Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Aufbruch aus Persepolis – Dareios' Rückzug aus Ekbatana – Seine Ermordung – Alexander in Parthien und Hyrkanien – Das Unternehmen Zopyrions, Empörung Thrakiens, Schilderhebung des Agis, seine Niederlage, Beruhigung Griechenlands
Vier Monate verweilte Alexander in den Königsstädten der persischen Landschaft. Nicht bloß um das Heer sich erholen zu lassen; es wird richtig sein, was die minder guten Quellen berichten, daß er in diesen Wintermonaten gegen die räuberischen Bewohner der nahen Gebirge auszog, um das Land für immer gegen ihre Einfälle zu sichern. Es waren namentlich die Mardier in den südlichen Gebirgen, die ähnlich den Uxiern, bisher in fast völliger Unabhängigkeit gelebt hatten. Durch sehr mühselige Züge in ihre schneebedeckten Bergtäler zwang sie Alexander sich zu unterwerfen. Die Satrapie Karmanien, der sich Alexander bei diesem Zuge genaht haben mochte, unterwarf sich und der Satrap Aspastes wurde in ihrem Besitze bestätigt. Schon war dem edlen Phrasaortes, dem Sohn jenes Rheomithres, der in der Schlacht bei Issos den Tod gefunden, die Satrapie Persis übergeben. Daß eine Besatzung von dreitausend Mann für Persepolis bestellt wurde, ist nicht hinreichend sicher überliefert; ebenso daß ein Zuzug von fünftausend Mann Fußvolk und eintausend Reitern hier oder demnächst auf dem Marsch eingetroffen sei. Dann endlich – es mochte Ende April sein – wurde nach Medien aufgebrochen, wohin Dareios mit dem Reste des Heeres von Arbela geflüchtet war.
Nach dem Verlust der Schlacht war Dareios durch die medischen Gebirge nach Ekbatana gegangen mit der Absicht, hier abzuwarten, was Alexander unternehmen werde, und sobald derselbe ihm auch hierher nachsetzte, in den Norden seines Reiches zu flüchten, alles hinter sich verheerend, damit Alexander ihm nicht folgen könne. Zu dem Ende hatte er bereits die Karawane seines Harems, seine Schätze und Kostbarkeiten an den Eingang der kaspischen Pässe gen Ragai gesandt, um durch sie, wenn schleunige Flucht nötig werde, nicht behindert zu sein. Indes verging ein Monat nach dem andern, ohne daß sich auch nur ein feindliches Streifkorps in den Pässen des Zagrosgebirges oder an der inneren Grenze Mediens zeigte. Dann war Ariobarzanes, der heldenmütige Verteidiger der persischen Tore, in Ekbatana angekommen; man mochte jetzt von Südosten her die Makedonen erwarten; aber kein Feind ließ sich sehen. Gefielen dem Sieger die Schätze von Persepolis und Pasargadai vielleicht besser als neuer Kampf? hielten ihn und sein übermütiges Heer die neuen und betäubenden Genüsse des Morgenlandes gefesselt? Noch sah sich Dareios von treuen Truppen, von hochherzigen Perserfürsten umgeben; mit ihm war der Kern des persischen Adels, die Chiliarchie, die Nabarzanes führte, Atropes von Medien, Autophradates von Tapurien, Phrataphernes von Hyrkanien und Parthien, Satibarzanes von Areia, Barsaentes von Arachosien und Drangiana, der kühne Baktrianer Bessos, des Großkönigs Verwandter, umgeben von dreitausend baktrischen Reitern, die sich mit ihm aus der letzten Schlacht gerettet hatten; ferner des Großkönigs Bruder Oxathres und vor allen der greise Artabazos, der vielbewährte Freund des Dareios, vielleicht der würdigste Name des Persertums, mit ihm seine Söhne; auch des Großkönigs Ochos Sohn Bisthanes, auch des abtrünnigen Mazaios von Babylon Sohn Artabelos war in Ekbatana. Noch hatte Dareios einen Rest seiner griechischen Söldnerscharen unter des Phokiers Patron Führung; er erwartete die Ankunft mehrerer tausend Kadusier und Skythen; nach Ekbatana konnten die Völker von Turan und Ariana noch einmal zu den Waffen gerufen werden, um sich unter ihren Satrapen um die Person des Königs zu sammeln und den Osten des Reiches zu verteidigen; die medische Landschaft bot Positionen genug, in denen man sich verteidigen konnte, namentlich die kaspischen Pässe, die den Eingang nach den östlichen und nördlichen Satrapien bildeten, hätte man auch gegen einen übermächtigen Feind leicht behaupten und ihm dauernd sperren können. Dareios beschloß, noch einmal das Glück der Waffen zu versuchen und mit dem Heere, das er bis zur Ankunft Alexanders versammelt haben würde, den Feind am weiteren Vordringen zu hindern; er mochte durch die Gesandten Spartas und Athens, die sich an seinem Hoflager befanden, erfahren haben, wie tiefen Eindruck die Nachricht von der Schlacht von Gaugamela in Hellas gemacht habe und daß die antimakedonische Partei bereit sei, daß viele Staaten sich entweder schon mit Sparta offenbar vereint hätten oder nur des Königs Agis ersten Erfolg erwarteten, um von dem korinthischen Bunde abzufallen, daß sich so in Griechenland ein Umschwung der Verhältnisse vorbereitete, der die Makedonen bald genug aus Asien zurückzukehren zwingen werde. Dareios mochte hoffen glauben zu dürfen, daß das Ende seines Unglücks nicht mehr fern sei.
Schon nahte Alexander; Paraitakene, die Landschaft zwischen Persis und Medien, hatte sich unterworfen und Oxathres, den Sohn des susianischen Satrapen Abulites, zum Satrapen erhalten; auf die Nachricht, daß Dareios unter den Mauern von Ekbatana, an der Spitze eines bedeutenden Heeres von Baktrianern, Griechen, Skythen, Kadusiern den Angriff erwarten werde, eilte Alexander, den Feind möglichst bald zu treffen. Er ließ, um desto schneller fortzukommen, die Bagage mit ihrer Bedeckung zurück und betrat nach zwölf Tagen das medische Gebiet; da erfuhr er, daß weder die Kadusier noch die Skythen, die Dareios erwartet, eingetroffen seien, daß Dareios, um ein entscheidendes Zusammentreffen zu verzögern, sich bereits zum Rückzüge nach den kaspischen Pässen, wohin die Weiber, Wagen und Feldgerät schon vorausgegangen seien, anschicke. Doppelt eilte Alexander; er wollte Dareios selbst in seiner Gewalt haben, um allem weiteren Kampfe um den Perserthron ein Ende zu machen. Da kam, drei Tagereisen vor Ekbatana, Bisthanes, des Königs Ochos Sohn, einer von denen, die dem König Dareios bis dahin gefolgt waren, ins makedonische Lager; er bestätigte das Gerücht, daß Dareios weiter geflohen, daß er vor fünf Tagen aus Ekbatana gegangen sei, daß er die Schätze Mediens, etwa siebentausend Talente, mit sich genommen habe, ein Heer von sechstausend Mann Fußvolk und dreitausend Pferden ihn begleite. Alexander eilte nach Ekbatana; schnell wurden die dortigen Angelegenheiten geordnet, es wurden die Thessaler und die übrigen Bundesgenossen, so viele ihrer nicht freiwillig weiter dienen wollten, mit vollem Sold und einem Geschenk von zweitausend Talenten in die Heimat gesandt, aber nicht wenige blieben; es wurde der Perser Oxydates, der in Susa, früher von Dareios zum ewigen Gefängnis verdammt, durch Alexander befreit war und darum doppelten Vertrauens würdig schien, an Atropates Stelle, der mit Dareios war, zum Satrapen über Medien bestellt; es wurde Parmenion beauftragt, die Schätze aus Persis in die Burg von Ekbatana zu bringen und dem Harpalos zu übergeben, der zu ihrer Verwaltung bestellt wurde und vorerst zu deren Bewachung sechstausend Makedonen mit den nötigen Reitern und leichten Truppen behielt; Parmenion sollte dann nach Übergabe des Schatzes mit den Soldtruppen, den Thrakern usw. an dem Lande der Kadusier vorüber nach Hyrkanien marschieren. Kleitos, der krank in Susa zurückgeblieben war, erhielt den Befehl, sobald es seine Gesundheit gestatte, die sechstausend Mann, die vorläufig bei Harpalos blieben, ins Parthische zu führen, um sich dort mit der großen Armee wieder zu vereinen. Mit den übrigen Phalangen, mit der makedonischen Ritterschaft, den Söldnerreitern des Erigyios, den Sarissophoren, den Agrianern und Schützen eilte Alexander dem fliehenden Dareios nach; in elf höchst angestrengten Tagemärschen, in denen viele Menschen und Pferde liegenblieben, erreichte er Ragai, von wo aus für Alexanders Eile noch ein starker Marsch von acht Meilen bis zum Eingang der kaspischen Tore war. Aber die Nachricht, daß Dareios bereits jenseits des Passes sei und einen bedeutenden Vorsprung auf dem Wege nach Baktrien voraus habe, sowie die Erschöpfung seiner Truppen bewog den König, einige Tage in Ragai zu rasten.
