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II

Welche Freude am folgenden Tage beim Erwachen! Die Pfeife, die Bouvard rauchte, und die Prise, die Pécuchet nahm, erklärte ein jeder für die beste seines Lebens. Dann setzten sie sich ins Fenster, um die Aussicht zu betrachten.

Geradeaus hatte man die Felder vor sich, zur Rechten eine Scheune, daneben den Kirchturm; und zur Linken eine Wand von Pappeln.

Zwei Hauptalleen, die ein Kreuz bildeten, zerlegten den Garten in vier Teile. Die Gemüse standen auf den Langbeeten, wo in Abständen Zwergzypressen und spindelförmig geschnittene Obstbäume aufragten. Auf der einen Seite endete ein Laubengang auf einen Schneckenberg; auf der andern stützte eine Mauer die Spaliere; und ein Gitter schloß hinten den Garten gegen die Felder ab. Jenseits der Mauer war ein Obstgarten, hinter dem Laubengang ein kleiner Hain; hinter dem Gitter ein schmaler Pfad.

Das alles betrachteten sie, als ein Mann mit ergrautem Haar in einem schwarzen Überzieher auf dem Fußwege ging, wobei er mit seinem Stock an sämtlichen Stäben des Gitters entlang fuhr. Die alte Dienerin teilte ihnen mit, es sei Herr Vaucorbeil, ein berühmter Arzt des Ortes.

Die übrigen Honoratioren seien: der Graf von Faverges, der früher Abgeordneter war und dessen Kuhställe berühmt wären; der Bürgermeister, Herr Foureau, der Holz, Gips und sonst noch alles mögliche verkaufte; der Notar, Herr Marescot; der Abbé Jeufroy und die verwitwete Frau Bordin, die von ihren Zinsen lebte. – Was sie selbst anbetraf, so nannte man sie Frau Germaine, nach ihrem verstorbenen Gatten Germain; sie ging tageweise in Arbeit, würde aber bereit sein, ganz in den Dienst der Herren zu treten. Sie nahmen sie und machten sich auf den Weg nach ihrem Pachthof, der in einer Entfernung von einem Kilometer gelegen war.

Als sie in den Gutshof traten, schalt der Pächter, Meister Gouy, einen Knecht aus, und die Pächtersfrau saß auf einem Schemel und hatte einen Puter fest zwischen den Beinen, den sie mit Mehlklößen stopfte. Der Mann hatte eine niedrige Stirn, eine feine Nase, einen versteckten Blick und kräftige Schultern. Die Frau war sehr blond, hatte Sommersprossen auf den Backen und hatte jenen Anstrich von Einfalt, den die ländlichen Gestalten auf den Kirchenfenstern zeigen.

In der Küche hingen Hanfbündel an der Decke. Drei alte Flinten reihten sich auf dem hohen Kamin. Eine Anrichte, die mit geblümtem Steingut besetzt war, nahm die Mitte der Wand ein; und die Scheiben aus Butzenglas warfen über die Gerätschaften aus Blech und rotem Kupfer ein blasses Licht.

Die beiden Pariser wünschten die Besichtigung vorzunehmen, denn sie hatten die Besitzung erst einmal flüchtig gesehen. Meister Gouy und seine Gattin geleiteten sie; und die Litanei von Klagen begann.

Sämtliche Gebäude, von dem Wagenschuppen bis zur Branntweinbrennerei, hätten Ausbesserungen nötig. Es wäre erforderlich gewesen, ein Nebenhaus für die Käse zu bauen, an die Tore neue Eisenbeschläge zu setzen, die Erdwälle zu erhöhen, den Teich zu vertiefen und ein gut Teil Apfelbäume in die drei Höfe zu pflanzen.

Dann besichtigte man die Äcker: Meister Gouy machte sie herunter. Sie erforderten zu viel Bedüngung, das Anfahren sei kostspielig; unmöglich, die Steine daraus fortzubringen; Unkraut verderbe die Wiesen; und diese Verunglimpfung seines Bodens dämpfte die Freude, die Bouvard empfand, darüberzuschreiten.

Sie gingen durch den Hohlweg unter Buchen zurück. Von dieser Seite zeigte das Haus seinen Staatshof und die Front.

Es war weiß gestrichen und hatte Ornamente in gelber Farbe. Der Schuppen und das Vorratshaus, das Backhaus und der Holzstall bildeten zwei hinten rechtwinklig anschließende niedrigere Flügel. An die Küche stieß ein kleiner Saal. Dann gelangte man zum Hausflur, einem zweiten größeren Saal und dem Salon. Die vier Zimmer des ersten Stockes hatten ihren Ausgang auf einen Korridor, der nach dem Hofe zu lag. Eins davon nahm Pécuchet für seine Sammlungen. Das letzte wurde für die Bibliothek bestimmt; und als sie die Schränke öffneten, fanden sie andere Schmöker, aber sie hatten jetzt keine Lust, die Titel zu lesen. Das eiligste war der Garten.

Als Bouvard am Laubengange vorbeikam, entdeckte er unter den Zweigen eine weibliche Figur aus Gips. Mit zwei Fingern hob sie ihren Rock, während sie in hockender Stellung saß und ihr Kopf auf der Schulter lag, als fürchtete sie, überrascht zu werden. – »Ah! Verzeihung! Genieren Sie sich nicht!« und dieser Scherz belustigte sie so, daß sie ihn mehr als drei Wochen jeden Tag zwanzigmal wiederholten.

Indessen wünschten die Bürger von Chavignollles ihre Bekanntschaft zu machen: man suchte sie durch das Gitter zu beobachten. Sie nagelten die Zwischenräume mit Brettern zu. Die Bevölkerung war erbost.

Um sich vor der Sonne zu schützen, trug Bouvard ein turbanartig geknüpftes Taschentuch auf dem Kopfe, Pécuchet seine Mütze; und er hatte eine große Schürze umgebunden, die vorn eine Tasche hatte, in der seine Baumschere, sein Tuch und seine Schnupftabakdose baumelten. Mit bloßen Armen, einer an der Seite des andern, ackerten sie, gäteten sie, putzten sie Bäume aus, ließen sich's sauer werden und aßen so schnell wie möglich; doch gingen sie, um den Kaffee zu nehmen, auf den Schneckenberg, damit sie die Aussicht genießen konnten.

Wenn sie eine Schnecke sahen, näherten sie sich und zertraten sie, indem sie die Mundwinkel verzögen, wie wenn man eine Nuß knackt. Sie gingen nie ohne ihr Grabscheit aus, und sie zerhieben die Engerlinge in der Mitte mit solcher Kraft, daß der eiserne Teil des Gerätes drei Zoll tief in den Boden eindrang.

Um die Raupen zu vertilgen, schlugen sie die Bäume wie wütend mit heftigen Stockschlägen.

Bouvard pflanzte mitten auf den Rasen eine Pfingstrose, und Tomaten unter die Wölbung des Laubenganges. Sie sollten wie Leuchter herabhängen.

Pécuchet ließ vor der Küche ein großes Loch graben und teilte es in drei Teile, in denen er Kompost herstellen wollte; der würde eine Menge Dinge sprießen lassen, deren verweste Reste neues Wachstum hervorbringen sollten, und das sollte wieder neue Dungmittel ergeben, alles das bis ins Unendliche; und er stand träumend am Rande der Grube und sah dabei in der Zukunft Berge von Früchten, eine Überfülle von Blumen, Lawinen von Gemüsen. Doch der Pferdedünger, der so ausgezeichnet für die Mistbeete ist, fehlte ihm. Die Ökonomen verkauften keinen, die Herbergswirte behielten ihn für sich. Nach langem Suchen entschloß er sich endlich trotz Bouvards Bitten und mit Aufopferung alles Schamgefühls, »selbst den Pferdemist aufkratzen zu wollen!«

Inmitten dieser Beschäftigung sprach ihn eines Tages Frau Bordin auf der Landstraße an. Nachdem sie ihn begrüßt hatte, erkundigte sie sich nach seinem Freunde. Die schwarzen, sehr glänzenden, obgleich kleinen Augen dieser Frau, ihre kräftigen Farben, ihr sicheres Auftreten (sie hatte sogar etwas Schnurrbart), schüchterten Pécuchet ein. Er antwortete kurz und drehte ihr den Rücken, – eine Unhöflichkeit, die Bouvard tadelte.

Dann brachen die schlechten Tage an, Kälte, starker Frost. Sie richteten sich in der Küche ein und verfertigten Flechtwerk; oder sie gingen durch die Zimmer, plauderten am Feuer, schauten zu, wie der Regen fiel.

Von Mittfasten an spähten sie nach dem Frühling, und jeden Morgen wiederholten sie: »Alles kommt!« Aber der Frühling kam zögernd, und sie trösteten sich in ihrer Ungeduld, indem sie sagten: »Alles wird kommen!«

Endlich sahen sie die Erbsen aufgehen. Die Spargel sprossen tüchtig. Die Reben waren vielversprechend.

Da sie sich auf die Gartenbestellung verstanden, mußte es ihnen auch mit dem Ackerbau gelingen; – und der Ehrgeiz erfaßte sie, ihren Pachthof zu bewirtschaften. Mit gesundem Menschenverstand und Studien würden sie sich zweifellos gut aus der Sache ziehen.

Zuerst mußte man sehen, wie andere zu Werke gingen; und sie setzten einen Brief auf, worin sie Herrn von Faverges um die Ehre baten, seine Bewirtschaftung ansehen zu dürfen. Der Graf gewährte ihnen sogleich eine Zusammenkunft.

Nach einer Stunde Weges kamen sie auf den Hang eines Hügels, von wo man das Tal der Orne überschaut. Der Fluß floß in Windungen in der Tiefe. Blöcke von rotem Sandstein lagen hier und dort, und größere Felsen bildeten in der Ferne eine Art Klippe, die aus dem mit reifem Korn bestandenen Gelände hervorragte. Auf dem gegenüberliegenden Hügel wucherte Grün in solcher Fülle, daß es die Häuser verbarg. Bäume, die sich als dunklere Linien inmitten des Grases abhoben, zerlegten es in ungleiche Vierecke.

Plötzlich erblickte man das Gut in seiner Gesamtheit. Schindeldächer zeigten den Pachthof an. Rechts lag das Schloß mit seiner weißen Front; dahinter erschien ein Hain, und eine Rasenfläche senkte sich zum Fluß herab, in dem eine gerade Reihe von Platanen ihr Schattenbild spiegelten.

Die beiden Freunde kamen durch ein Luzernefeld, wo man heute. Frauen mit Strohhüten, unter dem Kinn geknoteten Kattuntüchern oder Schutzschirmen aus Papier wendeten mit Rechen das Heu, das an der Erde lag; und am anderen Ende des Geländes, bei den Heuhaufen, warf man eilig die Bündel auf einen langen Wagen, der mit drei Pferden bespannt war. Der Herr Graf näherte sich ihnen, begleitet von seinem Verwalter.

