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Um sich Kenntnisse in der Chemie anzueignen, verschafften sie sich die Abhandlung von Regnault und erfuhren zunächst, »daß die einfachen Körper vielleicht zusammengesetzt sind.«
Man teilt sie in Metalloide und Metalle – ein Unterschied, der »nichts Absolutes« hat, sagt der Verfasser. Ebenso gilt für die Säuren und die Basen, »daß ein Körper sich nach Art der Säuren oder der Basen, ganz den Umständen zufolge, verhalten kann«.
Die Bemerkung schien ihnen seltsam. – Die multiplen Proportionen setzten Pécuchet in Verwirrung.
»Da ein Molekül von A, so nehme ich an, sich mit mehreren Teilen von B verbindet, so scheint mir, daß dieses Molekül sich in ebenso viele Teile teilen muß; doch wenn es sich teilt, hört es auf, Einheit, das ursprüngliche Molekül, zu sein. Kurz, das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht!« sagte Bouvard.
Und sie nahmen ihre Zuflucht zu einem weniger schwierigen Werke, dem von Girardin, wo sie die Gewißheit erlangten, daß zehn Liter Luft hundert Gramm wiegen, daß die Bleistifte kein Blei enthalten, und daß der Diamant nur aus Kohlenstoff besteht.
Was sie übermäßig in Verwunderung setzte, war, daß die Erde als Element nicht existiert.
Sie machten sich an die Handhabung des Lötrohrs, befaßten sich mit Gold, Silber, Wäschelauge, dem Verzinnen von Bratpfannen. Dann stürzten sie sich ohne alle Bedenken in die organische Chemie.
Wie wunderbar, bei den lebenden Wesen dieselben Stoffe wiederzufinden, aus denen die Minerale bestehen. Nichtsdestoweniger fühlten sie eine Art von Demütigung bei dem Gedanken, daß ihre Person Phosphor wie die Streichhölzer, Albumin wie das Weiße der Eier, Wasserstoffgas wie die Laternen enthielt.
Nach den Farben und den Fettkörpern kam die Gärung an die Reihe.
Sie brachte sie auf die Säuren, – und das Gesetz des Mengenverhältnisses bereitete ihnen noch einmal Verlegenheit. Sie versuchten, mit der Atomtheorie Licht hinein zu bringen; das verwirrte sie vollends.
Um das alles zu verstehen, hätte man nach Bouvards Ansicht Instrumente haben müssen.
Die Ausgabe war beträchtlich, und sie hatten schon zu viele gehabt.
Doch der Doktor Vaucorbeil konnte sie jedenfalls aufklären.
Sie fanden sich zur Zeit seiner Sprechstunden ein.
»Meine Herren! Ich bin ganz Ohr! Was fehlt Ihnen?«
Pécuchet erwiderte, sie seien nicht krank, und nachdem er den Zweck ihres Besuches auseinandergesetzt, sagte er:
»Wir wünschen in erster Linie die höhere Atomlehre kennenzulernen.«
Der Arzt wurde sehr rot, dann tadelte er sie, daß sie die Chemie erlernen wollten.
»Ich leugne nicht deren Bedeutung, seien Sie dessen versichert. Doch heutzutage bringt man sie mit allem und jedem in Verbindung. Auf die Medizin übt sie einen Einfluß aus, den man beklagen muß.«
Und das Gewicht seines Wortes wurde durch den Anblick der Dinge der Umgebung verstärkt.
Bleipflaster und Binden lagen auf dem Kamin umher. Der Kasten mit den chirurgischen Instrumenten stand mitten auf dem Schreibtisch, in einer Ecke des Zimmers lagen Sonden in einer Schale und an der Wand hing die Darstellung einer Muskelfigur.
Pécuchet machte dem Arzt ein Kompliment.
»Das muß ein interessantes Studium sein, die Anatomie.«
Herr Vaucorbeil erging sich über den Reiz, den das Sezieren einst für ihn gehabt hatte; und Bouvard fragte, welche Beziehungen zwischen dem Innern der Frau und dem des Mannes beständen.
Um ihre Neugierde zu befriedigen, entnahm der Arzt seinem Büchervorrat einen Band anatomischer Tafeln.
»Nehmen Sie sie mit! Sie werden sie zu Hause mit mehr Muße betrachten!«
Das Skelett setzte sie durch den hervorstehenden Unterkiefer, die Höhlen der Augen und die erschreckende Länge seiner Hände in Verwunderung. – Ein erklärendes Werk fehlte ihnen; sie begaben sich wieder zu Herrn Vaucorbeil, und dank dem Handbuch von Alexander Lauth lernten sie die Einteilung des Knochengerüstes kennen, wobei sie über das Rückgrat in Staunen gerieten, das, wie man sagt, sechzehnmal stärker ist, als wenn es der Schöpfer gerade gemacht hätte. – Warum gerade sechzehnmal?
Die Mittelhandmuskeln machten Bouvard untröstlich; und Pécuchet, der sich mit Eifer an den Schädel gemacht, verlor den Mut vor dem Keilbein, obschon es einem »türkischen oder türkesischen Sattel« ähnelt.
Was die Gelenke betraf, so wurden sie von zu viel Bändern verdeckt, – und sie machten sich an die Muskeln.
Aber die Ansatzstellen waren schwer aufzufinden, und als sie zu den Höhlungen an der Wirbelsäule gekommen waren, verzichteten sie vollständig darauf.
Da sagte Pécuchet:
»Wenn wir uns wieder an die Chemie machten, wäre es auch nur, um das Laboratorium zu benutzen.«
Bouvard erhob Einwendungen, und er glaubte sich zu erinnern, daß man für den Gebrauch in heißen Ländern künstliche Leichname herstelle.
Barberou, dem er schrieb, gab ihm Auskunft darüber. Für zehn Franken im Monat konnte man einen dieser Kerle des Herrn Auzoux haben, und in der folgenden Woche setzte der Bote von Falaise eine längliche Kiste vor ihrem Gittertor nieder.
Ganz erregt beförderten sie sie ins Waschhaus. Als die Nägel aus den Brettern gezogen waren, fiel das Stroh ab, Hüllen aus Seidenpapier glitten herab, die Gliederpuppe lag vor ihnen.
Sie war ziegelrot, ohne Haar, ohne Haut, mit unzähligen blauen, roten und weißen Linien, die ihr ein buntes Aussehen gaben. Das ähnelte keineswegs einem Leichnam, sondern einer Art von sehr häßlichem, sehr sauberem Spielzeug, das nach Lack roch.
Dann nahmen sie die Brust ab, und sie bemerkten die beiden Lungen, die zwei Schwämmen glichen; ferner das Herz, das wie ein großes Ei aussah, ein wenig zur Seite nach hinten; das Zwerchfell, die Nieren, die ganze Masse der Eingeweide.
»An die Arbeit!« sagte Pécuchet.
Der Tag und der Abend gingen damit hin.
Sie hatten Kittel angelegt, wie die Studenten der Medizin in den Seziersälen, und beim Scheine von drei Kerzen arbeiteten sie mit ihren Pappstücken, als ein Faustschlag die Tür erschütterte. »Machen Sie auf!«
Es war Herr Foureau in Begleitung des Feldhüters.
Germaines Herren hatten sich darin gefallen, ihr den künstlichen Mann zu zeigen. Sie war sogleich zum Krämer gelaufen, ihm die Sache zu erzählen, und das ganze Dorf glaubte jetzt, daß sie in ihrem Hause einen wirklichen Toten bargen. Foureau, der dem allgemeinen Gerede Glauben schenkte, kam, um sich von der Tatsache zu überzeugen; Neugierige standen im Hof.
Als er eintrat, lag die Gliederpuppe auf der Seite, und da die Gesichtsmuskeln abgenommen waren, quoll das Auge ungeheuerlich hervor, hatte etwas Furchtbares.
»Was führt sie zu uns?« sagte Pécuchet.
Foureau stotterte:
»Nichts, gar nichts.«
Und indem er einen der auf dem Tische liegenden Teile in die Hand nahm, fragte er: »Was ist das?«
»Der Trompetermuskel,« erwiderte Bouvard.
Foureau schwieg, aber er lächelte spöttisch, eifersüchtig darauf, daß sie eine Zerstreuung hatten, die über seinen Gesichtskreis hinausging.
Die beiden Anatomen gaben sich den Anschein, ihre Untersuchungen fortzusetzen. Die Leute, die sich auf der Schwelle langweilten, waren in das Waschhaus eingedrungen, und da man sich etwas drängte, erzitterte der Tisch.
»Ah! das ist zu stark!« schrie Pécuchet. »Schaffen Sie uns das Publikum vom Halse!«
Der Feldhüter sorgte für den Abzug der Neugierigen.
»So ist's recht!« sagte Bouvard, »wir bedürfen niemandes.«
Foureau verstand den Wink, und er fragte Bouvard, ob sie das Recht hätten, einen solchen Gegenstand in ihrem Hause zu haben, da sie keine Ärzte seien? Übrigens würde er dem Präfekten davon Mitteilung machen. – Welch ein Land! Man konnte nicht dümmer, barbarischer und rückständiger sein. Der Vergleich, den sie zwischen sich und den anderen anstellten, tröstete sie; ihr Ehrgeiz dürstete danach, für die Wissenschaft zu leiden.
Auch der Arzt besuchte sie. Er urteilte abfällig über die Gliederpuppe als etwas, das sich zu weit von der Natur entferne, doch benutzte er die Gelegenheit, zu dozieren.
Bouvard und Pécuchet waren entzückt, und Herr Vaucorbeil lieh ihnen auf ihren Wunsch mehrere Bände seiner Bibliothek, wobei er indessen versicherte, sie würden sie nicht zu Ende lesen.
Aus dem »Dictionnaire des Sciences médicales« merkten sie sich die besonderen Fälle von Niederkünften, Langlebigkeit, außerordentlicher Fettleibigkeit und Verstopfung. Wie schade, daß sie nicht den berühmten Kanadier von Beaumont, die Vielfraße Tarare und Bijou, die wassersüchtige Frau aus dem Eure-Departement, den Piemontesen, der alle zwanzig Tage aufs Klosett ging, Simon von Mirepoix, der verknöchert starb, und jenen ehemaligen Bürgermeister von Angoulême, dessen Nase drei Pfund wog, gekannt hatten!
Das Gehirn veranlaßte sie zu philosophischen Betrachtungen. Sie unterschieden sehr deutlich im Innern das Septum lucidum, das aus zwei Lamellen besteht, und die Zirbeldrüse, die einer roten Erbse ähnelt; doch es gab Protuberanzen und Kammern, Bögen, Pfeiler, Etagen, Nervenknoten und Adern aller Art, und das Pacchionische Foramen und das Pacinische Körperchen, kurz, eine unentwirrbare Ansammlung, genug, um sie ihr ganzes Leben zu beschäftigen.
Zuweilen nahmen sie in einer Anwandlung von Begeisterung den Leichnam vollständig auseinander und waren dann in Verlegenheit, die Teile wieder an den rechten Platz zu setzen.
Das war eine harte Arbeit, besonders nach dem Frühstück, und sie zögerten nicht einzuschlummern, Bouvard mit gesenktem Kinn und vorgestrecktem Bauch, Pécuchet den Kopf in den Händen, die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt.
Häufig schaute in diesem Augenblicke Herr Vaucorbeil, der seine ersten Besuche gemacht hatte, durch die Tür.
»Nun, Kollegen, wie steht's mit der Anatomie?«
»Vorzüglich,« erwiderten sie.
Dann stellte er ihnen Fragen, aus Vergnügen, sie in Verwirrung zu setzen.
Wenn sie das eine Organ leid waren, gingen sie zum nächsten über, und sie nahmen so der Reihe nach Herz, Magen, Ohr und Eingeweide vor und ließen sie wieder liegen, denn der Pappekerl langweilte sie, trotz ihres Bemühens, sich für ihn zu interessieren. Schließlich überraschte sie der Arzt, wie sie ihn wieder in die Kiste nagelten.