Um dieselbe Zeit lagerte Dareios mit seinem Zuge wenige Tagemärsche im Osten der kaspischen Pässe. Er hatte kaum noch zwanzig Meilen Vorsprung; er mußte sich überzeugen, daß es einerseits unmöglich sei, bei der ungeheueren Schnelligkeit, mit der Alexander nacheilte, das turanische Land fliehend zu erreichen, daß er andererseits, wenn doch gekämpft werden mußte, möglichst seinen Marsch verlangsamen müsse, damit die Truppen mit frischer Kraft den vom Verfolgen ermatteten Feinden gegenüberträten; dazu kam, daß aus dem persischen Zuge schon manche zu Alexander übergegangen waren, daß man bei weiterer Flucht immer mehr Abfall fürchten mußte. Dareios berief die Großen seiner Umgebung und gab ihnen seine Absicht kund, das Zusammentreffen mit den Makedonen nicht länger meiden, sondern noch einmal das Glück der Waffen versuchen zu wollen. Diese Erklärung des Großkönigs machte tiefen Eindruck auf die Versammelten; das Unglück hatte die meisten entmutigt, man dachte mit Entsetzen an neuen Kampf. Wenige waren bereit, ihrem Könige alles zu opfern, unter ihnen der greise Artabazos; gegen ihn erhob sich Nabarzanes, der Chiliarch: die dringende Not zwinge ihn, ein hartes Wort zu sprechen; hier zu kämpfen sei der sicherste Weg zum Verderben, man müsse nach Turan flüchten, dort neue Heere rüsten; aber die Völker trauten dem Glück des Königs nicht mehr; nur eine Rettung gebe es; Bessos habe bei den turanischen Völkern großes Ansehen, die Skythen und Inder seien ihm verbündet, er sei Verwandter des königlichen Hauses; der König möge ihm, bis der Feind bewältigt sei, die Tiara abtreten. Der Großkönig riß seinen Dolch aus dem Gürtel, kaum entkam Nabarzanes; er eilte, sich mit seiner Perserschar von dem Lager des Königs zu sondern; Bessos folgte ihm mit den baktrischen Völkern. Beide handelten im Einverständnis und nach einem längst vorbereiteten Plane; Barsaentes von Drangiana und Arachosien wurde leicht gewonnen; die übrigen Satrapen der Ostprovinzen waren, wenn nicht offenbar beigetreten, doch geneigter, ihrem Vorteile, als ihrer Pflicht zu folgen. Darum beschwor Artabazos den König, nicht seinem Zorne zu folgen, bei den Meuterern sei die größere Streitmacht, ohne sie sei man verloren, er möge sie durch unverdiente Gnade zur Treue oder zum Schein des Gehorsams zurückrufen. Indes hatte Bessos versucht, die Schar der Perser zum Aufbruch gen Baktrien zu bewegen; aber sie schauderten noch vor dem Gedanken des offenbaren Verrats, sie wollten nicht ohne den König fliehen. Bessos Plan schien mißlungen; desto hartnäckiger verfolgte er ihn; er schilderte ihnen die Gefahr, in die sie der Großkönig stürze, er gewöhnte sie, die Möglichkeit eines Verbrechens zu denken, das allein retten könne. Da erschien Artabazos mit der Botschaft, der König verzeihe das unüberlegte Wort des Nabarzanes und die eigenwillige Absonderung des Bessos. Beide eilten in des Königs Zelt, sich vor ihm in den Staub zu werfen, und mit heuchlerischem Geständnis ihre Reue zu beglaubigen.
Des anderen Tages rückte der Zug auf dem Wege nach Thara weiter; die stumpfe Stille, die mißtrauische Unruhe, die überall herrschte, offenbarte mehr eine drohende als überstandene Gefahr. Der Führer der Griechen bemühte sich, in die Nähe des Königs zu kommen, dessen Wagen Bessos mit seinen Reitern umgab. Endlich gelang es dem treuen Fremdling; er sagte dem Könige, was er fürchte; er beschwor ihn, sich dem Schutze der griechischen Truppen anzuvertrauen, nur dort sei sein Leben sicher. Bessos verstand nicht die Sprache, wohl aber die Miene des hellenischen Mannes; er erkannte, daß nicht länger zu zögern sei. Man langte gegen Abend in Thara an; die Truppen lagerten, die Baktrier dem Zelte des Königs nahe; in der Stille der Nacht eilten Bessos, Nabarzanes und Barsaentes mit einigen Vertrauten in das Zelt, fesselten den König, schleppten ihn in den Wagen, in dem sie ihn als Gefangenen mit sich gen Baktrien führen wollten, um sich mit seiner Auslieferung Frieden von Alexander zu erkaufen. Die Kunde von der Tat verbreitete sich schnell durch das Lager, alles löste sich in wilde Verwirrung auf; die Baktrier zogen gen Osten weiter, mit Widerstreben folgten ihnen die meisten Perser; Artabazos und seine Söhne verließen den unglücklichen König, dem sie doch nicht mehr helfen konnten; sie zogen sich mit den griechischen Söldnern und den Gesandten aus Hellas nordwärts in die Berge der Tapurier zurück; andere Perser, namentlich des Mazaios Sohn Artabelos und Bagisthanes von Babylon, eilten rückwärts, sich der Gnade Alexanders zu unterwerfen.