Er trug einen Anzug aus geköpertem Barchent, hatte eine gerade Haltung und Koteletten. Sein Äußeres vereinigte den Beamten mit dem Dandy. Seine Gesichtszüge blieben unbeweglich, auch wenn er sprach.

Nachdem die ersten Höflichkeiten ausgetauscht waren, erklärte er sein System bezüglich der Heubereitung; man wende die Schwaden, ohne sie zu zerstören. Die Schober müßten konisch sein und die Bündel unmittelbar an Ort und Stelle gemacht, dann zu je zehn aufeinandergelegt werden. Was den englischen Harker anlange, so sei das Wiesengelände zu uneben für dieses Gerät.

Ein kleines Mädchen, dessen bloße Füße in Holzpantinen steckten und dessen Leib durch die Löcher des Kleides sichtbar wurde, versorgte die Frauen mit Getränk, indem es Most aus einem Kruge schenkte, den es gegen seine Hüfte preßte. Der Graf fragte, wem dies Kind gehöre; man konnte es nicht sagen. Die Heuerinnen hatten es angenommen, damit es sie während der Ernte bediene. Er zuckte die Achseln und ließ, während er sich entfernte, einige Klagen über die Unsittlichkeit unserer Landleute laut werden.

Bouvard rühmte die Luzerne. Sie sei in der Tat recht gut geraten trotz der Verheerungen durch die Flachsseide. Die zukünftigen Ackerbaukundigen rissen die Augen auf bei dem Worte Flachsseide. Angesichts seines großen Viehbestandes richtete der Graf sein Augenmerk auf die künstlichen Wiesen; das sei übrigens eine gute Vorbereitung für die weiteren Ernten, was nicht immer auch von den Futterwurzeln gälte.

»Mir wenigstens scheint das unbestreitbar!«

Bouvard und Pécuchet wiederholten zugleich:

»O! unbestreitbar!«

Sie standen am Rande eines sorgsam gelockerten Feldes: ein Pferd, das an der Hand geführt wurde, zog einen großen Kasten, der auf drei Rädern ruhte. Sechs Pflugmesser, die nach unten gingen, zogen nebeneinander gleichlaufende feine Furchen, in die das Korn durch bis zum Boden reichende Röhren fiel.

»Hier,« sagte der Graf, »lasse ich Steckrüben säen. Die Steckrübe ist die Basis meiner vierjährigen Kultur.«

Und er begann mit der Erklärung der Säemaschine. Doch ein Diener kam, ihn abzurufen. Man bedurfte seiner im Schloß.

Sein Verwalter, ein Mann mit verschlagenem Gesicht und kriecherischen Manieren, ersetzte ihn.

Er führte »die Herren« zu einem andern Felde, wo vierzehn Schnitter mit bloßer Brust und gespreizten Beinen beim Roggenmähen waren. Die Sensen pfiffen in den Halmen, die sich nach rechts legten. Jeder beschrieb vor sich einen weiten Halbkreis, und alle rückten zugleich auf ein Zeichen vor. Die beiden Pariser staunten über die Arme der Leute und fühlten sich von beinahe religiöser Verehrung für den Reichtum des Bodens ergriffen.

Darauf kamen sie an mehreren Feldern vorbei, deren Bestellung soeben beendet war. Die Dämmerung fiel, Krähen ließen sich in die Furchen nieder.

Dann stießen sie auf die Herde. Die Schafe weideten zerstreut, und man hörte das beständige Abnagen des Grases. Der Hirt, der auf einem Baumstumpf saß, strickte an einem wollenen Strumpf und hatte seinen Hund neben sich.

Der Verwalter half Bouvard und Pécuchet über einen Heckenstieg, und sie durchschritten zwei Obsthöfe, wo wiederkäuende Kühe unter Apfelbäumen lagen.

Alle Gebäude des Gutshofes stießen aneinander und bildeten die drei Seiten des Hofes. Die Arbeitskraft wurde auf mechanischem Wege mit Hilfe einer Turbine erzeugt, wozu man einen Fluß benutzte, den man zu diesem Zwecke abgelenkt hatte. Lederriemen gingen von einem Dache ins andere, und inmitten des Düngers arbeitete eine eiserne Pumpe.

In den Schafställen lenkte der Verwalter ihre Aufmerksamkeit auf kleine Öffnungen zu ebener Erde und in den Schweineställen auf sinnreiche Türen, die sich von selbst schlossen.

Die Scheune war wie eine Kathedrale gewölbt in Bögen aus Ziegeln, die auf Steinmauern ruhten.

Um den Herren ein Vergnügen zu machen, streute eine Magd einige Hände voll Hafer vor die Hühner. Der Baum der Kelterpresse schien ihnen riesenhaft, und sie stiegen ins Taubenhaus empor. Vor allem die Milchkammer setzte sie in Staunen. Die Hähne in den Ecken gaben genügend Wasser, die Fliesen zu überschwemmen, und beim Eintritt spürte man eine Kühle. Braune irdene Gefäße, auf Latten gereiht, waren bis zum Rande mit Milch gefüllt. Weniger tiefe Näpfe enthielten Sahne. Die Butterwecken reihten sich aneinander wie Stücke einer Messingsäule, und der Schaum floß über den Rand der Blecheimer, die man gerade auf den Boden gesetzt hatte. Doch die Zierde des Gutshofes war der Rinderstall. Holzlatten, die senkrecht der ganzen Länge nach eingelassen waren, teilten ihn in zwei Abteilungen: die erste war für das Vieh, die zweite für die Bedienung. Man konnte nur mit Mühe darin sehen, da alle Luken geschlossen waren. Die angeketteten Rinder fraßen, und ihre Leiber strömten eine Wärme aus, welche von der niedrigen Decke zurückschlug. Doch jemand machte Licht; ein dünner Wasserstrahl ergoß sich plötzlich in die Rinne, welche an den Raufen entlang lief. Brüllen ertönte; die Hörner klangen aneinander wie Stöcke. Alle Rinder streckten ihre Mäuler zwischen den Stäben durch und soffen langsam.

Die großen Gespanne kamen in den Hof, und Füllen wieherten. Im Erdgeschoß wurden zwei, drei Laternen angezündet und verschwanden dann. Die Arbeitsleute gingen vorüber, mit ihren Holzschuhen über die Steine schlurfend, und die Glocke zum Abendessen ertönte.

Die beiden Besucher machten sich auf den Heimweg.

Alles, was sie gesehen hatten, entzückte sie; ihr Entschluß war gefaßt. Noch am selben Abend entnahmen sie ihrer Bibliothek die vier Bände des »Landhauses«; auch ließen sie sich Gasparins Abhandlungen zuschicken und nahmen ein Abonnement auf eine landwirtschaftliche Zeitung.

Um bequemer auf die Märkte zu kommen, erwarben sie eine zweirädrige Halbkutsche, die Bouvard lenkte.

In einem blauen Kittel, mit einem breitrandigen Hut, Gamaschen bis zum Knie und mit einem Roßhändlerstock in der Hand umschwärmten sie das Vieh, fragten die Arbeiter aus und verfehlten nicht, allen Landwirtschaftsfesten beizuwohnen.

Bald wurden sie Meister Gouy mit ihren Ratschlägen lästig. Sie waren vor allem mit seiner Dreifelderwirtschaft unzufrieden. Doch der Pächter hielt an seiner Erfahrung fest. Er bat um den Nachlaß eines Vierteijahrzinses unter Hinweis auf den Hagelschlag. Von Naturalien lieferte er nichts ab. Bei noch so gerechten Forderungen begann seine Frau zu zetern. Schließlich erklärte Bouvard, den Vertrag nicht wieder erneuern zu wollen.

Von dem Augenblicke an sparte Meister Gouy den Dünger, ließ das Unkraut wachsen, richtete den Boden zugrunde und zog mit einer wilden Miene ab, die Rachepläne verriet.

Bouvard hatte gedacht, daß zwanzigtausend Franken, das heißt der vierfache Betrag des Pachtgeldes, für den Anfang genügen würden. Sein Pariser Notar sandte sie ihm.

Ihre ganze Anlage umfaßte fünfzehn Hektar an Höfen und Wiesen, dreiundzwanzig an bestellbarem Lande und fünf an Brachfeld, die auf einem mit Steinen bedeckten kleinen Berge lagen, den man den Hügel nannte.

Sie verschafften sich alle notwendigen Geräte, vier Pferde, zwölf Kühe, sechs Schweine, hundertsechzig Schafe und an Personal zwei Fuhrleute, zwei Frauen, einen Hirten; dazu einen großen Hund.

Um sogleich Geld zu erhalten, verkauften sie die Futterernte: man bezahlte sie in ihrem Hause. Die Goldstücke, die auf die Haferkiste gezählt wurden, schienen ihnen glänzender, merkwürdig und besser als andere.

Im Monat November kelterten sie Most. Bouvard trieb das Pferd an, und Pécuchet, der in den Trog gestiegen war, rührte mit einer Schaufel in den Träbern.

Sie ächzten beim Anziehen der Schraube, schöpften den Zucker aus dem Bottich, beobachteten die Spundlöcher, trugen dicke Holzschuhe und vergnügten sich über die Maßen.

Von dem Grundsatz ausgehend, daß man nicht genug Getreide haben könne, gaben sie etwa die Hälfte ihrer künstlichen Wiesen auf; und da sie keine Dungmittel hatten, bedienten sie sich der Kuchen, die sie in die Erde ließen, ohne sie zu zerkleinern, so daß der Ertrag jämmerlich war.

Im folgenden Jahre legten sie das Saatkorn sehr dicht. Unwetter stellten sich ein. Die Ähren legten sich nieder.

Nichtsdestoweniger warfen sie sich mit Eifer auf den Weizen, und sie unternahmen es, den Hügel von Steinen zu säubern. Ein kleiner Korbwagen schaffte die Steine fort. Das ganze Jahr über vom Morgen bis zum Abend, im Regen wie im Sonnenschein, sah man den ewigen Korbwagen mit demselben Mann und demselben Pferde den kleinen Hügel emporklimmen, wieder herabfahren und wieder emporsteigen. Manchmal ging Bouvard dahinter und machte auf halber Höhe halt, um sich die Stirn zu trocknen.

Da sie zu niemand Zutrauen hatten, versorgten sie die Tiere selbst und gaben ihnen Abführmittel und Klistiere.

Schwerwiegende Fälle von Unordnung kamen vor. Die Viehmagd wurde schwanger. Sie nahmen verheiratete Leute in ihren Dienst; es begann von Kindern, Vettern, Basen, Onkeln, Schwägerinnen zu wimmeln; eine ganze Horde lebte auf ihre Kosten, und sie beschlossen, abwechselnd auf dem Pachthofe zu schlafen.

