nicht könne introduziert werden, erhalten, und ist Euch darauf in Antwort, daß Ich Euer Einwenden nur vor Possen halte. Ich halte beide Religionen einerlei zu sein und finde keinen Unterschied. Will also, daß es bei meiner Ordre verbleiben soll.«
Der Erlaß ist datiert »Wusterhausen, den 10. Sept. 1726«, und hinzugefügt war von des Königs eigner Hand: »Der Unterschied zwischen unseren beiden evangelischen Religionen ist wahrlich ein Pfaffengezänk, denn äußerlich ist wohl ein großer Unterschied, wenn man es aber examinieret, so ist es derselbige Glaube in allen Stücken, sowohl in der Gnadenwahl als im heiligen Abendmahl. Nur auf die Kanzel, da machen sie eine Sauce, eine saurer als die andere. Gott verzeih allen Pfaffen, denn die werden Rechenschaft geben am Gericht Gottes, daß sie Schulratzen aufwiegeln, um das wahre Werk Gottes in Uneinigkeit zu bringen. Was aber wahrhaft geistliche Prediger sind, solche, die sagen, daß man sich soll einer den andern dulden und nur Christi Ruhm vermehren, die werden gewiß selig. Denn es wird nicht heißen: Bist du lutherisch oder bist du reformiert?, sondern es wird heißen: Hast du meine Gebote gehalten oder bist du bloß ein braver Disputator gewesen? Es wird heißen: Weg mit die letzten zum Teufel ins Feuer, aber die meine Gebote gehalten, kommt zu mir in mein Reich. Gott geb uns allen seine Gnade und geb allen seinen evangelischen Kindern, daß sie mögen seine Gebote halten und daß Gott möge zum Teufel schicken alle die, die Uneinigkeit verursachen. Friedrich Wilhelm.«
Es braucht wohl nicht erst versichert zu werden, daß diesem königlichen Erlaß die Einführung des Simultaneums auf dem Fuße folgte.
Dies war 1726. Im Jahre 1735 erhielt Gabriel Lukas W. eine Vocation nach Berlin und wurde Prediger an der Sankt-Georgen-Kirche daselbst, während der Prediger ebendieser Sankt-Georgen-Kirche nach Friedrichsfelde hin versetzt wurde. Natürlich empfand letzterer dies als eine Degradation und führte sich deshalb mit folgenden Worten in Friedrichsfelde ein:
Gott grüß euch, ihr lieben Bauern,
Ich werd hier nicht lange dauern, Drum seht mich nur mit Rechten an – Ich heiße Daniel Schoenemann. |
Er hielt auch Wort und legte im selben Jahre noch sein Friedrichsfelder Pfarramt nieder.