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Nachwort des Übersetzers

Es war am 8. Mai 1880. Flaubert hatte die Tage gezählt bis zur Beendigung von »Bouvard und Pécuchet«, da nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand.

Aufgeschlagen lag das Manuskript dieses Werkes auf seinem Schreibtisch, als sein großes edles Herz den letzten Schlag tat. Es ist das literarische Testament Flauberts. Es ist die Rache, die er an seinem Jahrhundert nahm.

All den Ingrimm, die Wut, die Galle, die er seiner Zeit gern ins Gesicht gespien, hatte er ein ganzes langes Leben hindurch hinabgewürgt. Es war ein heroischer Verzicht, – der Kunst zuliebe. Denn er verachtete das Schaffen aus Affekt, fand es klein und erbärmlich, sein persönliches Leid in das Werk zu tragen.

»Je prépare mon vomissement«, so nennt er es, als er an die Vorarbeiten zu diesem, letzten Werke geht. Was es bis zum Platzen erfüllt und ihm einen so bitteren Geschmack gibt, ist das persönliche, das besondere Leid seiner Seele: die Dummheit zu sehen und sie nicht ertragen zu können.

Wenn es das leidvollste, das bitterste und schwärzeste aller seiner Werke geworden ist, so ist es zugleich auch das klarste, hellste, geistigste, nüchternste, in dem eine dünne, harte, trockene Luft weht, die ganz erfüllt ist von glühendem Erkenntnisdrang.

Mit unerhörter Elastizität spannt sich sein Geist durch die Jahrhunderte des menschlichen Gedankens. Denn hier wollte er – ein geradezu wahnwitziges Unterfangen – das gesamte Wissen seiner Zeit zu kritischer Revue aufmarschieren lassen.

Jedes seiner Werke war für Flaubert wie eine lange Seereise, mit Stürmen, Bedrängnissen, Qualen, Todesnöten, aber auch mit tiefen Entzückungen und Erholungen in glühender Lichtfülle und mit blendenden Visionen wunderbarer Landstriche. Dieses hier war die einsamste, grausigste Fahrt in die Polargegend des Gedankens. Er wußte: niemand würde ihm folgen wollen in diese Nacht voll eisigen Nebels; doch den Rückkehrenden würden sie alle mit Kot bewerfen.

Oft hatte er geäußert, daß dies Werk ihn töten würde, – und er behält recht. Einmal muß er die übermenschliche Anstrengung unterbrechen, um sich an den »Drei Erzählungen« zu erholen. Dann aber hält er aus bis zuletzt.

In »Bouvard und Pécuchet« legt Flaubert die Axt an die gesamte Geisteskultur seiner Zeit. So entsteht das radikalste Werk, das die moderne französische Literatur kennt. Ein Fragezeichen steht hinter allen Denkresultaten. Mit unheimlicher Lautlosigkeit stürzen Gedankenkatarakte in das Nichts.

Von schwindelnder Höhe zeigt er uns, ganz in der Tiefe, mit fast unwahrscheinlicher Deutlichkeit das koboldartige Treiben der Spießer. Und während er ihre winzigen Gestalten so saftstrotzend auf die Beine stellt, fallen ihre Schatten riesengroß in die Unendlichkeit des Weltenraums.

Er schuf in dieser eisigen Satire ein neues Genre: die Komik der Ideen. Systeme der Wissenschaft führen einen Faschingstanz auf, bis das Gebäude in Flammen steht und sie selbst mit in Rauch aufgehen.

Doch in diesem aus Glut und Eis gemischten Werke wollte Flaubert nicht etwa den Geist treffen, sondern all das Unzulängliche, Halbe, Platte, Gemeine, Muffige und Stickige seiner anmaßlichen, dünkelhaften Äußerung, kurz das, was er unter der »Dummheit des Spießers« verstand, die er haßte mit dem Haß des Gequälten und die ihn doch wieder anzog in ihrer Monumentalität und Ungeheuerlichkeit.

Trotz der Grimasse ist kein Zweifel: hinter dem Werke steht ein unendlich großer, reicher, tiefer Mensch, der in seiner Größe das Werk noch weit überschattet.

Wenige Tage vor seinem Tode schreibt Flaubert seiner Nichte mit Beziehung auf »Bouvard und Pécuchet«: »Ich hatte recht! …Meine Auskunft stammt von dem Professor der Botanik am Botanischen Garten, und ich hatte recht, weil das Schöne immer das Wahre ist, und weil man sich in einem gewissen Stadium der Intelligenz (sofern man Methode hat) überhaupt nicht irrt. Die Wirklichkeit beugt sich zwar niemals dem Ideale, aber sie bestätigt es.«



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