Doch des Abends waren sie traurig gestimmt. Die Unsauberkeit des Zimmers war ihnen widerwärtig, und Germaine, die die Mahlzeiten herbeibrachte, brummte bei jeder Reise. Man hielt die beiden auf alle Art zum Narren. Die Drescher stopften Getreide in ihre Trinkkrüge. Pécuchet faßte einen dabei und schrie, während er ihn bei den Schultern packte und hinausjagte:

»Elender! Du bist die Schande des Dorfes, das dich zur Welt kommen sah.«

Seine Persönlichkeit flößte nicht den geringsten Respekt ein. – Übrigens machte er sich Gewissensbisse, sooft er den Garten sah. Seine ganze Zeit würde eben ausgereicht haben, ihn in guter Ordnung zu halten. – Bouvard wollte die Sorge um den Pachthof übernehmen. Sie berieten darüber, und diese Maßnahme war beschlossene Sache.

Der wichtigste Punkt war, gute Mistbeete zu bekommen. Pécuchet ließ eins aus Ziegeln bauen. Er selber strich die Rahmen an, und da er die Sonnenstrahlen fürchtete, beschmierte er alle Schutzgläser mit Kreide.

Bei den Steckreisern übte er die Vorsicht, die Spitzen mit den Blättern zu entfernen. Dann machte er sich emsig an das Absenken. Er versuchte verschiedene Arten der Veredelung, Pfropfen mit der Pfeife, kronenweises Pfropfen, Okulieren, krautiges Propfen, Veredelung auf englische Art. Mit welcher Sorgfalt paßte er die Bastenden aneinander! Wie fest er die Fäden anzog! Welch eine Menge Baumwachs er darüber legte!

Zweimal täglich nahm er seine Gießkanne und schwenkte sie über den Pflanzen, als wenn er sie beweihräucherte. Wie sie unter der Wirkung des Wassers, das als feiner Regen herabfiel, grünten, glaubte er, seinen eigenen Durst zu löschen und in ihnen wieder zu erstehen. Dann ließ er sich hinreißen, nahm die Brause von der Gießkanne und goß in vollem Strom reichlich darüber.

Am Ende des Laubenganges, in der Nähe der Gipsdame, erhob sich eine Art Hütte aus Stangenholz. Pécuchet verwahrte dort seine Geräte, und er verbrachte hier wundervolle Stunden mit dem Aussuchen der Sämereien, dem Schreiben von Etiketten, der Ordnung seiner kleinen Töpfe. Wenn er sich ausruhte, setzte er sich auf eine Kiste vor die Tür und träumte dann von Verschönerungen.

Unten an der Freitreppe hatte er zwei Körbe mit Geranien angebracht; zwischen die Zypressen und die pyramidenförmig geschnittenen Obstbäume pflanzte er Sonnenblumen; – und da die Beete mit Butterblumen und alle Wege mit frischem Sand bedeckt waren, so blendete der Garten durch eine Überfülle von gelben Farben.

Doch das Mistbeet wimmelte von Larven; trotz der neuen Bedüngung mit trockenem Laub entstand hinter den gestrichenen Rahmen und unter den beschmierten Schutzgläsern nur eine verkrüppelte Vegetation. Die Stecklinge faßten nicht Wurzel; die Pfropfreiser fielen ab, die Satzreiser trieben nicht mehr, die Bäume hatten den Schimmel an der Wurzel; die Samenbeete waren ein Jammer. Der Wind schien eine Lust daran zu finden, die Bohnenstangen niederzuwerfen. Die übermäßige Bedüngung mit Jauche schadete den Erdbeerpflanzen, die mangelhafte Beschneidung den Tomaten.

Er hatte denselben Mißerfolg mit Rosenkohl, Auberginen, Rüben und Brunnenkresse, die er in einem Kübel hatte ziehen wollen. Als das Tauwetter zu Ende war, waren alle Artischocken dahin. Der Kohl war sein Trost. Besonders ein Kohlkopf machte ihm Hoffnungen. Er entfaltete sich, schoß empor, wurde schließlich ein Wunder und war vollkommen ungenießbar. Gleichviel, Pécuchet war zufrieden, ein solches Ungeheuer zu besitzen.

Dann machte er einen Versuch in dem, was ihm der Gipfel der Kunst zu sein schien: in der Melonenkultur.

Er säte Körner verschiedener Sorten in Teller, die mit Humuserde gefüllt waren, und die er in sein Mistbeet einsetzte. Dann legte er ein zweites Mistbeet an; und als es seine Hitze verloren hatte, setzte er die schönsten jungen Pflanzen um, mit den Schutzgläsern darüber. Er beschnitt sie ganz nach den Vorschriften des »Guten Gärtners«, achtete auf die Blüten, ließ die Früchte ansetzen, wählte eine auf jedem Zweig, vernichtete die anderen, und sobald sie die Dicke einer Nuß hatten, schob er unter ihre Schale ein kleines Brett, um sie am Faulen durch Berührung mit dem Mist zu hindern. Er begoß sie, setzte sie der Luft aus, wischte mit seinem Taschentuch den Niederschlag von den Schutzgläsern ab, – und wenn sich Wolken zeigten, trug er eilig Strohmatten herbei.

Des Nachts ließen sie ihn nicht schlafen. Mehrere Male erhob er sich sogar wieder; und mit bloßen Füßen in den Schuhen und im Hemde zitternd durchschritt er den ganzen Garten, um seine Bettdecke über die Treibkästen zu breiten.

Die Warzenmelonen reiften. Bei der ersten schnitt Bouvard eine Grimasse. Die zweite war nicht besser, die dritte ebenfalls nicht. Pécuchet hatte jedesmal eine neue Entschuldigung bis zur letzten, die er aus dem Fenster warf, wobei er erklärte, daß er das nicht verstehe.

In der Tat, da er die verschiedenen Arten beieinander gezogen hatte, hatten sich die Zuckermelonen mit den Netzmelonen vermischt, die dicke portugiesische mit der großen mongolischen, – und da die Nachbarschaft der Tomaten die Zuchtlosigkeit voll machte, waren schreckliche Kreuzungen entstanden, die den Geschmack von Kürbissen hatten.

Dann warf sich Pécuchet auf die Blumenzucht. Er schrieb an Dumouchel wegen Samenpflanzen, kaufte einen Vorrat Heideerde und machte sich entschlossen ans Werk.

Aber er pflanzte die Passionsblumen in den Schatten, die Stiefmütterchen in die Sonne, bedeckte die Hyazinthen mit Dünger, begoß die Lilien nach der Blüte, vernichtete die Rhododendren durch übermäßiges Abbinden der Zweige, trieb die Fuchsien mit Leim und dörrte einen Granatbaum, indem er ihn dem Feuer in der Küche aussetzte.

Beim Herannahen der Kälte schützte er die Heckenrosen mit Schutzhüllen aus starkem Papier, das mit Talglicht zusammengekittet war; sie sahen aus wie Zuckerhüte, die an Stöcken in der Luft schwebten.

Die Stangen der Dahlien waren ungeheuerlich, – und man bemerkte zwischen diesen geraden Stöcken die gewundenen Zweige einer Sophora japonica, die in unverändertem Zustande verharrte, ohne auszugehen und ohne zu wachsen.

Da indessen die seltensten Bäume in den Gärten der Hauptstadt gediehen, mußten sie auch in Chavignolles fortkommen; und Pécuchet verschaffte sich indischen Flieder, chinesische Rosen und den Eukalyptus, der damals gerade in Mode gekommen war. Alle seine Versuche schlugen fehl. Er war jedesmal sehr erstaunt darüber.

Gleich ihm stieß Bouvard auf Hindernisse. Sie fragten einander um Rat, schlugen ein Buch auf, griffen zu einem anderen und wußten dann nicht, wofür sie sich bei der Verschiedenheit der Ansichten entscheiden sollten.

So empfiehlt zum Beispiel Puvis den Mergel; das Handbuch Roret verwirft ihn.

Was den Gips anlangt, so scheinen trotz Franklins Vorgang Riefel und Herr Rigaud nicht dafür begeistert.

Das Brachliegen der Felder war Bouvard zufolge ein gotisches Vorurteil. Indessen verzeichnet Leclerc Fälle, wo es beinahe unerläßlich ist. Gasparin führt einen Einwohner von Lyon an, der während eines halben Jahrhunderts Getreide auf demselben Felde baute: das widerlegt die Theorie der Koppelwirtschaft. Tull preist die Bearbeitung auf Kosten der Bedüngung; und da kommt der Major Beetson und verwirft die Bedüngung zugleich mit der Bearbeitung!

Um das Wetter im voraus bestimmen zu können, studierten sie die Wolken nach der Einteilung von Luke-Howard. Sie betrachteten jene, die sich wie eine Mähne lang hinbreiten, die, welche Inseln gleichen, die, welche man für Schneeberge halten könnte, wobei sie versuchten, die Nimbus- von den Cirrusformen, die Stratus- von den Cumulusbildungen zu unterscheiden; die Formen veränderten sich, ehe sie die Namen gefunden hatten.

Das Barometer täuschte sie, durch das Thermometer erfuhren sie nichts; und sie nahmen ihre Zuflucht zu dem Mittel, das sich ein Priester in der Touraine unter Ludwig XV. ausgedacht hatte. Ein Blutegel in einer Glasglocke sollte bei Regenwetter emporsteigen, bei beständig gutem sich auf dem Grunde halten, sich regen, wenn Unwetter drohte. Aber fast immer widersprach der Luftdruck dem Blutegel. Sie setzten noch drei andere zu diesem ersten. Alle vier benahmen sich auf verschiedene Weise.

Nach reiflicher Überlegung erkannte Bouvard, daß er sich getäuscht hatte. Sein Gut erforderte eine Bewirtschaftung im großen, eine starke Anspannung, und er setzte aufs Spiel, was ihm von verfügbaren Kapitalien blieb, dreißigtausend Franken.

Von Pécuchet angeregt, geriet er in eine Begeisterung für Dünger. In die Kompostgrube wurden Strauchwerk, Blut, Gedärme, Federn, alles, was er entdecken konnte, geworfen. Er verwandte belgischen Blutdünger, Schweizer Aschendünger, Laugenwasser, saure Heringe, Seetang, Lumpen, ließ Guano kommen, versuchte, welchen herzustellen, – und seine Prinzipien auf die Spitze treibend, duldete er nicht, daß der Urin verloren ging; er schaffte die Aborte ab. Man brachte Tierleichen in seinen Hof, mit denen er die Erde düngte. Ihr zerschnittenes Aas wurde auf die Felder geworfen. Bouvard lächelte inmitten dieser Verpestung. Eine Pumpe, die auf einem Karren befestigt war, spie Jauche auf die Erntefelder. Zu denen, die sich davon angewidert zeigten, sagte er:

»Aber das ist Gold! Das ist Gold!«

Und er bedauerte, nicht noch mehr Dünger zu haben. Glücklich die Länder, in denen man natürliche Höhlen ganz voller Vogelmist findet!

Der Raps war kläglich, der Hafer mittelmäßig, und das Korn verkaufte sich schlecht wegen seines Geruchs. Eine sonderbare Tatsache war, daß der Hügel, nachdem er von Steinen gereinigt war, weniger hervorbrachte als früher.

