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Erstes Buch


Erstes Kapitel

Die Aufgabe – Der Gang der griechischen Entwicklung – König Philipp und dessen Politik – Der korinthische Bund von 338 – Das Perserreich bis Dareios III.


Der Name Alexander bezeichnet das Ende einer Weltepoche, den Anfang einer neuen.

Die zweihundertjährigen Kämpfe der Hellenen mit den Persern, das erste große Ringen des Abendlandes mit dem Morgenlande, von dem die Geschichte weiß, schließt Alexander mit der Vernichtung des Perserreiches, mit der Eroberung bis zur afrikanischen Wüste und über den Jaxartes, den Indus, hinaus, mit der Verbreitung griechischer Herrschaft und Bildung über die Völker ausgelebter Kulturen, mit dem Anfang des Hellenismus.

Die Geschichte kennt kein zweites Ereignis so erstaunlicher Art; nie vorher und nachher hat ein so kleines Volk so rasch und völlig die Übermacht eines so riesenhaften Reiches niederzuwerfen und an Stelle des zertrümmerten Baues neue Formen des Staaten- und Völkerlebens zu begründen vermocht.

Woher hat die kleine Griechenwelt die Kühnheit zu solchem Wagnis, die Kraft zu solchen Siegen, die Mittel zu solchen Folgewirkungen? Woher erliegt das Königtum der Perser, das so viele Reiche und Lande zu erobern und zwei Jahrhunderte lang zu beherrschen vermocht, das soeben noch zwei Menschenalter hindurch die Hellenen der asiatischen Küste zu Untertanen gehabt, über die der Inseln und des Mutterlandes die Rolle des Schiedsrichters gespielt hat, dem ersten Stoß des Makedonen?

Einen Teil der Erklärung gibt der in aller Richtung völlige Gegensatz zwischen beiden Gestaltungen, der, geographisch präformiert, in der geschichtlichen Entwicklung fort und fort gesteigert, zur letzten Entscheidung gereift war, als Alexander gegen Dareios auszog.

 

Den alten Kulturvölkern Asiens gegenüber sind die Hellenen ein junges Volk; erst allmählich haben sich sprachverwandte Stämme in diesem Namen zusammengefunden; das glückliche Schaffen einer nationalen, das vergebliche Suchen einer politischen Einheit ist ihre Geschichte.

Bis zu der Zeit, wo jener Name Geltung gewann, wissen sie von ihrer Vorzeit nur Unsicheres, Sagenhaftes. Sie glauben Autochthonen in der gebirgsreichen, buchtenreichen Halbinsel zu sein, die sich vom Skardos und den Axiosquellen südwärts bis zum Tainaron erstreckt. Sie gedenken eines Königs Pelasgos, der in Argos geherrscht, dessen Reich auch Dodona und Thessalien, auch die Abhänge des Pindos, Paionien, alles Land ›bis zum hellen Wasser des Strymon‹ umfaßt habe; ganz Hellas, sagen sie, hat einst Pelasgia geheißen.

Die Stämme des Nordens blieben in ihren Bergen und Tälern, bei ihrem Bauern- und Hirtenleben, in altertümlicher Frömmigkeit, die die Götter noch ohne besondere Namen nur ›Mächte‹ nannte, ›weil sie alles machen‹, und die in dem Wechsel von Licht und Dunkel, von Leben und Tod, in den Vorgängen der Natur Zeugnisse und Beispiele von deren strengem Walten erkannte.

Andere Stämme führte die Not daheim oder Wanderlust hinab an das nahe Meer und über das Meer, mit Krieg und Seeraub Gewinn zu suchen oder mit Wagnis und Gewalt sich eine neue Heimat zu gründen. Da war denn der persönlichen Kraft alles anheim gegeben und die volle entschlossene Selbständigkeit die Bedingung erfolgreichen Tuns und sicheren Gewinnes; ihnen verwandelte sich das Bild der Gottheit, für sie waren und galten statt der stillen in der Natur lebenden und wirkenden Götter solche Mächte, wie sie nun ihr Leben bewegten und erfüllten, Mächte des energischen Wollens, des entschlossenen Handelns, der gewaltigen Hand. Wie äußerlich, so innerlich verwandelten sie sich; sie wurden Hellenen. Die einen begnügten sich von den Bergen in die Ebenen Thessaliens, Böotiens, des Peloponnes hinabzusteigen und da zu bleiben; andere lockte das Ägäische Meer mit seinen schönen Inseln, die Küste in dessen Osten mit ihren weiten Fruchtebenen, hinter denen die Berge zum innern Hochland Kleinasiens aufsteigen; und die schwellende Bewegung machte immer neue Scharen lose, ihnen zu folgen.

Wenn daheim, wo ›Könige‹, mit ihren ›Hetairen‹, ihren Kriegsgesellen, in die nächstgelegenen Täler oder Ebenen wandernd, die Alteingesessenen ausgetrieben oder untertänig gemacht hatten, sich ein Herrentum der Hetairen entwickelte, das bald genug auch das Königtum, mit dem sie begonnen, beseitigte oder bis auf den Namen beschränkte, um in strenger Geschlossenheit und Stetigkeit die Adelsherrschaft zu sichern, – so suchten und fanden die Ausgetriebenen und Hinausgezogenen, um sich in der Fremde und unter Fremden fester zu begründen und rühriger auszubreiten, bald um so freiere Formen und um so raschere, dreistere Spannung des Lebens; sie eilten der Heimat weit voraus an Reichtum, Lebenslust und heiterer Kunst.

Die Gesänge der Homeriden sind das Vermächtnis dieser bewegten Zeit, dieser Völkerwanderungen, mit denen die Hellenen in dem engen und doch so reichen Kreise der alten und neuen Heimat die Anfangsgründe ihres geschichtlichen Lebens lernten.

Dieses Meer mit seinen Inseln, seinen Küsten ringsum war nun ihre Welt. Gebirge umziehen sie von der Nähe des Hellesponts bis zum Isthmos, von da bis zum tainarischen Vorgebirg; selbst durch das Meer hin bezeichnen Kythera, Kreta, Rhodos die Umschließung, die auf der karischen Küste sich in mächtigeren Gebirgsformen erneut und in reichen Flußtälern, Fruchtebenen und Berghängen zum Meere sich absenkend bis zum schneereichen Ida und dem Hellespont hinzieht.

Jahrhunderte hat sich das hellenische Leben in diesem geschlossenen Kreise bewegt, wundervoll namentlich bei denen, die sich in dem ionischen Namen geeint fühlten, erblühend. »Wer sie da sieht«, sagt der ›blinde Sänger von Chios‹ von der Festfeier der Ionier auf Delos, »die stattlichen Männer, die schöngegürteten Frauen, ihre eiligen Schiffe, ihre unendliche Habe, der möchte meinen, daß sie frei seien von Alter und Tod.« In immer neuen Aussendungen von ihnen und bald auch von den andern Stämmen auf den Küsten und Inseln wie daheim erblühten neue Hellenenstädte an der Propontis, im Pontos bis zur Mündung des Tanais und am Fuß des Kaukasus; es entstand in Sizilien und Süditalien ein neues Hellas, Hellenen besiedelten die afrikanische Küste an der Syrte, an den Gestaden der Seealpen bis zu den Pyrenäen erwuchsen hellenische Pflanzstädte. So nach allen Seiten, so weit sie mit ihren geschwinden Schiffen gelangen konnten, griffen diese Hellenen hinaus, als gehöre ihnen die Welt, überall in kleinen Gemeinwesen geschlossen, geschickt, mit den Umwohnern, von welcher Sprache und Art sie sein mochten, fertig zu werden und sich, was sie da nach ihrem Sinn fanden, anzueignen und anzuähneln, in bunter Verschiedenartigkeit der Dialekte, Kulte, Betriebsamkeit je nach Ort und Art ihrer Stadt, in steter Rivalität der einen gegen die andern, der Ausgezogenen gegen ihre Mutterstädte, und doch, wenn sie zu den olympischen oder pythischen Festen von nah und fern zusammenströmten, alle in denselben Wettkämpfen um den Preis ringend, an denselben Altären opfernd, an denselben Gesängen sich entzückend.

Gesängen, die ihnen in zahllosen Mythen und Sagen, in den Abenteuern und Wanderzügen und Kämpfen ihrer Väter das Bild ihrer selbst gaben, vor allen die schönsten und ihnen die liebsten die von den Zügen nach dem Osten; immer wieder richtet sich mit ihnen ihr Sinn morgenwärts. Aus dem Morgenlande entführt Zeus die sidonische Königstochter und nennt Europa nach ihrem Namen. Nach dem Morgenlande flüchtet Jo, den hellenischen Gott zu umarmen, den ihr in der Heimat Heras Eifersucht versagt. Auf dem Widder mit goldenem Vließ will Helle nach dem Osten flüchten, um dort Frieden zu finden; aber sie versinkt in das Meer, ehe sie das nahe jenseitige Ufer erreicht. Dann ziehen die Argonauten aus, das goldene Vließ aus dem Walde von Kolchis heimzuholen; das ist die erste große Heldenfahrt nach dem Morgenlande, aber mit den Helden zurück kommt Medeia, die Zauberin, die Haß und Blutschuld in die Königshäuser von Hellas bringt, bis sie, mißehrt und verstoßen von dem Heros Athens, zurückflüchtet in die medische Heimat.

Dem Argonautenzuge folgt ein zweiter Heldenkampf, der heimatliche Krieg gegen Theben, das traurige Vorbild des Hasses und der Bruderkämpfe, die Hellas zerrütten sollten. In verhängnisvoller Verblendung hat Laios gegen das Orakel des Gottes einen Sohn gezeugt, hat Ödipus, über seine Eltern und sein Vaterland in Zweifel, den Gott gefragt; er kehrt die Fremde suchend, zur Heimat zurück, erschlägt den Vater, zeugt mit der Mutter, herrscht in der Stadt, der besser das Rätsel der männermordenden Sphinx nie gelöst wäre. Als er endlich seiner Schuld inne wird, zerstört er das Licht seiner sehenden Augen, verflucht sich, sein Geschlecht, seine Stadt; und das Geschick eilt seinen Spruch zu erfüllen, bis der Bruder den Bruder erschlagen hat, bis die Epigonen den Tod ihrer Väter gerächt haben, bis ein Trümmerhaufe die Stätte drei- und vierfacher Blutschuld deckt.

So in Frevel und Blutschuld eilt die Zeit der Heroen ihrem Ende zu. Die Fürstensöhne, die um die schöne Helena geworben haben, sitzen daheim bei Weib und Kind, kämpfen nicht mehr gegen Riesen und Frevel. Da rufen die Herolde des Agamemnon zum Heereszuge gen Osten, nach dem Schwur, den einst die Freier getan; denn der troische Königssohn, den Menelaos gastlich in seinen Palast aufgenommen, hat ihm seine Gemahlin, die vielumworbene, entführt. Von Aulis ziehn die Fürsten Griechenlands gen Asien, mit den Fürsten ihre Hetairen und ihre Völker. Jahrelang kämpfen und dulden sie, der herrliche Achill sieht seinen Patroklos fallen und rastet nicht, bis er Hektor, der ihn getötet, erschlagen und um die Mauern Trojas geschleift hat; dann trifft ihn selbst der Pfeil des Paris, und nun, wie der Gott es verkündet, ist der Fall Trojas nahe. In furchtbarem Untergang büßt die Stadt den Frevel des Gastrechtschänders. Die Ausgezogenen haben erreicht, was sie gewollt; aber die Heimat ist für sie verloren: die einen sterben in den Fluten des empörten Meeres, andere werden in die Länder ferner Barbaren verschlagen, andere erliegen der blutigen Tücke, die am heimatlichen Herde ihrer harrt. Die Zeit der Heroen ist zu Ende und es beginnt die Alltagswelt, ›wie nun die Menschen sind‹.

So die Sagen, die Mahnungen und Ahnungen aus alten Zeiten. Und als die Gesänge der Homeriden vor anderen neuen Sangesweisen verstummten, begannen sie sich zu erfüllen.

Nie bisher hatten die Hellenen mit mächtigen Feinden sich zu messen gehabt. Jede Stadt an ihrem Teil hatte der Gefahr, die ihr etwa kam, sich zu erwehren oder ihr geschickt auszuweichen vermocht. Sie waren wohl nach Sprache und Sitte, zu Gottesfeier und Festspielen wie ein Volk, aber politisch zahllose Städte und Staaten nebeneinander, ungeeint; nur daß das dorische Herrentum in Sparta, wie es die alten Bewohner des Eurotastales sich unterworfen, so auch die nächstgelegenen Grenzlandschaften von Argos, von Arkadien erobert, die Dorer Messeniens zu Heloten gemacht, endlich die meisten Städte im Peloponnes zu einer Bundesgenossenschaft geeinigt hatte, in der jede Stadt ein Herrentum dem der Spartanerstadt analog bewahrte oder erneute. Den Peloponnes beherrschend, der schon beginnenden Bewegung der untertänigen unteren Massen feind, mit dem Ruhm, vieler Orten die Tyrannis, die da und dort aus jener beginnenden Bewegung erwachsen war, gebrochen zu haben, galt Sparta für die Hüterin echt hellenischer Art und für die leitende Macht in der hellenischen Welt.

Um diese Zeit begann den weit und weiter hinaus schwellenden Kreisen der Griechenwelt eine Gegenströmung bedenklicher Art. Die Karthager gingen an die Syrte vor, die Kyrenaiker zu hemmen; sie besetzten Sardinien, sie vereinten sich mit den Etruskern, die Phokaier aus Korsika zu verdrängen. Die Städte Joniens, ungeeint, fast jede durch inneren Hader geschwächt, vermochten sich nicht mehr des lydischen Königs zu erwehren; einzeln schlossen sie mit ihm Verträge, zahlten ihm für halbe Freiheit, die er ihnen ließ, Tribut. Schon erhob sich im fernen Osten Kyros mit seinem Perservolk, brachte das Königtum Mediens an sich, begründete die Macht der ›Meder und Perser‹; ihre Heere siegten am Halys, drangen nach Sardes vor, brachen das Lyderreich. Umsonst wandten sich die Hellenenstädte Asiens Hilfe bittend an Sparta; sie versuchten Widerstand gegen die Perser, eine nach der andern wurden sie unterworfen; auch die nächstgelegenen Inseln ergaben sich. Sie alle mußten Tribut zahlen, Heeresfolge leisten; in den meisten erhob sich unter dem Zutun des Großkönigs eine neue Art der Tyrannis, die der Fremdherrschaft; in anderen erneuten die Vornehmen unter persischem Schutz ihre Gewalt über den Demos; sie wetteiferten in Dienstbeflissenheit. Sechshundert hellenische Schiffe folgten dem Großkönige zum Zuge gegen die Skythen, mit dem auch die Nordseite der Propontis und die Küsten bis zum Strymon persisch wurden.