»Bravo! Das habe ich erwartet!«
In ihrem Alter könne man solche Studien nicht mehr unternehmen, – und das Lächeln, das diese Worte begleitete, verletzte sie tief.
Welches Recht hatte er, sie für unfähig zu halten? Gehörte etwa die Wissenschaft diesem Herrn, als wenn er selbst ein bedeutender Kopf wäre?
Sie nahmen also seine Herausforderung an und gingen bis nach Bayeux, um dort Bücher zu kaufen.
Was ihnen fehlte, war die Physiologie, und ein Buchhändler verschaffte ihnen die Abhandlungen von Richerand und Adelon, die zu jener Zeit berühmt waren.
Alle Gemeinplätze über Alter, Geschlecht und Temperament schienen ihnen von der höchsten Bedeutung; und sie waren glücklich, zu erfahren, daß es im Zahnstein drei Arten von Mikroben gibt, daß der Sitz des Geschmackes auf der Zunge ist und das Hungergefühl im Magen.
Sie bedauerten, daß sie nicht, um besser die Funktionen kennenzulernen, die Fähigkeit hatten, wiederzukäuen, wie sie Montègre, Herr Gosse und der Mönch von Bérard besessen hatten, und sie kauten langsam, zerkleinerten gründlich und vermischten mit Speichel, während sie in ihren Gedanken den Speisebrei in den Eingeweiden begleiteten, ihn sogar bis in seine letzten Zustände verfolgten, voll von methodischen Skrupeln, von einer fast religiösen Aufmerksamkeit.
Um künstlich die Verdauung hervorzubringen, stopften sie Fleisch in eine Phiole, in der sich der Magensaft einer Ente befand, und sie trugen sie vierzehn Tage lang unter ihrer Achselhöhle, ohne andern Erfolg als den, ihre Person zu infizieren.
Man sah sie in der Sonnenhitze mit ihren nassen Kleidern die Landstraße entlang laufen. Das geschah, um festzustellen, ob der Durst sich legt bei Anwendung von Wasser auf der Haut. Sie kehrten keuchend und beide mit einem Schnupfen zurück.
Gehör, Stimmbildung und Gesicht wurden hurtig erledigt; doch Bouvard verbreitete sich über die Frage der Zeugung.
Pécuchets Zurückhaltung in diesen Dingen hatte ihn immer überrascht. Die Ahnungslosigkeit seines Freundes schien ihm so vollständig, daß er ihn drängte, sich zu erklären, und Pécuchet machte schließlich errötend ein Geständnis.
Spaßvögel hatten ihn einst in ein übles Haus mitgeschleppt, von wo er fortgelaufen war, um sich für die Frau, die er später lieben würde, rein zu erhalten. Eine glückliche Gelegenheit hatte sich nie geboten, so daß er aus falscher Scham, Mangel an Geld, Furcht vor Krankheiten, Eigensinn, Gewohnheit, mit zweiundfünfzig Jahren trotz des Aufenthaltes in der Hauptstadt noch seine Jungfernschaft hatte.
Bouvard konnte es nur mit Mühe glauben, dann lachte er ungeheuer, hielt jedoch an, als er Tränen in Pécuchets Augen bemerkte; denn an Passionen hatte es diesem nicht gefehlt, da er sich der Reihe nach in eine Seiltänzerin, die Schwägerin eines Architekten, eine Büfettdame und zuletzt in eine kleine Wäscherin verliebt hatte; und die Ehe sollte schon geschlossen werden, als er entdeckte, daß sie von einem andern schwanger war.
Bouvard sagte zu ihm:
»Es ist immer möglich, das Versäumte wieder gut zu machen. Nun, gräme dich nicht. Ich übernehme …wenn du willst.«
Pécuchet erwiderte seufzend, man müsse den Gedanken daran aufgeben; und sie setzten ihre Physiologie fort.
Ist es wahr, daß die Oberfläche unseres Körpers beständig einen feinen Dunst absondert? Das wird durch die Tatsache bewiesen, daß das Gewicht des Menschen mit jeder Minute abnimmt. Wenn jeden Tag ein Ersatz des Fehlenden und eine Entziehung des Überschüssigen stattfindet, muß die Gesundheit in vollkommenem Gleichgewicht erhalten bleiben. Sanctorius, der Erfinder dieses Gesetzes, verwandte ein halbes Jahrhundert darauf, täglich seine Nahrung wie alle seine Ausscheidungen zu wiegen, und er wog sich selbst und unterbrach sich dabei nur, um seine Berechnungen aufzuschreiben.
Sie versuchten, Sanctorius nachzuahmen. Doch da ihre Wage nicht beide zugleich tragen konnte, so fing Pécuchet an.
Er zog seine Kleider aus, um die Schweißabsonderung nicht zu hindern, und hielt sich vollständig nackt auf dem Wagebrett, wobei er trotz seiner Schamhaftigkeit seinen sehr langen, zylinderförmigen Rumpf nebst seinen kurzen Beinen, platten Füßen und brauner Haut sehen ließ. Auf einem Stuhle daneben sitzend las ihm sein Freund vor.
Die Gelehrten behaupten, daß die animalische Wärme sich durch die Zusammenziehung der Muskeln entwickelt und daß es möglich ist, die Temperatur eines warmen Bades zu erhöhen, wenn man die Brust und die Körperteile am Becken bewegt.
Bouvard holte ihre Badewanne, und als alles bereit war, tauchte er, mit einem Thermometer versehen, hinein.
Die Trümmer der Branntweinbrennerei, die man in den hinteren Teil des Raumes gefegt hatte, bildeten undeutlich einen kleinen Berg im Schatten. Zuzeiten hörte man das Knabbern der Mäuse; ein alter Geruch von aromatischen Pflanzen durchdrang die Luft, – und da sie sich dort sehr wohl fühlten, plauderten sie mit Heiterkeit.
Indessen fühlte Bouvard eine leichte Kühle.
»Bewege deine Glieder!« sagte Pécuchet.
Er bewegte sie, ohne etwas am Thermometer zu ändern. »Das ist ganz gewiß kalt.«
»Ich habe es auch nicht gerade warm!« erwiderte Pécuchet, der selbst vor Frost zitterte. »Bewege doch die Beckengegend, bewege sie!«
Bouvard öffnete seine Schenkel, krümmte die Flanken, wiegte seinen Bauch, prustete wie ein Pottfisch, – dann sah er auf das Thermometer, das immer sank. »Das geht über meinen Verstand! Ich bewege mich doch!«
»Nicht genug!«
Und er fing seine Übungen von neuem an.
Sie hatten drei Stunden gedauert, als er noch einmal das Thermometer in die Hand nahm.
»Wie, zwölf Grad! Ah! gute Nacht! Ich gehe heraus!«
Ein Hund kam herein, halb Dogge, halb Hühnerhund, mit braunem Fell, von Grind bedeckt; die Zunge hing ihm aus dem Maul.
Was tun? Eine Schelle war nicht zur Hand! Und ihre Magd war taub. Sie klapperten vor Frost, doch wagten sie nicht, sich zu rühren, aus Furcht, gebissen zu werden.
Pécuchet hielt es für angebracht, Drohungen auszustoßen, wobei er die Augen rollte.
Da bellte der Hund; – und er sprang um die Wage, auf der Pécuchet, an die Stricke geklammert und die Knie beugend, sich so hoch wie möglich zu heben suchte.
»Das fängst du nicht richtig an!« sagte Bouvard, und er begann den Hund anzulächeln und freundliche Worte zu ihm zu sprechen.
Der Hund verstand sie ohne Zweifel. Er wollte Bouvard liebkosen, legte seine Pfoten fest auf dessen Schultern und ritzte sie mit seinen Krallen.
»Da, sieh nur, jetzt hat er meine Hose fortgenommen!«
Er legte sich darauf und blieb ruhig.
Endlich wagten sie unter den größten Vorsichtsmaßregeln, der eine von der Wage herabzusteigen, der andere das Bad zu verlassen; – und als Pécuchet wieder angekleidet war, entschlüpfte ihm der Ausruf:
»Du, mein guter Kerl, du wirst uns für unsere Versuche dienen.«
Für was für Versuche?
Man konnte ihm Phosphor einspritzen, ihn dann in den Keller sperren, um zu sehen, ob er Feuer aus den Nasenlöchern speien würde. Doch wie die Einspritzung machen? Und zudem würde man ihnen keinen Phosphor verkaufen.
Sie dachten daran, ihn unter eine pneumatische Glocke zu setzen, ihn Gase einatmen zu lassen, ihm als Getränk Gifte zu geben. Das alles würde vielleicht nicht lustig sein. Endlich wählten sie die Magnetisierung des Stahls durch die Berührung mit dem Rückenmark.
Bouvard, der seine Erregung niederkämpfte, hielt Pécuchet einen Teller mit Nadeln hin, die dieser am Rückgrat entlang einsteckte. Sie zerbrachen, entglitten der Hand, fielen zur Erde; er nahm andere und pflanzte sie aufs Geratewohl eilig hinein. Der Hund zerriß seine Fesseln, sauste wie eine Kanonenkugel durch die Scheiben, rannte durch den Hof, den Hausflur und erschien in der Küche.
Germaine fing an zu schreien, als sie ihn ganz blutüberströmt mit Bindfäden an den Pfoten erblickte.
Ihre Herren, die hinter ihm herrannten, kamen im selben Augenblick herein. Er machte einen Satz und war verschwunden.
Die alte Magd hielt ihnen eine Standrede.
»Das ist wieder eine von Ihren Verrücktheiten, das ist sicher! – Und meine Küche, die ist sauber! – Das wird ihn vielleicht toll machen! Man sperrt Leute ins Gefängnis, die Ihnen noch nicht gleichkommen!«
Und sie eilten ins Laboratorium, um die Nadeln zu versuchen.
Nicht eine einzige zog den kleinsten Feilspan an.
Dann beunruhigte sie Germaines Vermutung. Der Hund konnte die Tollwut bekommen, unversehens zurückkehren, sich auf sie stürzen.
Am folgenden Tage wandten sie sich nach allen Seiten, um Erkundigungen einzuziehen, – und mehrere Jahre lang machten sie draußen einen Umweg, sobald ein Hund erschien, der jenem ähnelte.
Die übrigen Versuche mißglückten. Entgegen der Angabe der Verfasser starben die Tauben, denen sie ihr Blut abzapften, in demselben Zeitraum, gleichviel, ob ihr Magen voll oder leer war. Kleine Katzen verendeten, unter Wasser gehalten, nach Verlauf von fünf Minuten; und eine Gans, die sie mit Türkischrot gestopft hatten, zeigte eine vollkommen weiße Knochenhaut.
Die Ernährung beunruhigte sie.
Wie kommt es, daß derselbe Saft Knochen, Blut, Lymphe und die Ausscheidungsstoffe hervorbringt? Doch man kann die Verwandlungen eines Nahrungsmittels nicht verfolgen. Ein Mensch, der nur ein einziges verbraucht, ist in chemischer Hinsicht demjenigen gleich, der mehrere in sich aufnimmt. Vauquelin, der den ganzen Kalk berechnet hatte, der im Haferfutter eines Huhnes enthalten ist, fand mehr davon in den Schalen seiner Eier. Also findet eine Neuschaffung der Substanzen statt. Auf welche Weise? Darüber weiß man nichts.
Man weiß nicht einmal, wie groß die Kraft des Herzens ist. Borelli nimmt an, sie müsse groß genug sein, um ein Gewicht von hundertachtzigtausend Pfund zu heben, und Kiell schätzt sie auf ungefähr acht Unzen, woraus sie schlossen, daß die Physiologie (einem alten Wort zufolge) der Roman der Medizin ist. Da sie unfähig waren, sie zu verstehen, so glaubten sie nicht daran.