Alexander hatte seine Truppen einige Tage in Ragai rasten lassen; am Morgen des sechsten Tages brach er wieder auf; er erreichte mit einem starken Marsche den Westeingang der Pässe (Aiwan-i-Keif); folgenden Tages zog er durch die Pässe, die, fast drei Stunden lang, seinen Marsch nicht wenig verzögerten, dann noch so weit, als an diesem Tage zu kommen möglich war, durch die wohlbebaute Ebene von Choarene (Khuar) bis zu dem Saum der Steppe, über die der Weg ostwärts nach der parthischen Hauptstadt Hekatompylos, dem Mittelpunkt der Heerstraßen gen Hyrkanien, Baktrien und Ariana, führt. Während das Heer hier lagerte und einige Truppen sich in der Gegend zerstreuten, um für den Weg durch die Steppe zu fouragieren, kamen Bagisthanes und Artabelos in das makedonische Lager, unterwarfen sich der Gnade des Königs; sie sagten aus, daß Bessos und Nabarzanes sich der Person des Großkönigs bemächtigt hätten und eiligst gen Baktrien zögen; was weiter geschehen, wüßten sie nicht. Mit desto größerer Eile beschloß Alexander die Fliehenden zu verfolgen; indem er den größeren Teil der Truppen unter Krateros mit dem Befehl, langsam nachzurücken, zurückließ, eilte er selbst mit der Ritterschaft, den Plänklern, den leichtesten und kräftigsten vom Fußvolk den Fliehenden nach. So die Nacht hindurch bis zum folgenden Mittag; und wieder nach wenigen Stunden Rast die zweite Nacht hindurch; mit Sonnenaufgang erreichte man Tara, wo schon vier Tage früher Dareios von den Meuterern gefangen genommen war. Hier erfuhr Alexander von des Großkönigs Dolmetscher Melon, der krank zurückgeblieben war, daß Artabazos und die Griechen sich nordwärts in die tapurischen Berge zurückgezogen hätten, daß Bessos an Dareios' Statt die Gewalt in Händen habe und von den Persern und Baktriern als Gebieter anerkannt werde, daß der Plan der Verschworenen sei, sich in die Ostprovinzen zurückzuziehen, und dem Könige Alexander gegen den ungestörten und unabhängigen Besitz des persischen Ostens die Auslieferung des Dareios anzubieten, wenn er dagegen weiter vordringe, ein möglichst großes Heer zusammenzubringen und sich gemeinschaftlich im Besitz der Herrschaften, die sie hätten, zu behaupten, vorläufig aber die Führung des Ganzen in Bessos Händen zu lassen, angeblich wegen seiner Verwandtschaft mit dem königlichen Hause und seines nächsten Anrechts auf den Thron. – Alles drängte zur größten Eile; kaum gönnte sich Alexander während des heißen Tages Rast, am Abend jagte er weiter, die ganze Nacht hindurch; fast erlagen Mann und Roß; so kam er mittags in ein Dorf (etwa Bakschabad), in dem tags zuvor die Verschworenen gelagert und das sie am Abend verlassen hatten, um, wie gesagt wurde, fortan bei Nacht ihren Zug fortzusetzen; sie konnten nicht mehr als einige Meilen voraus sein; aber die Pferde waren erschöpft, die Menschen mehr als ermattet, der Tag heiß; auf Erkundigung bei den Einwohnern, ob es nicht einen kürzeren Weg den Fliehenden nach gebe, erfuhr Alexander, der kürzere sei öde, ohne Brunnen. Diesen beschloß er zu verfolgen; er wählte fünfhundert Pferde der Ritterschaft und für diese die Offiziere und die tapfersten Leute des Fußvolkes aus und ließ sie in ihren Waffen aufsitzen; mit dem Befehl, daß die Agrianer unter Attalos möglichst schnell auf dem Heerwege nachrücken, die anderen Truppen unter Nikanor geordnet folgen sollten, zog er mit seinen ›Doppelkämpfern‹ um die Abenddämmerung den wasserlosen Heideweg hinab. Viele erlagen der übermäßigen Anstrengung und blieben am Wege liegen. Als der Morgen graute, sah man die zerstreute unbewehrte Karawane der Hochverräter; da jagte Alexander auf sie los; der plötzliche Schrecken verwirrte den langen Zug, mit wildem Geschrei sprengten die Barbaren auseinander; wenige versuchten Widerstand, sie erlagen bald, die übrigen flohen in wilder Hast, Dareios' Wagen in der Mitte, ihm zunächst die Verräter. Schon nahte Alexander; nur ein Mittel noch konnte retten; Bessos und Barsaentes durchbohrten den gefesselten König und jagten fliehend nach verschiedenen Seiten. Dareios verschied kurz darauf. Die Makedonen fanden den Leichnam, und Alexander, so wird erzählt, deckte seinen Purpur über ihn.
So endete der letzte Großkönig aus dem Geschlecht der Achämeniden. Nicht dem erlag er, gegen den er sein Reich zu behaupten vergebens versucht hatte; die Schlachten, die er verloren, hatten ihn mehr als Gebiet und Königsmacht, sie hatten ihn den Glauben und die Treue seines Perservolkes und seiner Großen gekostet; ein Flüchtling unter Verrätern, ein König in Ketten, so fiel er von den Dolchen seiner Satrapen, seiner Blutsverwandten durchbohrt; ihm blieb der Ruhm, nicht um den Preis der Tiara sein Leben erkauft, noch dem Verbrechen ein Recht über das Königtum seines Geschlechtes zugestanden zu haben, sondern als König gestorben zu sein. Als König ehrte ihn Alexander; er sandte den Leichnam zur Bestattung in die Gräber von Persepolis; Sisygambis begrub den Sohn.
Alexander hatte mehr erreicht, als er hatte erwarten können. Nach zwei Schlachten hatte er den geschlagenen König fliehen lassen; aber seit er, Herr der Königsstädte des Reiches, auf dem Thron des Kyros und nach persischer Weise die Huldigung der Großen entgegengenommen hatte, seit er den Völkern Asiens als ihr Herr und König galt und gelten mußte, durfte der flüchtige König nicht länger den Namen seiner verlorenen Herrlichkeit, eine Fahne zu immer neuem Aufruhr, durch die Steppen von Iran und Turan tragen. Der Wille und die Notwendigkeit, den Feind zu fangen, wurde nach der heroischen Natur Alexanders zur persönlichen Leidenschaft, zum achilleischen Zorn; er verfolgte ihn mit einer Hast, die an das Ungeheuere grenzte, und die, vielen seiner Tapferen zum Verderben, ihn dem gerechten Vorwurf despotischer Schonungslosigkeit aussetzen würde, wenn er nicht selbst Mühe und Ermüdung, Hitze und Durst mit seinen Leuten geteilt, selbst die wilde Jagd der vier Nächte geführt und bis zur letzten Erschöpfung ausgehalten hätte. Damals, heißt es, brachten ihm Leute einen Trunk Wasser im Eisenhelm; er dürstete und nahm den Helm, er sah seine Reiter traurig nach dem Labetrunk blicken, und gab ihn zurück: »tränke ich allein, meine Leute verlören den Mut«. Da jauchzten die Makedonen: »Führe uns, wohin du willst! Wir sind nicht ermattet, wir dürsten auch nicht, wir sind nicht mehr sterblich, solange du unser König bist!« So spornten sie ihre Rosse und jagten mit ihrem Könige weiter, bis sie den Feind sahen und den toten Großkönig fanden.
Man hat Alexanders Glück darin erkennen wollen, daß sein Gegner tot, nicht lebend in seine Hände gefallen sei; er würde stets ein Gegenstand gerechter Besorgnis für Alexander, ein Anlaß gefährlicher Wünsche und Pläne für die Perser gewesen sein, und endlich würde doch nur über seinen Leichnam der Weg zum ruhigen Besitze Asiens geführt haben; Alexander sei glücklich zu preisen, daß ihm nur die Furcht, nicht auch die Schuld dieses Mordes zugefallen, er habe sich um der Perser willen das Ansehen geben können, als beklage er ihres Großkönigs Tod. Vielleicht hat Alexander, wie nach ihm der große Römer, über den verbrecherischen Untergang seines Feindes sich der Vorteile zu freuen vergessen, die ihm aus dem Blute eines Königs zufließen sollten; große Geister fesselt an den Feind ein enges Band, eine Notwendigkeit, möchte man sagen, wie die Macht des Schlages sich nach dem Gegenstand bestimmt, den er treffen soll. Bedenkt man, wie die Königinmutter, wie die Gemahlin und Kinder des Großkönigs von Alexander aufgenommen waren, wie er überall ihr Unglück zu ehren und zu lindern suchte, so kann man nicht zweifeln, welches Schicksal er dem gefangenen Könige gewährt hätte; in des Feindes Hand wäre dessen Leben sicherer gewesen, als unter Persern und Blutsverwandten.