Wie tief waren diese einst stolzen und glücklichen Ionierstädte gebeugt. Nicht lange ertrugen sie es; sie empörten sich, nur von Eretria und Athen mit Schiffen unterstützt, die bald heimkehrten. Der Zug der Ionier nach Sardes mißlang; zu Land und See rückte die Reichsmacht Persiens heran; es folgte die Niederlage in der Bucht von Milet, die Zerstörung dieser Stadt, die furchtbarste Züchtigung der Empörer, die völlige Verknechtung.

Das schönste Drittel des Griechentums war zerbrochen, durch Deportation, durch endloses Flüchten entvölkert. Die phönikischen Flotten des Großkönigs beherrschten das Ägäische Meer. Schon begannen die Karthager von der Westspitze Siziliens, die sie behauptet hatten, vorzudringen; die Hellenen Italiens ließen es geschehen, mit eigenem Hader vollauf beschäftigt; es war der Kampf zwischen Sybaris und Kroton entbrannt, der mit dem Untergang von Sybaris endete, während die Etrusker nach Süden vordringend schon auch Kampanien erobert hatten; die Kraft des italischen Griechentums begann zu erlahmen.

Man sah in der hellenischen Welt wohl, wo der Fehler lag. In der Zeit des Kampfes gegen den Lyderkönig hatte Thales gemahnt, alle Städte Ioniens zu einem Staat zu einigen, in der Art, daß jede Stadt fortan nur eine Gemeinde in diesem Staat sein sollte. Und als die persische Eroberung begann, empfahl Bias von Priene allen Ioniern, gemeinsam auszuwandern und im fernen Westen sich ansiedelnd auszuführen, was Thaies geraten hatte.

Aber die ganze bisherige Entwicklung der hellenischen Welt, ihre eigenste Stärke und Blüte war bedingt gewesen durch die völlig freie Bewegung und Beweglichkeit, nach allen Seiten hin sich auszudehnen, immer neue Sprossen zu treiben, durch diesen unendlich lebensvollen Partikularismus der kleinen und kleinsten Gemeinwesen, der ebenso spröde und selbstgefällig wie immer nur auf das Nächste und Eigenste gewandt, sich nun als die größte Gefahr, als das rechte ›panhellenische Unheil‹ erwies.

Nicht auf den Wegen Spartas lag es, die rettende Macht Griechenlands zu werden. Und zu wie wirksamen Gestaltungen sich aus der beginnenden freieren Bewegung des Demos die Tyrannis da und dort erhoben hatte, auf Gewalt gegen den Herrenstand und Gunst der Massen gegründet war sie immer wieder zusammengesunken.

Nur an einer Stelle, in Athen, folgte ihrem Sturz statt der Wiederkehr des Herrentums, wie sie Sparta erwartet und betrieben hatte, eine kühne, freiheitliche Reform, eine Verfassung ›mit gleichem Recht für alle‹, mit nur kommunaler Selbständigkeit der Ortsgemeinden innerhalb des attischen Staates, damit eine innere Kraftentwicklung, die kaum begonnen, dem vereinten Angriff der Herrenstaaten ringsumher, den Sparta leitete, die Stirn zu bieten vermochte. Selbst den Tyrannen war nun Sparta bereit nach Athen zurückzuführen; da die andern Peloponnesier es versagten, setzten wenigstens die Aigineten, die in Athen einen Rivalen zur See fürchteten, den Kampf fort. Ihrer stärkeren Flotte sich zu erwehren, mußte Athen die den Ioniern zu Hilfe gesandten Schiffe heimrufen, und um dieser Hilfe willen hatte es, als Milet gefallen war, die Rache des Großkönigs zu erwarten.

Schon zog dessen Landheer und Flotte vom Hellespont her die Küste entlang, die Griechenstädte dort, die Thraker des Binnenlandes, den makedonischen König unterwerfend. Die Edlen Thessaliens suchten die persische Freundschaft, die herrschenden Dynastenfamilien in Böotien, voll Erbitterung gegen Athen, nicht minder. Des Königs Herolde durchzogen die Inseln und Städte, Erde und Wasser zu fordern; die nach Athen gesandten wurden vom Felsen gestürzt. Daß Sparta desgleichen tat, gab beiden, die soeben noch wider einander gestanden, einen gemeinsamen Feind. Aber als die Perser nach Euböa kamen, Eretria zerstörten, auf der attischen Küste bei Marathon landeten, zögerte Sparta, dem Hilferuf Athens zu folgen. Von allen Hellenen fochten nur die Platäer an der Seite der Athener; der Tag von Marathon rettete Athen und Hellas.

Es war nur eine erste Abwehr. Athen mußte auf neue, schwerere Gefahr gefaßt sein. Ihr zu begegnen wies Themistokles die Wege, an Kühnheit der Gedanken und Tatkraft sie auszuführen der größte Staatsmann, den Athen gehabt hat.

Vor allem, nicht zum zweiten Male durften die Barbaren von der See her Attika plötzlich überfallen können; auch für Sparta und die Peloponnesier hing Wohl und Wehe daran, der feindlichen Übermacht die näheren Wege zur See zu verlegen. Die Seestaaten von Hellas, Ägina, Korinth, Athen besaßen nicht so viel Kriegsschiffe, wie die asiatischen Hellenen allein zur Perserflotte stellten. Nach Themistokles' Antrag – das Silber der laurischen Bergwerke bot die Mittel dazu – wurde die Flotte Athens verdreifacht, im Piräus ein fester Kriegshafen geschaffen, bald die langen Mauern gebaut, die Stadt und den Hafen zusammenzuschließen. Daß für die Flotte die Masse ärmerer Bürger, die nicht zum Hoplitendienst pflichtigen, als Ruderer mit zu der Pflicht und Ehre des Dienstes herangezogen wurden, steigerte den demokratischen Zug in der Verfassung und gab demselben zugleich die Disziplin des strengeren Dienstes auf der Flotte.

Ein Zweites ergab sich mit dem Heranziehen der ungeheuren Heeresmacht des Großkönigs. Daß zugleich die Karthager in Sizilien losbrachen, mußte die Griechenwelt erkennen lassen, in welchem Umfange sie bedroht sei. Aber aller Orten war in ihr Hader und Haß und Nachbarfehde, die Zersplitterung und Zerrüttung des eigensinnigsten Kleinlebens. Nur daß die Tyrannen von Syrakus und Akragas sich verbündeten und die ganze Streitkraft des hellenischen Siziliens vereinigten, gab dort Hoffnung dem punischen Angriff zu widerstehen. Wie gleiche Einigung in Hellas schaffen? Auf Themistokles' Rat unterordnete sich Athen der Hegemonie Spartas; Sparta und Athen luden alle hellenischen Städte zu einem Waffenbunde ein, dessen Bundesrat in Korinth tagen sollte. Solcher Bund hätte nur die Hinzugetretenen binden können; es galt den kühnsten Schritt zu tun, aus der nationalen Gemeinschaft, die bisher nur in der Sprache, dem Götterkult, dem geistigen Leben bestanden hatte, ein politisches Prinzip zu machen, so eine Eidgenossenschaft aller Hellenen wenigstens für den Kampf gegen die Barbaren zu schaffen. Das Synedrion in Korinth verfuhr und verfügte in diesem Sinn; es beschloß, daß alle Fehde zwischen griechischen Städten ruhen solle, bis die Barbaren besiegt seien; es erklärte für Hochverrat, den Persern mit Wort oder Tat Dienste zu leisten; und welche Stadt sich den Persern ergebe, ohne bezwungen zu sein, sollte dem delphischen Gott geweiht und gezehntet werden, wenn der Sieg errungen.

Der Tag von Salamis rettete Hellas, der Sieg an der Himera Sizilien. Aber dem hellenischen Bunde waren daheim nur die meisten Städte des Peloponnes, von denen in Mittel- und Nordgriechenland außer Athen nur Thespiä und Platää beigetreten. Mit den Schlachten bei Platää und Mykale wurde das Land bis über den Olymp hinaus, wurden die Inseln und die ionische Küste, in den nächsten Jahren auch der Hellespont und Byzanz befreit. In derselben Zeit schlug der Tyrann von Syrakus mit den Kymäern vereint die Etrusker in der Bucht von Neapel; die Tarentiner, die von den Japygern eine schwere Niederlage erlitten hatten, in neuen Kämpfen siegreich, wurden Herren des adriatischen Meeres.

Aber weder die italischen und sizilischen Hellenen schlossen sich dem Bunde an, der auf dem Isthmos gegründet war, noch erzwang dieser selbst, unter der schlaffen und mißtrauischen Hegemonie Spartas, in Böotien, im Spercheioslande, in Thessalien den Beitritt. Den Athenern, die bei Salamis mehr Schiffe als die übrigen zusammen gestellt, die die Befreiung der Inseln und Ioniens von Sparta ertrotzt hatten, boten die Befreiten die Hegemonie der gemeinsamen Seemacht an, und Sparta ließ geschehen, was es nicht hindern konnte: es entstand ein Bund im Bunde.

Schon war Themistokles, in dem die Spartaner ihren gefährlichsten Feind sahen, seinen Gegnern in Athen erlegen, derjenigen Partei, die in dem Bunde mit Sparta zugleich einen Halt gegen die schwellende demokratische Bewegung daheim sah und erhalten wollte. Vielleicht hätte er dem Seebunde, den Athen schloß, eine andere, festere Gestalt gegeben; die Staatsmänner, die ihn ordneten, begnügten sich mit loseren Formen, mit dem gleichen Recht der Staaten, die er umschloß, mit der Schonung ihres Partikularismus. Nur zu bald zeigten sich die Schäden der so geformten Union; die Notwendigkeit, zur Bundespflicht zu zwingen, Versäumnis, Widersetzlichkeit, Abfall zu strafen, ließ die nur führende Stadt zur herrschenden und herrischen, die freien Bundesstaaten zu Untertanen werden, die selbst der Jurisdiktion des attischen Demos unterworfen waren.

Herrin des Seebundes zum Schutz des Meeres und zum Kampf gegen die Barbaren, hatte Athen die Inseln des Ägäischen Meeres, die hellenischen Städte auf dessen Nordseite bis Byzanz, die Küste Asiens vom Eingang in den Pontos bis Phaselis am pamphylischen Meer inne, eine Macht, unter deren belebenden Impulsen der hellenische Handel und Wohlstand, nun weithin geschützt, sich von neuem erhob, Athen selbst zugleich in allen Richtungen des geistigen Lebens kühn und schöpferisch voranschreitend der Mittelpunkt einer im vollsten Sinn panhellenischen Bildung wurde.

Mochte Sparta noch den Namen der Hegemonie haben, es sah seine Bedeutung tief und tiefer sinken; es begann unter der Hand die Mißstimmung bei den Bündnern Athens zu nähren, während schon Argos, Megara, die Achaier, selbst Mantineia, sich mit Athen verbanden. Daß dann die helotisch verknechteten Messenier sich empörten, daß die Spartaner, außerstande sie zu bewältigen, die Bundeshilfe Athens forderten, daß sie die ihnen gewährte, ehe der Kampf beendet war, Tücke und Verrat fürchtend, heimsandten, führte zu der verhängnisvollen Entscheidung. Das attische Volk wandte sich von denen ab, die den Hilfszug geraten, gab, ihren Einfluß für immer zu beseitigen, den demokratischen Institutionen des Staates eine durchgreifende Steigerung, kündigte den hellenischen Bund und damit die spartanische Hegemonie auf, beschloß zu allen hellenischen Städten, die nicht schon im Seebund waren, zu senden, sie zum Abschluß einer neuen und allgemeinen Einigung aufzufordern.

Der Bruch war unheilbar. Es begann ein Kampf heftigster Art, nicht bloß in den hellenischen Landen: Ägypten war unter einem Nachkommen der alten Pharaonen von dem Großkönige abgefallen, rief die Hilfe Athens an; ein selbständiges Ägypten hätte dauernd die Flanke der persischen Macht bedroht; die syrischen Küsten, Kypros, Kilikien hätten sich in gleicher Weise losgerissen; Athen sandte eine stattliche Flotte nach dem Nil.

Das kühnste Wagnis attischer Politik mißlang. Ägypten erlag den Persern; nach schweren Verlusten dort, nach blutigen, nicht immer siegreichen Kämpfen an den heimischen Grenzen schloß Athen, um die Scharte gegen die Barbaren auszuwetzen, mit den Spartanern Frieden, opfernd, was es ihrem Bunde auf dem Festlande entzogen hatte.

Daß Athen innehielt, versöhnte Sparta so wenig wie die Herrenstaaten und den Partikularismus. Daß Athen umso fester die Zügel seiner Bundesherrschaft anzog, steigerte die Erbitterung der Beherrschten, die schon an den Spartanern, an dem Perserkönig sicheren Rückhalt zu finden hoffen durften. Daß Perikles trotzdem und trotz der bereiten Macht und dem gefüllten Schatz Athens nur mit der Überlegenheit weiser Mäßigung und des streng innegehaltenen Vertragsrechtes den Frieden und mit ihm die attische Seeherrschaft, diese durchaus nur in dem Umfange, den sie einmal hatte, zu erhalten gedachte, ließ Athen nach außen hin die Initiative verlieren und im Innern die Opposition derer erstarken, die nur in weiterer Steigerung der Demokratie, in ihrer völligen Durchführung auch bei den Bündnern, in Ausdehnung der Herrschaft über die pontischen, die sizilisch-italischen Griechenstädte die Möglichkeit sahen, der dreifachen Gefahr, welche die attische Macht bedrohte, zu begegnen: der Rivalität Spartas und der Herrenstaaten, dem lauernden Haß der Perser, dem Abfall der Bündner.