Er hielt es für geraten, seine Geräte zu erneuern. Er kaufte eine Messeregge, System Guillaume, einen Grubberpflug, Marke Valcourt, eine englische Säemaschine und den räderlosen Pflug des Mathieu von Dombasle; doch der Pflüger machte ihn herunter.

»Lerne damit umzugehen!«

»Gut! Zeigen Sie es mir!«

Er versuchte, ihn vorzuführen, kam nicht zurecht damit, und die Bauern lachten höhnisch.

Nie vermochte er, sie an das Glockenzeichen zu gewöhnen. Unaufhörlich schrie er hinter ihnen her, rannte bald hier-, bald dorthin, schrieb seine Beobachtungen in ein Notizbuch, bestellte sie zu sich und dachte nicht mehr daran, – und sein Kopf kochte von Unternehmergedanken. Er hatte vor, Mohn anzubauen im Hinblick auf die Opiumgewinnung, und besonders den Tragant, den er als »Familienkaffee« verkaufen wollte.

Um die Ochsen schneller zu mästen, ließ er ihnen alle vierzehn Tage zur Ader.

Er ließ kein einziges von den Schweinen schlachten und stopfte sie mit gesalzenem Hafer. Bald wurde der Schweinestall zu eng. Sie versperrten den Hof, stießen die Einfriedigungen ein, bissen die Leute.

Während der großen Hitze wurden fünfundzwanzig Hammel von der Drehkrankheit befallen und krepierten bald darauf.

In derselben Woche verendeten drei Ochsen, eine Folge der Aderlässe Bouvards.

Um die Engerlinge zu vernichten, kam er auf den Gedanken, die Hühner in einen rollenden Käfig zu sperren, den zwei Männer hinter dem Pflug herschoben; – was nicht verfehlte, den Tieren die Pfoten zu zerbrechen.

Er stellte Bier aus den Blättern des Gamander her und gab es den Schnittern an Stelle von Most. Erkrankungen der Eingeweide waren die Folge. Die Kinder weinten, die Frauen wimmerten, die Männer waren wütend. Sie drohten alle fortzugehen, und Bouvard gab nach.

Um sie jedoch von der Unschädlichkeit seines Getränkes zu überzeugen, trank er in ihrer Gegenwart mehrere Flaschen herunter, fühlte sich unwohl, verbarg aber seine Schmerzen unter einer lustigen Miene. Er ließ sich das Gebräu sogar ins Haus bringen. Am Abend trank er mit Pécuchet davon, und beide gaben sich Mühe, es gut zu finden. Übrigens durfte es nicht ungenützt verloren gehen.

Da Bouvards Kolik immer heftiger wurde, holte Germaine den Arzt.

Der Arzt war ein ernster Mann mit gewölbter Stirn, der damit anfing, seinen Patienten Furcht einzujagen. Die Cholerine des Herrn müsse von dem Bier herrühren, von dem man im ganzen Orte sprach. Er wollte die Zusammensetzung wissen und tadelte sie in wissenschaftlichen Ausdrücken, wobei er die Achseln zuckte. Pécuchet, der das Rezept geliefert hatte, war tief gedemütigt.

Trotz der verderblichen Kalkdüngung, der Ersparnis der zweiten Bearbeitung und der unzeitgemäßen Ausrodung hatte Bouvard im folgenden Jahre eine schöne Weizenernte vor sich. Er wollte sie durch Gärung nach dem System Clap-Mayer auf holländische Art trocknen lassen; – das heißt, er ließ sie auf einmal schneiden und in große Haufen zusammenlegen, die man auseinanderreißen würde, sobald das Gas zu entweichen begänne; dann sollten sie der freien Luft ausgesetzt werden; – darauf zog er sich ohne die geringste Besorgnis zurück.

Als sie am Tage darauf beim Essen saßen, hörten sie unter dem Buchengang Trommelwirbel. Germaine ging, um zu sehen, was es gab; doch der Mann war schon weit. Fast gleichzeitig begann die Glocke der Kirche heftig zu läuten.

Bouvard und Pécuchet wurden von Angst gepackt. Sie erhoben sich, und in ihrer Ungeduld, etwas zu erfahren, gingen sie ohne Kopfbedeckung in der Richtung auf Chavignolles.

Eine alte Frau kam des Weges. Sie wußte von nichts. Sie hielten einen kleinen Knaben an; er antwortete:

»Ich glaube, es brennt!«

Und der Trommler fuhr fort zu trommeln, die Glocke läutete stärker. Endlich erreichten sie die ersten Häuser des Dorfes. Der Krämer rief ihnen von weitem zu:

»Das Feuer ist bei Ihnen!«

Pécuchet setzte sich in Turnerschritt; und er sagte zu Bouvard, der im gleichen Trab an seiner Seite lief:

»Eins, zwei; eins zwei!« – im Takte wie die Jäger von Vincennes.

Die Straße, die sie zurücklegten, ging bergan; das aufsteigende Gelände verbarg ihnen den Horizont. Sie kamen oben an in die Nähe des Hügels, und mit einem Blick überschauten sie das ganze Unglück.

Die sämtlichen Schober flammten hier und dort wie Vulkane auf der nackten Ebene im Abendfrieden.

Um den größten standen etwa dreihundert Personen; und unter Anweisung des Bürgermeisters, des Herrn Foureau, in dreifarbiger Schärpe, zogen Burschen mit Stangen und Haken das Stroh vom Gipfel, um das übrige zu retten.

Bouvard hätte in seinem Eifer beinahe Frau Bordin umgerannt, die dort stand. Dann bemerkte er einen von seinen Leuten und überhäufte ihn mit Schimpfreden, weil er ihn nicht benachrichtigt habe. Der Knecht war jedoch aus übermäßigem Eifer zuerst ins Haus gerannt, dann zur Kirche, schließlich zu seinem Herrn und war einen andern Weg zurückgekommen.

Bouvard verlor den Kopf. Sein Gesinde umringte ihn, alle sprachen zugleich, und er untersagte, die Schober abzutragen; er bat inständig um Hilfe, forderte Wasser, verlangte die Feuerwehr.

»Haben wir denn eine!« rief der Bürgermeister.

»Das ist Ihre Schuld!« erwiderte Bouvard.

Er wurde hitzig, brachte unziemliche Reden vor, und alle bewunderten Herrn Foureaus Geduld, der doch brutal war, wie seine dicken Lippen und sein Bulldoggenkiefer anzeigten.

Die Hitze der Schober wurde so stark, daß man ihnen nicht mehr nahe kommen konnte. Knisternd drehte sich das Stroh unter den verzehrenden Flammen; die Getreidekörner peitschten das Gesicht wie Bleikugeln. Dann stürzte der Haufe zu einer großen Glutmasse zusammen; Funken stoben daraus hervor; und Schimmer wogten über diese rote Masse, die in den wechselnden Tönen rotgoldene Stellen zeigte und andere, die braun waren wie geronnenes Blut. Die Nacht war hereingebrochen, der Wind blies; Rauchwirbel hüllten die Menge ein. Von Zeit zu Zeit fuhr ein Funke über den dunklen Himmel.

Bouvard betrachtete den Brand unter leisem Weinen. Seine Augen verschwanden hinter ihren geschwollenen Lidern, und sein ganzes Gesicht war wie von Schmerz geweitet. Frau Bordin rief ihm zu, während sie mit den Fransen ihres grünen Schals spielte: »Armer Herr Bouvard!« Sie versuchte ihn zu trösten. Da man nichts daran ändern könne, müsse er sich ins Unabänderliche fügen.

Pécuchet weinte nicht. Sehr blaß oder vielmehr erdfahl, mit offenem Munde und kaltem, klebrigem Schweiß im Haar, hielt er sich abseits, in seine Betrachtungen versunken. Doch der Pfarrer, der plötzlich aufgetaucht war, murmelte mit schmeichlerischer Stimme:

»Ach, welch ein Unglück, fürwahr; das ist sehr betrüblich! Seien Sie sicher, daß ich Anteil nehme …«

Die anderen heuchelten keine Trauer. Sie plauderten lächelnd, die Hand zum Schutz gegen die Flammen erhoben. Ein Alter hob die brennenden Halme auf, um seine Pfeife anzuzünden. Kinder begannen zu tanzen. Ein Schelm rief sogar, das sei recht spaßig.

»Ja, der ist gut, der Spaß!« antwortete Pécuchet, der es gerade gehört hatte.

Das Feuer nahm ab, die Haufen fielen zusammen, und eine Stunde darauf waren nur noch Aschenreste übrig, die auf dem Gelände runde schwarze Stellen bildeten. Da ging man nach Hause.

Frau Bordin und der Abbé Jeufroy begleiteten die Herren Bouvard und Pécuchet bis zu ihrer Wohnung.

Auf dem Wege machte die Witwe ihrem Nachbar in sehr liebenswürdiger Weise Vorwürfe über sein ungeselliges Wesen, und der Geistliche drückte seine volle Verwunderung aus, daß er bis jetzt noch nicht die Bekanntschaft eines so ausgezeichneten Mitgliedes seines Kirchspiels habe machen können.

Alleingelassen suchten sie die Ursache des Brandes, und anstatt wie alle anderen zu erkennen, daß das feuchte Stroh sich von selbst entzündet hatte, vermuteten sie einen Racheakt. Es war ohne Zweifel das Werk Meister Gouys oder vielleicht des Maulwurffängers. Sechs Monate zuvor hatte Bouvard seine Dienste zurückgewiesen und sogar vor einem Zuhörerkreise die Ansicht vertreten, die Regierung müsse diesen Erwerbszweig untersagen, da er verderblich sei. Seit jener Zeit trieb sich der Mensch in der Umgegend umher. Er hatte seinen Bart wachsen lassen und schien ihnen furchtbar, besonders des Abends, wenn er sich am Rande der Höfe zeigte und seinen langen Stecken, der mit aufgehangenen Maulwürfen besetzt war, schüttelte.

Der Schaden war beträchtlich, und um sich über ihre Lage zu vergewissern, arbeitete Pécuchet acht Tage lang über Bouvards Buchungen, die ihm ein »wahres Labyrinth« zu sein schienen. Nachdem er das Tagebuch, die Korrespondenz und das Hauptbuch, das mit Bleistiftnotizen und Verweisungen bedeckt war, verglichen hatte, erkannte er die Wahrheit: keine Ware zu verkaufen, keine Gelder einzukassieren, und in der Kasse nichts. An Stelle des Kapitals figurierte ein Fehlbetrag von dreiunddreißigtausend Franken.

Bouvard wollte es nicht glauben, und mehr als zwanzigmal fingen sie von neuem an zu rechnen. Sie kamen immer zu demselben Schlußergebnis. Noch zwei Jahre einer solchen Ackerwirtschaft, und ihr Vermögen ging darauf! Die einzige Abhilfe war, zu verkaufen.

Auf jeden Fall mußte man einen Notar um Rat fragen. Der Gang war peinlich; Pécuchet unterzog sich ihm.