Ein Monat ging in Untätigkeit hin. Dann dachten sie an ihren Garten.
Der abgestorbene Baum, der mitten darin lag, war hinderlich; sie hieben ihn in Stücke. Die Arbeit ermüdete sie. Bouvard war sehr oft genötigt, sich seine Werkzeuge beim Schmied aufarbeiten zu lassen.
Als er sich eines Tages dorthin begab, vertrat ihm ein Mann mit einem Leinwandsack auf dem Rücken den Weg. Er bot ihm Almanache, fromme Bücher, geweihte Münzen, schließlich das »Handbuch der Gesundheit« von François Raspail an.
Die kleine Schrift gefiel ihm so, daß er an Barberou schrieb, er möge ihm das große Werk schicken. Barberou sandte es und gab in seinem Briefe eine Apotheke für die Arzneimittel an.
Die Klarheit der Lehre bestach sie. Alle krankhaften Zustände rühren von Würmern her. Sie verderben die Zähne, höhlen die Lungen, verursachen Schwellungen der Leber, verheeren die Eingeweide und verursachen Geräusche darin. Das beste Mittel gegen die Würmer ist der Kampher. Bouvard und Pécuchet nahmen ihn in Gebrauch. Sie schnupften ihn, knabberten ihn und verteilten Zigaretten, Fläschchen mit Beruhigungswasser und Aloepillen. Sie unternahmen sogar die Behandlung eines Buckligen.
Es war ein Knabe, den sie an einem Jahrmarktstage zufällig gefunden hatten. Seine Mutter, ein Bettelweib, brachte ihn jeden Morgen zu ihnen. Sie rieben seinen Buckel mit kamphorisiertem Fett, legten zwanzig Minuten lang einen Senfumschlag darauf, bedeckten ihn dann mit Bleipflaster und gaben ihm, um sicher zu sein, daß er wiederkäme, zu frühstücken.
Während Pécuchet sich eifrig mit den Eingeweidewürmern beschäftigte, bemerkte er auf Frau Bordins Wange einen sonderbaren Fleck. Der Doktor behandelte sie seit langer Zeit mit Aufgüssen von bitteren Kräutern; anfangs rund wie ein Frankenstück, hatte dieser Fleck sich vergrößert und bildete einen rosigen Kreis. Sie wollten sie davon befreien. Sie willigte ein, aber unter der Bedingung, daß Bouvard ihr die Einreibungen mache. Sie setzte sich ans Fenster, hakte den oberen Teil ihrer Taille auf und verharrte mit gebeugter Wange, während sie ihn mit einem Blick ansah, der ohne Pécuchets Gegenwart gefährlich gewesen wäre. Trotz der Furcht vor Quecksilber wandten sie in den erlaubten Dosen Kalomel an. Einen Monat später war Frau Bordin geheilt.
Sie warb ihnen Anhänger, – und der Steuereinnehmer, der Schreiber auf dem Bürgermeisteramt, sogar der Bürgermeister, alle Welt in Chavignolles lutschte Federkiele.
Indessen wurde der Bucklige nicht gerade. Der Steuereinnehmer gab die Zigarette auf, sie verstärkte seine Atemnot. Foureau beklagte sich über die Aloepillen, die ihm Hämorrhoiden verursachten, Bouvard hatte Magenschmerzen und Pécuchet fürchterliche Migränen. Sie verloren das Vertrauen zu Raspail, doch hüteten sie sich, etwas davon zu sagen, aus Furcht, ihr Ansehen zu verringern.
Und sie zeigten großen Eifer für die Schutzpockenimpfung, lernten an Kohlblättern zur Ader lassen und erstanden sogar einen Schnepper.
Sie begleiteten den Arzt zu den Armen und schlugen dann in ihren Büchern nach.
Die von den Verfassern vermerkten Symptome waren nicht die, welche sie soeben gesehen hatten. Die Krankheiten selber hatten lateinische, griechische, französische Namen, es war ein buntes Durcheinander aller Sprachen.
Man zählt sie nach Tausenden, und die Linnésche Klassifikation mit ihren Gattungen und Arten ist recht bequem; doch wie die Gattungen aufstellen? Da verirrten sie sich in die Philosophie der Medizin.
Sie sannen über die Urkraft Van Helmonts nach, über Vitalismus, Brownianismus, Organicismus; sie fragten den Doktor, woher der Skrofelkeim komme, wo sich die ansteckende Mikrobe festsetze, und sie wollten ein Mittel wissen, um in allen Krankheitsfällen Ursache und Wirkung unterscheiden zu können.
»Ursache und Wirkung vermengen sich,« sagte Vaucorbeil.
Sein Mangel an Logik widerte sie an, und sie besuchten die Kranken ganz allein, indem sie sich unter dem Vorwande der Nächstenliebe in die Häuser einführten.
Hinten in den Zimmern lagen auf schmutzigen Kissen Leute, deren Gesicht nach einer Seite hing; bei andern war es aufgedunsen und von scharlachfarbener Röte oder zitronengelb oder auch violett; dazu spitze Nasen, zitternder Mund, Röcheln, Schlucksen, Schweiß, Ausdünstungen wie von Leder und altem Käse.
Sie lasen die Rezepte der Ärzte und waren ganz überrascht, daß die Beruhigungsmittel zuweilen Erregungsmittel, die Brechmittel Abführmittel seien, daß dieselbe Arznei für verschiedene Krankheiten gut sei und daß eine Krankheit unter entgegengesetzten Behandlungen schwinde.
Nichtsdestoweniger gaben sie Ratschläge, hoben den Mut, hatten die Kühnheit, die Brust zu behorchen.
Ihre Einbildungskraft war in Fluß. Sie schrieben an den König, man möge im Calvados eine Schule für Krankenpfleger errichten, die sie anlernen würden.
Sie begaben sich zum Apotheker von Bayeux (der von Falaise war ihnen noch gram wegen seiner Brustbeerenpaste), und sie drangen in ihn, gleich den Alten pila purgatoria herzustellen, das heißt Kügelchen aus Arzneimitteln, die dadurch, daß man sie in der Hand drehte, vom Individuum absorbiert wurden.
Gemäß dem Satze, daß man die Entzündungen vertreibt, wenn man das Fieber herabdrückt, hingen sie eine an Hirnhautentzündung leidende Frau mit ihrem Sessel an den Balken der Decke auf, und sie schaukelten sie aus Leibeskräften, als der Ehemann dazukam und sie zur Tür hinauswarf.
Schließlich hatten sie zum großen Ärgernis des Herrn Pfarrers die neue Mode angenommen, Thermometer in die After einzuführen.
Der Typhus nahm in der Umgegend überhand; Bouvard erklärte, er werde sich nicht damit befassen. Doch die Frau ihres Pächters Gouy kam jammernd zu ihnen. Ihr Mann sei seit vierzehn Tagen krank, und Vaucorbeil vernachlässige ihn.
Pécuchet opferte sich.
Linsenartige Flecke auf der Brust, Schmerzen in den Gelenken, aufgetriebener Leib, rote Zunge, das waren alle Anzeichen von Dothien-Enteritis. Er erinnerte sich des Raspailschen Wortes, daß man durch Aufgeben der Diät das Fieber unterdrückt, und er verordnete Bouillon, ein wenig Fleisch! Plötzlich erschien der Arzt.
Sein Kranker war beim Essen, zwei Kissen hinter dem Rücken, zwischen der Pächterin und Pécuchet, die ihn nötigten.
Vaucorbeil näherte sich dem Bett und warf den Teller zum Fenster hinaus, indem er rief:
»Das ist ja der reine Mord!«
»Warum?«
»Sie durchlöchern den Darm, da der Typhus eine Affektion der Drüsenschleimhaut ist.«
»Nicht immer!«
Und es erhob sich ein Streit über das Wesen der Fieber. Pécuchet glaubte an deren selbständige Natur. Vaucorbeil ließ sie von den Organen abhängig sein: »Auch halte ich alles fern, was irgendwie reizen kann!«
»Doch die Diät schwächt das vitale Prinzip!«
»Was schwatzen Sie da von vitalem Prinzip? Wie verhält es sich damit? Wer hat es gesehen?«
Pécuchet verwickelte sich in seine Worte.
»Übrigens«, sagte der Arzt, »will Gouy keine Nahrung.«
Der Kranke in seiner wollenen Mütze machte eine zustimmende Bewegung.
»Gleichviel! Er braucht sie!«
»Keineswegs! Sein Puls zeigt achtundneunzig Schläge.«
»Was besagen die Pulsschläge?« Und Pécuchet nannte seine Autoritäten.
»Lassen wir die Systeme beiseite!« sagte der Doktor.
Pécuchet kreuzte die Arme.
»Dann sind Sie also Empiriker?«
»Keineswegs! Aber wenn man beobachtet …«
»Und wenn man falsch beobachtet?«
Vaucorbeil nahm dieses Wort für eine Anspielung auf die Flechte der Frau Bordin, eine Angelegenheit, welche die Witwe herumgeplaudert hatte. Die Erinnerung daran ärgerte ihn.
»In erster Linie muß man praktische Erfahrung haben.«
»Die, welche Umwälzungen in der Wissenschaft herbeigeführt haben, hatten keine! Van Helmont, Boerhaave, selbst Broussais.«
Ohne zu antworten, beugte sich Vaucorbeil über Gouy und sagte mit erhobener Stimme:
»Wen von uns beiden wählen Sie zu Ihrem Arzt?«
Der Kranke bemerkte durch seine Schlaftrunkenheit hindurch zornentstellte Gesichter und fing an zu weinen.
Seine Frau wußte ebenfalls nicht, was sie antworten sollte; denn der eine war geschickt, aber der andere besaß vielleicht ein Geheimnis.
»Schön!« sagte Vaucorbeil, »da Sie schwanken zwischen einem Manne, der ein Diplom besitzt …« – Pécuchet lächelte spöttisch. – »Warum lachen Sie?«
»Weil ein Diplom nicht immer etwas beweist!«
Der Doktor war in seinem Broterwerb, in seinen Vorrechten, in seiner sozialen Stellung bedroht. Sein Zorn brach hervor:
»Das werden wir sehen, wenn Sie wegen unerlaubter Ausübung der Medizin vor Gericht kommen werden!« Dann wandte er sich an die Frau des Pächters: »Lassen Sie ihn durch den Herrn töten, ganz wie es Ihnen gefällt, und ich will mich eher hängen lassen, als daß ich meinen Fuß noch einmal in Ihr Haus setze!«
Er stürzte unter dem Buchengange davon, während er mit seinem Stocke gestikulierte.
Als Pécuchet nach Hause kam, war Bouvard selbst in großer Aufregung.
Soeben war Foureau bei ihm gewesen, der wegen seiner Hämorrhoiden in allen Zuständen war. Vergebens hatte er ihm vorgestellt, daß sie vor allen Krankheiten schützen. Foureau, der keine Vernunft annehmen wollte, hatte ihm mit einer Schadenersatzklage gedroht. Bouvard verlor den Kopf darüber.
Pécuchet erzählte ihm seine eigene Angelegenheit, die er für ernster hielt, – und er war ein wenig durch Bouvards Teilnahmlosigkeit vor den Kopf gestoßen.
Am folgenden Tage hatte Gouy einen Schmerz im Unterleib. Das konnte von der Einführung von Nahrung herrühren. Vielleicht hatte sich Vaucorbeil doch nicht getäuscht? Ein Arzt muß sich letzten Endes darin auskennen! Und Gewissensbisse quälten Pécuchet. Er hatte Angst, sich an einem Menschenleben vergangen zu haben.
Aus Vorsicht gaben sie dem Buckligen den Laufpaß. Aber wegen des Frühstücks, das ihm nun entging, fing seine Mutter einen großen Lärm an. Es sei nicht der Mühe wert gewesen, sie jeden Tag von Barneval nach Chavignolles gelockt zu haben!