Das sind die Elemente des furchtbaren Krieges, der die hellenische Welt dreißig Jahre lang durchtoben und bis in die Fundamente zerrütten, in dem die in Athen und unter dem Schutz Athens gereifte Fülle von Wohlstand, Bildung und edler Kunst, die damit sich verbreitende Fassung des ethischen Wesens sich tief und tiefer zersetzen sollte.

Es gab in diesem Kriege einen Monat – Alkibiades und die sizilische Expedition bezeichnen ihn – wo der Sieg der attischen Macht, die Erweiterung derselben auch über die westlichen Meere gewiß schien; die Karthager waren in höchster Sorge, ›daß die Attiker gegen ihre Stadt heranziehen würden‹. Aber der geniale Leichtsinn dessen, der auf seinem Goldschilde den blitzschleudernden Eros führte, gab der Intrige seiner oligarchischen und demokratischen Gegner daheim die Gelegenheit, ihn, der allein das begonnene Unternehmen hätte hinausführen können, zu stürzen. Er ging zu den Spartanern, er wies ihnen die Wege, wie Athen zu bewältigen sei, er gewann ihnen die Satrapen Kleinasiens und das Gold des Großkönigs, freilich gegen die ausdrückliche Anerkennung Spartas, auf daß dem Großkönige wieder gehören solle, was ihm ehedem gehört habe.

In ungeheuren Wechseln raste der Krieg weiter; mit persischem Gold bezahlt, erschien auch die Flotte Siziliens, sich mit der Spartas, Korinths, der abgefallenen Bündner Athens zu vereinigen. Unvergleichlich, wie das attische Volk da gekämpft, mit immer neuer Spannkraft sein zusammenbrechendes Staatswesen zu retten versucht, wie es bis auf den letzten Mann und einen letzten goldenen Kranz im Schatz den Kampf fortgesetzt hat. Nach dem letzten Siege, den es errang, dem bei den Arginusen, ist Athen den Parteien im Innern, dem Verrat seiner Feldherrn, dem Hunger erlegen; der Spartaner Lysandos brach die langen Mauern, übergab Athen der Herrschaft der Dreißig.

Nicht bloß die Macht Athens war zertrümmert. In diesem langen und furchtbaren Kriege hatte sich das Wesen des attischen Demos verwandelt; von den einst glücklichen Elementen seiner Mischung waren die stetigen dahin, und mit der Entfesselung aller demokratischen Leidenschaft die zersetzende Aufklärung übermächtig geworden, die ihm die Oligarchen erzogen hatte, welche nun in jener Verfassung der Dreißig unumschränkt das erschöpfte Volk zu knechten unternahmen. In ihr die letzten und entarteten Reste der alten großen Familien, die der Krieg gelichtet hatte; noch gründlicher war in dem alten hoplitischen Bauernstande aufgeräumt, den die feindlichen Einlagerungen auf dem attischen Gebiet erst Jahr für Jahr, dann für Jahre lang in die Stadt getrieben hatten, wo er, ohne seine Arbeit verarmend, mit in den Strudel des städtischen Lebens gezogen, Pöbel wurde. Wenn dann nach Jahr und Tag die Landflüchtigen ihre Rückkehr erzwangen, die Dreißig von dannen jagten, die Demokratie herstellten – es war nur der Name Athens, der Name der solonischen Verfassung, der hergestellt wurde; alles war verarmt, armselig, ohne Kraft und Schwung; und daß man mit doppelt eifersüchtiger Fürsorge die Machtbefugnisse der Ämter minderte, dem Einfluß hervorragender Persönlichkeiten möglichst vorbeugte, neue Formen fand, die irgend mögliche Beschränkung der demokratischen Freiheit unmöglich zu machen, fixierte diese bedenklichste Form des Staatswesens in der bedenklichsten Phase ihrer Schwankungen, in der der Ernüchterung nach dem Rausch.

Mit dem Ruf der Befreiung hatte Sparta dreißig Jahre vorher allen Haß, alle Furcht und Mißgunst gegen Athen, allen Partikularismus um sich vereint. Nun hatte es den vollsten Sieg; Sparta war das Entzücken des nun überall wiederkehrenden Herrentums und Lysandros ihr Held, ja ihr Gott; ihm wurden Altäre errichtet und Festdienste gestiftet. Das alte Recht Spartas auf die Hegemonie schien nun endlich das Griechentum zu vereinigen.

Aber es war nicht mehr die alte Spartanerstadt; daß die Bürger ohne Eigentum, in strenger Ordnung und Unterordnung, ganz Soldat seien, waren die ersten Forderungen der vielbewunderten lykurgischen Verfassung gewesen; jetzt mit dem Siege schwand der Nimbus, in dem man Sparta zu sehen sich gewöhnt hatte; jetzt zeigte sich, wie Habgier, Genußgier, jede Art von Entartung, wie Geistesarmut neben Herrschsucht, Brutalität neben Heimtücke und Heuchelei da heimisch sei; stetig sank die Zahl der Spartiaten, in dem nächstfolgenden Zeitalter gab es deren nur noch tausend statt der neun- oder zehntausend in den Zeiten der Perserkriege. Die daheim zu starrem Gehorsam und äußerer Zucht Gewöhnten herrschten nun als Harmosten um so willkürlicher und gewaltsamer in den Städten von Hellas, überall bemüht, die gleiche oligarchische Ordnung durchzuführen, zu der sich in Sparta selbst die alte vielbewunderte Aristokratie verwandelt hatte; überall deren Einführung, Austreibung der besiegten Partei, Konfiskation ihrer Güter; die hellenische Welt von der fluktuierenden Masse politischer Flüchtlinge und ihren Entwürfen und Versuchen gewaltsamer Heimkehr in stetem Gären und Brodeln.

Freilich, Sparta schickte sofort ein Heer nach Asien, aber für den Empörer Kyros, gegen den Großkönig, seinen Bruder, ein Söldnerheer. Und als Kyros in der Nähe von Babylon gefallen, die Zehntausend in der Schlacht unbesiegt, unbesiegt auch auf der weiten, kampfreichen Irrfahrt durch die fremde Welt wieder bis ans Meer gelangt und heimgekehrt waren, als des Großkönigs Satrapen die hellenischen Städte Asiens wieder in Besitz nahmen, deren Tribute forderten, da ließ Sparta den jungen König Agesilaos nach Asien ziehen, der, als sei es ein Nationalkrieg der Hellenen und er ein zweiter Agamemnon, mit einem feierlichen Opfer in Aulis begann, nur daß die böotische Behörde das Opfer störte und die Opfernden aus dem Heiligtum trieb; weder Theben, noch Korinth, noch Athen, noch die anderen Bündner leisteten die geforderte Bundeshilfe, und die erste Tat des Agesilaos in Asien war, daß er mit dem Satrapen Waffenstillstand schloß.

Schon war in den hellenischen Landen die Erbitterung gegen Sparta ärger als sie je gegen Athen gewesen war. Die Thebaner hatten die Flüchtlinge Athens unterstützt, ihre Vaterstadt zu befreien; die Korinther hatten dulden müssen, daß in ihrer Tochterstadt Syrakus, die in schwersten Parteikämpfen krankte, und der zur Ruhe zu helfen sie einen ihrer besten Bürger gesandt hatten, die Partei, welche die Spartaner unterstützten, mit dem Morde des korinthischen Mittelsmanns die Tyrannis des Dionysios gründete; empörender als alles war, wie die Spartaner, Elis zum Gehorsam zu zwingen, das Land des Gottesfriedens mit Krieg überzogen, verheerten und in seine Gaue auflösten.

Wenn man in der Hofburg zu Susa, eingedenk jenes Griechenzuges fast bis Babylon, mit Sorge dem Anmarsch des Agesilaos entgegengesehen, wenn man die noch schwerere Gefahr einer neuen Empörung Ägyptens, mit der sofort Sparta in Verbindung trat, erkennen mochte, so bot ein attischer Flüchtling, Konon, einer der zehn Strategen der Arginusen, den Plan zur sichersten Abwehr. Der Satrap Pharnabazos erhielt das nötige Geld, die bedeutenderen Staaten in Hellas zum offenen Kampf gegen Sparta zu treiben, zugleich eine Flotte zu schaffen, die unter Konons Führung die Seemacht Spartas vom Meere jagen sollte. Wieder mit dem Ruf der Befreiung, als Bund der Hellenen erhoben sich Korinth, Theben, Athen, Argos gegen Sparta; ihrem ersten Siege folgte die schleunige Heimkehr des Agesilaos, mit dem Kampf bei Koroneia erzwang er sich den Rückweg durch Böotien. Aber schon hatte Konon die Spartaner besiegt, die Hälfte ihrer Schiffe vernichtet. Dann segelte Pharnabazos mit der Flotte nach Griechenland hinüber, überall verkündend, daß er nicht die Knechtschaft, sondern Freiheit und Unabhängigkeit bringe, landete selbst auf Kythera, hart an der Küste Lakoniens, erschien dann auf dem Isthmus im Bundesrat der Hellenen, zur eifrigen Fortsetzung des Kampfes mahnend, überließ, um selbst heimzukehren, dem Konon die Hälfte der Flotte, der nun nach Athen eilte, für persisches Geld die langen Mauern herstellen, wieder eine attische Flotte gründen, ein Heer Söldner werben ließ; die leichte Waffe der Peltasten, die Iphikrates erfand und ausbildete, überholte die taktische Kunst Spartas.

Es wurde für Sparta hohe Zeit, Wandel zu schaffen. Das Mittel lag nahe zur Hand; wenn das persische Gold versiegte, hatte die Begeisterung und die Macht der Feinde Spartas ein Ende. Antalkidas, der nach Susa gesandt wurde, trug es über Konon davon; der Großkönig sandte den ›Befehl‹ an die Hellenen: ›er halte für gerecht, daß die Städte Asiens ihm gehörten und von den Inseln Kypros und Klazomenai, den Athenern aber Lemnos, Imbros und Skyros, daß alle anderen hellenische Städte groß und klein autonom seien; die, welche diesen Frieden nicht annähmen, werde er mit denen, die ihn wollten, zu Lande und zu Wasser mit Schiffen und Geld bekämpfen‹. Mit einer mächtigen Flotte, zu der teils die griechischen Satrapien Kleinasiens, teils der Tyrann von Syrakus die Schiffe stellte, fuhr Antalkidas durch die Kykladen heim; die Schiffe der Gegner zogen sich eiligst zurück.

Dieser Friede war die Rettung Persiens; mit dem zugesprochenen Besitz von Kypros – es kostete noch Jahre die Insel zu bewältigen – konnte der Großkönig auch Ägypten niederzuwerfen hoffen; mit der Zuwendung der drei Inseln war Athen befriedigt, mit der verkündeten Autonomie in Hellas bis in die kleinsten Gebiete der Hader getragen, jedes Bündnis, jede landschaftliche Zusammenschließung, jede neue Machtbildung im panhellenischen Sinn unmöglich gemacht, und Sparta der Hüter und Büttel dieser persischen Politik über Griechenland.

Sparta war tätig genug, mit der Auflösung der landschaftlichen und Ortsverbände nach dem Prinzip der Autonomie das von Lysandros begonnene System der Oligarchisierung, das der korinthische Krieg unterbrochen hatte, zu vollenden. Daß Olynth die Städte auf der Chalkidike zu einem Bunde vereinigte, auch nicht wollende mit Drohung zum Beitritt zwang, daß so bedrohte Sparta um Hilfe baten, gab Anlaß zu einem Heereszuge dorthin, dem sich nach langem Widerstand die Stadt beugen, ihren Bund auflösen mußte. Auf dem Hinzuge hatten die Spartaner Theben überfallen, die Oligarchie eingesetzt, alles, was nicht gut spartanisch war, ausgetrieben, in die Kadmeia eine Besatzung gelegt. Es war die Mittagshöhe der spartanischen Macht, auch darin die Höhe, daß man der rechten Natur eines Machtsystems jede Regung, die sich gegen ihren Druck erhob, nur neuen Anlaß gab sie zu steigern und der gesteigerte Druck zu neuem Widerstand trieb, der die gesteigerte Gewalt ihn niederzuwerfen rechtfertigte.

Nur daß eine kleine Lücke in diesem Kalkül war. Wohl hatte Lysandros die Macht Athens gebrochen, aber nicht die Bildung, die in Athen erblüht, nicht den demokratischen Zug der Zeit, der mit ihr erwachsen war. Je gewaltsamer das Herrentum Spartas wurde, desto mehr wandten sich die Oppositionen derselben Demokratie zu, die die stärkste Waffe Athens gegen Sparta gewesen war. Und die befohlene Autonomie wirkte in eben dieser Richtung; überall lösten sich die alten Bande, die sonst einer größeren Stadt die kleineren Orte um sie her pflichtig gehalten hatten; bis in die letzten Winkel und Täler drang die zersetzende Autonomie und die trotzige Anmaßung der Freiheit; die hellenische Welt zerbröckelte sich immer weiter, in immer kleinere Atome und entwickelte in der immer steigenden Gärung dieses entfesselten und höchst erregten Kleinlebens eine Fülle von Kräften und Formen, von Reibungen und explosiven Elementen, welche die doch nur mechanische und äußerliche Gewalt Spartas bald nicht mehr zu beherrschen vermögen sollte.

Dazu ein anderes. Solange in dem attischen Seebunde das Ägäische Meer die Mitte der hellenischen Welt gewesen war, solange die hellenischen Städte, die es umsäumten, die immer bereite Macht des Bundes hinter sich fühlten, hatten die Barbaren wie im Osten so im Norden sich möglichst fern gehalten; wenn damals die thrakischen Stämme am Hebros vorzudringen wagten, so hatte ihnen Athen mit der Anlage von Amphipolis am Strymon – zehntausend Ansiedler wurden dorthin gesandt – den Weg nach den hellenischen Städten der Küste verlegt; das Erscheinen einer attischen Flotte im Pontos hatte genügt auch dort die Seewege und die Küsten zu sichern; in den Tagen der attischen Macht erstarkte die Hellenisierung der Insel Kypros, selbst in Ägypten hatte eine hellenische Flotte gegen die Perser gekämpft, selbst Karthago die Seemacht Athens gefürchtet.