Der Ansicht des Herrn Marescot zufolge war es besser, keine Zettel anzukleben. Er wollte ernsthaften Käufern gegenüber von dem Pachthof sprechen und deren Vorschläge abwarten.

»Sehr gut,« sagte Bouvard, »man hat Zeit vor sich.« Er wollte einen Pächter nehmen, dann würde man sehen. »Wir werden nicht unglücklicher sein als früher; nur sind wir jetzt aufs Sparen angewiesen.«

Das durchkreuzte Pécuchets Absichten hinsichtlich der Gartenbebauung, und einige Tage darauf sagte er:

»Wir sollten uns ausschließlich der Obstbaumkultur widmen, nicht zum Vergnügen, sondern aus Spekulation. Eine Birne, die drei Sous Unkosten macht, wird in der Hauptstadt oft für fünf bis sechs Franken verkauft. Mit Aprikosen erzielen Gärtner ein Einkommen von fünfundzwanzigtausend Livres. In Sankt Petersburg bezahlt man im Winter Trauben die Dolde mit einem Napoleon. Das ist ein guter Erwerb, das wirst du zugeben. Und was sind die Kosten? Sorgfalt, Dünger und das Schleifen des Gartenmessers!«

Er regte Bouvards Einbildungskraft so an, daß sie sogleich aus ihren Büchern eine Liste der zu kaufenden Setzlinge zusammenstellten, und nachdem sie die Namen ausgewählt hatten, die ihnen am merkwürdigsten vorkamen, wandten sie sich an einen Baumschulgärtner zu Falaise; er lieferte ihnen schleunigst dreihundert Stämme, die er nicht anbringen konnte.

Sie ließen einen Schlosser für die Spalierstangen kommen, einen Eisenhändler zum Spannen des Drahtes der Spaliere, einen Zimmermann für die Stützen. Die Formen der Bäume waren im voraus gezeichnet. Auf die Mauer genagelte Lattenstücke bildeten Kandelaber. Zwei Pfähle an jedem Ende der Langbeete dienten als Stützen zur wagerechten Führung der Drähte; und im Obstgarten deuteten Reifen die Form von Vasen, dünne Stäbe in kegelförmiger Anordnung die von Pyramiden an, so daß die Besucher Teile einer unbekannten Maschinerie oder Gerüste von Feuerwerkskörpern zu sehen glaubten.

Nachdem die Pflanzlöcher ausgeworfen waren, beschnitten sie die Spitzen der Wurzeln, sowohl der guten wie der schlechten, und setzten sie in Kompost ein. Sechs Monate darauf waren die jungen Bäume eingegangen. Neue Bestellungen beim Gärtner und neue Pflanzungen in noch tiefere Löcher folgten. Doch da der Regen den Boden aufweichte, sanken die Augen von selbst in die Erde, und die Bäume wurzelten ab.

Als der Frühling gekommen war, gab Pécuchet sich an das Beschneiden der Birnbäume. Er ließ die Nebenstämme stehen, verschonte die unfruchtbaren Zweige, und da er sich darauf versteifte, die Duchesse-Birnen, die einarmige Kordons bilden sollten, rechtwinklig umzubiegen, so brach oder riß er sie unweigerlich ab. Bei den Pfirsichen konnte er sich nicht in den Leitzweigen, den früheren oder späteren Trieben zurechtfinden. Leere und volle Stellen fanden sich immer da ein, wo er sie nicht brauchen konnte; und es war unmöglich, an dem Spalier ein vollkommenes Rechteck mit sechs Zweigen zur Rechten und sechs Zweigen zur Linken zu bekommen, von den beiden Leitzweigen abgesehen, so daß das Ganze eine schöne Fischgräte gebildet hätte.

Bouvard versuchte die Aprikosen zu ziehen; sie zeigten sich widerspenstig. Er schnitt ihre Stämme bis zur Erde weg; keiner schlug wieder aus. Die Kirschbäume, denen er Einschnitte gemacht hatte, brachten Harz hervor.

Zuerst beschnitten sie sehr weit, wodurch die Augen am Grunde eingingen, dann zu kurz, was Wasserreiser zur Folge hatte; und häufig waren sie in Verlegenheit, da sie die Holztriebe nicht von den Blütenknospen unterscheiden konnten. Sie hatten sich über die Blüte gefreut; aber nachdem sie ihren Irrtum erkannt hatten, rissen sie dreiviertel davon ab, um das übrige zu kräftigen.

Beständig redeten sie von Saft und Kambium, von Einspalieren, Beschneiden und Wegnehmen der Augen. In ihrem Eßzimmer hing in einem Rahmen die Liste ihrer Setzlinge, deren Nummer sich im Garten auf einem kleinen Holze am Fuße des Baumes wiederholte.

Sie erhoben sich mit der Morgenröte und arbeiteten bis in die Nacht, den Basthalter am Gürtel. Während der kühlen Frühlingsmorgen behielt Bouvard seine Trikotjacke unter seiner Bluse, Pécuchet seinen alten Rock unter seinem langen Leinwandkittel, und die Leute, die am Gitter vorübergingen, hörten sie durch den Nebel husten.

Zuweilen zog Pécuchet sein Handbuch aus der Tasche, und er studierte stehend einen Absatz; die Schaufel neben sich in der Haltung des Gärtners, der den Titel des Buches zierte. Diese Ähnlichkeit war ihm sogar sehr schmeichelhaft. Der Verfasser stieg dadurch in seiner Achtung.

Bouvard hockte beständig oben auf einer Leiter vor den Pyramiden. Eines Tages wurde er von Schwindel erfaßt, und da er nicht wagte, herunterzuklettern, schrie er, Pécuchet möge ihm zu Hilfe kommen.

Endlich zeigten sich die Birnen, und im Obstgarten gab es Pflaumen. Da wandten sie gegen die Vögel alle Künste an, die man empfiehlt. Doch die Spiegelglasscheiben flimmerten so, daß sie davon geblendet waren, das Klappern der Windmühle weckte sie in der Nacht, und die Sperlinge setzten sich auf den Strohmann. Sie verfertigten einen zweiten und sogar einen dritten, deren Kostüme sie anders gestalteten, doch ohne Erfolg.

Doch konnten sie auf ein paar Früchte hoffen. Pécuchet hatte gerade seine Aufzeichnungen darüber an Bouvard gegeben, als plötzlich der Donner grollte und der Regen fiel – ein schwerer, heftiger Regen. Der Wind schüttelte in Zwischenräumen die ganze Fläche der Spaliere. Die Stützen legten sich eine nach der anderen zu Boden – und an den unglücklichen Pyramiden, die im Winde schwankten, stießen die Birnen aneinander.

Pécuchet hatte sich, als er vom Sturzregen überrascht wurde, in die Hütte geflüchtet. Bouvard hielt sich in der Küche auf. Sie sahen, wie vor ihnen Holzsplitter, Zweige, Schieferstücke im Winde umherwirbelten, – und die Seemannsfrauen, die zehn Meilen von dort an der Küste auf das Meer auslugten, schauten nicht sehnsüchtiger und waren nicht beklommener im Herzen. Dann stürzten plötzlich die Träger und Stangen der Gegenspaliere auf die Beete.

Welches Bild, als sie ihren Rundgang machten! Die Kirschen und Pflaumen bedeckten das Gras zwischen den Hagelkörnern, die schmolzen. Die Passecolmar waren vernichtet, ebenso wie die Bési-des-vétérans und die Triomphes-de-Jordsigne. Kaum, daß von den Äpfeln einige Bons-papas blieben, – und zwölf Tétons-de-Vénus, die ganze Pfirsichernte, rollten in den Wasserlachen neben dem entwurzelten Buchsbaum.

Nach dem Mahle, bei dem sie sehr wenig aßen, sagte Pécuchet sanft:

»Wir täten gut, auf dem Pachthof nachzusehen, ob nicht etwas vorgefallen ist?«

»Pah! um noch neue Gründe zur Verstimmung zu entdecken!«

»Vielleicht! Denn wir sind keineswegs vom Schicksal begünstigt.«

Und sie jammerten über die Vorsehung und über die Natur. Bouvard, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, gab sein leises Pfeifen von sich, und da alle Schmerzen in Verbindung stehen, kamen ihm seine alten Landwirtschaftspläne ins Gedächtnis zurück, besonders die Mehlbereitung und eine neue Käseart.

Pécuchet atmete lärmend, und während er sich Tabakprisen in die Nasenlöcher stopfte, dachte er, wenn das Schicksal es gewollt hätte, wäre er jetzt Mitglied eines Vereins für Ackerbau, er würde auf den Ausstellungen glänzen und in den Zeitungen genannt sein.

Bouvard ließ kummervolle Blicke umherschweifen.

»Meiner Treu! ich habe Lust, mich des ganzen Krams zu entledigen, damit wir uns anderswo ansiedeln können!«

»Wie du willst,« sagte Pécuchet.

Und einen Augenblick später:

»Die Verfasser empfehlen, jeden direkten Zufluß zu unterbinden. Der Saft wird dadurch in seinem Laufe gehemmt, und der Baum leidet notwendigerweise darunter. Um sich wohl zu befinden, müßte er keine Früchte tragen. Indessen bringen die, welche man niemals beschneidet und nie düngt, Früchte, allerdings weniger große, aber desto schmackhaftere. Man gebe mir den Grund davon an! – und es verlangt nicht nur jede Art ihre besondere Behandlung, sondern sogar jede einzelne Pflanze, gemäß dem Klima, der Temperatur, ein Wirrwarr von Dingen! Wo ist da die Regel? Und welche Hoffnung haben wir auf irgendeinen Erfolg oder Nutzen?«

Bouvard antwortete ihm:

»Du wirst bei Gasparin sehen, daß der Nutzen nicht den zehnten Teil des Anlagekapitals übersteigen kann. Also täte man besser, dieses Kapital in eine Bank zu legen. Nach fünfzehn Jahren würde man durch Anhäufung der Zinsen die doppelte Summe besitzen, ohne sich die Gesundheit zu verderben.«

Pécuchet senkte den Kopf.

»Sollte die Baumzucht wohl Schwindel sein?«

»Wie die Wissenschaft vom Ackerbau!« erwiderte Bouvard.

Dann klagten sie sich an, zu ehrgeizig gewesen zu sein, und sie beschlossen, fortan mit ihrer Mühe und ihrem Gelde sparsamer zu wirtschaften. Im Obstgarten würde ein Ausputzen der Bäume von Zeit zu Zeit genügen. Die Gegenspaliere wurden verworfen, und sie wollten die eingegangenen und umgebrochenen Bäume nicht ersetzen; doch würden sich sehr häßliche Zwischenräume ergeben, wofern man nicht alle noch stehenden wegnehmen wollte. Wie dabei verfahren?

Pécuchet entwarf mehrere Zeichnungen, wobei er sich seines Reißzeuges bediente. Bouvard gab ihm Ratschläge. Sie kamen zu keinem befriedigenden Resultat. Glücklicherweise fanden sie in ihrer Bibliothek das Werk von Boitard, »Der Gartenarchitekt« betitelt.