Foureau beruhigte sich, und Gouy kam wieder zu Kräften. Zurzeit war seine Wiederherstellung sicher: ein solcher Erfolg machte Pécuchet kühn.
»Wenn wir uns mit Hilfe eines jener künstlichen Körper an die Entbindungen machten …«
»Ich habe die künstlichen Körper satt!«
»Es sind Halbkörper aus Leder, die man für die Hebammenschülerinnen erfunden hat. Ich glaube, ich würde den Fötus umdrehen können!«
Aber Bouvard war der Medizin müde.
»Die Triebfedern des Lebens sind uns verborgen, die Krankheiten zu zahlreich, die Heilmittel von zweifelhafter Wirkung, – und man findet in den Büchern keine vernünftige Definition der Gesundheit, der Krankheit, der Diathese, nicht einmal des Eiters!«
Indessen hatte die ganze Lektüre ihr Hirn verwirrt.
Bouvard bildete sich gelegentlich einer Erkältung ein, daß eine Lungenentzündung bei ihm im Anzuge sei. Da Blutegel die Seitenstiche nicht gemildert hatten, nahm er seine Zuflucht zu einem Blasenpflaster, dessen Wirkung sich auf die Nieren schlug. Da glaubte er sich von Gallensteinen bedroht.
Pécuchet bekam beim Auslichten des Laubenganges den Fluß in die Glieder und gab darnach seine Mahlzeit wieder von sich, was ihn sehr erschreckte; als er dann bemerkte, daß seine Hautfarbe ein wenig gelb war, argwöhnte er eine Krankheit der Leber und fragte sich:
»Habe ich Schmerzen?«
Und kam dann schließlich dahin, welche zu haben.
Während sie sich gegenseitig trübsinnig machten, betrachteten sie ihre Zunge, fühlten sich den Puls, griffen zu einem andern Mineralwasser, nahmen Abführmittel, – und hatten Furcht vor Kälte, Hitze, Wind, Regen, Fliegen und besonders vor der Zugluft.
Pécuchet bildete sich ein, der Gebrauch der Prise könnte schlimme Folgen haben. Übrigens bewirkte das Niesen zuweilen ein Aderplatzen, – und er gab das Schnupfen auf. Gewohnheitsmäßig griff er mit den Fingern in die Tabakdose; dann erinnerte er sich plötzlich seines Leichtsinns.
Da schwarzer Kaffee die Nerven aufregt, wollte Bouvard auf seine kleine Tasse verzichten; aber er schlief nach den Mahlzeiten ein und wurde beim Erwachen von Schrecken ergriffen, denn der verlängerte Schlaf ist eine drohende Ankündigung des Schlagflusses.
Ihr Ideal war Cornaro, jener venezianische Edelmann, der kraft einer geregelten Lebensweise ein äußerst hohes Alter erreichte. Ohne ihn vollständig zum Vorbild zu nehmen, kann man dieselben Vorsichtsmaßregeln anwenden, und Pécuchet entnahm seiner Bibliothek ein Handbuch der Hygiene von Dr. Morin.
Wie hatten sie es nur angestellt, bis dahin zu leben? Die Gerichte, die sie liebten, waren in dem Buche untersagt. Germaine wußte in ihrer Verlegenheit nicht, was sie ihnen vorsetzen sollte.
Jedes Fleisch hat seine schlimmen Folgen. Rotwurst und kalter Aufschnitt, saurer Hering, Hummer und Wild sind »widerspenstig«. Je größer ein Fisch ist, desto mehr Gallerte besitzt er und desto unverdaulicher ist er. Die Gemüse verursachen saures Aufstoßen, die Makkaroni erzeugen Träume, die Käse sind, »im allgemeinen betrachtet, von schwieriger Verdauung«. Ein Glas Wasser am Morgen ist »gefährlich«. Jedem Getränk oder Nahrungsmittel folgte ein ähnlicher Hinweis oder eins der Worte: »schädlich!« – »man hüte sich vor dem Zuviel!« – »bekommt nicht jedermann!« – Warum schädlich? Wo ist das Zuviel? Wie wissen, ob diese Sache einem bekommt?
Welch ein Problem war nicht das Frühstück! Sie verzichteten auf den Milchkaffee wegen seines schrecklichen Rufes und dann auf die Schokolade; – denn sie ist »eine Anhäufung von unverdaulichen Stoffen«. Blieb also der Tee. Aber »nervöse Leute müssen sich ihn vollständig versagen«. Indessen verordnete im siebzehnten Jahrhundert Decker zwanzig Dekaliter täglich davon, um die Sümpfe der Bauchspeicheldrüse zu reinigen.
Dieser Aufschluß erschütterte ihre Achtung vor Morin, und das um so mehr, als er alle Kopfbedeckungen, Hüte, Mützen und Kappen verwirft, eine Forderung, die Pécuchet empörte.
Da erstanden sie die Abhandlung von Becquerel, woraus sie sahen, daß das Schwein an sich »ein gutes Nahrungsmittel«, der Tabak von vollständiger Unschädlichkeit und der Kaffee »Militärpersonen unerläßlich« ist.
Bis dahin hatten sie an die Ungesundheit feuchter Orte geglaubt. Weit gefehlt! Casper erklärt sie für weniger todbringend als andere. Man badet nicht im Meer, ohne seine Haut erfrischt zu haben. Bégin will, daß man sich in vollem Schweiß hineinwirft. Der unvermischte Wein nach der Suppe gilt für ausgezeichnet für den Magen. Levy wirft ihm vor, die Zähne zu verderben. Und endlich die Unterjacke, dieser Schirm, dieser Gesundheitsschutz, dieses teure Palladium Bouvards, das auch von Pécuchet unzertrennlich war, ohne Umschweife und ohne Furcht vor der allgemeinen Meinung widerraten es die Verfasser vollblütigen und sanguinischen Menschen.
Was ist dann die Hygiene?
»Wahrheit diesseits der Pyrenäen, Irrtum jenseits,« versichert Herr Levy, und Becquerel fügte hinzu, sie sei keine Wissenschaft.
Da bestellten sie für ihr Diner Austern, eine Ente, Schweinefleisch mit Kraut, Creme, einen Pont-l'Evêque und eine Flasche Burgunderwein. Das war eine Befreiung, fast eine Vergeltung – und sie machten sich über Cornaro lustig! Mußte man dumm sein, um sich wie er zu tyrannisieren! Wie niedrig, stets nur an die Verlängerung des Daseins zu denken! Das Leben ist nur gut, insoweit man es genießt!
»Noch ein Stück?«
»Ich bin nicht abgeneigt.«
»Ich auch nicht!«
»Auf deine Gesundheit!«
»Auf die deinige!«
»Und kümmern wir uns den Teufel um das übrige!«
Sie gerieten in Stimmung.
Bouvard verkündete, er werde drei Tassen Kaffee trinken, obgleich er keine Militärperson sei. Pécuchet schnupfte, die Mütze auf den Ohren, einmal nach dem andern und nieste ohne Furcht; und da ihnen der Geschmack nach Champagner stand, befahlen sie Germaine, sogleich ins Wirtshaus zu gehen, um ihnen eine Flasche zu holen. Das Dorf sei zu weit. Sie weigerte sich. Pécuchet war entrüstet:
»Ich fordere Sie auf, hören Sie! Ich fordere Sie auf, hinzulaufen!«
Sie gehorchte, jedoch brummend und entschlossen, bald ihre Herren zu verlassen, so unbegreiflich und wunderlich waren sie.
Dann gingen sie wie früher, den Kaffee auf dem Aussichtspunkt einzunehmen.
Die Ernte war soeben beendet – und die Heuhaufen hoben sich auf den Feldern in schwarzen Massen vor der Dunkelheit der bläulichen und milden Nacht. Die Höfe lagen in Schweigen. Man hörte nicht einmal die Grillen. Das ganze Gefilde schlummerte. Sie verdauten, die Brise einatmend, die ihre Wangen kühlte.
Der weite Himmel war mit Sternen besät; einige glänzten in Gruppen, andere kettenförmig hintereinander, oder sie standen auch einzeln in weiten Zwischenräumen. Eine Zone von leuchtendem Staub, die von Norden nach Süden ging, gabelte sich über ihren Köpfen. Zwischen diesen leuchtenden Stellen waren weite leere Räume, – und das Firmament schien ein Meer von Azur mit Archipeln und Inselchen.
»Welch eine Unmenge!« rief Bouvard aus.
»Wir sehen nicht alles!« fuhr Pécuchet fort. »Hinter der Milchstraße gibt es Nebelflecke; jenseits der Nebelflecke wieder Sterne. Der nächste ist von uns dreihundert Milliarden von Myriametern entfernt.«
Er hatte oft durch das Teleskop auf dem Vendômeplatze geblickt und erinnerte sich der Zahlen.
»Die Sonne ist eine Million mal größer als die Erde, Sirius hat die zwölffache Größe der Sonne, die Kometen haben eine Länge von vierunddreißig Millionen Meilen!«
»Das ist um verrückt zu werden!« sagte Bouvard.
Er beklagte seine Unwissenheit und bedauerte sogar, in seiner Jugend nicht auf der polytechnischen Schule gewesen zu sein.
Da drehte Pécuchet ihn gegen den Großen Bären und zeigte ihm den Polarstern, dann Kassiopeia, deren Konstellation ein Y bildet, Wega aus dem Sternbild der Leier, hell funkelnd, und, ganz unten am Horizont, den roten Aldebaran.
Bouvard verfolgte mit zurückgelegtem Kopf mühsam die Dreiecke, Vierecke und Fünfecke, die man sich denken muß, um sich am Himmel zurechtzufinden.
Pécuchet fuhr fort:
»Die Schnelligkeit des Lichtes beträgt achtzigtausend Meilen in der Sekunde. Ein Strahl der Milchstraße gebraucht sechshundert Jahre, um zu uns zu gelangen. So kann ein Stern zu der Zeit, wo man ihn beobachtet, verschwunden sein. Mehrere erscheinen nur zuzeiten, andere kehren nie wieder, – und sie ändern ihre Stellung; das alles bewegt sich, das alles zieht vorüber.«
»Doch die Sonne ist unbeweglich!«
»So glaubte man ehemals. Aber heute verkünden die Gelehrten, daß sie dem Sternbild des Herkules entgegeneilt!«
Das störte Bouvard in seinen Ideen; – und nach minutenlangem Nachdenken:
»Die Wissenschaft gründet sich auf die an einer Ecke des Weltraumes gegebenen Verhältnisse. Vielleicht stimmt sie nicht mit dem ganzen Rest überein, von dem man nichts weiß, der viel größer ist und den man nicht erforschen kann.«
So plauderten sie, auf dem Schneckenberg stehend, beim Scheine der Sterne, und ihre Reden waren von langem Schweigen unterbrochen.
Schließlich legten sie sich die Frage vor, ob es Menschen auf den Sternen gäbe. Warum nicht? Und da die Schöpfung überall im Einklang steht, so mußten die Bewohner des Sirius ungeheuer groß, die des Mars von mittlerem Wuchs, die der Venus sehr klein sein. Vorausgesetzt, daß es nicht überall dasselbe war. Es gibt dort oben Kaufleute, Gendarmen; man treibt dort Handel, schlägt sich und entthront Könige.
Einige Sternschnuppen glitten plötzlich herab, am Himmel die Bahn einer ungeheuren Rakete beschreibend.
»Sieh da,« sagte Bouvard »das sind Welten, die untergehen.«
Pécuchet fuhr fort:
»Wenn die unsrige einen solchen Luftsprung machte, würden die Bewohner der Sterne nicht mehr ergriffen sein, als wir es jetzt sind. Derartige Gedanken treiben einem den Hochmut aus.«
»Welches ist der Zweck von alldem?«
»Vielleicht gibt es keinen Zweck.«
»Indessen …«
Und Pécuchet wiederholte zwei- oder dreimal »indessen«, ohne weitere Worte zu finden.