Mit dem Frieden des Antalkidas waren nicht bloß die Städte der asiatischen Küste preisgegeben; das Meer der Mitte war verloren, die Inseln desselben, obschon dem Namen nach autonom, die Buchten und Küsten von Hellas selbst lagen wie entblößt da. Und zugleich begannen die Völker im Norden rege zu werden; die Küstenstädte von Byzanz bis zum Strymon, nur von ihren Mauern und ihren Söldnern geschützt, hätten dem Andringen der thrakischen Völker nicht lange zu widerstehen vermocht; die noch lose geeinten makedonischen Landschaften, deren Hader wie erst die Athener, so nun Sparta und die Städte der Chalkidike nährten, waren selbst in steter Gefahr, von den Odrysen im Osten, den Triballern im Norden, den Illyriern im Westen überschwemmt zu werden; schon drängte hinter diesen die keltische Völkerwanderung zwischen der Adria und der Donau vorwärts. Die Triballer begannen ihre Raubzüge, die sie bald bis Abdera führen sollten; es brachen die Illyrier nach Epiros ein, siegten in einer großen Schlacht, in der fünfzehntausend Epiroten erschlagen wurden, durchheerten das Land bis in die Gebirge, die es von Thessalien scheiden, wandten sich dann rückwärts, durch die offeneren Gebirgspässe nach Makedonien einzubrechen. Gegen solche Gefahren sich zu schützen, hatte Olynth die Städte der Chalkidike zu einem Bunde vereint; daß die Spartaner ihn zerstörten, machte den Norden der Griechenwelt wehrlos gegen die Barbaren.

In derselben Zeit war größere Gefahr über das westliche Griechentum gekommen. Seit die Seemacht Athens gebrochen war, hatten die Karthager in Sizilien von neuem vorzudringen begonnen, Himera im Norden, Selinus, Akragas, Gela, Kamarina bewältigt; Dionys von Syrakus ließ, um den Frieden zu gewinnen, diese Städte in dem Tribut der Punier. Es brachen die Kelten über die Alpen nach Italien ein, unterwarfen das etruskische Land am Po, überstiegen den Apennin, brannten Rom nieder; es brachen die Samniter gegen die Griechenstädte Campaniens vor, unterwarfen eine nach der andern, während Dionys die im brettischen Lande an sich riß; nur Tarent hielt sich aufrecht. Wenigstens die Tyrannis von Syrakus war rüstig und tätig; in immer wieder erneutem Kampf entriß Dionys den Karthagern die Küste der Insel bis Akragas, schlug die etruskischen Seeräuber und plünderte ihren Schatz in Agylla, gewann in großangelegten Kolonisationen bis zur Pomündung hinauf und auf den Inseln der illyrischen Küste die Herrschaft in der Adria; – ein Fürst, der, mit geordnetem Regiment, fürsorgender Verwaltung, gleich energischer Willkür gegen die wüste demokratische wie partikularistische ›Freiheit‹, mit seinem Heere von griechischen, keltischen iberischen, sabellischen Söldnern und einer mächtigen Flotte, mit seiner verwegenen, treulosen zynischen Politik gegen Freund und Feind der letzte Schutz und Halt, so schien es, für das Griechentum im Westen war – ein principe in der Art, wie ihn der große Florentiner sich gewünscht hat, das Italien seiner Zeit zu retten, im übrigen auf der Höhe damaliger Bildung, wie er denn Philosophen, Künstler und Dichter an seinen Hof zog und selbst Tragödien dichtete. Die Tyrannis des Dionys und die nicht minder macchiavellistische Spartanermacht unter Agesilaos sind die Typen hellenischer Politik in diesen trüben Zeiten.

Es sollten noch trübere folgen. Aus der Bildung, deren Mittelpunkt Athen war, aus den Schulen der Rhetoren und Philosophen gingen politische Theorien hervor, die möglichst unbekümmert um die tatsächlichen Zustände und die gegebenen Bedingungen, die Formen und Funktionen des idealen Staates entwickelten, des Staates vollendeter Freiheit und Tugend, der allein allem Schaden abhelfen könne und alles Heil bringen werde. Vorerst nur ein verwirrendes Element mehr in der wirren Gärung von Herrschaft und Knechtung, von Willkür und Ohnmacht, von aller argen Sucht und Kunst des Reichwerdens und dem um so trotzigeren Neide der ärmeren Massen, zumal da, wo die Demokratie ihnen das gleiche Recht und dem mehreren Teil die Entscheidung gab. Wenn man verfolgt, wie die Schulen des Platon, des Isokrates usw., wie die Philosophie, die Rhetorik, die Aufklärung in den freien Städten, an den Höfen der Dynasten und Tyrannen bis Sizilien, Kypros und dem pontischen Herakleia, selbst bis an die Satrapenhöfe sich verbreitete und Einfluß gewann, so sieht man wohl, wie sich über allen Partikularismus und alle Lokalverfassung eine neue Art der Gemeinschaft, man möchte sagen der Souveränität der Bildung erhob, von der das brutale Herrentum Spartas am weitesten entfernt war.

Nicht von der Theorie ging der entscheidende Umschlag aus, aber dem gelungenen gab sie den Nimbus einer großen Tat, sie half seine Wirkungen steigern; mit der steigenden Flut fahrend ging sie daran sich zu verwirklichen.

Drei Jahre lang ertrug Theben die spartanischen Harmosten, die spartanische Besatzung auf der Kadmeia, die freche Willkür der unter ihrem Schutz herrschenden Oligarchie, immer neue Hinrichtungen und Austreibungen. Endlich wagten die Geflüchteten die Befreiung der Vaterstadt; unter Pelopidas Führung, im glücklich durchgeführten Verrat überfielen, ermordeten sie die Oligarchen, riefen das Volk auf mit ihnen die Demokratie zu verteidigen und die alte Macht der Stadt über Böotien herzustellen. Daß Epaminondas, der edle, philosophische, freisinnige, in dessen Geist das schöne Bild einer großen Zukunft lebte, hinzutrat, gab der Bewegung ihren idealen Schwung. Die Besatzung der Kadmeia wurde zum Abzug gezwungen, die Städte Böotiens, deren Autonomie ›des Großkönigs Frieden‹ geboten hatte, wieder in den böotischen Bund gezogen, Orchomenos, Tanagra, Platää, Thespiä, die sich weigerten, mit gewaffneter Hand gezwungen, ihre Mauern gebrochen, ihr Gemeinwesen aufgelöst, die Bürger ausgetrieben.

Vergebens suchten die Spartaner zu hemmen. Daß eben jetzt Athen sich aufrichtete, mit raschem Entschluß daranging, eine neue Flotte, eine neue Symmachie, aber mit der Devise der Autonomie zu schaffen, zeigte den Spartanern die schwellende Gefahr. Schon griff Theben über die böotischen Grenzen hinaus, versuchte die Phokier in den neuen Bund zu zwingen, verbündete sich Jason von Pherai, der die Macht über Thessalien den Dynasten zu entwinden verstanden hatte, die dauernde kriegerische Herrschaft an seine Hand zu ketten gedachte. Bei Naxos schlugen die attischen Strategen die Flotte Spartas, mit der Schlacht von Leukra gewann Theben den Weg nach dem Peloponnes, in dem, wie die Furcht vor Sparta dahin war, ein neues lärmendes Leben begann; unter dem Schutz der siegreichen Waffen Thebens wurde überall das Joch der Oligarchie gebrochen, die zerstreuten Dorfschaften zu städtischen Gemeinwesen vereint, selbst die verknechteten Messenier befreit und ihr Staat hergestellt.

Jenen Sieg dankte Athen einer raschen und geschickten Finanzmaßregel, die dann freilich eine Wirkung nach innen hatte, welche von der Demokratie nicht viel mehr als die Form und den Schein übrigließ. Die reicheren Bürger leisteten auf Grund einer neuen Schätzung die zum Bau einer Flotte und zur Werbung von Söldnern nötigen Mittel, in Gruppen verteilt, in denen je die Reichsten die Vorschüsse machten und die Leitung übernahmen. Der Demos ließ sich diese Plutokratie, die ihn nichts kostete, gefallen, um so mehr gefallen, da sie ihm mit jenem Siege von Naxos einen neuen Seebund schuf, welcher Macht, Geldzahlungen, Kleruchien in Aussicht stellte. Die Inseln und Küstenstädte traten demselben gern bei, da er Schutz versprach und ausdrücklichst die Autonomie, wie sie der Großkönig befohlen hatte, zur Grundlage nahm. So versuchte Athen zwischen dem sinkenden Sparta und dem emporsteigenden Theben balancierend ein Nachbild seiner einstigen Herrlichkeit zu schaffen, bald auch die Nichtwollenden zwingend; vor allem Amphipolis galt es heranzuziehen, das ja Athen einst gegründet, mit dem es die thrakischen Küsten beherrscht hatte; auf alle Weise, mit Hilfe der Makedonen, der thrakischen Fürsten versuchte es zum Ziele zu gelangen. Von Olynth unterstützt, widerstand Amphipolis den wiederholten Angriffen Athens.

Schon trat eine vierte Macht in diesen Wettkampf um die hellenische Führung. Der mächtige Jason von Pherai, von den Thessalern nach der alten Art ihres Landes mit dem Amt des Tagos, der Feldhauptmannschaft betraut, der rastlos geworben und Schiffe gebaut, ein Kriegsheer geschaffen hatte, wie es Hellas noch nicht gesehen – er ließ bekannt werden, daß seine Rüstung den Barbaren im Osten gelte, daß er über Meer gegen den Perserkönig zu ziehen gedenke; schon wie zur Weihung des beginnenden Werkes schickte er sich an, in feierlichem Pomp das pythische Fest in Delphi zu begehen, da wurde er von den Verschworenen ermordet, sieben Jünglingen, die dann die hellenische Welt als ›Tyrannenmörder‹ feierte. Nach blutigem Familienhader kam dann der Rest seiner Macht in die Hand seines Eidams Alexandros von Pherai; ihn haben nach einem Jahrzehnt seine nächsten Verwandten umgebracht.

So wurde Theben des Rivalen in seinem Rücken frei und Sparta lag tief getroffen darnieder; der neuen Erhebung Athens den Vorrang abzulaufen, baute auch Theben sich eine Flotte, begann sich auf dem Meere fühlbar zu machen. Kaum befreit, meinte nun das vereinte Arkadien schon nicht mehr der Thebaner zu bedürfen, selbst die Herrschaft auf dem Peloponnes fordern zu können. Sie zogen den Argeiern zu Hilfe, deren Angriff auf Epidauros gegen Athen und Korinth zu decken, sie brachen in das Eurotastal ein und rissen ein Stück Lakoniens an sich; dann kam den Spartanern Hilfe von dem Tyrannen Dionys, zweitausend keltische Söldner, und die Arkader wurden zurückgeworfen; nur um so ungestümer wandten sie sich gegen ihre westlichen Nachbarn; sie warfen sich auf Olympia, die nächste Feier des Gottesfestes zu leiten, und in dem Heiligtum des Gottes wurde die Schlacht geliefert, in der sie die Elier von dannen trieben, und die unermeßlichen Schätze des Tempels zerrannen unter ihren Händen.

So hier, so überall, jeder gegen jeden; es schien in dem Griechentum nur noch Macht und Leidenschaft genug, zu lähmen, was noch mächtig war, und niederzubrechen, was emporzusteigen drohte. Von Dankbarkeit, Treue, großen Gedanken, von nationalen Aufgaben blieb wenig oder nichts in der hellenischen Politik, und das Söldnertum und Flüchtlingswesen zerrüttete jede feste Ordnung und demoralisierte die Menschen.

Selbst Theben fühlte sich nicht stark genug, das, was es Neues geschaffen, aufrecht zu erhalten; es fürchtete, daß Sparta oder Athen am Perserhofe die Gründung von Megalopolis und Messenien als Verletzung des Friedens, ›den der Großkönig befohlen‹, denunzieren und persisches Gold zum ferneren Kampf gewinnen könnten. Pelopidas ward mit einigen Männern vom Peloponnes nach Susa gesandt, wo schon spartanische Gesandte waren, schleunigst auch attische erschienen. Vor dem Großkönige und seinem Hofe kramten nun diese hellenischen Männer den Schmutz ihrer Heimat aus; aber Pelopidas gewann den Vorsprung. Der Großkönig befahl, daß die Messenier autonom bleiben, die Athener ihre Schiffe auf das Land ziehen, Amphipolis autonom sein und unter dem Schutz des Großkönigs stehen solle; wer diesen Bestimmungen nicht Folge leiste, gegen den solle man zu Felde ziehen; welche Stadt nicht mitziehen wolle, gegen die solle man zuerst ausziehen.

Es war der Antalkidasfriede von thebanischer Seite. Und Theben lud nun die Staaten von Hellas zu sich, des Königs Befehl zu vernehmen. Die Spartaner wiesen ihn völlig ab, die Arkader protestierten gegen die Ladung nach Theben, die Korinther weigerten sich des Eides auf den Frieden des Großkönigs, und in Athen wurden die heimkehrenden Gesandten als Verräter hingerichtet.

Dann ward Pelopidas von jenem Alexandros von Pherai gefangen, ermordet. Epaminondas zog, die Ordnung auf dem Peloponnes herzustellen, über den Isthmos, er besiegte die Spartaner und die mit ihnen verbündeten Elier, Mantineer, Achäer bei Mantinea; aber er selbst fand in der Schlacht den Tod. Und der Spartanerkönig, der alte Agesilaos, ließ sich von den Ephoren den Auftrag geben, nach Ägypten zu ziehen, warb Söldner für ägyptisches Geld und führte dem Könige Tachos, der schon zehntausend Hellenen in Sold hatte, deren noch tausend zu, die versuchte Erneuerung des Pharaonentums gegen den Großkönig zu verteidigen.

Mit dem Tag von Mantinea endete die Macht Thebens, die, getragen und veredelt durch die Persönlichkeit einzelner Männer, nach deren Ende weder die befreiten oder neugegründeten Städte festzuhalten, noch die böotischen Städte, die vernichtet, die benachbarten Phokier, Lokrer, Malier, Euböer, die mit Gewalt an Theben gekettet waren, zu versöhnen verstand. Nach dem kurzen Rausch der Hegemonie, zu Übermut und Insolenz verwöhnt, wurde das sinkende Theben nur um so unleidlicher.

