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Vierter Abschnitt.
Junge Triebe

Das gemischte Gefühl, welches in der ersten Unterredung zwischen Tom und Philipp zu Tage getreten war, blieb für ihr Verhältniß auch dann noch bezeichnend, als sie schon viele Wochen mit einander bekannt waren. Tom konnte nie ganz das Gefühl los werden, daß Philipp als der Sohn eines Schurken sein natürlicher Feind sei, konnte nie seinen Widerwillen gegen die verwachsene Gestalt überwinden, so zähe hielt er an den einmal empfangenen Eindrücken fest, und wie es bei allen zu sein pflegt, in denen die bloße Anschauung über das Gefühl und den Gedanken vorherrscht, das Aeußere blieb für ihn ganz starr dasselbe, was es im ersten Augenblicke gewesen. Andrerseits war Philipp ein zu angenehmer Gesellschafter, wenn er bei Laune war, konnte einem so gut bei den lateinischen Arbeiten helfen, die für Tom immer eine Art Räthsel blieben, wobei die Lösung nur durch einen glücklichen Zufall kam, und seine Kriegsgeschichten waren wirklich wundervoll. Zwar von Saladin hielt Tom nicht ganz viel; mit seinem Säbel ein weiches Federkissen auf einen Hieb entzwei zu spalten – ja, was hatte man denn von zerschnittenen Kissen? Das war eine dumme Geschichte und er wollte sie nicht zum zweiten Mal hören. Aber wenn Robert Bruce auf seinem schwarzen Pony sich im Steigbügel erhob, seine gute Streitaxt schwang und dem Ritter, der zu hitzig auf ihn eindrang, Helm und Schädel mit einem Schlage zerschmetterte, dann war Tom wie von Begeisterung hingerissen, und wenn er eine Kokosnuß da gehabt hätte, so hätte er sie gewiß mit dem Feuereisen zerschlagen. In seinen vergnügten Augenblicken that Philipp alles mögliche, um Tom's Neigung zu befriedigen, und erhöhte den Lärm und das Gewühl und das Toben jedes Kampfes mit dem Feuer des ganzen Geschützes von Beiwörtern und Gleichnissen, welches zu seiner Verfügung stand. Aber in so guter Stimmung war er nicht immer. Der kleine Ausbruch verdrießlicher Empfindlichkeit, den er bei der ersten Unterhaltung gezeigt hatte, war ein Symptom eines bleibenden geistigen Leidens, welches halb aus nervöser Gereiztheit, halb aus dem bittern Gefühl seiner körperlichen Mißgestalt stammte. Bei diesen Anfällen von Empfindlichkeit schien ihm jeder Blick feindlich; er sah darin entweder kränkendes Mitleid oder schlecht verhehlten Widerwillen oder zum mindesten Gleichgültigkeit, und auch gegen diese war er empfindlich, wie ein Kind des Südens gegen die kalte Luft eines nordischen Frühlings. Wenn ihn Tom bei ihren Spielen im Freien etwas zu tappig unter seine Protektion nahm, da konnte Philipp gegen den wohlmeinenden Jungen ganz wild werden, und seine sonst so schwermüthigen stillen Augen blitzten von einem Feuer, mit dem man nicht scherzen durfte. Kein Wunder deshalb, daß Tom dem Buckel nicht traute.

Ein anderes Band zwischen den beiden war Philipp's große Geschicklichkeit im Zeichnen. Zu seinem großen Aerger fand nämlich Tom, daß ihm sein neuer Zeichenlehrer keine Hunde und Esel zu zeichnen gab, sondern Bäche und Brücken und Ruinen, die meist alle so verwischt und geleckt waren, als sei die Natur von Seide und Atlas, und da das Gefühl für das Malerische in der Landschaft bei Tom bis jetzt noch unentwickelt war, so darf es nicht überraschen, daß er den Probeblättern seines Zeichenlehrers durchaus keinen Geschmack abgewinnen konnte. Aber Tom sollte ja einmal Zeichenstunde haben, wünschte der Vater, und Riley hatte diesen Wunsch an Pastor Stelling mitgetheilt, und wen konnte Stelling da wohl anders nehmen, als Mr. Goodrich, der in der ganzen Umgegend für den besten Zeichenlehrer galt? Auf diese Weise lernte denn Tom seinen Bleistift außerordentlich fein zuspitzen und Landschaften von ziemlich unbestimmtem Charakter zeichnen, die ihm selbst sehr langweilig vorkamen.