Es ist ein anderer Punkt in diesen Vorgängen, in dem man Alexanders Glück erkennen kann – sein Glück oder sein Verhängnis. Wäre Dareios lebend in seine Hand gefallen, so hätte er dessen Verzicht auf die Länder, die ihm bereits entrissen waren, dessen Anerkennung der neuen Machtgründung in Asien gewinnen, sie vielleicht damit erkaufen können, daß er ihm die östlichen Satrapien überließ; er hätte dann hier, wie er später in Indien mit dem König Poros getan, an der Grenze seines Reiches ein Königtum bestehen lassen, das in losen Formen der Abhängigkeit nur seine Oberhoheit anerkannte. Mit der Ermordung des Dareios war die Möglichkeit eines solchen Abschlusses dahin; wenn Alexander einen solchen möglich gehalten, wenn er wirklich daran gedacht hatte, endlich einmal Halt zu machen, so riß ihn jetzt das Verbrechen, das an seinem Gegner verübt war, weiter, in das Unabsehbare hinaus. Die Mörder nahmen die Macht und den Titel in Anspruch, die der legitime König nicht zu behaupten vermocht hatte; sie waren Usurpatoren gegen Alexander, wie sie Verräter an Dareios geworden waren. Das natürliche Vermächtnis des ermordeten Königs bestellte den, der ihn besiegt, zum Rächer an seinen Mördern; die Majestät des persischen Königtums, durch das Recht des Schwertes gewonnen, ward jetzt zum Schwerte des Rechtes und der Rache in Alexanders Hand; sie hatte keinen Feind mehr, als die letzten Vertreter, keinen Vertreter, als den einstigen Feind desselben Königtums.
In den entsetzlichen Vorgängen dieser letzten Tage hatte sich die Stellung der persischen Großen völlig verändert. Die ihren König nach der Schlacht von Gaugamela nicht verlassen hatten, meist Satrapen der östlichen Provinzen, hatten ihre eigene Sache geschützt, wenn sie um die Person des Königs zusammenhielten. Jene Aufopferung und rührende Anhänglichkeit des Artabazos, der, einst in Pella an König Philipps Hofe ein willkommener Gast, einer ehrenvollen Aufnahme bei Alexander hätte gewiß sein können, teilten wenige, da sie ohne Nutzen und voll Gefahr erschien. Sobald des Großkönigs Unglück ihren Vorteil, ja die Existenz ihrer Macht auf das Spiel setzte, begannen sie, sich und ihre Ansprüche auf Kosten dieses Königs zu schützen, durch dessen Verblendung und Schwäche allein sie das Reich der Perser ins Verderben gestürzt glaubten; das ewige Fliehen des Dareios brachte nun, nach dem Verlust so vieler und schöner Länder, auch ihre Satrapien in Gefahr; es schien ihnen billig, lieber etwas zu gewinnen, als alles zu verlieren, lieber den Rest des Perserreiches zu behaupten, als auch ihn noch für eine verlorene Sache zu opfern; wenn nur durch sie noch Dareios König sein konnte, so glaubten sie nicht minder, sich ohne Dareios im Besitz ihrer Herrschaft behaupten zu können.
Sie hatten Dareios gefangengenommen, Alexanders plötzlicher Angriff trieb sie, ihn zu morden, um sich selbst zu retten; sie flohen, um die Verfolgung zu erschweren, in zwei Haufen, Bessos auf dem Wege von Khorassan nach Baktrien, Nabarzanes mit den Resten seiner Chiliarchie und von dem parthischen Satrapen begleitet nach Hyrkanien, um von dort aus gen Baktrien zu eilen und sich mit Bessos zu vereinigen. Ihr Plan war, die persische Macht im Osten wenigstens aufrecht zu erhalten und dann aus ihrer Mitte, wie einst nach Smerdes Ermordung, einen neuen König der Könige zu ernennen. Indes war es klar, daß, wenn Phrataphernes aus Parthien, Satibarzanes aus Areia, Barsaentes aus Drangiana hinweg nach Baktrien ging, um unter Bessos Führung, wie verabredet war, zu kämpfen, jedenfalls ihre Satrapien dem Feinde in die Hände fielen, und sie ihre Länder einer sehr fernen Hoffnung opferten; so blieb Phrataphernes in Hyrkanien stehen, und Nabarzanes schloß sich ihm an; Satibarzanes ging nach Areia, Barsaentes nach Drangiana, um nach den weiteren Unternehmungen Alexanders ihre Maßregeln zu nehmen; dieselbe Selbstsucht, die sie zum Königsmorde vereint hatte, zerriß die letzte Macht, die dem Feinde noch hätte entgegentreten können, und indem sie jeder nur sich und den eigenen Vorteil im Auge hatten, sollten sie vereinzelt desto sicherer dem Schwerte des Furchtbaren erliegen.
Alexander seinerseits war nach dem Überfall, bei der gänzlichen Erschöpfung seiner Leute, nicht imstande gewesen, Dareios' Mörder, die nach allen Seiten hin flohen, zu verfolgen. In der Ebene von Hekatompylos rastete er, um die zurückgebliebenen Truppen an sich zu ziehen und die Angelegenheiten der Satrapie Parthien zu ordnen. Der Parther Amminapes, der sich dem Könige bei dessen Eintritt in Ägypten mit Mazakes unterworfen hatte, erhielt die Satrapie, Tleopolemos, aus der Schar der Hetairen, wurde ihm an die Seite gesetzt.
Im Norden der Stadt beginnen die Vorberge der Elbursketten, die von den Tapuriern bewohnt wurden; von einzelnen Pässen durchschnitten, trennen sie die Grenzen von Parthien im Süden und Hyrkanien im Norden, die erst weiter ostwärts in den Klippenzügen von Khorassan aneinanderstoßen; der Besitz dieser Pässe, die als Verbindung zwischen dem kaspischen Meere und dem Inneren, zwischen Iran und Turan so wichtig sind, war für den Augenblick doppelt notwendig für Alexander, weil sich einerseits die griechischen Söldner von Thara aus in die tapurischen Berge zurückgezogen hatten, andererseits Nabarzanes und Phrataphernes jenseits des Gebirges in Hyrkanien standen. Alexander verließ die Straße von Chorassan, auf der sich Bessos geflüchtet hatte, um sich erst dieser wichtigen Paßgegend zu versichern. Zadrakarta, eine Hauptstadt Hyrkaniens am Nordhange des Gebirges, ward als Vereinigungspunkt der drei Heeresabteilungen bestimmt, mit denen Alexander nach Hyrkanien zu gehen beschloß. Auf dem längsten aber bequemsten Wege führte Erigyios, von einigen Reiterabteilungen begleitet, die Bagage und Wagen hinüber; Krateros mit seiner und mit Amyntas Phalanx, mit sechshundert Schützen und ebenso vielen Reitern, zog über die Berge der Tapurier, um sie und zugleich die griechischen Söldner, wenn er sie träfe, zu unterwerfen; Alexander selbst mit den übrigen Truppen schlug den kürzesten, aber beschwerlichsten Weg ein, der nordwestlich von Hekatompylos in die Berge führt. Mit der größten Vorsicht rückten die Kolonnen vor, bald der König mit den Hypaspisten, den leichtesten unter den Phalangiten und einem Teil der Bogenschützen voraus, Posten auf den Höhen zu den beiden Seiten des Weges zurücklassend, um den Marsch der Nachkommenden zu sichern, die die wilden Stämme jener Berge beutelüstern zu überfallen bereit lagen; sie zu bekämpfen wäre zu zeitraubend, wenn nicht gar erfolglos gewesen. Mit den Bogenschützen vorauseilend machte Alexander, in der Ebene auf der Nordseite des Gebirgs angelangt, an einem nicht bedeutenden Fluß halt, die Nachrückenden zu erwarten. In den nächsten vier Tagen kamen sie, zuletzt die Agrianer, die Nachhut des Zuges, nicht ohne einzelne Gefechte mit den Barbaren, von den Bergen herab. Dann rückte Alexander auf dem Wege nach Zadrakarta vor, wo demnächst auch Krateros und Erigyios eintrafen, Krateros mit dem Bericht, daß er zwar die griechischen Söldner nicht getroffen habe, daß aber die Tapurier teils mit Gewalt unterworfen seien, teils sich freiwillig ergeben hätten.