Der Verfasser teilt sie in eine unendliche Anzahl von Arten ein. Zunächst gibt es da die melancholisch-romantische Art, die sich durch Immortellen zu erkennen gibt, durch Ruinen, Grabmäler und »ein Votiv-Bild mit einer Jungfrau, das die Stelle anzeigt, wo ein vornehmer Herr unter dem Stahl eines Mörders gefallen ist«. Das schreckliche Genre stellt man mit Hilfe von überhangenden Felsen, zerschmetterten Bäumen, in Brand gesetzten Hütten her; das exotische Genre, indem man peruanische Fackeldisteln pflanzt, »um einem Pflanzer oder Reisenden Erinnerungen wachzurufen«. Das ernste Genre muß gleich Ermenonville einen Tempel der Philosophie aufweisen. Die Obelisken und Triumphbögen charakterisieren das majestätische Genre. Moos und Grotten das geheimnisvolle; ein See das träumerische Genre. Es gibt sogar ein phantastisches Genre, dessen schönstes Beispiel vor kurzem in einem Garten in Württemberg zu sehen war, – denn man sah dort nacheinander einen Eber, einen Eremiten, mehrere Grabmäler und eine Barke, die von selbst vom Ufer abstieß, um den Besucher in einen Raum zu bringen, wo Wasserkünste ihn überschütteten, wenn man sich auf das Sofa setzte.

Vor diesem Horizont von Wundern waren Bouvard und Pécuchet wie geblendet. Das phantastische Genre schien ihnen Fürsten vorbehalten zu sein. Der Tempel der Philosophie würde zu viel Platz einnehmen. Das Votiv-Bild mit der Madonna würde des Sinnes entbehren angesichts der fehlenden Mörder, und die amerikanischen Pflanzen – um so schlimmer für die Pflanzer und die Reisenden – würden zu viel Geld kosten. Aber die Felsen lagen im Bereich der Möglichkeit, ebenso die zerschmetterten Bäume, die Immortellen und das Moos, – und in immer zunehmender Begeisterung stellten sie nach vielem Hin- und Hersuchen mit Hilfe eines einzigen Dieners und für eine ganz geringe Summe einen Wohnsitz her, wie er im ganzen Orte nicht seinesgleichen hatte.

Der hier und da durchbrochene Laubengang öffnete sich auf eine Anpflanzung, die nach Art eines Labyrinthes von gewundenen Alleen durchzogen war. In der Spaliermauer hatten sie eine Bogenwölbung herstellen wollen, durch die man die Fernsicht wahrnehmen sollte. Da der obere Teil sich nicht in der Schwebe halten konnte, war ein ungeheurer Mauerbruch entstanden, dessen Trümmer auf der Erde umherlagen.

Sie hatten die Spargel geopfert, um ein etruskisches Grabmal an deren Stelle bauen zu können, das heißt einen Würfel aus schwarzem Gips, der sechs Fuß Höhe hatte und aussah wie eine Hundehütte. Vier Koniferen standen an den Ecken dieses Grabmals, das von einer Urne überragt und mit einer Inschrift geschmückt werden sollte.

In einem andern Teile des Gemüsegartens überspannte eine Art Rialto einen Teich, dessen Ufer mit Miesmuscheln ausgelegt waren. Die Erde schluckte das Wasser; gleichviel! Es würde sich eine Tonschicht bilden, die es aufhalten würde.

Der Schuppen war mit Hilfe von farbigem Glas in eine ländliche Hütte umgewandelt.

Auf dem Gipfel des Schneckenberges trugen sechs vierkantig behauene Bäume einen Hut aus Eisenblech mit umgebogener Krampe, und das Ganze stellte eine chinesische Pagode vor.

Sie hatten an den Ufern der Orne Granitstücke ausgewählt, sie zerschlagen, numeriert und selbst auf einem Karren herbeigeschleppt. Dann hatten sie die einzelnen Stücke mit Zement verbunden, während sie sie aufeinander häuften; und mitten auf dem Rasen erhob sich ein Fels, ähnlich einer riesigen Kartoffel.

Es fehlte noch etwas, um den harmonischen Eindruck zu vervollständigen. Sie schlugen die größte Linde des Laubenganges um – sie war übrigens zu Dreivierteln eingegangen – und legten sie ihrer ganzen Länge nach durch den Garten, so daß man glauben konnte, sie sei durch einen Sturzbach angeschwemmt oder vom Blitz zu Boden gestreckt.

Als sie damit fertig waren, rief Bouvard, der auf der Freitreppe stand, von weitem:

»Von hier sieht man besser!«

»Sieht man besser!« wiederholten die Lüfte.

Pécuchet antwortete:

»Ich komme!«

»Komme!«

»Sieh da, ein Echo!«

»Echo!«

Bis dahin hatte die Linde es verhindert, sich bemerkbar zu machen, und es wurde durch die Pagode begünstigt, die der Scheune gegenüberstand; ihr Giebel überragte den Laubengang.

Um das Echo zu erproben, belustigten sie sich damit, Scherzworte zu rufen; Bouvard brüllte anstößige Zoten.

Er war mehrere Male unter dem Vorwande, Geld zu erheben, in Falaise gewesen, und er kehrte immer mit kleinen Paketen zurück, die er in seine Kommode einschloß. Pécuchet reiste eines Tages nach Bretteville und kam sehr spät heim mit einem Handkorb, den er unter seinem Bette verbarg.

Am folgenden Tage hatte Bouvard beim Erwachen eine Überraschung. Die beiden vorderen Taxusbäume, die am gestrigen Abend noch kugelförmig gewesen waren, hatten die Gestalt von Pfauen, und ein Horn mit zwei Porzellanknöpfen bildete den Schnabel und die Augen. Pécuchet hatte sich bei Tagesanbruch erhoben, und zitternd, er möchte entdeckt werden, hatte er die beiden Bäume nach Angabe der von Dumouchel übersandten Werke beschnitten.

Seit sechs Monaten suchten die anderen Bäume hinter diesen beiden mehr oder weniger glücklich Pyramiden, Würfel, Zylinder, Hirsche oder Sessel nachzuahmen. Aber nichts kam den Pfauen gleich. Bouvard sprach in hohen Lobreden seine Anerkennung darüber aus.

Unter dem Vorwande, sein Scheit vergessen zu haben, zog er seinen Gefährten in das Labyrinth, denn er hatte Pécuchets Abwesenheit benutzt, um auch seinerseits etwas Außerordentliches zu leisten.

Die Tür nach den Feldern war mit einer Gipslage überzogen, auf der sich in schöner Ordnung fünfhundert Pfeifenköpfe aneinanderreihten. Sie stellten Emire, Neger, nackte Frauen, Pferdefüße und Totenköpfe vor.

»Begreifst du meine Ungeduld?«

»Ganz gewiß!«

Und in der Erregung umarmten sie sich.

Wie alle Künstler hatten sie das Bedürfnis nach Beifall, und Bouvard gedachte ein großes Diner zu geben.

»Gib acht! Du wirst dich ins Empfangen stürzen. Das ist ein Abgrund.«

Indessen wurde die Veranstaltung beschlossen.

Solange sie die Gegend bewohnten, hatten sie sich abseits gehalten. Alle nahmen, von dem Wunsche beseelt, sie kennen zu lernen, ihre Einladung an, ausgenommen der Graf von Faverges, den Geschäfte in die Hauptstadt riefen. Sie hielten sich dafür an Herrn Hurel, sein Faktotum.

Beljambe, der Wirt, ehemaliger Küchenchef in Lisieux, sollte gewisse Schüsseln zubereiten. Er stellte einen Kellner. Germaine hatte die Viehmagd zu Hilfe genommen. Marianne, die Magd der Frau Bordin, sollte auch kommen. Mit dem vierten Glockenschlage wurde das Gittertor weit geöffnet, und die beiden Besitzer erwarteten voll Ungeduld ihre Gäste.

Hurel blieb unter dem Buchengange stehen, um seinen Rock wieder anzuziehen. Dann näherte sich der Geistliche, der eine neue Soutane angelegt hatte, und einen Augenblick später kam Herr Foureau in einer Sammetweste. Der Doktor führte seine Frau am Arm, die mühsam vorwärtsschritt, während sie sich mit dem Sonnenschirm schützte. Eine Flut von roten Bändern wogte hinter ihnen, es war die Haube der Frau Bordin, die in einer schönen buntseidenen Robe steckte. Ihre goldene Uhrkette schlug gegen ihre Brust, und ihre Ringe blitzten an ihren beiden Händen, die von schwarzen Halbhandschuhen bedeckt waren. Endlich erschien der Notar, einen Panama auf dem Kopfe, ein Glas im Auge, denn der Beamte ertötete in ihm nicht den Mann von Welt.

Der Salon war so glatt, daß man kaum darin stehen konnte. Die acht Utrechter Sessel standen mit ihren Lehnen an der Wand entlang; ein runder Tisch in der Mitte trug das Likörservice, und über dem Kamin erblickte man das Bild des alten Bouvard. Das im darauf fallenden Licht sichtbar werdende Nachdunkeln des Bildes gab dem Munde einen verzogenen Ausdruck und den Augen einen schielenden Blick, und etwas Schimmel auf den Wangen verstärkte den Eindruck von Koteletten. Die Gäste stellten eine Ähnlichkeit zwischen dem alten Bouvard und seinem Sohne fest, und Frau Bordin fügte hinzu, er müsse ein sehr schöner Mann gewesen sein, wobei sie Bouvard ansah.

Nachdem man eine Stunde gewartet, kündigte Pécuchet an, man könne in den Saal hinübergehen.

Die Vorhänge aus weißem Kattun mit roter Kante waren wie die des Salons vollständig vor die Fenster gezogen, und die Sonne, die den Stoff durchdrang, warf ein blondes Licht über die Wandtäfelung, die als einzigen Schmuck ein Barometer aufwies.

Bouvard setzte die beiden Damen neben sich, Pécuchet den Bürgermeister zu seiner Linken, den Pfarrer zu seiner Rechten, und man machte sich an die Austern. Sie schmeckten moderig. Bouvard war untröstlich, erging sich in Entschuldigungen, und Pécuchet erhob sich, um in der Küche Beljambe eine Szene zu machen.

Die ganze Zeit während der ersten Gänge, die aus einer Scholle, ferner einer Pastete und gedämpften Tauben bestanden, stand die Mostbereitung im Mittelpunkt der Unterhaltung.

Dann kam man auf bekömmliche und unbekömmliche Gerichte. Selbstverständlich wurde der Arzt um Rat gefragt. Seine Beurteilung der Dinge war skeptisch wie die eines Mannes, der auf den Grund der Wissenschaft geblickt hat; er duldete indessen nicht den geringsten Widerspruch.