Auch Athens zweiter Seebund gewann nicht hohen Flug. Durch Sorglosigkeit, Habgier, intrigierende Staatsmänner verleitet, schon längst daran gewöhnt, statt der eigenen Bürger Söldner ins Feld zu schicken, ließ es seine Strategen bei Freund und Feind Geld erpressen statt Krieg zu führen, attische Beamte und Besatzungen in die Bundesstädte legen, auch wohl Bündner – so die auf Samos austreiben, an attische Kleruchen ihre Häuser und Äcker austeilen, so völlig das Recht und die Pflicht des geschlossenen Bundes mißachtend, daß die mächtigeren die erste Gelegenheit zum Abfall wahrnahmen. Es gelang nicht mehr, sie zu bezwingen: Athen verlor zum zweiten Male seine Seeherrschaft; aber es behielt noch Samos und einige andere Plätze; es hatte in seinen Werften über dreihundertundfünfzig Trieren, mehr als ein anderer hellenischer Staat.

Nicht minder im Sinken schien das westliche Griechentum. Bis zu seinem Tode hatte Dionys von Syrakus seine Herrschaft straff und fest gehalten; unter seinem gleichnamigen Sohne unternahm die Philosophie, Dion, Kallippos, Platon selbst, an dem Hofe des Tyrannen ihre Ideale zu verwirklichen, bis der junge Herr der Dinge überdrüssig wurde und die andere Seite seiner verbildeten Geistesarmut hervorzukehren begann. In den wüsten zehn Jahren seiner Herrschaft und dem nicht minder wüsten Jahrzehnt darnach verkam das Haus und zerbröckelte das Reich des kühnen Gründers.

Wundervoll sind die Erzeugnisse des Griechentums in Poesie und Kunst und allen Gebieten des intellektuellen Lebens auch noch in dieser Zeit; die Namen des Platon, des Aristoteles genügen zu bezeichnen, welche Schöpfungen dieses Zeitalter den früheren hinzugefügt hat.

Aber die öffentlichen und privaten Zustände der Griechenwelt waren schwer krank; sie waren hoffnungslos, wenn man fortfuhr, sich im falschen Zirkel zu bewegen.

Nicht bloß, daß die alten bindenden Formen des Glaubens und der Sitte, des Familienlebens, der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung gebrochen oder doch durch das Scheidewasser der Aufklärung zerfressen waren; nicht bloß, daß mit dem um so hastigeren politischen Wechsel in den kleinen Gemeinwesen die Seßhaftigkeit zerstört, mit dem Anwachsen der flottierenden Masse politischer Flüchtlinge die Gefahr neuer, ärgerer Explosionen fort und fort gesteigert wurde, ein wüstes Söldnertum, schon völlig auf das ›Gewerbe‹ organisiert, sich über die Welt zerstreute, für oder gegen Freiheit, Tyrannei und Vaterland, für oder gegen die Perser, Karthager, Ägypter und wo sonst Sold zu verdienen war, zu kämpfen. Schlimmer war, daß dies hochgebildete Griechentum in immer neuen Anläufen, das Ideal des Staates zu verwirklichen, nur die Schäden mehrte, die es heilen wollte, daß es von falschen Prämissen aus nach nicht minder falschen Zielen rang, daß es, immer nur auf die Autonomie der kleinen und kleinsten Gemeinwesen, auf das unbedingte persönliche Freisein und Mitherrschen bedacht, keine Formen fand, auch nur die Autonomie und Freiheit sicherzustellen, geschweige denn die Fülle großer nationaler Güter, die es besaß, ja die schon ernstlich bedrohte Existenz der Nation selbst zu schützen.

Was Hellas brauchte, lag auf der Hand. »Unter den Staaten, die bisher die Hegemonie gehabt«, sagt Aristoteles, »hat jeder es für sein Interesse gehalten, die der eigenen entsprechende Verfassung, die einen die Demokratie, die andern die Oligarchie in den von ihnen abhängigen Städten durchzuführen, indem sie nicht auf deren Wohl, sondern auf den eigenen Vorteil Bedacht nahmen, so daß nie oder selten und nur bei wenigen das Staatswesen der rechten Mitte zustande kam; und in den Bevölkerungen ist es zur Gewohnheit geworden, nicht die Gleichheit zu wollen, sondern entweder zu herrschen oder beherrscht zu werden.« Kurz und scharf bezeichnet der große Denker den fieberhaften und erschöpfenden Zustand, der daraus entsteht: Austreibungen, Gewaltsamkeiten, Rückkehr der Flüchtlinge, Güterteilungen, Schuldaufhebungen, Freigebung der Sklaven zu Zwecken des Umsturzes; bald stürzt sich der Demos auf die Besitzenden, bald üben die Reichen oligarchische Gewalt an dem Demos; Gesetz und Verfassung schützt nirgend mehr die Minorität gegen die Majorität, ist in der Hand dieser nur noch eine Waffe gegen jene; die Rechtssicherheit ist dahin, der innere Friede in jedem Augenblick in Gefahr; jede demokratische Stadt ist ein Asyl für demokratische, jede oligarchische für oligarchische Flüchtlinge geworden, die kein Mittel verschmähen und versäumen, ihre Rückkehr und den Umsturz der Dinge dort herbeizuführen, um den Besiegten dasselbe anzutun, was sie von ihnen haben leiden müssen. Zwischen den hellenischen Staaten, den kleinen und kleinsten, gibt es kein anderes öffentliches Recht als diesen Kriegszustand leidenschaftlichsten Parteihaders, und die kaum geschlossenen Föderationen zersprengt der nächste Parteiwechsel in den verbündeten Staaten.

Mit jedem Tage zeigte sich schärfer und mahnender, daß die Zeiten der autonomen Kleinstaaterei, der partiellen Bündnisse mit oder ohne Hegemonie vorüber, daß neue staatliche Formen nötig seien, panhellenische, so gesteigerte, daß in ihnen die bisher vermengten Begriffe Stadt und Staat sich schieden, und die Stadt ihre kommunale Stellung innerhalb des Staates fand, wie in der attischen Demenverfassung vorgebildet, in dem älteren Seebund versucht, aber nur in der Macht der Bundesgewalt, nicht in dem gleichen kommunalen Recht der Bundesglieder durchgeführt war. Und nicht bloß das; in dem Griechentum waren seitdem zu viele Kräfte, Ansprüche, Rivalitäten erwachsen, zu viele Bedürfnisse und Erregungen zur Gewohnheit, zu viel Leben Bedingung des Lebens geworden, als daß es, in den engen Raum daheim gebannt, in dem alles Kleine groß und alles Große klein erschien, sich mit dem, was es war und hatte, noch hätte ersättigen oder weiter entwickeln können. Unermeßliche Elemente der Gärung erfüllten es, solche, die eine Welt umzugestalten fähig waren; auf den heimischen Boden gebannt, in der heimischen Art beharrend, konnten sie nur gleich jener Drachensaat des Kadmos sich selbst zerfleischen und zerstören. Es kam alles darauf an, daß ihrem wirr wuchernden Hader ein Ende gemacht, ihnen ein neues weites Feld fruchtbarer Tätigkeiten geöffnet, in großen Gedanken alle edlere Leidenschaft entflammt, der Fülle noch ungebrochener Lebenstriebe Licht und Luft geschafft werde.

Seit Lysandros Siege die alt-attische Macht niedergebrochen hatten, war die äußere Gefahr für die Griechenwelt von allen Seiten her in stetem Steigen; mehr als je in schon völlig geschiedene Kreise zerlegt, verlor sie an allen ihren nationalen Grenzen immer mehr Terrain. Das Griechentum Libyens war von den Puniern hinter die Syrte zurückgedrängt; das Siziliens verlor an dieselben Punier die größere Westhälfte der Insel, das Italiens starb von dem Andrang der Völkerstämme des Apennin Glied vor Glied ab. Die Barbaren des unteren Donaulandes, schon ihrerseits von den in Italien zurückgestauten Kelten gedrängt, begannen ihre Versuche nach dem Süden durchzubrechen. Die hellenischen Städte an der West- und Nordseite des Pontos hatten Mühe, sich der Triballer, der Geten, der Skythen zu erwehren; von denen auf der Südseite fand wenigstens Herakleia in der Tyrannis, die ein Schüler Platons dort gründete, einigen Halt. Die andern Hellenenstädte Kleinasiens standen unter dem Perserkönige, von dessen Satrapen, von Dynasten, von dienstwilligen Oligarchien mehr oder weniger willkürlich beherrscht und ausgebeutet. Auch die reichen Inseln an der Küste beherrschte der persische Einfluß; das hellenische Meer gehörte den Hellenen nicht mehr; der Friede des Antalkidas hatte dem Hofe von Susa und den Höfen der Satrapen den Hebel in die Hand gegeben, in dem wohlgepflegten Hader der führenden Staaten das Griechentum tief und tiefer zu zerrütten und, während die großen politischen Dinge dort durch die ›Befehle‹ des Großkönigs entschieden wurden, von der kriegstüchtigen hellenischen Mannschaft so viel an sich zu ziehen, wie nötig schien.

Niemals ist in Hellas der Gedanke des nationalen Kampfes gegen die Persermacht vergessen worden; er war den Hellenen, was Jahrhunderte lang der abendländischen Christenheit der Kampf gegen die Ungläubigen war. Selbst Sparta hatte wenigstens zeitweise seine Herrsch- und Habgier mit dieser Larve zu verdecken gesucht; Jason von Pherai sah für die Tyrannis, die er gründete, in dem nationalen Kampf, zu dem er sich anschickte, die Rechtfertigung. Je deutlicher die Ohnmacht und innere Zerrüttung des übergroßen Reiches wurde, je leichter und einträglicher die Arbeit erschien, es zu vernichten, desto allgemeiner und zuversichtlicher wurde die Erwartung, daß es geschehen werde und geschehen müsse. Mochte Platon und seine Schule bemüht sein, den Idealstaat zu finden und zu verwirklichen, Isokrates, von dem eine doch breitere und populärere Wirkung ausging, kam immer wieder darauf zurück, daß man den Kampf gegen Persien beginnen müsse, ein solcher Krieg werde mehr ein Festzug als ein Feldzug sein; wie ertrage man den Schimpf, daß diese Barbaren die Wächter des Friedens in Hellas sein wollten, während Hellas imstande sei, Taten zu verrichten, die würdig seien, daß man die Götter darum bitte. Und Aristoteles sagt: die Hellenen könnten die Welt beherrschen, wenn sie zu einem Staat vereinigt wären.

Der eine wie andere Gedanke lag nahe genug, nahe genug auch der, beides, die Vereinigung der Hellenen und den Kampf gegen die Perser, als ein Werk zusammenzufassen, nicht das eine warten zu lassen, bis das andere getan sei. Nur wie solche Gedanken verwirklichen?

König Philipp von Makedonien unternahm es. Er mußte es, kann man sagen, wenn er das zerrüttete Königtum seines Hauses herstellen und sicherstellen wollte. Immer wieder hatte die Politik Athens, Spartas, Olynths, Thebens, der thessalischen Machthaber den Hader in der königlichen Familie genährt, Usurpationen einzelner fürstlichen Häupter des Landes unterstützt, die Barbaren auf den makedonischen Grenzen zu Einbrüchen und Raubzügen nach Makedonien veranlaßt. Hatten sie alle keine andern Rechtstitel zu ihrem Verfahren gehabt als die Ohnmacht des makedonischen Königtums, so bedurfte es nur der Herstellung genügender Macht, um dessen Recht gegen sie zu erweisen, und sie hatten keinerlei Anspruch auf rücksichtsvollere oder schonendere Maßregeln von seiten des makedonischen Königtums, als sie selbst so lange gegen dessen Interesse sich erlaubt hatten.

Philipps Erfolge gründen sich auf den sicheren Unterbau, den er seiner Macht zu geben verstand, auf die schrittweise vorgehende Bewegung seiner Politik gegenüber der bald hastigen, bald schlaffen, immer in ihren Mitteln oder ihren Zielen sich verrechnenden der hellenischen Staaten, vor allem auf die Einheit, das Geheimnis, die Schnelligkeit und Konsequenz seiner Unternehmungen, die von denen, die sie treffen sollten, so lange für unmöglich gehalten wurden, bis ihnen nicht mehr zu entgehen oder zu widerstehen war. Während Thessalien mit Alexanders Ermordung in Zerrüttung sank, die Athener auf den Bundesgenossenkrieg, die Thebaner auf den heiligen Krieg, der die Phokier zur Parition zwingen sollte, alle Aufmerksamkeit wandten, die Spartaner sich bemühten, auf dem Peloponnes wieder einigen Einfluß zu erhalten, rückte Philipp nach Süden und Osten seine Grenzen so weit vor, daß er mit Amphipolis den Paß nach Thrakien, mit dem Bergrevier des Pangäon dessen Goldminen, mit der Küste Makedoniens den thermäischen Busen und den Zugang zum Meer, mit Methone den Weg nach Thessalien hatte. Dann riefen ihn die Thessaler, von den Phokiern auf das schwerste bedroht, zu Hilfe; er kam, er hatte schweren Stand gegen die wohlgeführte Kriegsmacht der Tempelräuber; erst mit nachrückender Verstärkung warf er sie zurück; er stand am Eingang der Thermopylen; er legte makedonische Besatzung nach Pagasä, er war damit des thessalischen Hafens und des Weges nach Euböa Meister. Da gingen den Athenern die Augen auf; unter Demosthenes Führung begannen sie den Kampf gegen die Macht, welche, so schien es, die Hand nach der Herrschaft über Hellas ausstreckte.