»Gleichviel, ich möchte gerne wissen, wie das Weltall entstanden ist.«
»Das muß sich bei Buffon finden,« antwortete Bouvard, dessen Augen zufielen.
»Ich kann nicht mehr, ich lege mich ins Bett.«
Die »Epochen der Natur« belehrten sie, daß ein Komet dadurch, daß er gegen die Sonne stieß, einen Teil von ihr abgelöst hatte, der die Erde wurde. Zuerst hatten sich die Pole abgekühlt. Der Erdball war ganz von Wassern eingenommen; sie hatten sich in die Höhlungen verlaufen; dann lösten sich die Erdteile voneinander, die Tiere und der Mensch erschienen.
Die Größe der Schöpfung setzte sie in ein Staunen, das grenzenlos war wie das Weltall selbst.
Ihr Gesichtskreis erweiterte sich. Sie waren stolz darauf, über so bedeutende Gegenstände nachzudenken.
Die Steinarten fingen bald an, sie zu ermüden, und um sich zu zerstreuen, nahmen sie ihre Zuflucht zu den »Harmonien« Bernardin de Saint-Pierres.
Harmonien im Pflanzen- und Erdreich, im Reich der Lüfte, des Wassers, menschliche, brüderliche und sogar eheliche Harmonien, alles kam darin vor; es fehlten nicht die Anrufungen an die Venus, an die Söhne des Zephyrus und die Liebesgötter. Sie staunten darüber, daß die Fische Flossen, die Vögel Flügel, die Samenkörner eine Hülle hatten; ganz erfüllt wie sie von dieser Philosophie waren, die in der Natur tugendhafte Absichten erblickt und sie ab eine Art von heiligem Vinzenz von Paula betrachtet, dessen einzige Beschäftigung ist, Wohltaten auszuteilen!
Dann bestaunten sie die Naturwunder, die Windhosen, Vulkane, Urwälder, und sie kauften das Werk des Herrn Depping über »Die Sehenswürdigkeiten und Schönheiten der Natur in Frankreich«. Cantal besitzt ihrer drei, Hérault fünf, Burgund nicht mehr als zwei, während der Dauphiné für sich allein bis zu fünfzehn Sehenswürdigkeiten zählt. Doch bald werden sie verschwunden sein. Die Stalaktitengrotten schließen sich, die feuerspeienden Berge verlöschen, die natürlichen Gletscher erwärmen sich und die alten Bäume, in denen man die Messe las, fallen unter dem Handbeil der Vermesser oder sind am Absterben.
Dann wandte sich ihre Wißbegierde den Tieren zu.
Sie schlugen wieder ihren Buffon auf und gerieten über den seltsamen Geschmack gewisser Tiere in Entzücken.
Doch alle Bücher wiegen nicht eine persönliche Beobachtung auf; sie traten in die Höfe und fragten die Landarbeiter, ob sie gesehen hätten, daß Stiere sich zu Stuten gesellten, daß Schweine Kühe suchten, und daß die männlichen Rebhühner untereinander Schändlichkeiten begingen.
»Nie im Leben.«
Man fand diese Fragen für Herren ihres Alters sogar etwas schnurrig.
Sie wollten anormale Kreuzungen versuchen.
Die geringsten Schwierigkeiten macht die Kreuzung zwischen Ziegenbock und Schaf. Ihr Pächter besaß keinen Bock, eine Nachbarin stellte den ihrigen zur Verfügung, und nachdem die Zeit der Brunst gekommen war, schlossen sie die beiden Tiere in das Kelterhaus, während sie sich selbst hinter den Fässern verbargen, damit das Ereignis in Frieden vor sich gehen konnte.
Jedes der Tiere fraß zuerst seinen kleinen Heuvorrat, dann käuten sie wieder; das Schaf legte sich nieder und blökte ohne Aufhören, während der Bock, aufrecht auf seinen schiefen Beinen, mit seinem langen Barte und seinen herabhängenden Ohren seine Augäpfel auf sie einstellte, die im Dunkeln leuchteten.
Am dritten Abend endlich hielten sie es für angemessen, der Natur zu Hilfe zu kommen; aber der Bock wandte sich gegen Pécuchet und versetzte ihm einen Stoß mit den Hörnern gegen den Unterleib. Das Schaf, von Furcht erfaßt, begann im Kelterhaus wie in einer Reitbahn sich im Kreise zu drehen. Bouvard rannte hinter ihm her, warf sich darauf, um es festzuhalten, und fiel mit einigen Bündeln Wolle in den Händen auf die Erde.
Sie erneuerten ihre Versuche mit Hühnern und einem Enterich, mit einer Dogge und einer Sau, in der Hoffnung, daß ungeheuerliche Wesen aus solchen Kreuzungen hervorgehen würden, denn sie begriffen nichts von der Frage der Art.
Dieses Wort bezeichnet eine Gruppe von Wesen, deren Nachkommen sich fortpflanzen; jedoch vermögen Tiere, die als verschiedene Arten klassifiziert sind, sich fortzupflanzen, während andere, die zu derselben Art gehören, diese Fähigkeit verloren haben.
Sie schmeichelten sich, Klarheit darüber zu erlangen, wenn sie die Entwicklung der Keime studierten, und Pécuchet schrieb an Dumouchel wegen eines Mikroskops.
Abwechselnd legten sie auf die Glasplatte Haare, Tabak, Nägel, einen Fliegenfuß; aber sie hatten den unerläßlichen Tropfen Wasser vergessen; dann wieder lag es an der kleinen Lamelle, und sie stießen sich, verrückten das Instrument; als sie schließlich nichts als Nebel wahrnahmen, wurde dem Optiker die Schuld gegeben. Es kamen ihnen zuletzt Zweifel am Mikroskop. Die Entdeckungen, die man ihm zuschreibt, sind wohl nicht so positiver Art.
Als Dumouchel ihnen die Rechnung übersandte, bat er sie, für ihn Ammonshörner und Seeigel zu sammeln; er sei ein Liebhaber solcher Merkwürdigkeiten, und diese kämen in ihrer Gegend häufig vor. Um ihr Interesse an der Geologie zu erregen, sandte er ihnen die »Briefe« Bertrands mit den »Reden Cuviers« über die Umwälzungen des Erdballs.
Als sie beide Bücher gelesen hatten, bildeten sich folgende Dinge in ihrer Einbildungskraft:
Zuerst eine ungeheure Wasserfläche, aus der die mit Flechten bedeckten Vorgebirge hervortauchten, und nicht ein Lebewesen, nicht ein Laut. Es war eine Welt des Schweigens, der Regungslosigkeit und Nacktheit; dann schaukelten sich lange Pflanzen in einem Nebel, der dem Dampf eines heißen Bades glich. Eine feuerrote Sonne überhitzte die feuchte Atmosphäre. Dann erfolgten Ausbrüche von Vulkanen, feurige Felsstücke stoben von den Bergen, und die Porphyr- und Basaltlava, die herabfloß, erstarrte. Drittes Bild: in Meeren von geringer Tiefe sind Koralleninseln über den Spiegel gewachsen; hier und da überragt sie eine Gruppe von Palmen. Da sind Muscheln, so groß wie Wagenräder, Schildkröten von drei Meter Umfang, Eidechsen von sechzig Fuß Länge; zwischen dem Schilf recken Amphibien ihren Straußenhals mit Krokodilsrachen; geflügelte Schlangen fliegen davon. Zuletzt erschienen auf den zusammenhängenden Landmassen die großen Säugetiere mit Gliedern, mißgestaltet wie schlecht behauene Holzstücke, mit einer Haut, dicker als Bronzeplatten, oder auch mit zottigem Fell, dicken Lippen, Mähnen und gekrümmten Hauern. Mammutherden weideten auf den Ebenen, die später das Atlantische Meer bedeckte; das Urwelttier, halb Pferd, halb Tapir, durchwühlte mit seiner Schweineschnauze die Ameisenhaufen von Montmartre, und der Cervus giganteus erzitterte unter den Kastanienbäumen beim Klange der Stimme des Höhlenbären, der den Hund von Beaugency, der dreimal so groß als ein Wolf war, in seiner Höhle bellen machte.
Alle diese Epochen waren voneinander durch Erdumwälzungen getrennt, deren letzte unsere Sündflut ist. Es war wie ein Feenstück in mehreren Akten, dessen Apotheose der Mensch war.
Sie waren starr, als sie hörten, daß es auf Steinen Abdrücke von Libellen, von Vogelfüßen gibt; und nachdem sie eines der Handbücher Rorets durchgeblättert hatten, suchten sie fossile Überreste.
Als sie eines Nachmittags auf der Landstraße Kiesel umwendeten, kam der Herr Pfarrer vorbei und redete sie mit süßlicher Stimme an:
»Die Herren befassen sich mit Geologie? Ausgezeichnet!«
Denn er schätzte die Wissenschaft. Sie bestärke das Gewicht der Schrift dadurch, daß sie die Sündflut beweise.
Bouvard sprach von Koprolithen, was versteinerte Tierexkremente seien.
Der Abbé Jeufroy schien von der Tatsache überrascht; wenn sie bestand, so war das schließlich nur ein Grund mehr, die Vorsehung zu bewundern.
Pécuchet gestand, daß ihre Nachforschungen bisher nicht von Erfolg gewesen seien; und doch mußten in der Umgegend von Falaise wie in allen jurakalkhaltigen Erdlagen tierische Überreste in Menge vorhanden sein.
»Ich habe sagen hören,« erwiderte der Abbé Jeufroy, »daß man früher in Villers den Kinnbacken eines Elefanten gefunden hat.« Übrigens würde ihnen einer seiner Freunde, Herr Larsoneur, Rechtsanwalt, Mitglied der Advokatur von Lisieux und Archäologe, Auskunft geben können! Er habe eine Geschichte von Port-en-Bessin geschrieben, in der die Entdeckung eines Krokodils verzeichnet war.
Bouvard und Pécuchet wechselten einen Blick; die gleiche Hoffnung war ihnen gekommen; und trotz der Hitze blieben sie lange stehen und fragten den Geistlichen aus, der sich mit einem Schirm aus blauer Baumwolle schützte. Die untere Partie seines Gesichtes war etwas plump, dazu hatte er eine spitze Nase; er lächelte beständig oder neigte den Kopf, während er die Augen schloß.
Von der Kirche her erscholl das Angelusläuten.
»Recht guten Abend, meine Herren! Sie gestatten, nicht wahr?«
Durch ihn empfohlen, warteten sie drei Wochen hindurch auf die Antwort Larsoneurs. Endlich kam sie.
Der Mann aus Villers, welcher den Mastodonzahn ausgegraben hatte, hieß Louis Bloche; nähere Einzelheiten fehlten. Was seine Geschichte anlange, so fülle sie einen der Bände der Akademie von Lisieux, und er verleihe sein Exemplar auf keinen Fall, aus Furcht, die Sammlung ihrer Vollständigkeit zu berauben. Was den Alligator anginge, so hätte man ihn im Monat November des Jahres 1825 unter den Klippen von les Hachettes zu Sainte-Honorine in der Nähe von Port-en-Bessin im Kreise Bayeux entdeckt. Es folgten die üblichen Höflichkeitsbezeugungen.
Das Dunkel, das über dem Mastodon lag, reizte Pécuchet. Er hätte sich gerne sogleich nach Villers aufgemacht.
Bouvard wandte dagegen ein, um sich eine vielleicht nutzlose und sicherlich kostspielige Reise zu ersparen, sei es zweckdienlich, Erkundigungen einzuziehen – und sie schrieben dem Bürgermeister des Ortes einen Brief, in dem sie anfragten, was aus einem gewissen Louis Bloche geworden sei. Konnten, den Fall seines Todes angenommen, seine Nachkommen oder Seitenverwandten sie über seine kostbare Entdeckung unterrichten? Als er sie machte, an welcher Stelle der Gemeinde ruhte da dieses Zeugnis der Urzeiten? Hatte man Aussicht, ähnliche Funde zu machen? Was verlangte ein Mann mit Wagen für den Tag?
