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Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Am Vorabend der Schlacht

Der Mr. Levanter, der Kapitän Burgoyne in seinem eleganten Laden angesichts seiner Kunden und Angestellten empfing, war ein beredsamer und höflicher Gentleman. Der Mr. Levanter dagegen, der sich mit seinem Gast in seinem Allerheiligsten hinter dem Laden einschloß, war ein Mann der Geheimnisse. Burgoyne sah dem Juwelier an, daß er darauf brannte, ihm die Neuigkeit, die er für wichtig hielt, mitzuteilen, und wartete in Ruhe ab.

»Setzen Sie sich bitte, Herr Kapitän. Ich habe Ihnen etwas zu erzählen, was Sie gern hören werden. Ich hätte Sie selbst aufgesucht, aber ich war nicht sicher, Sie allein anzutreffen, und da –«

»Ganz recht, Mr. Levanter, worum handelt es sich?«

»Also – ich war gestern im Odaliumtheater.«

»Ich auch«, sagte Burgoyne gleichgültig.

»Ja, ich habe Sie gesehen. Auch Ihre Freunde, Herr Kapitän.«

»Ja. Hm, es ist eine schwierige und peinliche Angelegenheit. Darf ich Sie fragen, ob die Dame, die in Ihrer Gesellschaft war, Ihnen persönlich befreundet ist?«

»Sie dürfen fragen, was Sie wollen. Sie ist es nicht.«

»Also nur eine flüchtige Bekanntschaft?«

»So ähnlich«, sagte Burgoyne. »Aber warum?«

Levanter rieb sich die Hände.

»Das vereinfacht die Sache. Darf ich ganz offen reden?«

»Natürlich.«

»Schön. Die Dame trug das Halsband.«

»Sie meinen ›ein‹ Halsband«, sagte Burgoyne.

»Ich verstehe«, sagte Mr. Levanter. »Ganz recht. Ein Halsband. War es die Nachbildung, die Sie mir kürzlich brachten, oder war es das echte.«

Burgoyne sah den Juwelier forschend an. Dieser lächelte und rieb erneut die Hände.

»Also darüber wollen Sie mir etwas erzählen«, sagte der Kapitän. »Gut. Bemerkten Sie den Herrn in der Loge, der den einen Arm verloren hat?«

»Gewiß, und ich kenne ihn, Kapitän Blair. Er gehört zu meinen Kunden.«

»Sehr gut. Ich habe Ihnen schon vieles anvertraut, Mr. Levanter, ich will Ihnen noch mehr erzählen. Der Grund, warum Kapitän Blair und ich mit Mr. Shrewsbury und der Dame in das Theater gingen, war –«

Mr. Levanter hob plötzlich die eine Hand.

»Verzeihen Sie, einen Augenblick, Herr Kapitän. Ich kenne diese Dame, Frau Walsingham. Sie ist öfters mit Mr. Shrewsbury in meinem Geschäft gewesen.«

»Das vereinfacht die Angelegenheit«, erwiderte Burgoyne. »Ich wollte sagen, daß Blair und ich wegen dem Halsband im Odalium waren. Mein Freund hilft mir bei meinen Nachforschungen, und deshalb möchte ich gern, daß er mit anhört, was Sie mir zu sagen haben. Er ist jetzt in seinem Klub ganz in der Nähe, und wenn Sie nichts dagegen haben, hole ich ihn.«

»Aber bitte, Herr Kapitän. Sobald Sie kommen, siehe ich wieder zur Verfügung.«

Als Burgoyne und Blair zurückkamen, stand auf dem Tisch des Privatzimmers eine Flasche Portwein neben einer Kiste Zigarren, und der Juwelier bezeugte seine Gastfreiheit in einer Weise, daß die beiden sich nicht gut ablehnend verhalten konnten.

»Gestatten die Herren, daß ich Ihnen ein Glas Wein anbiete. Sie werden einen besseren der Art kaum in London finden. Auch die Zigarren kann ich empfehlen. Bei einer vertraulichen Aussprache muß man es sich behaglich machen.«

»Und was haben Sie auf dem Herzen?« fragte Blair, nachdem sie sich hinter einer Tür niedergelassen hatten, die ebenso fest und schallsicher war, wie die zum Gewölbe der Bank von England.

Mr. Levanter blickte dem Rauch seiner Zigarre nach.

»Sehen Sie, meine Herren«, begann er, »die Geschichte ist reichlich sonderbar, und meiner Meinung nach erleuchtet sie das Dunkel um Kapitän Burgoynes Halsband. Sie sind, soviel ich weiß, im Bilde, Mr. Blair?«

»Gewiß.«

»Gut«, fuhr Levanter fort, »es traf sich, daß ich gestern abend mit einem Freund ins Odaliumtheater ging. Ich möchte Ihnen den Namen nicht nennen, aber er ist ein bekannter Juwelier und zugleich Pfandleiher. Bei der Gelegenheit sahen wir Sie mit Mr. Shrewsbury und der Dame. Und natürlich bemerkte ich, daß die Dame das Halsband trug.«

»Ein Halsband, Mr. Levanter«, sagte Burgoyne.