An dem Patriotismus des Demosthenes und dessen Eifer für die Ehre und Macht Athens wird niemand zweifeln; und mit vollstem Recht wird er als der größte Redner aller Zeiten bewundert. Ob er in gleichem Maße als Staatsmann groß, ob er der Staatsmann der nationalen Politik Griechenlands war, ist eine andere Frage. Wenn in diesem Kampfe der Sieg gegen Makedonien entschieden hätte, was wäre das weitere Schicksal der Griechenwelt gewesen? Im besten Fall die Herstellung einer attischen Macht, wie sie soeben zum zweiten Mal zusammengebrochen war, entweder einer Bundesmacht auf Grund der Autonomie der Bündner, die weder den Barbaren im Norden zu wehren, noch den Barbaren im Osten die Stirn zu bieten, noch das sinkende Griechentum im Westen an sich zu ziehen und zu schützen vermocht hätte – oder einer attischen Herrschaft über untertänige Gebiete, wie denn schon jetzt Samos, Lemnos, Imbros, Skyros in solcher zum Teil kleruchischer Form, in loserer Tenedos, Prokonnesos, die Chersones, Delos in attischem Besitz waren; in dem Maße, als die Athener ihre Herrschaft erweitert hätten, würden sie größerer Eifersucht, heftigerem Gegendruck von rivalisierenden Staaten zu begegnen gehabt, sie würden nur die schon so tief eingefressene Spaltung und Zerrissenheit der hellenischen Welt gemehrt, sie würden jede Hilfe, auch die der Perser, der thrakischen, illyrischen Barbaren, der Tyrannis, wo sie sich gerade fand, willkommen geheißen haben, um sich zu behaupten. Oder wollte Athen nur die unberechenbaren Veränderungen, welche die Macht Makedoniens über Hellas zu bringen drohte, abwehren, nur die Zustände erhalten, wie sie waren? Sie waren so elend und beschämend wie möglich, und wurden in dem Maße unhaltbarer und explosiver, als man sie länger in dieser Zerfahrenheit und Verkrüppelung des Kleinlebens ließ, in dem der Griechenwelt ein Glied nach dem andern abstarb. Mochten die attischen Patrioten den Kampf gegen Philipp im Namen der Freiheit, der Autonomie, der hellenischen Bildung, der nationalen Ehre zu führen glauben oder vorgeben, keins dieser Güter wäre mit dem Siege Athens sichergestellt, mit der erneuten Herrschaft des attischen Demos über Bündner oder untertänige Orte, mit der verschlissenen und vernutzten Demokratie, ihren Sykophanten, Demagogen und Soldtruppen zu erhalten gewesen. Es war ein Irrtum des Demosthenes, der vielleicht seinem Herzen, gewiß nicht seinem Verstande Ehre macht, wenn er glauben konnte, mit diesem schwatzhaft, unkriegerisch, banausisch gewordenen Bürgertum Athens, selbst wenn er es mit der Macht seiner Rede zu glänzenden Entschlüssen hinreißen, selbst für einen Moment zu Taten galvanisieren konnte, noch große Politik machen, noch einen langen und schweren Kampf durchführen zu können; ein noch schwererer Irrtum, wenn er glauben konnte, durch Bündnisse mit Theben, Megalopolis, Argos und welchen Staaten sonst, im Augenblick der Gefahr zusammengeklittert, der erstarkenden Macht des Königs Philipp Halt gebieten zu können, der, selbst wenn man ihm ein Treffen abgewann, mit doppelter Macht zurückgekehrt wäre, während die hellenischen Bündnisse mit der ersten Niederlage ein Ende hatten. Demosthenes mußte wissen, was es bedeutete, daß nicht er selbst der Kriegsheld war, die politischen Projekte auszuführen, die er empfahl, daß er sie, und mit ihnen die Geschicke des Staates, Feldherren wie dem eigenwilligen Chares, dem wüsten Charidemos anvertrauen mußte, die es nun einmal verstanden, mit Söldnerbanden fertig zu werden und ihnen die nötige ›Zehrung‹ zu schaffen. Er mußte wissen, daß in Athen selbst, so wie er Einfluß gewann, sich die Reichen, die Trägen, die Selbstsüchtigen wider ihn zusammenfinden, daß auf sie gestützt seine persönlichen Gegner alle Schikanen und Schwerfälligkeiten der Verfassung benutzen würden, seine Pläne zu kreuzen, Pläne, deren Wert von einem attischen Mann nach dem Tage von Chaironeia mit dem bittern Worte bezeichnet worden ist: ›verloren wir nicht, so waren wir verloren‹.

Zum Verständnis dessen, was dieser großen Katastrophe folgt, ist es nötig, den Verlauf des Ringens zwischen Athen und Makedonien, das so endete, in seinen wesentlichen Zügen zu verfolgen.

Demosthenes' große politische Tätigkeit begann, als Philipps Erfolge gegen die Phokier, seine Einwirkung auf die Parteiungen Euböas, sein Vordringen über Amphipolis hinaus das Emporwachsen einer Machtbildung erkennen ließ, die über alle bisherigen Voraussetzungen hellenischer Politik hinausging. Daß die Athener – zunächst mit der Besetzung der Thermopylen 352, nach Philipps ersten Erfolgen gegen die Phokier – zeigten, was sie wollten, wies ihrem Gegner seinen weiteren Weg. Noch hatten sie ihre Flotte, damit auf dem Meere eine Überlegenheit, der nur Raschheit und Entschlossenheit fehlte, um die erst werdende makedonische Flotte zu erdrücken. Athen war für Philipp der gefährlichste Feind in Hellas; es mußte vereinzelt, in raschen Zügen überholt werden.

Olynthos, an der Spitze der wieder verbündeten chalkidischen Städte, hatte vier Jahre vorher, als um Amphipolis noch gestritten wurde, sich mit Philipp gegen Athen verbündet, hatte aus seiner Hand das mit attischen Kleruchen besetzte Poteidaia angenommen; auch sie hielten sich klug genug, von dem, den sie schon fürchteten, Vorteil zu ziehen; jetzt nach dem ersten Erfolg Philipps über die Phokier sandten die Olynthier nach Athen, ein Bündnis anzutragen; daß sie den geflüchteten Prätendenten des makedonischen Königtums in ihren Schutz nahmen, ihn auszuliefern sich weigerten, ergriff Philipp, um den Kampf gegen sie zu beginnen. Trotz der Hilfe, die Athen sandte, wurde der chalkidische Bund besiegt, Olynth zerstört, die anderen Städte des Bundes makedonische Landstädte (348).

Zugleich hatten die Athener vergebens einen Zug nach Euböa unternommen; von den Tyrannen der einzelnen Städte hielten die meisten zu Philipp; er hatte damit eine Stellung, die Attika in der Flanke bedrohte. Er selbst wandte sich von Olynth – schon zum dritten Mal – gegen den Thrakerkönig Kersobleptes, der, von Athen veranlaßt, Olynth unterstützt hatte. Schon war die makedonische Flotte imstande, auf den attischen Inseln Lemnos, Imbros und Skyros zu plündern, attische Kauffahrer aufzubringen; selbst die Paralos, eine der heiligen Trieren Athens, war am Gestade von Marathon gekapert und als Trophäe nach Makedonien abgeführt worden. Und von den Phokiern auf das härteste bedrängt, bat Theben bei Philipp um Beistand, lud ihn ein den Paß der Thermopylen zu besetzen. Dieser schlimmsten Wendung zuvorzukommen erbot sich Athen zum Frieden; daß Philipp die Unterhandlungen hinzog, daß Athen die Phokier und Kersobleptes, die Tempelräuber und den Barbaren, mit in den Frieden einzuschließen forderte, um die Thermopylen und den Hellespont zu decken, daß es endlich auch ohne diese Bedingungen den Frieden zu genehmigen bereit war (346), zeigte, wie viel an Gewicht Philipp gewonnen, Athen verloren hatte. Die gleichzeitige letzte Krisis des heiligen Krieges fügte eine weitere Wirkung hinzu.

Noch hielten die Phokier die Thermopylen, in Böotien die von Theben abgefallenen Städte Orchomenos und Koroneia besetzt; freilich der delphische Tempelschatz ging auf die Neige, aber sie hofften auf Athen, und der Spartanerkönig Archidamos kam ihnen mit tausend Hopliten zu Hilfe. Mit der Aussicht, das delphische Heiligtum in Spartas Hand gelangen zu lassen, bewirkte Philipp die Heimkehr der Spartaner; gegen freien Abzug mit seinen achttausend Söldnern überließ der Führer der Phokier – es war in den Tagen, da der Demos von Athen jenen Frieden genehmigte – den Makedonen die Thermopylen. Philipp rückte in Böotien ein; Orchomenos, Koroneia ergaben sich; Theben war froh, diese Städte durch Philipp zurück zu erhalten. In Gemeinschaft mit den Thebanern und Thessalern berief Philipp den Rat der Amphiktyonen; Athen beschickte ihn nicht. So wurde das Urteil über die Phokier gesprochen: sie wurden aus dem heiligen Bunde ausgestoßen, ihre zweiundzwanzig Städte aufgelöst, deren Mauern zerstört, die mit den Söldnern Abgezogenen als Tempelräuber verflucht und vogelfrei erklärt; kaum daß die Hinrichtung aller Waffenfähigen im Lande, die die Oitaer beantragten, abgelehnt wurde. Durch weiteren Beschluß der Amphiktyonen wurde die Stimme der Phokier auf Philipp übertragen, die Leitung der pythischen Feier, der Schutz des delphischen Heiligtums in seine Hand gelegt.

So trat er an die Spitze dieses heiligen Bundes, der durch das, was soeben geschehen war, wie zu keiner Zeit früher eine politische Bedeutung gewonnen hatte. Die nächste Anwendung davon traf Athen, das die gefaßten Beschlüsse, die an Philipp übertragene Befugnis anzuerkennen zögerte; eine amphiktyonische Gesandtschaft kam nach Athen, die ausdrückliche Zustimmung zu fordern. Wurde sie verweigert, so sprach die Versammlung den Bann über Athen aus, und Philipps Macht war zur Stelle, ihn zu vollziehn. Demosthenes selbst empfahl, einem heiligen Krieg aus dem Wege zu gehn.

Sicheren Schrittes ging Philipps Politik weiter. Schon hatte er die Hand über das Königtum von Epiros; die Städte im Peloponnes führte die Hoffnung auf gemeinsamen Kampf gegen Sparta ihm zu; in Elis, Sikyon, Megara, in Arkadien, Messenien, Argos herrschten die ihm Zugewandten. Dann setzte er sich in Akarnanien fest, schloß Bündnis mit den Aitolern, überwies ihnen Naupaktos, das sie sich wünschten. Von der Landseite war die Macht Athens umstellt und so gut wie gelähmt. Aber noch hatten sie das Meer; ihre Flotte sicherte ihnen mit der Chersones den Hellespont und die Propontis. Dort mußte Philipp sie zu treffen suchen. Während er ihnen die Versicherungen seiner Freundschaft und friedlichen Gesinnung fort und fort wiederholte, warf er sich von neuem auf Kersobleptes und die ihm verwandten kleineren Fürsten in Thrakien, unterwarf sich das Land zu beiden Seiten des Hebros, sicherte es durch eine Reihe von Städten, die er im Binnenlande gründete, und die hellenischen Städte am Pontos bis Odessos hinauf traten gern mit ihm in Bündnis. So mächtig war der Eindruck seiner Erfolge, daß der Getenkönig an der untern Donau um seine Freundschaft bat, ihm seine Tochter zur Ehe sandte.

In demselben Maße erschreckten diese Erfolge die hellenischen Gegner Philipps. Daß die Athener die Wiedereinsetzung der thrakischen Fürsten, die ihre Bundesgenossen seien, forderten, daß sie, um die gefährdete Chersones zu schützen, Kleruchen dorthin sandten, daß die Stadt Kardia sich weigerte sie aufzunehmen, daß Philipps Vorschlag, die Streitfrage durch ein Schiedsgericht abzutun, von Athen abgelehnt, von den attischen Strategen die schon makedonischen Orte an der Propontis überfallen und zerstört wurden, leitete einen neuen Krieg ein.

Philipp hatte mit Byzanz, Perinth, anderen Städten, die sich im Bundesgenossenkriege von Athen freigemacht, Bündnisse geschlossen und kraft deren zum Kampf gegen die Thraker ihren Beistand gefordert; sie leisteten ihn nicht, sie fürchteten seine wachsende Macht; Athen bot ihnen Bündnis und Kriegshilfe. Schon hatte es ihm die meisten Städte Euböas entfremdet, schon mit Korinth, den Akarnanen, Megara, Achaia, Korkyra Bündnis geschlossen, mit Rhodos und Kos wieder angeknüpft; es ließ am Hofe von Susa auf die Gefahren, die dem Perserreich die wachsende Macht Philipps drohe, hinweisen; der attische Stratege in der Chersones empfing persische Subsidien, und der Eifer des attischen Demos für die Rettung der hellenischen Freiheit wuchs mit jedem Tage.

Philipp wandte sich nach dem Siege über die Thraker gegen Perinth, gegen Byzanz, den Schlüssel des Pontos; fielen diese Städte, so war die Macht Athens an der Wurzel getroffen. Auf Philipps Ultimatum antworteten die Athener mit einer Erklärung, daß er den geschworenen Frieden gebrochen habe; sie sandten den Byzantiern die versprochene Flotte; von Rhodos, Kos, Chios, den Verbündeten von Byzanz, kam Hilfe; die nächstgesessenen Satrapen eilten Perinth zu unterstützen, sandten Truppen nach Thrakien – Philipp mußte weichen.

Er zog gegen die Skythen. Für seine neue Gründung im Hebroslande war der Skythenkönig Ateas diesseits der Donaumündungen ein gefährlicher Nachbar; er schlug ihn. Dann zog er durch das Gebiet der Triballer heimwärts; auch sie, den Grenzen Makedoniens oft lästige Nachbarn, sollten seine Macht fürchten lernen. Er mußte seines Rückens sicher sein, um den entscheidenden Stoß gegen die Athener führen zu können.