Schon in dem Lager am Flusse waren zu Alexander Boten von dem Chiliarchen Nabarzanes gekommen, der sich bereit erklärte, die Sache des Bessos zu verlassen und sich der Gnade Alexanders zu unterwerfen; auf dem weiteren Wege war der Satrap Phrataphernes nebst anderen der angesehensten Perser, die bei dem Großkönige gewesen waren, zu Alexander gekommen, sich zu unterwerfen. Der Chiliarch, einer von denen, die Dareios gebunden hatten, mochte sich mit Straflosigkeit begnügen müssen; sein Name, sonst einer der ersten im Reiche, wird nicht weiter genannt. Phrataphernes dagegen und seine beiden Söhne Pharismanes und Sissines gewannen bald Alexanders Vertrauen, dessen sie sich in mehr als einer Gefahr würdig zeigen sollten; der Vater erhielt seine Satrapien Parthien und Hyrkanien zurück. Dann kam Artabazos mit dreien seiner Söhne, Arsames, Kophen und Ariobarzanes, dem Verteidiger der persischen Pässe; Alexander empfing sie so, wie ihre Treue gegen den unglücklichen Dareios es verdiente; Artabazos war ihm aus der Zeit bekannt, wo derselbe mit seinem Schwager, dem Rhodier Memnon, am Hofe zu Pella Zuflucht gefunden hatte; er war dem abendländischen Wesen schon nicht mehr fremd; er und seine Söhne nahmen fortan in Alexanders Umgebung neben den vornehmsten Makedonen eine ehrenvolle Stellung ein. Mit ihnen zugleich war Autophradates, der Satrap der Tapurier, gekommen; auch er wurde mit Ehren aufgenommen und in dem Besitz seiner Satrapie bestätigt. Mit Artabazos war von den griechischen Truppen eine Gesandtschaft eingetroffen, bevollmächtigt, im Namen der ganzen Schar mit dem Könige zu kapitulieren; auf seine Antwort, daß das Verbrechen derer, die wider den Willen von ganz Hellas für die Barbaren gekämpft hätten, zu groß sei, als daß mit ihnen kapituliert werden könne, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben, oder so gut sie könnten, retten möchten, erklärten die Bevollmächtigten, daß sie bereit seien, sich zu ergeben, der König möge jemanden mitsenden, unter dessen Führung sie sicher ins Lager kämen. Alexander wählte dazu Artabazos, ihren Führer auf dem Rückzuge von Thara, und Andronikos, einen der angesehensten Makedonen, den Schwager des schwarzen Kleitos.
Alexander erkannte die außerordentliche Wichtigkeit der hyrkanischen Satrapie, ihrer Engpässe, ihrer hafenreichen Küsten, ihrer zum Schiffbau trefflichen Waldungen; schon jetzt mochte ihn der große Plan einer kaspischen Flotte, eines Verkehrs zwischen den Küsten und dem Osten Asiens, einer Entdeckungsfahrt in diesem Meere beschäftigen; noch mehr als dies forderte die Kommunikation zwischen den bisherigen Eroberungen und den weiteren Heereszügen vollkommene Besitznahme dieser paßreichen Gebirgslandschaft, die das Südufer des Kaspischen Meeres beherrscht. Alexander hatte sich eben jetzt der Pässe der tapurischen Distrikte versichert; Parmenion war beauftragt, mit dem Korps, das in Medien stand, durch das nördliche Medien und die kaspischen Westpässe im Lande der Kadusier nach dem Meeresstrande hinabzurücken, um die Straße, welche Armenien und Medien mit dem Tale des Kur und dem Kaspischen Meere verbindet, zu öffnen; er sollte von dort aus, am Strande entlang nach Hyrkanien und weiter der großen Armee nachziehen. Noch hatten die Mardier, deren Wohnsitze der Name des Amardosflusses zu bezeichnen scheint, sich nicht unterworfen; der König beschloß, gleich jetzt gegen sie auszuziehen. Während die Hauptmasse des Heeres im Lager zurückblieb, zog er selbst an der Spitze der Hypaspisten, der Phalangen Koinos und Amyntas, der Hälfte der Ritterschaft und den neuformierten Akonnisten zu Pferd an der Küste entlang gen Westen. Die Mardier fühlten sich, da noch nie ein Feind in ihre Wälder eingedrungen war, völlig sicher, sie glaubten den Eroberer aus dem Abendlande schon auf dem weiteren Marsch nach Baktrien; da rückte Alexander von der Ebene heran; die nächsten Ortschaften wurden genommen, die Bewohner flüchteten sich in die waldigen Gebirge. Mit unsäglicher Mühe zogen die Makedonen durch diese wegelosen, dicht verwachsenen und schauerlichen Wälder nach; oft mußten sie sich mit dem Schwerte den Weg durch das Dickicht bahnen, während bald hier, bald da einzelne Haufen von Mardiern sie überfielen oder aus der Ferne mit ihren Speeren trafen; als aber Alexander immer höher hinaufdrang und die Höhen mit seinen Märschen und Posten immer dichter einschloß, schickten die Mardier Gesandte an ihn und unterwarfen sich und ihr Land seiner Gnade; er nahm von ihnen Geiseln, ließ sie übrigens in ungestörtem Besitz und stellte sie unter den Satrapen Autophradates von Tapurien.
In das Lager von Zadrakarta zurückgekehrt, fand Alexander bereits die griechischen Söldner, fünfzehnhundert an der Zahl, mit ihnen die Gesandten von Sparta, Athen, Kalchedon, Sinope, die, an Dareios gesandt, seit Bessos Verrat sich mit den Griechen zurückgezogen hatten. Alexander befahl, daß von den griechischen Söldnern diejenigen, welche schon vor dem korinthischen Vertrage in persischem Solde gewesen waren, ohne weiteres entlassen, den anderen unter der Bedingung, daß sie in das makedonische Heer einträten, Amnestie bewilligt werden sollte; Andronikos, der sich für sie verwandt hatte, erhielt den Befehl über sie. Die Gesandten anbelangend entschied der König, weil Sinope nicht mit in dem hellenischen Bunde sei, überdies der Stadt die Gesandtschaft an den Perserkönig als ihren Herrn nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, deren Gesandte sofort auf freien Fuß zu setzen; ebenso wurde der Gesandte von Kalchedon entlassen, die von Sparta und Athen dagegen, die offenbar verräterische Verbindungen mit dem gemeinsamen Feind aller Hellenen unterhalten hätten, festzunehmen bis auf weiteren Befehl in Gewahrsam zu halten.
Darauf brach Alexander aus dem Lager auf und rückte in die Residenz der hyrkanischen Satrapie ein, um nach kurzer Rast die weiteren Operationen zu beginnen.
Während dieser Vorfälle in Asien hatte in Europa das Glück der makedonischen Waffen noch eine gefährliche Probe zu bestehen; die Entscheidung war um so wichtiger, da Sparta, nach Athens Niederlage, nach Thebens Fall der namhafteste Staat in Hellas, sich an der Spitze dieser Bewegungen gestellt hatte.