Sie mochten sich noch so viel an den Beigeordneten, dann an den ersten Stadtrat wenden, sie erhielten keine Antwort aus Villers. Gewiß waren die Einwohner eifersüchtig in betreff ihrer Fossilien. Wofern sie sie nicht an die Engländer verkauften. Die Reise nach les Hachettes wurde beschlossen.
Bouvard und Pécuchet nahmen die Post von Falaise nach Caen. Dann brachte sie eine Halbkutsche von Caen nach Bayeux; von Bayeux gingen sie zu Fuß nach Port-en-Bessin.
Man hatte sie nicht getäuscht. Die Küste von les Hachettes zeigte eigentümliche Geschiebe, und mit Hilfe der Anweisungen des Wirtes erreichten sie den Strand.
Da Ebbe war, so lag das ganze Geröll nebst einer Ebene von Tang bis zu den Fluten offen vor ihnen.
Grasbewachsene Hügelbildungen schnitten die Klippen ab, die aus weicher brauner Erde bestanden und die, in ihren tieferen Lagen sich verhärtend, zu einem Mauerwerk von grauem Gestein wurden. Kleine Rinnsale kamen beständig von ihnen herab, während in der Ferne das Meer rollte. Zuweilen schien sein Wellenschlag auszusetzen; und man hörte nur noch das leise Geräusch der Quellen.
Sie schwankten auf klebrigem Gras, oder sie mußten über Löcher springen. Bouvard setzte sich an das Ufer und betrachtete die Wogen, ohne Gedanken, gefesselt, wie leblos. Pécuchet führte ihn zu dem Küstenhang zurück, um ihm ein in den Felsen eingewachsenes Ammonshorn zu zeigen, das darin saß, wie ein Diamant in seinem Muttergestein. Ihre Nägel zersplitterten daran, man hätte Werkzeuge haben müssen; zudem kam die Nacht. Der Himmel war im Westen purpurfarbig und der ganze Strand in Dunkel gehüllt. Inmitten des schwarzen Seegrases dehnten sich Wasserpfützen. Das Meer stieg; es war Zeit zurückzukehren.
Am folgenden Morgen machten sie sich, sobald es Tag war, mit einer Hacke und einem spitzen Eisen an ihr Fossil, dessen Hülle absprang. Es war ein »Ammonites nodosus«, der an den Enden schadhaft war, aber gut sechzehn Pfund wog; und Pécuchet rief in seiner Begeisterung aus: »Wir müssen ihn unbedingt Dumouchel schenken!«
Dann trafen sie auf Tiere vom Badeschwamm, Lochmuscheln, Butzkopf, aber auf kein Krokodil! In seiner Ermangelung hofften sie das Rückgrat eines Hippopotamus oder Ichthyosaurus, gleichviel welchen Knochen, aus der Zeit der Sündflut zu finden, als sie in Mannshöhe an der Klippe Umrisse wahrnahmen, die die Gestalt eines riesenhaften Fisches darstellten.
Sie berieten, auf welche Weise sie ihn bekommen könnten.
Bouvard sollte ihn oben frei machen, während Pécuchet von unten das Gestein lockern sollte, um ihn sanft ohne Beschädigung herabzulassen.
Als sie Atem schöpften, sahen sie über sich auf dem Felde einen Zollbeamten im Mantel, der gebieterisch gestikulierte.
»Ach was! Laß uns in Frieden, zum Teufel!« Und sie setzten ihre Arbeit fort; Bouvard auf den Zehenspitzen mit der Hacke klopfend; Pécuchet in gebückter Stellung mit seinem Eisen höhlend.
Doch der Zollbeamte erschien weiter unten, in einem Tale, indem er die Zeichen verstärkte: darum würden sie sich gerade kümmern! Ein ovaler Körper ragte aus der verringerten Erde hervor, neigte sich, war im Begriff herabzugleiten.
Ein zweiter Mensch, dieser mit einem Säbel, zeigte sich plötzlich.
»Ihre Pässe?«
Es war der auf der Runde begriffene Feldhüter, und im selben Augenblicke tauchte der Zollbeamte auf, der durch eine Schlucht herbeigeeilt war.
»Nehmen Sie sie fest, Vater Morin! Oder die Klippe wird einstürzen!«
»Es handelt sich um einen wissenschaftlichen Zweck,« antwortete Pécuchet.
Da stürzte eine Masse herab und streifte sie alle vier so nahe, daß nicht viel fehlte, und sie wären tot gewesen.
Als der Staub verflogen war, erkannten sie den Mast eines Schiffes, der unter dem Stiefel des Zollbeamten zerbröckelte.
Bouvard sagte seufzend:
»Wir haben keinen großen Schaden angerichtet!«
»Man darf nichts anrichten innerhalb der Grenzen des Geniebezirks!« erwiderte der Feldhüter.
»Zunächst, wer sind Sie, damit ich Sie zu Protokoll nehmen kann?«
Pécuchet widersetzte sich, über die Ungerechtigkeit Lärm machend.
»Keine Ausflüchte! Folgen Sie mir!«
Sobald sie am Hafen angekommen waren, folgte ihnen eine Schar von Gassenjungen. Bouvard, rot wie eine Mohnblüte, zwang sich zu einer würdigen Haltung; Pécuchet, der sehr blaß war, sandte wütende Blicke; und diese beiden Fremden, die Steine in ihren Taschentüchern trugen, sahen nicht vertrauenerweckend aus. Man brachte sie einstweilen im Wirtshaus unter, dessen Besitzer, auf der Schwelle stehend, den Eintritt versperrte. Dann verlangte der Maurer seine Werkzeuge zurück. Sie bezahlten sie; wieder Auslagen! Und der Feldhüter kehrte nicht zurück! Warum? Schließlich befreite sie ein Herr, der das Kreuz der Ehrenlegion trug; und, nachdem sie ihre Namen, Vornamen und Wohnort angegeben hatten, zogen sie ab, mit dem Versprechen, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
Außer einem Paß fehlten ihnen noch gar manche Dinge, und bevor sie neue Forschungsreisen unternahmen, holten sie sich im »Führer des geologischen Reisenden« von Bone Rat. In erster Linie muß man einen guten Soldatenranzen haben, sodann eine Meßkette, eine Feile, Zangen, eine Bussole und drei Hämmer, die man in den Gürtel steckt, der durch den Rock verdeckt wird und »einen auf diese Weise vor dem originellen Aussehen bewahrt, das man auf der Reise vermeiden muß«. Als Stock nahm Pécuchet ganz einfach einen sechs Fuß langen Touristenstock mit langer Eisenspitze. Bouvard gab einem Stockschirm oder vielarmigem Schirm den Vorzug; sein Griff läßt sich herausziehen, um die Seide darüberzuspannen, die in einem besonderen kleinen Beutel steckt. Sie vergaßen nicht, starke Schuhe mit Gamaschen mitzunehmen, jeder »zwei Paar Hosenträger, wegen des Durchschwitzens«, und obgleich man »sich nicht überall in der Mütze vorstellen kann«, scheuten sie die Kosten »eines jener zusammenlegbaren Hüte, die nach ihrem Erfinder, dem Hutmacher Gibus, benannt sind.«
Das gleiche Werk gibt Verhaltungsmaßregeln: »Die Sprache des Landes, das man besuchen will, soll man können,« – sie konnten sie. »Eine bescheidene Haltung bewahren,« – das pflegten sie zu tun. »Nicht zu viel Geld bei sich zu haben,« nichts einfacher als das. Um sich schließlich alle möglichen Verlegenheiten zu ersparen, ist es gut, »sich für einen Ingenieur auszugeben.«
»Schön! Das werden wir tun!«
So vorbereitet begannen sie ihre Streifzüge, waren oft acht Tage lang abwesend, verbrachten ihr Leben in der frischen Luft.
Bald bemerkten sie an den Ufern der Orne in einem Einschnitt Felswände, deren schräge Platten zwischen Pappeln und Heidekraut emporragten, oder sie waren verstimmt, weil sie den ganzen Weg entlang nur Tonlager antrafen. In einer Landschaft bewunderten sie weder die Aufeinanderfolge der Prospekte, noch die Tiefe des Hintergrundes, noch die wellenförmigen grünen Erhebungen, sondern das, was man nicht sah, was darunter war, die Erde; und alle Hügel waren für sie noch ein Beweis der Sündflut. Der Leidenschaft für die Sündflut folgte die für die erratischen Blöcke. Die dicken, einzeln auf dem Gelände liegenden Steine mußten von verschwundenen Gletschern herrühren, und sie suchten nach Moränen und Muschelerde.
Mehrere Male nahm man sie wegen ihrer Ausstaffierung für Hausierer, und wenn sie geantwortet hatten, sie seien »Ingenieure«, packte sie die Angst: die widerrechtliche Aneignung eines solchen Titels konnte ihnen Unannehmlichkeiten zuziehen.
Gegen Ende des Tages keuchten sie unter dem Gewicht ihrer Proben, aber beharrlich trugen sie sie nach Haus. Es gab ihrer auf den Stufen der Treppe, in den Zimmern, im Eßsaal, in der Küche, und Germaine jammerte über die Menge Staub.
Es war keine kleine Arbeit, vor dem Aufkleben der Etiketten die Namen der Gesteine festzustellen. Die Mannigfaltigkeit der Farben und des Gemenges ließ sie Ton und Mergel, Granit und Gneis, Quarz und Kalkstein miteinander verwechseln.
Und dann ärgerte sie die Benennung. Warum devonisch, kambrisch, jurassisch, als ob die so bezeichneten Erden nicht auch anderswo als in Devonshire, bei Cambridge und im Jura zu finden wären? Unmöglich, sich darin auszukennen; was hier System, ist dort Sohle, wieder anderswo eine bloße Schicht. Die Blätter der Lager vermischen sich, gehen ineinander über; doch Omalius d'Halloy erklärt, man müsse nicht an die geologischen Einteilungen glauben.
Diese Erklärung erleichterte sie, und als sie in der Ebene von Caen Kalkstein mit Polypengehäusen, Tonschiefer in Balleroy, Kaolin zu Saint-Blaise, Rogenstein an allen Orten gesehen und Steinkohle zu Cartigny und Quecksilber zu la Chapelle-en-Juger bei Saint-Lô gesucht hatten, beschlossen sie einen weiteren Ausflug, eine Reise nach le Havre, um den Feuerstein und den Ton von Kimmeridge zu erforschen.
Kaum hatten sie das Boot verlassen, so fragten sie nach dem Wege, der zu den Leuchttürmen führt; Erdrutsche versperrten ihn, es war gefährlich, sich dorthin zu wagen.
Ein Wagenvermieter sprach sie an und schlug ihnen Fahrten in die Umgegend vor: nach Ingouville, Octeville, Fécamp, Lillebonne, »Rom, wenn es sein müßte«.
Seine Preise waren unvernünftig; doch der Name Fêcamp hatte ihre Aufmerksamkeit erregt; wenn man sich ein wenig zur Seite wandte, konnte man Etretat sehen, und sie nahmen den Omnibus nach Fécamp, um gleich so weit wie möglich zu gelangen.
Im Wagen unterhielten sich Bouvard und Pécuchet mit drei Bauern, zwei braven Frauen, einem Seminaristen, und sie zögerten nicht, sich die Eigenschaft von Ingenieuren beizulegen.
Vor dem Hafenbecken hielt man an. Sie erreichten die Klippe, und fünf Minuten später quetschten sie sich an ihr entlang, um eine große Wasserlache zu umgehen, die sich wie ein Golf mitten ins Ufer hineinschob. Dann sahen sie eine Bogenwölbung, welche die Öffnung zu einer tiefen Grotte bildete; sie war widerhallend, sehr hell, ähnelte mit ihren von oben bis unten gehenden Säulen und einem Teppich von Algen auf den Fliesen einer Kirche.