Sie arbeiteten ihm in die Hand. In dem delphischen Tempel hatten sie ihre alten Weihgeschenke für die Schlacht von Platää erneut, mit der Inschrift: »aus der Beute der zum gemeinsamen Kampf gegen die Hellenen vereinten Perser und Thebaner«. In der Versammlung der Amphiktyonen erhoben auf Anlaß Thebens die Lokrer von Amphissa darüber Beschwerde, beantragten ein schwere Geldstrafe; der attische Gesandte Aischines antwortete ihnen mit dem Vorwurf, daß sie delphisches Tempelland bebaut hätten; er erhitzte die Versammelten so, daß der Beschluß gefaßt wurde, diese Tempelräuber sofort zu züchtigen; aber die Bauern von Amphissa trieben die Amphiktyonen und die Delphier, die mit ihnen gekommen waren, zurück. Nach solchem Schimpf beschloß man eine außerordentliche Versammlung der Amphiktyonen zu berufen, die das Nötige verfügen sollte, die Frevler zu züchtigen. Gesandte Athens, Thebens kamen nicht; Sparta war seit dem Ausgang des heiligen Kriegs ausgeschlossen; die zur Versammlung Erschienenen beschlossen einen heiligen Zug gegen Amphissa, übertrugen ihn den nächstgesessenen Stämmen. Er hatte geringen Erfolg; die von Amphissa verharrten in ihrem Trotz. Die nächste regelmäßige Versammlung – im Herbst 339 – übertrug dem König Philipp die Züchtigung der Gottesfrevler, die Hegemonie des heiligen Krieges.

Er eilte herbei, nicht bloß um die Bauern von Amphissa zu züchtigen. Athen hatte den Krieg wider ihn erneut, hatte ihn vor Byzanz und Perinth zu weichen genötigt; mit dem Zug für den delphischen Gott konnte er seine Landmacht in die Nähe der attischen Grenzen führen, den Krieg da fortsetzen, wo den Athenern ihre Seemacht nichts half; daß sie selbst den Handel mit Amphissa eingeleitet hatten, daß sie nun gegen den, der ihn hinauszuführen kam, sich wenden mußten, enthüllte vor den Augen aller Welt ihr Unrecht und die inneren Widersprüche ihrer Politik. Er durfte auf Theben rechnen, das ihm zumal seit dem Kriege gegen die Phokier voll Erbitterung gegen Athen und den rettenden Waffen Makedoniens zu Dank verpflichtet, durch Bündnis verknüpft war. Mit Nikaia am Südausgang der Thermopylen, das er den Thessalern überwiesen, stand ihm der Weg nach dem Süden offen. Er ließ einen Teil seines Heeres von Heraklea, am Nordeingang der Thermopylen, durch den Paß der Landschaft Doris, den nächsten Weg nach Amphissa, vorgehen; mit dem größeren Teil zog er über Nikaia durch den Paß, der nach Elatea in das obere phokische Tal des Kephissos hinabführt; im Spätherbst 339 stand er in Elatea, verschanzte sich dort; die offenen Grenzen Böotiens und die Straße nach Attika lagen vor ihm, hinter ihm die Pässe, die seine Verbindung mit Thessalien und Makedonien sicherten.

Er sandte nach Theben; er bot, wenn die Stadt mit ausziehe gegen Athen, Anteil an der Siegesbeute und Gebietserweiterung, forderte, wenn sie nicht mitkämpfen wolle, wenigstens freien Durchzug. Zugleich waren attische Gesandte nach Theben gekommen; dem Eifer des Demosthenes gelang es trotz allem, was seit zwanzig Jahren geschehen war, ein Bündnis zwischen Athen und Theben zustande zu bringen. Theben sandte eine Abteilung Söldner den Lokrern von Amphissa zu Hilfe; Athen überließ ihnen zehntausend Mann, die es geworben; beide Städte riefen die verbannten Phokier auf, in ihre Heimat zurückzukehren, halfen ihnen einige der wichtigsten Plätze des Landes neu befestigen. Aber die Makedonen drangen auf Amphissa vor, schlugen die Soldhaufen des Feindes; Amphissa wurde zerstört. Der Hauptmacht Philipps in Phokis zu begegnen, rüsteten Athen und Theben mit höchstem Eifer, riefen auch ihre Bürger unter die Waffen; das attische Heer zog nach Theben, vereinte sich mit dem böotischen. Zwei glückliche Gefechte erhöhten ihren Mut und ihre Zuversicht; auch Korinth, Megara, andere von den Verbündeten Athens sandten Hilfstruppen.

Aber Philipp wich nicht; er zog Verstärkungen aus Makedonien heran; mit denen, die sein Sohn Alexander nachführte, war sein Heer bei dreißigtausend Mann stark. Es mag in dieser Zeit gewesen sein, daß der König nach Theben sandte, Unterhandlungen anzubieten; der heftige Widerspruch des Demosthenes machte die Friedensneigung der Böotarchen wirkungslos. Wenn nur in gleichem Maße das Heer der Verbündeten – der Zahl nach war es dem makedonischen überlegen – militärisch die Initiative zu ergreifen verstanden hätte; sie standen in fester Stellung am Eingang nach Phokis, am Kephissos. Eine Bewegung Philipps nach der Linken zwang sie, rückwärts zu gehen in die böotische Ebene. Bei Chaironeia traf sie Philipp zur Schlacht (August 338); auf das hartnäckigste wurde gekämpft; das lange schwankende Gefecht entschied der Reiterangriff, den Alexander führte; es war der vollständigste Sieg. Das Heer der Verbündeten war zersprengt und vernichtet. Das Schicksal Griechenlands lag in Philipps Hand.

Es lag weder in den Wegen seiner Politik, noch hatte er den Siegesübermut, Griechenland zu einer Provinz Makedoniens zu machen. Nur die Thebaner erfuhren für ihren Abfall die verdiente Strafe. Sie mußten die Verbannten wieder aufnehmen, aus ihnen einen neuen Rat bestellen, der über die bisherigen Führer und Verführer der Stadt Tod oder Verbannung verhängte. Der böotische Bund wurde aufgehoben, die Gemeinden von Platää, Orchomenos, Thespiä wiederhergestellt, Oropos, das Theben zwanzig Jahre früher von Attika abgerissen, an Athen zurückgegeben, endlich auf die Kadmeia eine makedonische Besatzung gelegt, eine Position, nicht bloß Theben, sondern Attika und ganz Mittelgriechenland in Ruhe zu halten.

Mit so viel Strenge Theben, mit ebenso viel Nachsicht wurde Athen behandelt. In der ersten Aufregung nach der Niederlage hatte man sich dort zu einem Kampf auf Leben und Tod angeschickt; man hatte Charidemos an die Spitze des Heeres stellen, man hatte die Sklaven bewaffnen wollen – das Schicksal Thebens und die Erbietungen des Königs kühlten den Eifer ab; man nahm den Frieden an, wie ihn der König durch einen der Gefangenen, den Redner Demades, anbieten ließ: die Athener erhielten alle Gefangenen ohne Lösegeld zurück, sie behielten Delos, Samos, Imbros, Lemnos, Skyros, sie kamen wieder in den Besitz von Oropos; es wurde – vielleicht nur der Form nach – ihrem Belieben freigestellt, ob sie dem gemeinen Frieden des Königs mit den Hellenen und dem Bundesrate, den er mit denselben errichten werde, beitreten wollten. Der attische Demos beschloß Ehren aller Art für den König, gab ihm, seinem Sohn Alexander, seinen Feldherren Antipatros und Parmenion das Bürgerrecht, errichtete ihm als einem ›Wohltäter der Stadt‹ ein Standbild auf der Agora; anderes mehr.

Es war doch nicht die Furcht allein, auf die der König sein Werk in Hellas zu gründen gedachte; und die makedonische Partei, auf die er rechnete oder die sich neu bildete, bestand doch nicht bloß aus Verrätern und Bestochenen, wie es Demosthenes darstellt. Es ist bedeutsam, daß Demaratos von Korinth einer der treuesten Anhänger des Königs war, Timoleons Freund und Kampfgenosse in der Befreiung Siziliens, wenn einer erfüllt von dem großen Gedanken des nationalen Kampfes gegen die Perser. Auch andere mögen sich zu der Ansicht bekannt haben, die Aristoteles mit den Worten ausgesprochen hat: daß das Königtum seiner Natur nach allein imstande sei, über den Parteien zu stehen, welche das griechische Staatsleben zerrütteten, allein das Staatswesen der rechten Mitte schaffen könne; »denn die Aufgabe des Königs ist, Wächter zu sein, daß die Besitzenden nicht in ihrem Eigentum geschädigt, der Demos nicht mit Willkür und Übermut behandelt werde«. Die so oft versuchte Tyrannis hat dies Werk nicht vollbringen können, »denn sie steht nicht, wie das altgegründete Königtum, auf eigenem Recht, sondern auf der Gunst des Demos; oder auf Gewalt und Unrecht«.

Verfuhr nun Philipp in solchem Sinn?

Ohne das attische Gebiet zu berühren, zog er weiter nach dem Peloponnes. Hatten Megara, Korinth, Epidauros, andere Städte sich hinter ihren Mauern zu verteidigen gedacht, so baten sie nun um Frieden; der König gewährte ihn den einzelnen, den Korinthern unter der Bedingung, daß sie Akrokorinth einer makedonischen Besatzung übergaben; ähnliche Friedensschlüsse mit der Weisung, zum Abschluß des allgemeinen Friedens Bevollmächtigte nach Korinth zu senden, folgten bei seinem weiteren Marsch durch den Peloponnes. Nur Sparta wies jedes Erbieten zurück; bis an das Meer durchzog Philipp das lakonische Gebiet, ordnete dann nach dem Spruch eines Schiedsgerichts aus allen Hellenen die Grenzen Spartas gegen Argos, Tegea, Megalopolis, Messenien, so daß die wichtigsten Pässe in die Hände derer kamen, die sich lieber mit der völligen Vernichtung des verhaßten Staates auch aller künftigen Sorge befreit gesehen hätten.

Schon waren die Gesandtschaften der Staaten in Hellas – nur Spartas nicht – in Korinth versammelt; dort wurde ›der gemeine Friede und Bundesvertrag‹ errichtet, vielleicht auf Grund des von König Philipp vorgelegten Entwurfes, gewiß nicht in der Form eines einseitigen makedonischen Befehls. Die Freiheit und die Autonomie jeder hellenischen Stadt, der ungestörte Besitz ihres Eigentums und dessen gegenseitige Garantie, freier Verkehr und steter Friede zwischen ihnen, das waren die Grundlagen dieser Einigung; sie zu sichern und ihre Befugnisse auszuführen, wurde ein ›gemeiner Bundesrat‹ bestellt, zu dem jeder Staat Beisitzer senden solle; namentlich war ihre Aufgabe, darüber zu wachen, ›daß in den verbündeten Staaten keine Verbannung oder Hinrichtung wider die bestehenden Gesetze, keine Konfiskation, Schuldaufhebung, Güterteilung, Sklavenbefreiung zum Zweck des Umsturzes vorkomme‹. Zwischen den so geeinten Staaten und dem makedonischen Königtum wurde ein ewiger Bund zu Schutz und Trutz errichtet; kein Hellene sollte gegen den König Kriegsdienste tun oder seinen Feinden hilfreich sein bei Strafe der Verbannung und des Verlustes von Hab und Gut. Das Gericht über Bundbrüchige wurde dem Rat der Amphiktyonen überwiesen. Endlich der Schlußstein des Ganzen: es wurde der Krieg gegen die Perser beschlossen, ›um die von ihnen an den hellenischen Heiligtümern geübten Frevel zu rächen‹; es wurde König Philipp zum Feldherrn dieses Krieges zu Lande und zur See mit unumschränkter Gewalt ernannt.

Philipp ging nach Makedonien zurück, alle Vorbereitungen zu dem großen nationalen Kriege zu treffen, den er mit dem nächsten Frühling zu beginnen gedachte. Mit jener Hilfesendung der Satrapen nach Thrakien hatte er einen vollen Rechtsgrund zum Kriege gegen den Großkönig.

Wie denkwürdig, daß in derselben Zeit die Geschicke Siziliens auf entgegengesetztem Wege sich herstellten. In kläglichstem Zustande, von Tyrannen bedrückt und von den Karthagern bedroht, hatten sich die Patrioten Siziliens nach Korinth gewandt, um Rettung zu bitten. Von dort wurde ihnen mit geringer Macht der hochherzige Timoleon gesandt. Er brach die Tyrannis in Syrakus, der Reihe nach in den anderen Städten, er warf die Karthager auf ihre alten Grenzen in der Westecke der Insel zurück (339); er zog in die befreiten Städte neue hellenische Ansiedler in Menge, er erneute in ihnen die demokratische Freiheit und die Autonomie; in Sizilien schien die Art des Staatenlebens, die in der Heimat zusammenbrach, von neuem erblühen zu wollen. Aber den Tod des Hochgefeierten (337) überdauerte der neugeschaffene Zustand nur kurze Frist; noch ehe die Karthager sich zu neuen Angriffen erhoben, waren diese Demokratien auf dem Wege der Oligarchie oder der Tyrannis, in neuem Nachbarhader. Am wenigsten aus Großgriechenland konnte ihnen Rettung kommen; den noch nicht verkommenen Städten dort erwuchsen aus der eben jetzt rasch schwellenden Bewegung der italischen Völker neue Bedrängnisse; jener König Archidamos von Sparta, den die Tarentiner in Dienst nahmen, fand, an der Spitze seiner Söldner gegen die Messapier kämpfend, den Tod, an demselben Tage, heißt es, da Philipp bei Chaironeia siegte.

Mit dieser Schlacht und dem korinthischen Bunde war wenigstens in dem heimatlichen Gebiet der Hellenen eine Einigung geschaffen, die inneren Frieden und nach außen eine gemeinsame nationale Politik verbürgte, – eine Einigung nicht bloß völkerrechtlicher, sondern staatsrechtlicher Art, wie sie einst Thales und Bias den Ioniern empfohlen hatten, nicht eine Hegemonie, wie sie die Athener in den Tagen ihres schönsten Ruhmes nur zu bald zur Herrschaft hatten umbilden müssen, um sie zu erhalten, noch weniger eine solche, wie sie Sparta mit dem Frieden des Antalkidas namens des Großkönigs und in Ausführung seiner Politik durchzusetzen versucht hatte, sondern eine Bundesverfassung mit geordnetem Rat und Gericht über die verbündeten Staaten, mit kommunaler Autonomie der einzelnen, mit dauerndem Landfrieden und freiem Verkehr zwischen ihnen, mit der Garantie aller für jeden, endlich mit dem beschlossenen Kriege gegen die Perser gefaßt, daß das Wesentliche der Militärhoheit und der auswärtigen Politik jedes Staates durch den Bundeseid an den Hegemonen des Bundes, den makedonischen Machthaber, übertragen war.