König Agis war, wie wir sahen, Ausgang des Jahres 333 trotz der eben eingetroffenen Nachricht von der Schlacht bei Issos, mit der noch bei Siphnos ankernden persischen Seemacht im Einverständnis, in Aktion getreten, hatte durch seinen Bruder Agesilaos Kreta besetzen lassen. Hätte damals Athen sich entschließen wollen, der Bewegung beizutreten, so würden – denn ohne weiteres hätten hundert Trieren aus dem Piräus in See gehen können – bedeutende Erfolge möglich gewesen sein. Aber da Athen nicht zu diesem Entschluß kam, so wagten auch die anderen Genossen des hellenischen Bundes nicht, die beschworenen Verträge zu brechen, und der Beistand einiger Tyrannen und Oligarchen auf den Inseln hätte die persische Seemacht nicht stark genug gemacht, um gegen Amphoteros und Hegelochos standzuhalten; mit dem Frühling 332, mit der Belagerung von Tyros löste sie sich völlig auf, bis zum Ende des Jahres waren alle Inseln des Ägäischen Meeres, auch Kreta befreit. Dennoch wurde es in Hellas nicht ruhig; weder die Siege Alexanders, noch die Nähe des bedeutenden Heeres, das der Reichsverweser in Makedonien unter den Waffen hielt, machten die Patrioten an ihren Hoffnungen und ihren Plänen irre; unzufrieden mit allem, was geschehen war und noch geschah, noch immer in dem Wahne, daß es möglich und gerechtfertigt sei, trotz des beschworenen Bundes und der makedonischen Übermacht, Sonderpolitik in alter Art zu treiben, um die alte Staatenfreiheit zu erneuern, benutzten sie jede Gelegenheit, in der leichtsinnigen und leichtgläubigen Menge Mißgunst, Besorgnis, Erbitterung zu nähren; Thebens unglückliches Ende war ein unerschöpflicher Quell zu Deklamationen, den korinthischen Bundestag nannten sie eine schlechtberechnete Illusion. Alles, was von Makedonien ausging, selbst Ehren und Geschenke, wurde verdächtigt oder als Schmach für freie Hellenen bezeichnet: Alexander wolle nichts anderes, als das Synedrion selbst und jeden einzelnen Beisitzer desselben zu Werkzeugen der makedonischen Despotie machen. Die Einheit der Hellenen sei eher im Hasse gegen Makedonien als im Kampfe gegen Persien zu finden; ja die Siege über Persien seien für Makedonien nur ein Mittel, die Freiheit der hellenischen Staaten zu vernichten. Natürlich war die Rednerbühne Athens der rechte Ort, dieses Mißvergnügen in sehr erregten Debatten zur Schau zu stellen; nirgends standen sich die beiden Parteien schärfer gegenüber; und das Volk, bald von Demosthenes, Lykurgos, Hypereides, bald von Phokion, Demades und Äschines bestimmt, widersprach sich oft genug selbst in seinen souveränen Beschlüssen; während man mit dem Synedrion des Bundes wetteifernd Glückwünsche und goldene Kränze an Alexander sandte, war und blieb auch nach dem Tage von Gaugamela ein attischer Gesandter am Hoflager des Großkönigs; während so Athen Verbindungen unterhielt, die nach dem Bundesvertrage offenbarer Verrat waren, ereiferten sich die attischen Redner über die neuen Vertragsverletzungen, die sich Makedonien erlaube. Nur daß man es vorzog, sich nicht in Gefahr zu begeben; man begnügte sich mit finsteren Gedanken und bedeutsamen Worten.
Nur Agis gab, auch nachdem sein Bruder durch Amphoteros und die makedonische Flotte aus Kreta verdrängt war, die einmal begonnene Aktion nicht auf. Er hatte von den bei Issos zersprengten Söldnern eine bedeutende Zahl an sich gezogen, der Werbeplatz auf den Tainaron bot ihm so viel Kriegsvolk, als er Geld hatte anzuwerben; er hatte mit den Patrioten namentlich in den peloponnesischen Städten Verbindungen angeknüpft, die den besten Erfolg versprachen; die Umsicht und Kühnheit, mit der er seine Macht und seinen Anhang zu mehren verstand, gab den Gegnern Makedoniens nah und fern die Zuversicht naher Rettung.
In eben dieser Zeit fand ein Unternehmen, das mit großen Hoffnungen begonnen worden war, ein trauriges Ende. Ob der Zug des Epiroten Alexandros nach Italien im Einverständnis mit dem makedonischen Könige oder in Rivalität gegen denselben unternommen sein mochte, es gab einen Moment, wo das Griechentum Italiens mit seinen Siegen sich stolzer denn je erheben zu sollen schien. Aber die Tarentiner, die in ihm nur einen Kondottiere gegen die italischen Völker in den Bergen hatten haben wollen, begannen seine hochfliegenden Pläne zu fürchten, und die hellenischen Städte waren mit ihnen einig, daß man ihn lähmen müsse, bevor er ihrer Freiheit gefährlich werde. Der Fortgang seiner Waffen stockte, er wurde von einem lukanischen Flüchtling ermordet, sein Heer von den Sabellern bei Pandosia aufgerieben. Seinem Tode folgten Irrungen im Molosserlande wegen der Erbfolge; ein unmündiger Knabe, den ihm die makedonische Kleopatra, Alexanders Schwester, geboren, war sein Erbe; aber Olympias – sie lebte, wie es scheint, im epirotischen Lande – suchte der Witwe, ihrer Tochter, das Regiment zu entreißen; ›das Land der Molosser gehöre ihr‹, schrieb sie den Athenern, die in Dodona ein Bild der Dione hatten schmücken lassen, als dürfe dergleichen nicht ohne ihre Erlaubnis geschehen. Daß so in dem Königshause selbst Zwist begann, konnte die Hoffnungen der Patrioten in Hellas nur erhöhen.
Als Alexander im Frühling 331 auf dem Marsch zum Euphrat in Tyros war, wußte er bereits von den weiteren Bewegungen des Agis; er begnügte sich damals, hundert phönikische und kyprische Schiffe aufzubieten, die sich mit Amphoteros vereinigen sollten, die ihm getreuen Städte auf dem Peloponnes zu schützen. Er ehrte die athenischen Gesandten, die ihm in Tyros mit Glückwünschen und goldenen Kränzen entgegengekommen waren, und gab die am Granikos gefangenen Athener frei, um sich den attischen Demos zu verpflichten; er schien geflissentlich vermeiden zu wollen, daß es zwischen makedonischen und spartanischen Waffen zum offenbaren Kampfe käme, der bei der Stimmung in den hellenischen Landen – selbst in Thessalien begann sie unsicher zu werden – sehr bedenkliche Folgen haben konnte; im Begriff, einen neuen und entscheidenden Schlag gegen Dareios zu führen, hoffte er, daß der Eindruck desselben die Aufregung in Hellas entmutigen werde.
So mußte Antipatros während des Jahres 331 ruhig die Rüstungen des Spartanerkönigs und dessen wachsenden Einfluß im Peloponnes mit ansehen, sich begnügen mit der Autorität Makedoniens in den Bundesstädten soweit zu wirken, als es irgend möglich war im übrigen die Bewegungen der feindlichen Partei sorgfältig und immer kriegsbereit zu beobachten; er durfte die durch den Tod des Molosserkönigs entstandenen Irrungen nicht benutzen, die, wie es scheint, gelockerte Abhängigkeit des Landes von Makedonien herzustellen, und selbst den Unwillen und den bitteren Vorwurf der Königin Olympias, die mit makedonischer Kriegsmacht ihren Anspruch auf das molossische Erbe durchgeführt sehen wollte, mußte er ruhig ertragen.