Sonst ging's ihm jetzt besser bei seinen Studien. Zwar von der guten alten, durch jahrelangen Gebrauch geheiligten Methode ließ Stelling nicht; wie hätte etwas so ehrwürdiges vor der vereinzelten Verstocktheit eines Jungen weichen sollen? Die pädagogische Daumschraube blieb also im Gebrauch, nur wurde sie nicht mehr so fest angezogen. Durch Philipp's selbständige Fortschritte in den Ruf eines »ausgezeichneten Lehrers« zu kommen, war für den Pastor auf die Dauer viel zu bequem, als daß er sich noch viel mit Tom hätte abquälen sollen.

Nichts destoweniger machte Tom sichtliche Fortschritte, wahrscheinlich deshalb, weil er kein Junge in abstracto war, der blos deshalb existirte, um die schlechten Folgen einer verkehrten Erziehung zu erweisen, sondern ein Junge von Fleisch und Blut, dessen natürliche Anlagen sich doch nicht ganz den Umständen fügten.

Er hielt sich z. B. jetzt viel besser, und daran hatte ein großes Verdienst der Dorfschulmeister Poulter, der früher in den spanisch-portugiesischen Kriegen gedient hatte und jetzt Tom einexerzirte. Das war für beide eine Quelle großen Vergnügens. Poulter mochte in früherer Zeit mit Recht in dem Rufe gestanden haben, daß die Franzosen sich vor ihm fürchteten, aber jetzt jagte seine Person keinen Schrecken mehr ein. Er sah etwas verfallen aus und hatte des Morgens immer das Zittern, freilich nicht vor Alter, sondern von der schrecklichen Ungezogenheit der Schuljungen, gegen die er zur Stärkung nothwendig etwas Schnaps bedurfte. Doch behauptete er noch seine alte kriegerische Haltung, hielt seine Kleider sehr sauber, und die Hosen saßen ihm stramm an den Beinen. Mittwochs und Sonnabends Nachmittags, wenn er zu Tom kam, war er immer von Schnaps und alten Erinnerungen etwas aufgeregt und sah ungewöhnlich munter aus, etwa wie ein ausrangirtes Kavallerie-Pferd, wenn es wieder die Trompete hört. Die Exerzierübungen zogen sich immer sehr in die Länge, weil die eingeschobenen Kriegsgeschichten für Tom viel interessanter waren, als Philipp's Erzählungen aus der Ilias; denn einmal gab es in der Ilias keine Kanonen, und dann hatte Tom mit großem Abscheu erfahren, Hektor und Achilles hätten vielleicht nie existirt. Aber der Herzog von Wellington war noch am Leben und Bonaparte noch nicht lange todt, und Poulter's Erinnerungen aus seinen Kriegen waren daher über allen Verdacht des Sagenhaften weit erhaben. Im Verlaufe dieser Erzählungen ergab sich, daß Poulter bei Talavera eine hervorragende Rolle gespielt und nicht wenig zu dem furchtbaren Schrecken beigetragen hatte, den sein Infanterie-Regiment über den Feind verbreitete. War sein Gedächtniß mal besonders frisch, so erinnerte er sich auch wohl, der Herzog von Wellington habe – im strengsten Geheimniß, um niemanden eifersüchtig zu machen – seine hohe Achtung für den Prachtkerl, den Poulter, ausgesprochen. Ueber sonstige Vorgänge, die nicht mit seiner Person zusammenhingen, war Poulter schweigsamer und beschränkte sich darauf, gegen leichtfertige Kriegsgeschichten anderer Berichterstatter zu eifern. Namentlich wer über die Belagerung von Badajoz etwas wissen wollte, war für ihn ein Gegenstand tiefer Verachtung; so'n Maulheld, meinte er, wenn der doch zu Boden geworfen und übergeritten wäre, daß ihm der Athem ausging, wie ihm selbst das passirt war – dann hätte er ein Recht, von der Belagerung von Badajoz mitzusprechen!

