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XXXIV

Nein, Liebste, nein! so ›berühmt‹ werden wir niemals werden!

Kuck, ich habe zwar eine Zeitlang Pfarrer werden wollen ... aber ... ich habe mir niemals aus einer schwarzen Schürze meiner Mutter einen Talar gemacht! ich bin nie weder auf einen Stuhl noch auf einen Tisch geklettert, um Predigten zu halten oder Gedichte zu deklamieren!

und das ist erste Vorbedingung, wenn man berühmt werden will, zumal für einen Schwaben. Du kannst alle Literaturbücher und Lebensläufe darüber nachschlagen.

Ich habe das damals versäumt, und nachholen läßt es sich nun nicht mehr!

Ob ich dann als Knabe das träumerisch in mich gekehrte Wesen zur Schau trug, das man zur Schau getragen haben muß, oder ob ich besonders aufgeweckt war, wie andere wieder von später berühmt gewordenen Leuten verlangen ... weiß ich wirklich nicht mehr recht. Ich werde wohl wie jedes Kind gewesen sein, einmal so und einmal so! Doch ...

wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich vorausdenkender zu Werke gehen und mich von vornherein mehr nach den Forderungen unserer Literatologen richten.

 

Einen gewissen Ersatz dafür jedoch Hab ich darin, daß die Mutter schon Verse machte, ja sogar ganze Gedichte! und das beruhigt mich einigermaßen! denn daß die Mutter schon ›poetisch veranlagt‹, ist eigentlich eine noch notwendigere Vorbedingung für jeden, der später als Dichter berühmt werden will.

Du weißt ja doch: es ist nicht der Gesamtcharakter, sondern es sind die einzelnen Sonderbefähigungen der Eltern, die sich weitererben ... schächtelchenweise ... in Pillenform vielleicht ... als feste Bestandteile ... wie ... wie etwa Geldpapiere oder Bilder oder Bücher oder Töpfe und dergleichen. Du kannst das gar nicht wörtlich und buchstäblich genug verstehen!

Sieh: wenn zum Beispiel deine Mutter eine Frau war mit reichem quellendem Gemüt, in dem, was sich ihr entgegentrug, wie in sattem samenoffenem Boden Nahrung fand ...

eine Frau, die alles gleichsam mit den Wurzeln lebte, voll selbstlos unermüdlich ausgleichender Güte und Sorge und Sorglichkeit ...

eine Frau, bei der das Herz das stille Tor zur Welt bildete ...

so vererbt sich von all dem zunächst ... nichts!

aber wenn sie sich geübt hatte, weil sie eben war, wie sie war, diesem ihrem inneren Leben dann und wann in ... Versen, Zeichnungen oder auf dem Klavier sichtbare Form zu geben ...

diese Geschicklichkeiten sind das Wesentliche! und es ist klar: woher du dein ›dichterisches‹, ›zeichnerisches‹ oder ›musikalisches‹ ›Talent‹ hast! Geerbt, wie man einen Weißzeugschrank, eine Ziehharmonika oder silberne Salatgabeln erbt!

 

Oder wenn dein Vater vielleicht, im Gegensatz dazu, ein Mann war, dem es vor allem Freude machte: etwas entstehen und werden und wachsen zu sehen und zuzugreifen und sich zu regen und zu betätigen ...

der aus diesem Grunde vielleicht nicht Schreiber, sondern Soldat wurde; der aus diesem Grunde vielleicht in Mußestunden mit Vorliebe gärtnerte und Rosen zog; der aus diesem Grunde vielleicht, was um ihn herum, lieber selber machte, als daß er in den Laden ging und es kaufte ...

der da sagte: ein bißchen denken und du kannst es auch! und ein bißchen mehr denken und du kannst es besser! und sich aus einem alten Spinnrad eine Laubsägemaschine erfand ...

so vererbt sich nicht etwa dieser Kern seines Wesens, aus dem alles hervorgeht: seine Spannkraft und Schaffensfreude, sondern: das einzelne Talent!

Wenn nun also eines solchen Vaters Junge Dichter wird ... so sage nicht etwa: Gedichte machen und ein guter Soldat sein, oder: Gedichte machen und Rosen ziehen, oder: Gedichte machen und Laubsägemaschinen erfinden sei im Grunde ganz dasselbe! ... um Gottes willen, sag so was nicht! du blamierst dich rettungslos! Sämtliche Professoren würden sich auf den Kopf stellen! sämtliche Literaturgeschichten müßten umgeschrieben werden!

sondern sage: das sei in der Tat unbegreiflich! unsere Erkenntnis habe eben doch ... Grenzen!

*

Wenn einer einen Vater hatte, der trank und er wird selber Trinker ... so wird er das lediglich, weil sein Vater eben trank!

Daß der Herr Papa mehr für Kümmel, der Herr Sohn mehr für Cognac, beweist höchstens ein Aufsteigen der Linie.

Wenn du nun sagtest: der Sohn trinkt, aber nicht, weil der Vater trank, sondern weil der Vater ein Lump war, der keinen Halt hatte, und der Sohn dasselbe ist und schließlich auch nichts Besseres zu tun weiß, als eben zu trinken ...

so lacht man dich bloß aus!

 

Nur die äußere, sichtbare Begabung vererbt sich! nicht die Bodenart, der sie entwächst! nur Folge, nicht Ursache!

*

In Wirklichkeit, weißt du, wird es wohl immer so gewesen sein und auch so bleiben:

Ob Herr oder Knecht,
Genie oder Tropf:
von der Mutter das Herz,
vom Vater den Kopf!

Gute Nacht! Es ist wieder spät und ich will ins Bett. Einen ordentlichen Schlaf zu erben, ist ebenso notwendig, und überhaupt noch viel, noch recht viel, das weit wichtiger als bloßes Versemachen-können, und zumal für einen Dichter.


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