»Verzeihung, natürlich, ein Halsband. Nach dem, was ich wußte, wunderte ich mich ein wenig. Nach einiger Zeit wurde mein Freund auf Ihre Loge aufmerksam. ›Siehst du die Dame mit dem Diamantenhalsband, mein Junge?‹ fragte er. ›Wenn wir nachher bei unserem bescheidenen Abendessen sitzen, will ich dir etwas von dem Halsband und der Frau erzählen.‹ Nun, meine Herren?«

Blair und Burgoyne tauschten Blicke aus, und der Juwelier fuhr fort:

»Sie können sich denken, meine Herren, daß ich bei diesen Worten die Ohren spitzte, zumal ich das große Interesse bemerkte, das mein Freund an dem Halsband zeigte. Ich hörte ihn tief seufzen, so oft er hinblickte. Als die Vorstellung beendet war, gingen wir essen, und da wir an dem Tag gute Geschäfte gemacht hatten, leisteten wir uns Sekt. Nach dem zweiten Glas begann mein Freund aufzutauen. ›Du hast im Theater immer geseufzt, wenn du das Halsband ansahst‹, sagte ich. ›Mein Junge,‹ gab er zur Antwort, ›du hättest auch geseufzt, wenn du alles wüßtest. Ich habe den Schmuck fast zwei Jahre als Pfand gehabt und immer gehofft, er würde mein Eigentum werden, aber umsonst. Dabei ist er zwölftausend Pfund wert, mein Junge, und keinen Pfennig weniger.‹ Er seufzte wieder.«

Hier bat Mr. Levanter um die Erlaubnis, die Gläser der Herren neu füllen zu dürfen und goß sich selbst ein.

»Ja, meine Herren«, fuhr er fort, »und so kam die ganze Geschichte heraus. Vor zwei Jahren besuchte diese Frau Walsingham meinen Freund, um ein Halsband zu versetzen, das er gestern im Theater wieder erkannte. Er erfaßte natürlich auf den ersten Blick den Wert und war höchlichst erstaunt, als sie nur tausend Pfund darauf leihen wollte.«

»Nur tausend Pfund!« rief Blair.

»Nur tausend Pfund«, wiederholte Mr. Levanter. »Mein Freund versuchte, sie zu überreden, ihm den Schmuck zu verkaufen, aber sie ließ sich nicht darauf ein. Jedesmal, wenn sie kam, um die fälligen Zinsen zu bezahlen, wiederholte sich der Handel mit demselben Mißerfolg. Kürzlich machte mein Freund einen letzten Versuch und bot ihr eine große Summe.«

»Wieviel?« fragte Blair.

Levanter lächelte und schüttelte den Kopf.

»Das sagte er mir natürlich nicht. Jedenfalls ging sie wieder nicht darauf ein. Während er aber immer noch auf die Zukunft hoffte, kam die Dame – es ist erst wenige Tage her – um ihr Pfand einzulösen. Sie werden den Schrecken meines Freundes begreifen, meine Herren. Er erhöhte sein Angebot bis zu einer Summe, die ihm nur noch einen Verdienst von, sagen wir, fünfzehnhundert Pfund ermöglichte.«

»Und wieder erfolglos«, bemerkte trocken Blair.

»Ohne Erfolg«, sagte Mr. Levanter. »Stellen Sie sich vor, eine Dame – Damen haben niemals viel bares Geld – verzichtet auf achttausend fünfhundert Pfund in klingender Münze. Aber die Dame ließ sich nicht zureden, bezahlte die paar lumpigen Zinsen und zog mit dem Halsband ab. Meinem Freund war zumute, meine Herren, als hätte er ein geliebtes Kind verloren.«

»Kann ich mir vorstellen«, bemerkte Blair. »Das war wirklich eine interessante Geschichte, Mr. Levanter. Wie denken Sie darüber?«

Mr. Levanter lächelte pfiffig.

»Ich möchte Kapitän Burgoyne eine Frage vorlegen. War das Halsband, das Frau Walsingham gestern im Theater trug, das echte, das er verloren hat, oder das nachgemachte, mit dem er neulich zu mir kam?«

Burgoyne antwortete: »Das echte!«

Mr. Levanter stand auf, immer noch lächelnd.

»Dann, meine Herren, werden Sie wissen, wer das Halsband gestohlen hat, wenn es überhaupt gestohlen worden ist. Mehr braucht nicht gesagt zu werden.«

»Außer dem einen, daß die ganze Sache zwischen uns bleiben muß«, sagte Blair. »Sie werden das begreifen, Mr. Levanter.«

Mit vielem Kopfnicken und Lächeln versicherte der Juwelier, daß er begriffen habe, und die beiden Freunde brachen auf.

»Nun mußt du sofort nach Paris fahren, Ralph«, sagte Blair. »Es hat keinen Zweck mehr, die Sache aufzuschieben. Fahre heute nachmittag. Morgen hast du nichts zu tun, als an den Jungen zu telegraphieren. Benachrichtige mich sofort telegraphisch, wenn er angekommen ist. Am folgenden Tag erzählst du ihm, was er wissen muß. Während du ihn vorhast, fassen Winch und ich Carsdale und das Weib beim Kragen. Wir sehen uns heute nicht mehr. Wo willst du absteigen?«

»Im Hotel Bristol.«

»Gut. Nun ans Werk. Vergiß nicht, wir sind am Abend vor der Schlacht.«

»Ich wünschte, es ginge gegen ehrenhafte Feinde!« sagte Burgoyne. Und seufzend ging er seines Weges.


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