Auch Tom ärgerte den alten Soldaten zuweilen, wenn er neugierig genug war, nach andern Sachen zu fragen, die Mr. Poulter nicht persönlich betrafen.

»Und General Wolfe? Der schlug sich doch auch tapfer?« fragte Tom, nach dessen Ansicht alle Kriegshelden, die man auf Wirthshausschildern sah, die Kriege gegen Bonaparte mitgemacht haben mußten.

»Der tapfer! Denkt nicht dran!« erwiderte Poulter verächtlich. »Nichts von Tapferkeit! Kopf in die Höhe, Brust heraus!« fügte er im Kommando-Tone hinzu, und Tom fühlte sich dabei so stolz, als wäre er ein Regiment in einer Person.

»Nein, nein!« fuhr Poulter fort, als eine kleine Pause eintrat, »mit General Wolfe darf mir keiner kommen. Was hat denn der gethan? Ist blos an seiner Wunde gestorben und das ist doch recht miserabel. An den Wunden, die ich gehabt habe, wäre jeder andre gestorben. So einer wie der General Wolfe – den hätte ein einziger von meinen Säbelhieben umgebracht.«

So oft so'n Säbelhieb erwähnt wurde, hatte Tom immer seine bestimmte Antwort. »Mr. Poulter, wenn Sie doch Ihren Säbel mal mitbrächten und mir das Fechten zeigten!«

Lange Zeit schüttelte Poulter zu dieser Bitte nur den Kopf und lächelte freundlich erhaben, wie Jupiter gelächelt haben mag, als Semele ihm zuerst ihren hochfahrenden Wunsch mittheilte. Aber endlich, als Poulter durch ein heftiges Regenwetter zwanzig Minuten länger als gewöhnlich im Wirthshause aufgehalten war, brachte er den Säbel mit, blos zum Ansehn für Tom.

»Und das ist der ächte Säbel, mit dem Sie in all' den Schlachten gekämpft haben, Mr. Poulter?« rief Tom, indem er nach dem Griffe faßte. »Damit haben Sie einem Franzosen den Kopf abgehauen?«

»Kopf abgehauen? Ja, und wenn der Kerl drei Köpfe gehabt hätte.«

»Aber ein Gewehr und Bajonet hatten Sie doch auch?« sagte Tom. »Mir wär' ein Gewehr und Bajonet am liebsten; denn schießt man erst und nachher spießt man sie auf.«

»Oho, aber wenn's zum Handgemenge kommt, dann lob' ich mir den Säbel«, sagte Poulter, indem er unwillkürlich in Tom's Begeisterung einstimmte und den Säbel so plötzlich aus der Scheide zog, daß Tom sehr behende zurücksprang.

»Ach, hören Sie, Mr. Poulter, wenn Sie fechten wollen«, sagte Tom ein wenig beschämt über seinen plötzlichen Rückzug, »dann will ich Philipp auch holen. Der sieht's gewiß gern.«

»Wie, der Junge mit dem Buckel?« erwiderte Poulter verächtlich; »was hat der davon, wenn er zusieht?«

»O, der weiß recht viel von Krieg und so was«, sagte Tom, »und wie sie früher mit Pfeilen und Bogen und Streitäxten gekämpft haben.«

»Na, denn holen Sie'n her. Ich will ihm was andres zeigen als seine Pfeile und Bogen«, erwiderte Poulter, indem er gravitätisch hustete, sich in die Brust warf und zur Vorbereitung das Handgelenk ein bischen übte.

Philipp saß am Klavier, spielend und singend. Er war sehr glücklich, so allein auf seinem hohen Stuhle zu sitzen; den Kopf hintenüber und die Augen in die Höhe gerichtet und den Mund weit geöffnet – so sang er mit aller Kraft einen improvisirten Text zu einer Melodie, die grade zu seiner Stimmung paßte.