Zu dem Lendenbraten wurde Burgunder gereicht. Er war trübe. Bouvard, der für dieses ärgerliche Vorkommnis das Spülen der Flasche verantwortlich machte, ließ drei andere ohne größeren Erfolg versuchen und schenkte dann Saint-Julien ein, der augenscheinlich zu jung war, und alle Gäste verstummten. Hurel lächelte ununterbrochen; die schweren Schritte des Kellners dröhnten auf den Fliesen.

Frau Vaucorbeil, untersetzt und mit schlechtgelaunter Miene (sie befand sich übrigens gegen Ende ihrer Schwangerschaft), hatte vollständiges Schweigen gehütet. Bouvard, der nicht wußte, womit er sie unterhalten solle, erzählte ihr vom Theater in Caen.

»Meine Frau geht niemals ins Schauspiel,« sagte der Arzt.

Herr Marescot besuchte, wenn er sich in Paris aufhielt, einzig die italienische Oper.

»Ich,« sagte Bouvard, »ich leistete mir zuweilen einen Parterreplatz im Vaudeville-Theater, um Schwänke zu hören.«

Foureau fragte Frau Bordin, ob sie Schwänke liebe.

»Das kommt darauf an, von welcher Art sie sind,« sagte sie.

Der Bürgermeister neckte sie. Sie gab die Scherze zurück. Dann teilte sie ein Rezept für Gurken mit. Übrigens waren ihre Hausfrauentalente bekannt, und sie besaß ein kleines, wunderbar bewirtschaftetes Gut.

Foureau befragte Bouvard:

»Haben Sie die Absicht, Ihre Besitzung zu verkaufen?«

»Lieber Gott, bis zum Augenblick weiß ich wirklich nicht …«

»Wie! nicht einmal das Stück der Ecalles?« fuhr der Notar fort, »das würde etwas Passendes für Sie sein, Frau Bordin.«

Die Witwe erwiderte, sich zierend:

»Die Ansprüche des Herrn Bouvard möchten zu hoch sein.«

»Man könnte ihn vielleicht mürbe machen.«

»Ich werde es nicht versuchen!«

»Pah! wenn Sie ihm einen Kuß gäben?«

»Versuchen wir es nun gerade,« sagte Bouvard.

Und unter dem Beifall der Gesellschaft küßte er sie auf beide Wangen.

Fast zu gleicher Zeit entkorkte man den Sekt. Das Knallen der Pfropfen erhöhte die frohe Stimmung. Pécuchet gab ein Zeichen, die Vorhänge öffneten sich, und der Garten wurde sichtbar.

In der Dämmerung war der Eindruck schrecklich. Der Fels nahm wie ein Berg den Rasen ein, das Grabmal bildete zwischen dem Spinat einen Würfel, die venezianische Brücke über den Bohnen einen Zirkumflex, – und darüber hinaus die Hütte einen schwarzen Fleck, denn sie hatten das Strohdach angezündet, um sie poetischer zu machen. Die Taxusbäume in Form von Hirschen oder Sesseln folgten einander bis zu dem niedergeschmetterten Baum, der sich querhindurch von dem Laubengange bis zur Laube erstreckte, wo Tomaten wie Stalaktiten herabhingen. Hier und da entfaltete eine Sonnenblume ihre gelbe Scheibe. Die rotgestrichene chinesische Pagode auf dem Hügel glich einem Leuchtturm. Die von der Sonne getroffenen Pfauenschnäbel sprühten Lichter, und hinter dem Gitter, von dem man die Latten fortgenommen, schloß das ganz flache Gelände den Horizont.

Das Staunen der Gäste war für Bouvard und Pécuchet ein Hochgenuß.

Frau Bordin besonders bewunderte die Pfauen; doch das Grabmal fand kein Verständnis, ebensowenig die angezündete Hütte und die in Ruinen gelegte Mauer. Dann betrat einer nach dem andern die Brücke. Um den Teich zu füllen, hatten Bouvard und Pécuchet den ganzen Morgen hindurch Wasser angefahren. Es war zwischen den schlecht verbundenen Steinen des Grundes durchgesickert, und Schlamm bedeckte sie.

Während des Rundganges erlaubte man sich, zu kritisieren. »An Ihrer Stelle würde ich das so gemacht haben. – Die Erbsen sind zurück. – Offen gesagt, dieser Winkel ist nicht sauber. – Mit einer solchen Beschneidung werden sie niemals Früchte bekommen.«

Bouvard war genötigt zu antworten, daß ihm die Früchte gleichgültig seien.

Als man den Laubengang entlang ging, sagte er mit pfiffiger Miene:

»Ah! da ist jemand, den wir stören; bitte tausendmal um Entschuldigung!«

Der Scherz blieb unerwidert. Jeder kannte die Dame aus Gips.

Nach mehreren Umwegen im Labyrinth gelangte man schließlich vor die Tür mit den Pfeifen. Betroffene Blicke wurden gewechselt. Bouvard beobachtete die Gesichter seiner Gäste, – und voller Ungeduld, ihre Ansicht zu erfahren, fragte er:

»Was sagen Sie dazu?«

Frau Bordin platzte aus. Alle andern taten desgleichen, der Herr Pfarrer gab eine Art Glucksen von sich, Hurel hüstelte, der Arzt weinte, seine Frau litt an einem nervösen Krampf, – und Foureau, ein Mann ohne Rücksichten, brach einen Emir ab, den er als Andenken in die Tasche steckte.

Als man aus dem Laubengang herauskam, schrie Bouvard, um seine Gäste durch das Echo in Verwunderung zu setzen, aus Leibeskräften:

»Diener! meine Damen!«

Kein Laut! Das Echo war verschwunden. Das lag an den Ausbesserungen, die man an der Scheune vorgenommen hatte: der Giebel und die Bedachung waren abgerissen.

Der Kaffee wurde auf dem Schneckenberg gereicht, – und die Herren waren im Begriff, eine Partie Kugeln zu beginnen, als sie gegenüber, hinter dem Gitter, einen Mann sahen, der sie anblickte.

Er war mager und sonnverbrannt, trug eine zerfetzte rote Hose, eine blaue Joppe, kein Hemd; sein schwarzer Bart war kurz geschnitten; und mit heiserer Stimme stieß er einzeln die Worte hervor: »Geben Sie mir ein Glas Wein!«

Der Bürgermeister und der Abbé Jeufroy erkannten ihn sogleich wieder. Es war ein ehemaliger Schreiner aus Chavignolles.

»Nun, Gorju, macht, daß Ihr fortkommt!« sagte Herr Foureau. »Man bettelt nicht!«

»Ich betteln!« schrie der Mann erbost. »Ich habe sieben Jahre in Afrika gekämpft. Ich komme aus dem Spital. Keine Arbeit! Soll ich morden? Verflucht nochmal!«

Sein Zorn legte sich von selbst, und die beiden Fäuste in die Hüften gestemmt, betrachtete er die Bürger mit melancholischer und spöttischer Miene. Die Anstrengungen der Biwaks, Absinth und Fieber, ein ganzes Dasein von Elend und Völlerei offenbarte sich in seinen trüben Augen. Seine bleichen Lippen zitterten, wobei sein Zahnfleisch sich entblößte. Der weite purpurgefärbte Himmel umfing ihn mit einem blutigen Schimmer, und seine Halsstarrigkeit, dort bleiben zu wollen, verbreitete ein Gefühl von Entsetzen.

Um ein Ende zu machen, holte Bouvard den Rest einer Flasche herbei. Der Vagabund trank ihn gierig herunter und verschwand dann gestikulierend in den Haferfeldern.

Darauf tadelte man Bouvard. Durch solche Nachgiebigkeit begünstige man die Unordnung. Doch Bouvard, der durch den Mißerfolg seines Gartens gereizt war, begann das Volk zu verteidigen, – alle sprachen zu gleicher Zeit.

Foureau hob die Regierung in den Himmel, für Hurel gab es nur Grundbesitz in der Welt. Der Abbé Jeufroy beklagte sich, daß man die Religion nicht schütze. Pécuchet schimpfte über die Steuern. Frau Bordin rief in Zwischenräumen; »In erster Linie verabscheue ich die Republik,« und der Arzt erklärte sich für den Fortschritt. »Denn schließlich, meine Herren, haben wir Reformen nötig.« – »Möglich!« antwortete Foureau, »aber alle diese Ideen schaden den öffentlichen Angelegenheiten!« »Ich pfeife auf die öffentlichen Angelegenheiten!« schrie Pécuchet.

Vaucorbeil fuhr fort: »Dürfen wir wenigstens die Kapazitäten heranziehen?« Bouvard ging nicht so weit.

»Das ist Ihre Meinung?« erwiderte der Doktor, »dann weiß man, wer Sie sind! Guten Abend! Ich wünsche Ihnen eine Sündflut, damit Sie auf Ihrem Teich Kahn fahren können.«

»Ich gehe auch,« sagte einen Augenblick später Herr Foureau. Und auf seine Tasche weisend, in der sich der Emir befand: »Wenn ich einen neuen nötig habe, komme ich wieder!«

Bevor der Pfarrer ging, vertraute er Pécuchet schüchtern an, daß er dieses heidnische Grabmal inmitten der Gemüse nicht schicklich finde. Hurel grüßte bei seinem Aufbruch die Anwesenden sehr tief. Herr Marescot war gleich nach dem Nachtisch verschwunden.

Frau Bordin begann die Einzelheiten ihrer Gurkenbereitung von neuem, versprach ein zweites Rezept für Pflaumen in Branntwein und ging noch dreimal in der großen Allee auf und ab; als sie jedoch an der Linde vorbeikam, hakte sich der Saum ihres Gewandes fest, und sie hörten sie murmeln: »Lieber Gott! Was für eine Dummheit ist das mit diesem Baum!«

Bis Mitternacht ließen die beiden Gastgeber unter der Laube ihren Verdruß aus.

Gewiß waren zwei, drei Kleinigkeiten hier und da in dem Diner zu tadeln; indessen hatten sich ja die Gäste wie Vielfraße vollgepfropft, ein Beweis, daß es so schlecht nicht war. Was jedoch den Garten anlangte, so rührte soviel Herabsetzung von der schwärzesten Eifersucht her; und sich erhitzend, riefen sie:

»Ach! Das Wasser fehlt in dem Teich! Geduld! Man wird sogar einen Schwan und Fische darin sehen!«

»Die Pagode haben sie kaum beachtet!«

»Zu behaupten, die Ruinen seien nicht reinlich, ist die Ansicht eines Dummkopfes!«

»Und das Grabmal eine Unschicklichkeit! Warum eine Unschicklichkeit? Hat man nicht das Recht, auf seiner Besitzung so etwas zu erbauen? Ich werde mich sogar darin beisetzen lassen!«

»Still davon!« sagte Pécuchet.

Dann gingen sie die Gäste der Reihe nach durch.

»Der Arzt sieht wie ein rechter Poseur aus.«

»Hast du Marescots Grinsen vor dem Porträt bemerkt?«

»Was für ein ungehobelter Klotz dieser Herr Bürgermeister ist! Wenn man in einem Hause speist, zum Teufel, so schont man die Sehenswürdigkeiten.«

»Und Frau Bordin?« sagte Bouvard.