Indes hatte die Bewegung in Hellas eine sehr ernste Wendung genommen. Die Nachricht von Gaugamela – sie konnte Ausgangs des Jahres 331 in Athen sein – mußte die Gegner Makedoniens entweder zur Unterwerfung oder zu einer letzten Kraftanstrengung veranlassen. Alexanders Fernsein, der Hader in Epiros, die, wie man wußte, wachsende Mißstimmung in den thrakischen Landen empfahl und begünstigte ein rasches Wagnis. Bald mochte man über Sinope erfahren, daß der Großkönig sich nach Medien gerettet, daß er zum nächsten Frühling die Völker seiner östlichen Satrapien nach Ekbatana beschieden habe, daß er den Kampf gegen den Makedonen fortzusetzen entschlossen sei. Noch durfte man wenigstens Subsidien von ihm erwarten; und wie sollte Alexander, von dessen Zuge nach Susa, nach dem hohen Persien man schon wissen konnte, wagen, sein Heer, das kaum zur Besetzung der endlos weiten Wegestrecken bis zum Hellespont rückwärts hinreichte, mit Entsendungen nach Makedonien und zum Kampf gegen die Hellenen zu schwächen. Wenn man jetzt noch unschlüssig zögerte, so konnte der letzte Rest der Persermacht erliegen, so mußte man erwarten, daß Alexander demnächst an der Spitze ungeheurer Heeresmassen wie ein zweiter Xerxes Hellas überfluten und zu einer Satrapie seines Reiches machen werde. Die Erregbarkeit des Volksgeistes, die begeisterten Deklamationen patriotischer Redner, die dem Zeitalter eigentümliche Lust am Übertriebenen und Unglaublichen, und nicht an letzter Stelle der alte Nimbus der Spartanermacht, die sich so glorreich von neuem erhob – alles vereinte sich, eine Eruption hervorzubringen, die für Makedonien verhängnisvoll werden konnte.
Es folgen höchst merkwürdige Ereignisse, von denen uns freilich nur einzelne zerstreute Notizen überliefert sind, deren Zusammenhang, ja deren zeitliche Folge nicht mehr festgestellt werden kann.
Es ist in neuester Zeit die obere Hälfte eines attischen Inschriftsteines gefunden worden, mit einem Relief geschmückt, auf dem noch die Reste von zwei Pferden, ein Mann im Himation, der in der Rechten eine Schale zum Spenden hält, eine Athena, die die Hand, wie es scheint, zu ihm hinstreckt, zu erkennen ist; darunter: ›Rhebulas, des Seuthes Sohn, des Kotys Bruder …‹. Folgt dann ein Volksbeschluß, von dem nur die Datierung übrig ist, die etwa dem 10. Juni 330 entspricht. Was konnte den Sohn des Seuthes nach Athen geführt haben, daß ihn die Athener mit einem so geschmückten Ehrendekret auszeichneten?
Arrian freilich berichtet über die Vorgänge dieses Jahres in Hellas, Makedonien, Thrakien nichts, aber die auf Kleitarchos zurückführenden Überlieferungen geben einiges. Diodor sagt: »Memnon, der makedonische Strateg in Thrakien, der Truppen hatte und voll Ehrgeiz war, regte die Barbaren auf und griff, als er sich stark genug sah, selbst zu den Waffen, weshalb Antipatros seine Kriegsmacht aufbot, nach Thrakien eilte, wider ihn kämpfte.« Noch weitere Momente bietet Justin; nachdem er das Ende des Dareios berichtet hat, fährt er fort: »Während dies geschah, empfing Alexander Briefe des Antipatros aus Makedonien, in denen von dem Kriege des Spartanerkönigs Agis in Griechenland, von des Molosserkönigs in Italien, von dem Kriege seines Satrapen Zopyrion in Skythien berichtet war«; und weiterhin: »Zopyrion, der von Alexander als Strateg des Pontos bestellt war, in der Meinung, lässig zu sein, wenn er nicht auch etwas unternehme, ging mit einem Heere von dreißigtausend Mann gegen die Skythen und fand mit seiner ganzen Macht den Untergang«.
Freilich, Curtius, der doch im wesentlichen auf dieselbe Quelle zurückführt, berichtet von Zopyrion und dem thrakischen Aufstande so, daß man glauben muß, diese Dinge wären volle vier Jahre später geschehen; aber es sind unzweifelhaft die gleichen Vorgänge: »Alexander habe aus Indien nach Persien zurückgekehrt, Berichte über das, was während seiner Abwesenheit in Asien und Europa geschehen, empfangen: daß Zopyrion, als er einen Krieg gegen die Geten unternommen, durch plötzlich entstandenen Sturm mit seinem ganzen Heere untergegangen sei, daß auf die Nachricht von dieser Niederlage Seuthes die Odryser, seine Landsleute, zum Abfall veranlaßt habe, daß, da Thrakien fast verloren gewesen sei, nicht einmal Griechenland …« da beginnt eine längere Lücke im Text des Curtius.
Also nach der Auffassung des Curtius hat die schwere Niederlage des Zopyrion dem thrakischen Fürsten Seuthes den Entschluß zur Empörung gegeben; nach Diodor ist Memnon, der Strateg im makedonischen Thrakien, der Anstifter dieses Abfalls; nach einer anderen Nachricht, die aus dem Kreise derselben kleitarchischen Überlieferung zu stammen scheint, ist zugleich das Gerücht vom Tode Alexanders verbreitet; nach einer anderen gleichen Ursprungs hat Antipatros gegen die ›Vierländer‹, die am Haimos und bis zur Rhodope hinüber wohnen, ausziehen müssen und sie durch eine Kriegslist zur Heimkehr veranlaßt.
Man sieht ungefähr, wie hier die Dinge zusammenhängen. Alexander hatte im Spätherbst 331 von Susa aus Menes mit dreitausend Talenten nach der Küste gesandt mit der Weisung, an Antipatros so viel zu übermachen, wie derselbe zum Kriege gegen Agis brauchen werde. Mag Zopyrion, der Strateg am Pontos, gewiß ohne Weisung Alexanders, gewiß ohne Gutheißung des Antipatros, sein Unternehmen gegen die Skythen etwa im Herbst 331 begonnen haben, seines Heeres Untergang war eine so schwere Schwächung der makedonischen Macht, daß Memnon, der Strateg in Thrakien, den Versuch, sich unabhängig zu machen, wagen konnte; und der odrysische Fürst Seuthes war mit Freuden zum Abfall bereit, die thrakischen Völker im Gebirg, jene Besser, unter den Räubern als Räuber berüchtigt, rückten ins Feld; über das ganze Gebiet im Norden und Süden des Haimos verbreitete sich der Aufstand.
Das wird die große Botschaft gewesen sein, die im Frühling 330 Rhebulas, des Seuthes Sohn, nach Athen brachte, gewiß mit dem Antrage, die Bündnisse, die Athen mit so vielen seiner Vorfahren, namentlich mit Ketriporis, mit Kersobleptes gegen König Philipp geschlossen hatte, gegen Alexander zu erneuern.
Schon war auf dem Peloponnes der Kampf begonnen. König Agis hatte makedonische Söldner unter Korragos angegriffen und völlig vernichtet. Von Sparta aus ergingen Aufrufe an die Hellenen, für die Freiheit mit der Stadt Lykurgs gemeinsame Sache zu machen. Die Elier, alle Arkader außer Megalopolis, alle Achaier außer Pellene, erhoben sich; Agis eilte, Megalopolis zu belagern, das ihm den Weg nach dem Norden sperrte: »Mit jedem Tage erwartete man den Fall der Stadt; Alexander stand jenseits der Grenzen der Welt, Antipatros zog erst sein Heer zusammen; wie der Ausgang sein werde, war ungewiß«, so sagte Äschines einige Wochen später.