»Komm, Philipp«, rief Tom, in's Zimmer hineinstürzend, »laß Dein Gedudel und komm mit in die Remise; der alte Poulter will uns das Fechten zeigen.«

Diese stürmische Unterbrechung und der häßliche Gegensatz zwischen Tom's scharfen Tönen und den sanften Melodien, die Philipp durchzitterten, wäre hinreichend gewesen, ihn außer Fassung zu bringen. Und nun vollends die Erwähnung des alten Poulter, den Philipp mit seinen Künsten nie nennen hören mochte! Tom kannte diese Abneigung recht gut und würde nie daran gedacht haben, Philipp zu der Fechtübung einzuladen, wenn er nicht dem Vorwurfe hätte entgehen wollen, er sei vor dem Säbel bange.

Philipp zuckte sichtlich zusammen, als er zu singen aufhörte; dann schoß ihm das Blut in's Gesicht, und er rief mit leidenschaftlicher Aufregung:

»Pack Dich fort, Du fauler Dummkopf! Was kommst Du so 'reingestürzt und brüllst mich an? Du hast höchstens Lebensart genug, um mit einem Karrengaul zu sprechen!«

Es war nicht das erste Mal, daß Philipp über Tom böse wurde, aber noch nie hatte er sich mit Worten gewehrt, die Tom so deutlich verstand.

»Ich habe Lebensart genug, um mit Leuten zu sprechen, die besser sind als wie Du, Du armseliger Knirps!« rief Tom, der sofort Feuer fing. »Du weißt recht gut, daß ich Dich nicht schlage, Du bist ja blos ein halbes Mädchen. Aber ich, ich bin eines ehrlichen Mannes Sohn und Dein Vater ist ein Schuft, das sagt die ganze Welt!«

Damit stürzte Tom wieder aus dem Zimmer und warf die Thür hinter sich zu, ohne vor Aerger zu bedenken, was er that; denn Thüren zuzuschlagen, daß es Frau Stelling hörte, das war ein Vergehen, worauf zwanzig Verse aus dem Virgil standen. Auch kam diese Dame sogleich aus ihrem Zimmer herunter, um nachzusehen, was der Lärm bedeute und weshalb Philipp plötzlich aufgehört habe zu spielen. Sie fand ihn an der Erde, zusammen gesunken und bitterlich weinend.

»Was giebt's denn, Wakem? Was war das für ein Lärm, und wer hat die Thür zugeschlagen?«

Philipp blickte auf und trocknete sich schnell die Augen. »Tulliver war hier; ich sollte mit ihm hinauskommen.«

»Und was fehlt Ihnen denn?« sagte Frau Stelling.

Philipp war nicht der Liebling der Pastorin; er war weniger gefällig als Tom, der sich ihr durch mancherlei Dienste nützlich machte. Indeß, der alte Wakem zahlte mehr Kostgeld als Tulliver, und sie ließ ihn gern merken, daß sie es gut mit ihm meine. Aber Philipp erwiderte dies freundliche Entgegenkommen kaum anders, als eine Molluske, der man freundlich zuredet, aus ihrer Muschel zu kriechen. Frau Stelling mochte noch so liebenswürdige Manieren haben, aber Liebe hatte sie nicht, und das war die einzige Gewalt, die Philipp's Herz erschlossen hätte.

Auf ihre Frage antwortete er: »ich hatte wieder mein Zahnweh, und das hat mich nervös gemacht.«

Das war früher mal der Fall gewesen, und Philipp freute sich, daß es ihm wieder einfiel; er hatte doch nun eine Entschuldigung für sein Weinen. Die Folge davon war freilich, daß er Eau de Cologne nehmen und Creosot ablehnen mußte, aber das war doch nicht schwer.

Inzwischen war Tom in die Remise zurückgekehrt, wo Poulter schon mit festem entschlossenem Blick seine wunderbaren Fechtkünste etwaigen neugierigen Ratten vormachte. Aber der alte Poulter war sich selbst Publikum genug; er bewunderte sich selbst mehr, als alle Zuschauer ihn hätten bewundern können. In sein Schlagen, Stoßen, Ausfallen und Pariren war er so vertieft, daß er Tom's Rückkehr garnicht beachtete, und Tom konnte seinerseits bei Poulter's entschlossenem Blicke und den wüthigen Hieben, die sich sehr ungern auf die Luft zu beschränken schienen, einen leisen Schrecken nicht unterdrücken und bewunderte die Vorstellung aus möglichst weiter Ferne. Erst als Poulter aufhörte und sich den Schweiß von der Stirn wischte, empfand Tom die volle Freude am Fechten und hätte es gern noch einmal gesehen.