»Na, das ist eine Intrigantin! Laß mich in Ruhe mit der!«

Von der Gesellschaft angewidert, beschlossen sie, mit niemandem mehr zu verkehren und ausschließlich für sich allein zu Hause zu leben.

Und sie brachten ganze Tage im Keller damit zu, den Weinstein von den Flaschen zu entfernen, lackierten alle Möbel neu, bohnten die Zimmer; jeden Abend erörterten sie, wenn sie das Holz brennen sahen, die besten Heizsysteme.

Aus Sparsamkeit versuchten sie, Schinken zu räuchern und die Wäsche zu waschen; Germaine, die sie belästigten, zuckte die Achseln. Um die Einmachezeit geriet sie in Wut, und sie richteten sich im Backhaus ein.

Es hatte ehemals als Waschhaus gedient und besaß unter dem gespaltenen Holz einen großen eingemauerten Kessel, der sich ausgezeichnet für ihre Pläne eignete, denn der Ehrgeiz hatte sie gepackt, Konserven herzustellen.

Vierzehn Einmachegläser wurden mit Tomaten und Erbsen gefüllt; sie dichteten den Verschluß mit ungelöschtem Kalk und Käse, setzten auf die Ränder Leinwandstreifen und stellten die Gläser in kochendes Wasser.

Es verdampfte; sie gossen kaltes nach; der Temperaturunterschied ließ die Gläser platzen. Nur drei wurden gerettet.

Dann verschafften sie sich alte Sardinenbüchsen, taten Kalbskoteletten hinein und brachten sie in ein Sandbad. Sie kamen rund wie Ballons wieder heraus; die Abkühlung sollte sie flach machen. Um den Versuch fortzusetzen, verschlossen sie in andere Büchsen Eier, Endivien, Hummer, ein pikantes Fischgericht, eine Suppe! – und sie waren über sich selbst entzückt, wie Herr Appert, »die Jahreszeiten festgelegt zu haben«. Solche Entdeckungen gingen nach Pécuchet über die Taten der Eroberer hinaus.

Sie vervollkommneten die Mixed-pickles-Bereitung der Frau Bordin, indem sie den Essig mit Pfeffer würzten; und ihre Branntweinpflaumen waren bedeutend vorzuziehen! Durch Mazerieren erhielten sie Himbeer- und Absinth-Ratafia. In einer Bagnolser Tonne wollten sie aus Honig und Engelwurz Malagawein herstellen; und sie unternahmen ebenso die Bereitung des Champagners! Die Chablisflaschen, die vom Weinmost rissig geworden waren, platzten von selbst. Da zweifelten sie nicht mehr am Gelingen.

Ihre Kenntnisse erweiterten sich, und sie argwöhnten infolgedessen überall Fälschungen von Nahrungsmitteln.

Dem Bäcker gegenüber nörgelten sie über die Farbe des Brotes. Sie machten sich den Krämer zum Feinde, indem sie behaupteten, er fälsche seine Schokolade. Sie begaben sich nach Falaise, um Brustbeerenpaste zu verlangen – und vor den Augen des Apothekers unterwarfen sie seine Paste der Probe durch das Wasser. Sie nahm das Aussehen einer Speckschwarte an, was Gelatinegehalt anzeigte.

Nach diesem Triumph wuchs ihr Stolz. Sie erstanden die Gerätschaften eines verkrachten Branntweinbrenners, und bald kamen in das Haus Siebe, kleine Tonnen, Trichter, Schaumlöffel, Seihebeutel und Wagen, ohne eine Mulde mit Kugel und eine Retorte mit einem Helmkühler, welche einen Schmelzofen nebst Rauchfang erforderte, zu zählen.

Sie lernten, wie Zucker geläutert wird, und welche verschiedene Arten man durch Einkochen erzielen kann, den groß- und den kleingeperlten, den Schaumzucker, den aufgegangenen, den schleimigen und den Karamellzucker. Doch es verlangte sie, die Retorte zu gebrauchen; und sie machten sich an die Likörbereitung, wobei sie mit dem Anisschnaps anfingen. Die Flüssigkeit führte fast immer die festen Bestandteile mit, oder diese setzten sich auf dem Grunde fest; dann wieder hatten sie sich in betreff des Mengungsverhältnisses geirrt. Um sie glänzten die großen kupfernen Abdampfschalen, die Kolben streckten ihre spitzen Schnäbel aus, die Pfannen hingen an den Wänden. Oft sortierte der eine Kräuter auf dem Tisch, während der andere die Kanonenkugel in der aufgehängten Mulde bewegte; sie rührten mit den Löffeln um, sie kosteten die Mischungen.

Bouvard, dem immer der Schweiß herunterlief, trug nur Hemd und Hose, welch letztere er mit seinen kurzen Hosenträgern bis zur Magenhöhlung emporgezogen hatte; aber verwirrt wie ein Vogel, vergaß er die Scheidewand des Kolbens, oder er feuerte zu stark.

Pécuchet, unbeweglich in seiner langen Bluse, eine Art Kinderkittel mit Ärmeln, murmelte Berechnungen; und sie hielten sich für sehr ernsthafte Menschen, die sich mit nützlichen Dingen beschäftigten.

Schließlich träumten sie von einem feinen Likör, der alle anderen übertrumpfen sollte. Sie wollten Koriander zusetzen wie beim Kümmel, Kirsch wie beim Maraschino, Ysop wie beim Chartreuse, Bisam wie beim Vespetro, Magenwurz wie beim Krambambuli; und durch Sandelholz sollte er eine rote Farbe erhalten. Doch unter welchem Namen sollten sie ihn in den Handel bringen? Denn man brauchte einen leicht zu behaltenden, aber doch absonderlich klingenden Namen. Nachdem sie lange gesucht hatten, entschlossen sie sich, ihn »Bouvarine« zu nennen.

Gegen Ende des Herbstes zeigten sich Flecke in den drei Konservengläsern. Die Tomaten und die Erbsen waren verdorben. Sollte das vom Verschluß herrühren? Da quälte sie das Problem des Verschließens. Um neue Methoden zu erproben, fehlte es ihnen an Geld. Ihr Pachthof machte ihnen Kummer.

Mehrere Male hatten sich Pächter zur Übernahme angeboten, Bouvard hatte nichts davon wissen wollen. Aber sein erster Knecht bewirtschaftete den Hof nach seinen Anweisungen mit einem gefährlichen Sparsystem der Art, daß die Ernten geringer wurden, alles dem Untergange entgegenging, und sie sprachen von ihren Verlegenheiten, als Meister Gouy in ihr Laboratorium trat, von seiner Frau begleitet, die sich furchtsam zurückhielt.

Dank aller Bearbeitung, die man dem Boden hatte zuteil werden lassen, war das Land besser geworden, – und er kam, um den Pachthof wieder zu übernehmen. Er machte ihn herunter. Trotz aller ihrer Mühen seien die Erträgnisse vom Zufall abhängig; mit einem Wort, wenn er wünschte, ihn wieder zu übernehmen, so sei es aus Liebe zur Scholle und aus Sehnsucht nach so guten Herren. Man entließ ihn kühl. Er kam noch denselben Abend wieder.

Pécuchet hatte Bouvard lange darüber vorgepredigt; sie wollten nachgeben. Gouy verlangte eine Herabsetzung des Pachtzinses, und da die Gegenpartei heftig protestierte, begann er mehr zu brüllen als zu sprechen, indem er den lieben Gott zum Zeugen anrief, seine Mühsale aufzählte, seine Verdienste rühmte. Als man ihn aufforderte, seinen Preis zu sagen, senkte er, anstatt zu antworten, den Kopf. Da begann seine Frau, die, einen großen Korb auf den Knien, an der Tür saß, dieselben Beteuerungen, indem sie mit scharfer Stimme wie ein verwundetes Huhn kreischte.

Schließlich wurde der Vertrag zu der Bedingung von dreitausend Franken Jahreszins abgeschlossen; das war ein Drittel weniger als früher.

Noch in derselben Sitzung machte Meister Gouy den Vorschlag, das Inventar zu kaufen, und die Wechselreden begannen von neuem.

Die Schätzung der Gegenstände dauerte vierzehn Tage. Bouvard war von der Anstrengung halb tot. Er gab alles für eine so lächerliche Summe hin, daß Gouy zuerst die Augen aufriß, und »Abgemacht« ausrufend, in seine Hand einschlug.

Darauf luden die Besitzer dem Brauche gemäß zu einem kleinen Imbiß in ihrer Wohnung ein, und Pécuchet entkorkte, weniger aus Großmut, als in der Hoffnung, etwas Schmeichelhaftes zu hören, eine Flasche seines Malaga.

Doch der Bauer sagte, die Nase rümpfend:

»Das schmeckt wie Lakritzensaft.«

Und seine Frau verlangte, »um den Geschmack von der Zunge zu bekommen«, ein Glas Branntwein.

Eine wichtigere Angelegenheit nahm sie in Anspruch! Alle Bestandteile des »Bouvarine«-Likörs waren endlich zusammen.

Sie füllten damit den Kolben, fügten Alkohol hinzu, zündeten das Feuer an und warteten. Unterdessen nahm Pécuchet, dem der mißlungene Malaga keine Ruhe ließ, die Blechdosen aus dem Schrank, löste den Deckel der ersten, dann der zweiten, der dritten. Wütend warf er sie hin und rief Bouvard.

Bouvard schloß den Hahn des Kühlrohrs und stürzte sich auf die Konserven. Die Enttäuschung war vollständig. Die Kalbfleischscheiben ähnelten gekochten Sohlen. Der Hummer hatte sich in eine schmutzige Flüssigkeit verwandelt. Das Fischgericht war nicht mehr zu erkennen. Pilze waren auf der Suppe gewachsen, – und ein unerträglicher Geruch verpestete das Laboratorium.

Plötzlich zersprang die Retorte mit dem Knalle einer Granate in tausend Scherben, die bis zur Decke flogen, die Töpfe zerschlugen, die Schaumlöffel platt drückten, die Gläser zerschmetterten; die Kohle zerstreute sich, der Ofen war entzwei, – und am folgenden Tage fand Germaine im Hofe einen Spatel.

Die Kraft des Dampfes hatte das Instrument zersprengt, und das um so eher, als der Kolben am Knauf geschlossen war.

Pécuchet hatte sich sogleich hinter den Bottich geduckt, und Bouvard war auf einen Schemel gesunken. Zehn Minuten lang verharrten sie in dieser Stellung, nicht wagend, eine Bewegung zu machen, bleich vor Schrecken inmitten der Scherben. Als sie die Sprache wiedererlangt hatten, fragten sie sich, was der Grund zu so viel Unglück, besonders zu dem letzten, sei; und sie begriffen nichts davon, ausgenommen, daß sie beinahe umgekommen wären. Pécuchet schloß mit folgenden Worten:

»Vielleicht ist der Grund der, daß wir nichts von der Chemie verstehen!«


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