Dieses Werk der Natur setzte sie in Erstaunen, und während sie im Weitergehen Muscheln auflasen, erhoben sie sich zu Betrachtungen über den Ursprung der Welt.
Bouvard neigte zum Neptunismus; Pécuchet war dagegen Plutonist.
Das Feuer im Erdinnern hatte die Kruste des Erdballs gesprengt, Erdteile emporgehoben, Höhlungen entstehen lassen. Es war wie ein inneres Meer mit seiner Flut und Ebbe, seinen Stürmen; ein dünnes Häutchen trennt uns davon. Man würde nicht ruhig schlafen, wenn man an alles dächte, was sich unter unsern Füßen befindet. Indessen nimmt das Feuer im Erdinnern ab, und die Sonne verliert ihre Kraft, so daß die Erde eines Tages vor Kälte zugrunde gehen muß. Sie wird unfruchtbar werden; alles Holz und alle Kohle werden sich in Kohlensäure verwandeln, und kein Wesen wird mehr bestehen können.
»So weit sind wir noch nicht,« sagte Bouvard.
»Hoffen wir es,« erwiderte Pécuchet.
Gleichviel, dieses Weltende, so fern es lag, stimmte sie düster, und sie schritten schweigend nebeneinander auf dem Uferkies dahin.
Die Klippe, lotrecht, blendend weiß und hier und da von Kieseln schwarz geädert, verlief gegen den Horizont in einer Ausdehnung von fünf Wegstunden wie die Linie einer Befestigungsmauer. Ein scharfer kalter Ostwind wehte. Der Himmel war grau, das Meer grünlich und wie geschwollen. Von der Spitze der Klippen flogen Vögel auf, kreisten, kehrten eilig wieder in ihre Löcher. Zuweilen löste sich ein Stein und schlug ein paarmal auf, bevor er zu ihnen herabkam.
Pécuchet dachte mit lauter Stimme:
»Wofern nicht die Erde durch eine Umwälzung zugrunde geht. Man weiß nichts über die Dauer unserer Periode. Das innere Feuer braucht nur hervorzubrechen.«
»Aber es nimmt doch ab.«
»Das hindert nicht, daß seine Ausbrüche die Insel Julia, den Monte-Nuovo und vieles andere noch erzeugt haben.« Bouvard erinnerte sich, diese Einzelheiten bei Bertrand gelesen zu haben.
»Derartige Umwälzungen kommen in Europa nicht vor.«
»Bitte sehr um Entschuldigung, Beweis das Erdbeben von Lissabon. Was unsere Gegenden anlangt, so sind die Kohlen- und Schwefelkies-Minen zahlreich und können sehr wohl bei der Zersetzung vulkanische Schlünde bilden. Vulkane brechen übrigens immer nahe am Meer aus.«
Bouvard ließ seinen Blick über die Fluten wandern und glaubte in der Ferne Rauch zu sehen, der zum Himmel stieg.
»Da die Insel Julia verschwunden ist,« fuhr Pécuchet fort, »so werden vielleicht Landstriche, die durch dieselbe Ursache entstanden sind, das gleiche Los teilen. Ein Inselchen des Archipels ist gerade so wichtig wie die Normandie oder auch wie Europa.«
Bouvard sah Europa von einem Abgrund verschlungen.
»Nimm an,« sagte Pécuchet, »daß ein Erdbeben unter dem Kanal stattfindet; die Wassermassen strömen ins Atlantische Meer; die Küsten von Frankreich und England, in ihren Grundfesten wankend, neigen sich, vereinigen sich, und, klitsch, klatsch, alles, was dazwischen liegt, ist zermalmt.«
Anstatt zu antworten, begann Bouvard so schnell zu gehen, daß er bald Pécuchet hundert Schritt hinter sich ließ. Als er allein war, ängstigte ihn der Gedanke einer Erdumwälzung. Er hatte seit dem Morgen nichts mehr genossen; seine Schläfen hämmerten. Plötzlich schien ihm der Boden zu zittern und die Klippe über ihm mit der Spitze zu schwanken. In demselben Augenblick rollte von oben ein Kiesregen herab.
Pécuchet sah, wie er mit allen Kräften davonrannte, begriff seine Furcht, schrie ihm von weitem zu:
»Halt! halt! Die Periode ist noch nicht abgelaufen.«
Und um ihn wiedereinzuholen, machte er, seinen Touristenstock in der Hand, ungeheure Sätze, während er brüllte:
»Die Periode ist noch nicht abgelaufen! Die Periode ist noch nicht abgelaufen!«
Bouvard lief wie wahnsinnig weiter. Der vielarmige Schirm fiel hin, die Schöße seines Rockes flogen im Winde, der Tornister baumelte auf seinem Rücken. Er glich einer geflügelten Schildkröte, die zwischen den Felsen herumrannte; ein größerer Block entzog ihn Pécuchets Blicken.
Pécuchet kam atemlos dort an, sah niemand, rannte zurück, um an einer niedrigen Stelle des Abhanges, an der Bouvard jedenfalls heraufgeklettert war, auf die Felder zu gelangen.
Dieser steile, enge Anstieg war in großen Stufen in die Klippe geschnitten, hatte Raum für zwei Menschen und leuchtete wie polierter Alabaster.
In einer Höhe von fünfzig Fuß wollte Pécuchet absteigen. Da die Flut herankam, begann er wieder emporzuklimmen.
Als er bei der zweiten Biegung den leeren Raum unter sich sah, erstarrte er vor Angst. Je mehr er sich der dritten näherte, desto schwächer wurden seine Beine. Die Luftmassen umzitterten ihn, ein Krampf faßte ihn an der Herzgrube; er setzte sich mit geschlossenen Augen auf die Erde, nur noch das Klopfen seines Herzens wahrnehmend, das ihn erstickte; dann warf er seinen Touristenstock fort und unternahm auf Knien und Händen den Aufstieg. Doch die drei Hämmer, die in seinem Gürtel steckten, drückten sich in seinen Leib ein; die Steine, mit denen seine Taschen vollgestopft waren, schlugen gegen seine Seiten; der Schirm seiner Mütze blendete ihn; der Wind setzte mit neuer Kraft ein. Endlich erreichte er die Hochebene und fand dort Bouvard vor, der weiter hinten an einer weniger schwierigen Stelle emporgestiegen war.
Ein Wägelchen nahm sie auf. An Etretat dachten sie nicht mehr.
Als sie am folgenden Abend in le Havre das Boot erwarteten, sahen sie unten in einer Zeitung ein Feuilleton, das »Über den Unterricht in der Geologie« betitelt war.
Der Artikel, der voll von Tatsachen war, legte die Frage dar, so wie man sie zu jener Zeit auffaßte.
Niemals hatte eine vollständige Umwälzung des Erdballs stattgefunden, aber die gleiche Art hat nicht immer die gleiche Dauer und erlischt an einem Orte eher als an einem andern. Erdschichten derselben Zeitalter enthalten verschiedenartige Fossilien, ebenso wie voneinander entfernte Ablagerungen gleichartige einschließen. Die Farren vergangener Zeiten sind mit den heutigen identisch. Viele Zoophyten der heutigen Zeit finden sich in älteren Schichten wieder. Kurz, die gegenwärtigen Modifikationen erklären die früheren Umwälzungen. Dieselben Ursachen sind beständig in Wirksamkeit, die Natur macht keine Sprünge, und die Perioden, so bestätigt Brongniart, sind schließlich nichts weiter als Abstraktionen.
Bisher sahen sie Cuvier vom Glanze einer Aureole umflossen, hoch auf dem Gipfel einer unangreifbaren Wissenschaft. Sie war untergraben. Der Schöpfung lag ein anderes Prinzip zugrunde, und ihre Achtung für diesen großen Mann sank.
Aus Biographien und Auszügen wurden sie mit den Lehren Lamarcks und Geoffroy Saint-Hilaires bekannt.
Alles widersprach den gangbaren Anschauungen, der Autorität der Kirche.
Bouvard verspürte gleichsam eine Erleichterung dadurch, als wenn er ein Joch abgeschüttelt hätte.
»Jetzt möchte ich sehen, was der Bürger Jeufroy mir in betreff der Sündflut antworten würde!«
Und sie fanden ihn in seinem kleinen Garten, wo er die Mitglieder des Presbyteriums erwartete, welche sich sogleich wegen der Anschaffung eines Meßgewandes zu versammeln hatten:
»Die Herren wünschen …?«
»Einen Aufschluß, wenn ich bitten darf.«
Und Bouvard begann:
»Was bedeuten in der Genesis ›der Abgrund, welcher zerbricht und die ›Katarakte des Himmels‹? Denn ein Abgrund zerbricht nicht, und ein Himmel hat keine Katarakte!«
Der Abbé schloß die Augen, dann antwortete er: man müsse immer zwischen dem Sinn und dem Buchstaben unterscheiden. Dinge, an denen man zuerst Anstoß nähme, bekämen ihre wohlberechtigte Bedeutung, wenn man sie vertiefe.
»Ausgezeichnet! Aber wie den Regen erklären, der die höchsten Berge überflutete, die zwei Meilen hoch sind! Denken Sie, zwei Meilen! ein Wasserstand von zwei Meilen!«
Und der Bürgermeister, der dazukam, fügte hinzu: »Sapperlot, ein schönes Bad!«
»Geben Sie zu,« sagte Bouvard, »daß Moses gewaltig übertreibt?«
Der Pfarrer hatte Bonald gelesen und erwiderte: »Seine Beweggründe sind mir unbekannt; ohne Zweifel geschah es zu dem Zweck, den Völkern, welche er leitete, einen heilsamen Schrecken einzuflößen!«
»Schließlich, woher kam die Wassermasse?«
»Was weiß ich! Die Luft hatte sich in Regen verwandelt, wie es alle Tage geschieht.«
Durch die Gartentür sah man den Steuervorsteher Herrn Girbal mit dem Hauptmann Heurtaux, Gutsbesitzer, hereinkommen, und der Wirt Beljambe führte Langlois, den Krämer, der wegen seines Katarrhs nur mühsam vorwärts kam.
Ohne sich um sie zu kümmern, nahm Pécuchet das Wort:
»Verzeihung, Herr Jeufroy. Das Gewicht der Atmosphäre – das beweist uns die Wissenschaft – ist gleich demjenigen einer Wassermasse, die um die Erdkugel eine Hülle von zehn Metern bilden würde.
Folglich: wenn die ganze verdichtete Luft im flüssigen Zustande herabstürzte, so würde sie die schon vorhandene Wassermasse nur wenig vermehren.«
Die Kirchenvorsteher rissen die Augen auf, hörten zu.
Der Geistliche wurde ungeduldig.
»Wollen Sie leugnen, daß man auf den Bergen Muscheln gefunden hat? Wer hat sie dorthin gebracht, wenn nicht die Sündflut? Soviel ich weiß, pflegen sie nicht wie Mohrrübchen in der Erde zu wachsen!« Und da dieses Witzwort die Versammlung zum Lachen brachte, fügte er, die Lippen spitzend, hinzu: »Wofern das nicht eine neue Entdeckung der Wissenschaft ist!«
Bouvard wollte mit der Erhebung der Berge, der Theorie Elie de Beaumonts, antworten.
»Mir nicht bekannt!« erwiderte der Abbé.
Foureau beeilte sich zu sagen: »Er ist aus Caen, ich habe ihn einmal auf der Präfektur gesehen!«
»Aber wenn Ihre Sündflut,« erwiderte Bouvard, »Muscheln angeschwemmt hätte, fände man sie zerbrochen an der Oberfläche, und nicht in Tiefen von manchmal dreihundert Meter.«
Der Priester berief sich auf die Wahrhaftigkeit der Schrift, auf die Überlieferung des Menschengeschlechtes und die im Eise von Sibirien aufgefundenen Tiere.