»Herr Poulter«, sagte er, als dieser den Säbel wieder in die Scheide gesteckt hatte, »ich wollte, Sie ließen mir Ihren Säbel etwas hier.«

»Nein, nein, junger Herr«, erwiderte der Alte mit entschiedenem Kopfschütteln, »Sie könnten sich damit Schaden thun.«

»O nein, ganz bestimmt nicht, ich werde mich schon vorsehen; 'rausziehen würd' ich ihn nicht oft, aber ich könnte damit exerziren.«

»Nein, nein, das geht nicht, sag' ich Ihnen«, erwiderte Poulter und schickte sich an wegzugehen; »was würde der Pastor dazu sagen?«

»O bitte, thun Sie's doch, Herr Poulter! Ich geb' Ihnen auch fünf Schilling, wenn Sie mir den Säbel eine Woche hier lassen. Da sind sie!« sagte Tom und dabei zeigte er ein Stück Silbergeld von anziehender Größe.

Der junge Schelm hatte die Wirkung richtig genug berechnet. Poulter wurde noch ernsthafter und antwortete: »Aber Sie müssen ihn gut verstecken, hören Sie wohl!«

»O gewiß, ich leg' ihn unter's Bett«, sagte Tom eifrig, »oder noch besser, ganz unten in meinen großen Koffer.«

»Aber erst muß ich sehen, ob Sie den Säbel auch aus der Scheide ziehen können, ohne sich zu schneiden.«

Das wurde denn mehrmals mit Erfolg probirt, und nun glaubte Poulter ganz gewissenhaft seine Pflicht gethan zu haben und sagte: »Nun, junger Herr, das Geld nehm' ich blos als ein Pfand, daß Sie mir den Säbel nicht verderben.«

»O, ganz bestimmt nicht, Herr Poulter«, erwiderte Tom, indem er ihm ganz glücklich das Geld reichte und den Säbel ergriff, der, wie ihm auffiel, wohl etwas leichter hätte sein können.

»Aber wenn's der Pastor sieht, daß Sie damit in's Haus gehen!« meinte Poulter, steckte aber, während er dieses neue Bedenken äußerte, das Geld schon ruhig in die Tasche.

»O, Sonnabend Nachmittag bleibt er immer oben und studirt«, erwiderte Tom, der zwar im allgemeinen Heimlichkeiten haßte, aber in einer großen Sache doch eine kleine List nicht verschmähte. Halb triumphirend, halb besorgt, er könne dem Pastor oder seiner Frau begegnen, trug er den Säbel in sein Schlafzimmer, wo er ihn nach einiger Ueberlegung in dem Kleiderschranke hinter seinem Mantel verbarg. Den Abend schlief er mit dem Gedanken ein, er wolle Gretchen damit erschrecken, wenn sie zum Besuch käme, wolle sich den Säbel mit seinem rothen Shawl umbinden und ihr weis machen, er gehöre ihm und er wolle Soldat werden. Niemand als Gretchen würde so thöricht sein, ihm zu glauben, und keinem andern wagte er etwas von dem Säbel zu sagen; auch sollte Gretchen wirklich die nächste Woche zum Besuche kommen, um Tom noch einmal zu sehen, ehe sie mit Lucie in eine Mädchenschule geschickt wurde.

Sollte jemand meinen, ein Knabe von dreizehn Jahren könne nicht so kindisch gewesen sein, der ist gewiß ein ausbündig weiser Mann und hat trotz seines friedlichen Berufs, bei dem er eher freundlich als furchtbar aussehen muß, sich niemals, seit ihm der Bart wuchs, in eine kriegerische Positur geworfen und sich im Spiegel schrecklich zugedroht. Ich meinerseits bezweifle, daß es noch Soldaten gäbe, wenn es nicht daheim friedliche Leute gäbe, die gern Soldaten spielen. Wie alle andern dramatischen Schaustücke könnte auch der Krieg leicht aufhören, wenn er kein Publikum mehr fände.


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