Schon zündete die Flamme des Aufruhrs auch im mittleren Hellas, auch jenseits der Thermopylen; die Ätoler überfielen die akarnanische Stadt Oiniadai, zerstörten sie, die Thessaler, die Perrhaiber standen auf. Wenn Athen jetzt mit seiner bedeutenden Macht der Bewegung beitrat, so schien alles erreichbar.
Noch aus den dürftigen Spuren, die uns übrig sind, erkennt man, wie heftig in Athen debattiert worden sein muß. Aus einer Inschrift erfährt man von einem platäischen Mann, der eine bedeutende Summe ›für den Krieg‹ darbrachte, und das Ehrendekret zum Dank dafür hat der ehrwürdige Lykurgos beantragt. Derselbe zog den Leokrates, einen der Reichen, der nach der Niederlage von Chaironeia geflüchtet war und in Rhodos, dann in Megara große Geschäfte gemacht hatte, wegen Verrats vor Gericht, da er nach Athen zurückzukehren gewagt hatte; aber der Verklagte fand bei vielen Angesehenen und Reichen Fürsprache, und in dem Gericht waren die Stimmen für und wider ihn gleich geteilt. Wie zum Gegenschlag brachte Äschines die alte Klage gegen Ktesiphon, die seit 337 geruht hatte, wieder in Gang; es galt, dessen damaligen Antrag auf einen Ehrenkranz für Demosthenes als ungesetzlich strafen zu lassen; zur Entscheidung kam der Prozeß einige Wochen später, als schon alles entschieden war; in der Rede, die Äschines damals hielt, führt er an, wie Demosthenes große Worte gemacht habe, als werde die Stadt von gewissen Personen ›gekappt, ausgekernt, die Muskeln ihrer Kraft durchschnitten‹, daß er auf der Rednerbühne gesagt habe: »ich bekenne mich dazu, die Politik Spartas unterstützt, die Thessaler und Pherrhaiber zum Abfall veranlaßt zu haben«. Also Demosthenes hatte – etwa im Frühling 330 – seine Verdienste um die Schürung des Aufstandes öffentlich rühmen können. So lebhaft Äschines, Demades, Phokion entgegenarbeiten mochten, sichtlich trieb die Stimmung der Stadt mehr und mehr dem Kriege zu; es wurde der Antrag gestellt, die Flotte auszurüsten und denen, die von Alexander abgefallen seien, zu Hilfe zu senden. Da ergriff Demades, der damals die Kasse der Festgelder verwaltete, das letzte Mittel; allerdings erklärte er, seien die Mittel für die vorgeschlagene Expedition vorhanden; er habe dafür gesorgt, daß in der Theorikenkasse genug sei, um für das nächste Fest den Choen jedem Bürger eine halbe Mine zu zahlen; er stelle den Athenern anheim, ob sie das ihnen zukommende Geld lieber für Rüstung und Krieg verwenden wollten. Die Athener entschieden nach ihrer Art.
Indes lag Agis immer noch belagernd vor Megalopolis, die Stadt verteidigte sich mit höchster Anstrengung; daß sie nicht so rasch, wie man erwartet hatte, gewonnen wurde, mochte den Eifer derer abkühlen, die sich gern erhoben hätten, wenn Agis bis zum Isthmus und weiter vorgerückt wäre und sie gedeckt hätte. Da kam die Nachricht, daß Antipatros mit Heeresmacht heranrücke.
Wie er die Dinge in Thrakien zu Ende gebracht, erfahren wir nicht. Er war, sobald er irgend konnte, nach dem Süden aufgebrochen; nachdem er in schnellem Durchzuge die Bewegung in Thessalien unterdrückt, im Weitermarsch die Kontingente wenigstens der zuverlässigsten Verbündeten an sich gezogen hatte, kam er mit einem bedeutenden Heere – es wird auf vierzigtausend Mann angegeben – über den Isthmus; er war stark genug, für den angebotenen Beistand derer zu danken, die jetzt angaben, für des Königs Sache gerüstet zu haben. Agis, dessen Heer nur zwanzigtausend Mann Fußvolk und zweitausend Reiter stark gewesen sein soll, gab die Belagerung von Megalopolis auf, um etwas rückwärts auf dem Wege nach Sparta in günstigerem Terrain, wo er der Übermacht widerstehen zu können hoffte, den Angriff zu erwarten. Es folgte eine höchst blutige Schlacht, in der die Spartaner und ihre Bundesgenossen, wie die erhaltenen Berichte es darstellen, Wunder der Tapferkeit verrichteten, bis König Agis, mit Wunden bedeckt, von allen Seiten eingeschlossen, endlich dem Andrang erlag und den Tod fand, den er suchte. Antipatros hatte, wenn auch mit bedeutendem Verlust, vollständig gesiegt.
Mit dieser Niederlage brachen die Hoffnungen der hellenischen Patrioten und der Versuch, die Hegemonie Spartas zu erneuen, zusammen. Eudamidas, des gefallenen kinderlosen Königs jüngerer Bruder und Nachfolger, der von Anfang her gegen diesen Krieg gewesen war, empfahl nun, obschon die Bundesgenossen sich mit nach Sparta zurückgezogen hatten, den weiteren Widerstand aufzugeben; es wurde an Antipatros gesandt, und um Frieden gebeten. Dieser forderte fünfzig spartanische Knaben als Geisel; man bot ihm ebensoviele Männer, damit begnügte sich der Sieger; er verwies die Frage über den Friedensbruch an das Synedrion des Bundes, das nach Korinth berufen wurde; nach vielen Beratungen überwies es die Sache an Alexander, worauf spartanische Gesandte nach dem fernen Osten abgingen. Des Königs Entscheidung war so mild als möglich; er verzieh das Geschehene, nur sollten die Elier und Achaier, – denn sie waren Genossen des hellenischen Bundes, Sparta nicht – an Megalopolis hundertzwanzig Talente als Entschädigung zahlen. Man darf vermuten, daß Sparta nun dem Bunde beitreten mußte; in der Verfassung des altheraklidischen Staates wurde nichts geändert, dessen Gebiet nicht von neuem gemindert.
Auch in Athen wird sich die Spannung der Gemüter nun gelöst haben, wenn man natürlich auch nicht aufhörte, sich in bitteren Stimmungen zu gefallen. Bald nach Agis' Niederlage wurde der Prozeß gegen Ktesiphon vor den Richtern verhandelt. »Gedenkt der Zeit«, sagt Äschines den Richtern, »in der ihr das Urteil sprecht; in wenigen Tagen werden die Pythien gefeiert, und das Synedrion der Hellenen versammelt sich; des Demosthenes Politik in diesen Zeitläuften wird der Stadt zum Vorwurfe gemacht; wenn ihr ihm den Kranz gewährt, wie Ktesiphon beantragt, werdet ihr dafür gelten mit denen, die den gemeinen Frieden brechen, eines Sinnes zu sein.« Die Athener werden es sich als eine große politische Tat angerechnet haben, daß sich nicht ein Fünftel der Stimmen für Äschines ergab. Damit verfiel dieser in eine Buße von tausend Drachmen; er zahlte sie nicht, er verließ Athen und ging nach Ephesos, und in den nächsten Dionysien erhielt Demosthenes den goldenen Kranz, der, ihm nach der Schlacht von Chaironeia bestimmt, jetzt die Gutheißung seiner Politik von damals und jetzt aussprach.
Die allgemeinen Verhältnisse in Hellas wurden mit solchen Demonstrationen nicht mehr geändert; seit dem Zusammenbrechen der spartanischen Erhebung traten sie in den Hintergrund.