Das beweise nicht, daß der Mensch gleichzeitig mit ihnen gelebt habe! Die Erde war nach Pécuchets Ansicht beträchtlich älter.
»Das Delta des Mississippi ist mehrere zehntausend Jahre alt. Die gegenwärtige Epoche umfaßt ihrer wenigstens hunderttausend. Die Verzeichnisse Manethos …«
Der Graf von Faverges nahte.
Alle verstummten bei seiner Annäherung.
»Bitte, sprechen Sie weiter! Was sagten Sie?«
»Die Herren suchen Streit mit mir,« antwortete der Abbé.
»Weswegen?«
»Wegen der Heiligen Schrift, Herr Graf!«
Bouvard berief sich sogleich darauf, daß sie als Geologen das Recht hätten, religiöse Fragen zu erörtern.
»Geben Sie acht,« sagte der Graf, »Sie kennen, lieber Herr, das Wort: ›Ein wenig Wissenschaft entfernt von ihr, viel führt zurück.‹« Und in einem Tone, der zugleich von oben herabkam und väterlich war: »Glauben Sie mir! Sie werden zu ihr zurückkehren! Sie werden zu ihr zurückkehren!«
Vielleicht! Doch was sollte man von einem Buche denken, in dem behauptet wird, das Licht sei vor der Sonne geschaffen worden, als wenn die Sonne nicht die einzige Ursache des Lichtes wäre!
»Sie vergessen die, welche man die boreale nennt,« sagte der Geistliche.
Ohne auf den Einwand zu antworten, stellte Bouvard heftig in Abrede, daß Licht auf der einen Seite habe sein können und Finsternis auf der anderen, daß es Morgen und Abend gegeben habe, als die Sterne nicht waren, und daß die Tiere plötzlich erschienen seien, statt durch langsame Entwicklung zu entstehen.
Da die Wege bei den heftigen Bewegungen, die man machte, zu eng waren, ging man auf den Beeten. Langlois bekam einen Hustenanfall. Der Hauptmann schrie: »Sie predigen den Umsturz!«
Girbal: »Friede! Friede!« Der Priester: »Welch ein Materialismus!« Foureau: »Befassen wir uns lieber mit unserm Meßgewande!«
»Nein! Lassen Sie mich reden!« Bouvard verstieg sich in der Hitze zu der Behauptung, der Mensch stamme vom Affen ab!
Alle Kirchenvorsteher blickten einander ganz verdutzt an, wie um sich zu vergewissern, daß sie keine Affen seien.
Bouvard fuhr fort: »Vergleicht man den Fötus einer Frau mit dem einer Hündin, eines Vogels, eines Frosches …
»Genug!«
»Ich gehe noch weiter!« rief Pécuchet. »Der Mensch stammt von den Fischen ab!« Gelächter erhob sich. Doch ohne in Verwirrung zu geraten: »Der Telliamed! ein arabisches Buch! …«
»Zur Sitzung, meine Herren!«
Und man trat in die Sakristei.
Die beiden Freunde hatten den Abbé Jeufroy nicht hineingelegt, wie sie es vorgehabt hatten. – Pécuchet fand denn auch, daß er den »Stempel des Jesuitismus« trage.
Sein Nordlicht beunruhigte sie jedoch; sie schlugen es im Handbuch d'Orbignys auf.
Es ist eine Hypothese zur Erklärung der Tatsache, daß die vegetabilischen Fossilien der Baffinbai den Pflanzen am Äquator gleichen. Man nimmt an Stelle der Sonne einen großen, jetzt verschwundenen Lichtherd an, dessen Spuren vielleicht die Nordlichter sind.
Dann kam ihnen ein Zweifel wegen der Abstammung des Menschen, und in ihrer Verlegenheit dachten sie an Vaucorbeil.
Seine Drohungen waren ohne Folgen geblieben. Wie früher ging er des Morgens an ihrem Gitter entlang, indem er mit seinem Stock alle Stäbe einen nach dem anderen streifte.
Bouvard lauerte ihm auf, – und nachdem er ihn angehalten hatte, sagte er, er wolle ihm einen merkwürdigen Punkt der Anthropologie unterbreiten.
»Glauben Sie, daß das Menschengeschlecht von den Fischen abstammt?«
»Welcher Unsinn!«
»Eher von den Affen, nicht wahr?«
»In gerader Linie ist das unmöglich!«
Zu wem sollte man noch Vertrauen haben? Denn schließlich war der Doktor kein sehr zuverlässiger Kunde.
Sie setzten ihre Studien fort, doch ohne Leidenschaft, da sie das Eozän und Miozän, den Mont-Jurillo, die Insel Julia, die sibirischen Mammute und die Fossilien, die ohne Ausnahme von allen Verfassern mit »Münzen« verglichen werden, »die authentische Zeugnisse sind«, leid waren, so daß eines Tages Bouvard seinen Tornister zur Erde warf und dabei erklärte, daß er nicht weiter mitmachen würde.
Die Geologie hatte zu viele Mängel! Kaum, daß wir einige Örtlichkeiten in Europa kennen. Über alles Übrige und die Tiefen der Weltmeere wird man immer in Unkenntnis bleiben.
Als endlich Pécuchet das Wort Mineralreich ausgesprochen:
»Ich glaube nicht daran, ans Mineralreich! da organische Stoffe bei der Bildung des Kiesels, der Kreide, des Goldes vielleicht teilgenommen haben! Ist der Diamant nicht Kohle gewesen? Ist die Steinkohle nicht eine Ansammlung von Vegetabilien? – Wenn man sie auf ich weiß nicht wieviel Grad erhitzt, erhält man Holzmehl, derart, daß alles schwindet, zerfällt, sich verändert. Die Schöpfung ist im Wogen und Fliehen begriffen; es wäre besser, wir beschäftigten uns mit anderen Dingen.«
Er legte sich auf den Rücken und schlief ein, während Pécuchet mit gesenktem Kopf und ein Knie in den Händen sich seinen Betrachtungen hingab.
Ein moosiger Streifen säumte den Hohlweg, der von Eschen beschattet wurde; ihre feinbelaubten Wipfel zitterten; Engelwurz, Minze, Lavendel strömten warmen, würzigen Duft aus; die Luft war drückend; und in einer Art stumpfsinnigen Brütens gedachte Pécuchet träumend der zahllosen Existenzen, die um ihn zerstreut waren; der Insekten, die summten, der unter dem Rasen verborgenen Quellen, des Saftes der Pflanzen, der Vögel in ihren Nestern, des Windes, der Wolken, der ganzen Natur, ohne deren Geheimnisse durchdringen zu wollen, – hingerissen von ihrer Macht, verloren in ihre Größe.
»Ich habe Durst!« sagte Bouvard erwachend.
»Ich auch! Ich würde gern irgend etwas trinken!«
»Das ist leicht,« entgegnete ein vorübergehender Mann in Hemdsärmeln, mit einem Brett auf der Schulter.
Und sie erkannten jenen Landstreicher, dem Bouvard einstmals ein Glas Wein gegeben hatte. Er schien um zehn Jahre jünger, trug sein Haar seitlich gekräuselt, den Schnurrbart gut gewichst und wiegte seinen Körper in pariserischer Weise.
Nach etwa hundert Schritten öffnete er das Gatter eines Hofes, warf sein Brett gegen eine Mauer und führte sie in eine hohe Küche.
»Mélie! bist du da, Mélie?«
Ein junges Mädchen erschien; auf sein Geheiß ging sie, »etwas zum Trinken zu zapfen«, und kehrte an den Tisch zurück, um die Herren zu bedienen.
Die Scheitel ihres korngelben Haares kamen unter einem Häubchen von grauer Leinwand hervor. Ihr ganzes ärmliches Gewand floß faltenlos an ihrem Körper herab, und mit ihrer geraden Nase, ihren blauen Augen hatte sie etwas Zartes, Ländliches, Unschuldiges.
»Sie ist niedlich, was!« sagte der Tischler, während sie Gläser herbeibrachte. »Sollte man nicht schwören, sie sei ein als Bäuerin verkleidetes Fräulein! Und doch tüchtig bei der Arbeit! – Armes kleines Herz, wirklich, wenn ich einmal reich werde, heirate ich dich!«
»Sie reden immer Dummheiten, Herr Gorju,« antwortete sie mit sanfter Stimme in schleppendem Ton.
Ein Stallknecht kam, um aus einer alten Kiste Hafer zu nehmen, und ließ den Deckel so heftig niederschlagen, daß ein Stück Holz absprang.
Gorju ereiferte sich über die Ungeschicklichkeit aller »dieser Kerle vom Lande«, dann suchte er, vor dem Möbel kniend, die Stelle des Stückes. Pécuchet bemerkte, als er ihm helfen wollte, unter dem Staub Darstellungen von Personen.
Es war eine Renaissancetruhe mit Taustäben am unteren Teile und Weinranken in den Ecken, und kleine Säulen teilten ihre Vorderseite in fünf Felder. In der Mitte sah man Venus Anadyomene auf einer Muschel stehen, weiter Herkules und Omphale, Simson und Delila, Circe mit ihren Schweinen, die Töchter Lots, die ihren Vater trunken machten; alles das war schadhaft, von Würmern zerfressen, und die rechte Füllung fehlte sogar. Gorju nahm eine Kerze, um Pécuchet die linke besser zeigen zu können, die Adam und Eva unter dem Baume des Paradieses in einer sehr unpassenden Stellung wiedergab.
Bouvard bewunderte die Truhe gleicherweise.
»Wenn Ihnen daran liegt, so würde man sie Ihnen billig abgeben.«
Sie zögerten mit Rücksicht auf die Ausbesserungen.
Gorju konnte sie machen, da er von Beruf Kunsttischler war.
»Gut! Kommen Sie!«
Und er zog Pécuchet in den Obsthof, wo Frau Gastillon, die Herrin, Wäsche ausbreitete.
Als Mélie sich die Hände gewaschen hatte, nahm sie ihre Spitzenklöppel vom Fensterbrett, setzte sich ins volle Licht und arbeitete.
Das Türgesims rahmte sie ein. Die Klöppel ordneten sich unter ihren Händen mit dem Klappern von Kastagnetten. Man sah ihr Profil, das geneigt blieb.
Bouvard fragte sie nach ihren Eltern, nach ihrer Heimat, dem Lohn, den man ihr zahlte.
Sie war aus Ouistreham, hatte keine Angehörigen mehr, verdiente im Monat eine Pistole; – kurz, sie gefiel ihm so, daß er sie in seine Dienste zu nehmen wünschte; sie sollte der alten Germaine helfen.
Pécuchet kam mit der Pächterin zurück, und während sie ihren Handel fortsetzten, fragte Bouvard ganz leise Gorju, ob die kleine Magd einwilligen würde, bei ihm Dienste zu nehmen.
»Versteht sich!«
»Ich muß aber erst meinen Freund befragen!« sagte Bouvard.
»Nun, ich werde es schon machen; doch sprechen Sie nicht davon! Wegen der Bürgersfrau.«
Der Handel war soeben um die Summe von fünfunddreißig Franken abgeschlossen. Wegen der Ausbesserungen würde man sich schon einigen.
Kaum im Hof, gab Bouvard seine Absicht bezüglich Mélies kund.
Pécuchet blieb stehen (um besser nachdenken zu können), öffnete seine Tabakdose, nahm eine Prise, und, nachdem er geschnupft hatte:
»In der Tat, das ist ein Gedanke! mein Gott, ja! warum denn nicht! Übrigens hast du zu entscheiden!«
Zehn Minuten später erschien Gorju auf dem Walle eines Grabens und rief sie an:
»Wann soll ich Ihnen das Möbel bringen?«
»Morgen!«
»Und sind Sie in der anderen Frage entschieden?«
»Einverstanden!« antwortete Pécuchet.