Wie schwerer Kämpfe, wie scharfer Maßnahmen es bedurft haben mochte, zu diesem Ergebnis zu gelangen, der makedonische König ehrte sich und die Hellenen, wenn er voraussetzte, daß der Kampf gegen die Perser, der so erst möglich wurde, die Macht der doch gemeinsamen nationalen Sache, die Erfolge nach außen und die Segnungen im Innern, die das gelungene Werk verhieß, die Niederlagen und Opfer vergessen machen werde, die dessen Schaffung gefordert hatte. Nicht bloß seine wiederholten Erklärungen und die in dem Bundesvertrage übernommene Pflicht verbürgten ihnen, daß seine Waffen dem großen nationalen Kampf geweiht sein würden; sein eigenes Interesse hatte ihm von Anfang her diese Politik vorgezeichnet, die Kraft Griechenlands zu sammeln, um den Kampf gegen die Persermacht wagen zu können, diesen Kampf zu unternehmen, um die irgend noch gesunden Kräfte in dem hellenischen Staatenleben desto sicherer zu vereinigen und dauernd zu verschmelzen.

Seine Macht, die und die allein Hellas wie ein schützender Wall gegen die Barbaren des Nordens deckte, denen die Italiens schon erlag, war nun so weit und in feierlichster Weise berufen, an der Spitze des geeinten Hellas den Kampf gegen die Barbaren im Osten durchzuführen. Das bedeutete: Befreiung der hellenischen Inseln und Städte, die seit dem Sturz Athens, seit Lysandros, seit dem Frieden des Antalkidas von neuem dem persischen Joch verfallen waren – die Erschließung Asiens für den freien Verkehr und die Industrie von Hellas, für das Einströmen des hellenischen Lebens –, der Überfülle unruhiger, gärender, verwilderter Elemente, an denen es bisher in seiner wirren Kleinstaaterei auf den Tod gekrankt, deren es so krankend nur immer mehr, immer ärgere und zerstörendere erzeugt hatte, Raum und Gelegenheit und lockende Aussicht vollauf, in neuen Verhältnissen neue Tätigkeiten zu finden und in der Fülle neuer Aufgaben arbeitend zu genesen.

Der kosmopolitische Zug, den in dem Griechentum zugleich mit dem zähen Partikularismus der Weltverkehr, das Flüchtlingswesen, das Söldnertum, die Kurtisanen, die Aufklärung und Bildung entwickelt hatten, mußte endlich, wenn er nicht den Rest nationalen Bestandes nutzlos vergeuden sollte, in geordneter Bewegung, in vorgedachten Wirkungen die ihm entsprechende Gestaltung finden. In dem Zuge nach Asien konnte er es.

 

War auf der europäischen Seite so alles zur letzten Entscheidung bereit, so hatte auf der asiatischen in entsprechender Weise das große Reich der Perser den Punkt erreicht, wo es in den Machtelementen, in denen einst seine Erfolge begründet gewesen waren, erschöpft und nur noch durch die träge Kraft des Bestehens gehalten schien.

Es ist wenig, was von der Natur und Art dieses Perserreiches überliefert wird, und dies Wenige meist sehr äußerlicher Art, fast nur von denen aufgefaßt, welche in den Persern nur die Barbaren sahen und verachteten; und nur in der großen Gestalt des Dareios, wie sie einer der Marathonkämpfer in seinem Drama von den Perserkriegen geschildert hat, empfindet man etwas von dem doch tief-mächtigen Wesen dieses edlen Volkes.

Vielleicht darf man diesen Eindruck ergänzen und vertiefen durch das, was dasselbe in der unmittelbarsten Gestaltung seines innern Lebens, in seiner Religion und seiner heiligen Geschichte ausgesprochen hat. Sie bezeugen die höhere ethische Kraft, mit der die Perser den andern Völkern Asiens gegenüber in die Geschichte eintreten, die ernste und feierliche Auffassung dessen, um deswillen der einzelne und das Volk lebt.

Rein sein in Werken, rein in Worten, rein in Gedanken, das ist es, was diese Religion fordert; die Wahrhaftigkeit, die Heiligung des Lebens, die Pflichterfüllung mit vollster Selbstverleugnung ist das Gesetz, wie es durch Zarathustra, den Verkünder des göttlichen Wortes, offenbart worden ist. In den Sagen von Dschemschid und Gustasp, von den Kämpfen gegen die Turanier entwickeln sich ihnen, sehr anders als den Hellenen in ihren Gesängen von Troja und Theben und den Argonauten, die Vorbildlichkeiten dessen, was das wirkliche Leben suchen und meiden soll.

Denn die Hochebenen vom Demawend bis zum Sindhflusse durchschwärmten in unvordenklicher Vorzeit wüste Horden; da erschien der Verkünder des alten Gesetzes, der Hort des Menschen, Haoma, verkündete seine Lehre dem Vater Dschemschids, und die Menschen begannen sich anzusiedeln und den Acker zu bauen; und als Dschemschid König wurde, ordnete er das Leben seines Volkes und der Stände seines Reichs; unter dem Glanz seiner Herrschaft starben die Tiere nicht und die Pflanzen verwelkten nicht, an Wasser und Früchten war nie Mangel, es war nicht Frost noch Hitze, nicht Tod noch Leidenschaft, und Friede überall. Er sprach in seinem Stolz: »Verstand ist durch mich, gleich mir ist noch keiner gekrönt; die Erde ist geworden, wie ich verlangt; Speise und Schlaf und Freude haben die Menschen durch mich; die Macht ist bei mir und den Tod habe ich von der Erde genommen; darum müssen sie mich den Weltschöpfer nennen und anbeten.« Da wich der Glanz Gottes von ihm; Zohak, der verderbliche, kam über ihn, verjagte ihn, begann seine furchtbare Herrschaft; es folgte eine Zeit wilden Aufruhrs, aus der endlich siegend Feridun der Held hervorging; er und nach ihm sein Geschlecht, das der ›Männer des ersten Glaubens‹, herrschten über Iran, immer wieder in schwerem Kampf mit den wüsten Turaniern, bis dann unter dem sechsten nach Feridun, dem Könige Gustasp, Zarathustra erschien, der Bote des Himmels, den König zu unterweisen, damit er dem Gesetz gemäß denke, spreche, handle.

Die Grundlage des neuen Gesetzes war der ewige Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis, zwischen Ormuzd und den sieben Erzfürsten des Lichtes gegen Arhiman und die sieben der Finsternis; beide mit ihren Heerscharen ringen um die Herrschaft der Welt; alles Geschaffene gehört dem Licht, aber die Finsternis nimmt mit teil an dem rastlosen Kampf; nur der Mensch steht zwischen beiden, um nach freier Wahl dem Guten zu helfen oder dem Bösen Raum zu lassen. Die Söhne des Lichtes, die Iranier, kämpfen so den großen Kampf für Ormuzd, seinem Reiche die Welt zu unterwerfen, sie nach dem Vorbilde des Lichtreiches zu ordnen und in Gedeihen und Reinheit zu erhalten.

So der Glaube dieses Volkes und die Impulse, aus denen sich ihm sein geschichtliches Leben entwickelt; teils ackerbauende, teils Hirtenstämme in dem rauhen Gebirgsland Persis, unter ihren edlen Geschlechtern, von deren zahllosen Burgen noch nach Jahrhunderten die Rede ist, an ihrer Spitze der Stamm der Parsagaden, deren edelstem Geschlecht, dem der Acharmeniden, das Stammkönigtum des Volkes zusteht. Da hat denn der Königssohn Kyros am Hofe des Großkönigs in Ekbatana so viel Hochmut und Erschlaffung und verächtliches Wesen gesehn, daß er die Herrschaft an sein strengeres Volk zu bringen für wohlgetan hält. Er ruft, so lautet die Sage, die Stämme zusammen, läßt sie den einen Tag ein Stück Feld urbar machen und die ganze Last der Untertänigkeit fühlen, beruft sie anderen Tages zum festlichen Mahl; er fordert sie auf zu wählen zwischen jenem traurigen Knechtsleben, das an der Scholle haftet, und dem herrlicheren des Siegers; und sie wählen Kampf und Sieg.

So zieht er gegen die Meder aus, besiegt sie, wird Herr des Reiches, das bis zum Halys und bis zum Iaxartes reicht. Weiter kämpfend, unterwirft er das lydische Königtum und das Land bis zum Meer der Iaonen, das babylonische Reich bis an die Grenze Ägyptens. Des Kyros Sohn Kambyses fügt das Reich der Pharaonen hinzu; keins der altgeschichtlichen Völker und Reiche widersteht der Kraft des jungen Volkes. Aber des Großkönigs Zug über Ägypten hinaus in die Wüste, seinen jähen Tod benutzen die Meder; ihre Priester, die Magier, machen einen aus ihrer Mitte zum Großkönig, nennen ihn des Kyros jüngeren Sohn, erlassen den Völkern den Kriegsdienst und die Tribute auf drei Jahre; und die Völker fügen sich willig. Nach Jahr und Tag erhebt sich Dareios der Achämenide mit den Häuptern der sechs andern Stämme, sie ermorden den Magier und seine vornehmsten Anhänger. ›Die Herrschaft, welche unserm Geschlecht entrissen war, diese brachte ich wieder zurück; ich habe wiederhergestellt die Heiligtümer und die Verehrung dessen, der des Reiches Schützer ist; so gewann ich durch Ormuzds Gnade das Entrissene zurück, ich stellte das Reich glücklich, Persien, Medien und die anderen Provinzen, wie ehedem‹, so sagt eine Inschrift des Dareios.

Dareios hat das Reich organisiert. Da es nicht eine persische Bildung gab, die wie einst die von Babel und Assur die mit Gewalt Unterworfenen auch innerlich hätte besiegen und umbilden können, da die Religion des Lichtes, die eigenste Kraft und der Vorzug des persischen Volkes, nicht bekehren konnte noch wollte, so mußte die Einheit und Sicherheit des Reiches auf die Organisation der Macht gestellt werden, die es gegründet hatte und beherrschen sollte.

Es war der vollste Gegensatz dessen, was sich als das Wesen der Griechenwelt entwickelt hat: in diesem ein Volk zu zahllosen kleinen und kleinsten Kreisen in freier Autonomie, in dem Drang unerschöpflicher Erregbarkeit und Eigenartigkeit sich differenzierend und auseinander lebend – in dem Perserreich viele Nationen, meist ausgelebte und einer eigenen Lebensgestaltung nicht mehr fähige, zusammengeballt durch die Gewalt der Waffen und zusammengehalten durch die strenge und stolze Überlegenheit des Perservolkes und des Großkönigs, des ›gottgleichen Menschen‹ an dessen Spitze.

Diese Monarchie, vom griechischen Meer bis zum Himalaja, von der afrikanischen Wüste bis zu den Steppen des Aralsees, läßt die Völker in ihrer Art, in ihren gewohnten Zuständen, schützt sie in dem, ›was ihr Recht verlangt‹, ist tolerant gegen alle Religionen, sorgt für den Verkehr, den Wohlstand der Völker, läßt ihnen selbst ihre Stammfürsten, wenn sie sich unterwerfen und Tribut zahlen aber stellt über sie alle hochhin das starkgefugte Gerüst einer militärischen und Verwaltungseinheit, deren Träger aus dem herrschenden Stamm, dem der ›Perser und Meder‹, berufen werden. Die gleiche Religion, die harte und strenggeübte Lebensweise in Feld und Wald, die Erziehung der zum Dienst berufenen edlen Jugend am Hofe und unter den Augen des Großkönigs, dazu die an diesem Hofe versammelte Kriegsmacht der zehntausend Unsterblichen, die zweitausend Lanzenträger und zweitausend Reiter, die aus allen Teilen des weiten Reiches in die Hofburg zusammenfließenden und in dem Reichsschatz aufgesammelten Tribute und Geschenke, die geordneten Rangstufen und Ämterfolge der am Hofe versammelten Edlen bis zu den ›Tischgenossen‹, den ›Verwandten‹ des Großkönigs hinauf – das alles zusammen gibt der Zentralstelle des Reiches die Macht und Wucht, der zusammenhaltende und beherrschende Mittelpunkt zu sein. Das Netz von Heerstraßen, die durch das ganze Reich erbaut werden, die Poststationen mit immer bereiten Stafetten, die Festungen an allen wichtigen Paß- und Grenzpunkten sichern die Verbindung und das möglichst schnelle Einschreiten der zentralen Macht. Des Großkönigs Boten können so von Susa bis Sardes – 350 Meilen – in weniger als zehn Tagen Depeschen überbringen, und in jeder Landschaft steht militärische Macht bereit, auszuführen, was sie befohlen.

Für die Verwaltung teilt Dareios das Reich in zwanzig Satrapien, nicht nach der Nationalität oder nach historischen Motiven, es sind geographische Gebiete, wie die natürlichen Grenzen sie bestimmen. Das Verhältnis der dort Heimischen zum Reich besteht nur darin, daß sie in Gehorsam bleiben, ihre Tribute und, wenn ein allgemeines Aufgebot ergeht, den Heerdienst leisten, den Satrapen mit seinem Hofe und die in den Hauptstädten und Grenzfesten ihres Bereichs stehenden Truppen des Großkönigs unterhalten. Die Satrapen – ›Könige, nur dem Großkönig untertan‹ – haften für den Gehorsam und die Ordnung in ihrer Satrapie, zu deren Schutz sowie zur Vergrößerung des Gebietes und des Tributes sie mit und ohne Befehl von der Hofburg Kriege führen und Frieden schließen. Sie selbst überlassen dann wohl einzelne Distrikte ihres Gebietes Eingeborenen oder sonst von ihnen Begünstigten, die dort die Tribute erheben und das Regiment führen. Die Truppen in der Satrapie stehen zu ihrer Verfügung, aber unter Befehlshabern, die der König unmittelbar bestellt, oft mit dem Heerbefehl über mehrere beieinander liegende Satrapien. Die Wachsamkeit und Tüchtigkeit der Truppen, die Treue der Satrapen, die stets durch die Sendboten geübte Aufsicht des Großkönigs über sie, diese abgestufte Pyramide monarchischer Organisationen ist die Form, die die untertänigen Länder und Völker zusammenhält.

In reichen Dotationen, in immer neuen Gnadengeschenken und Ehren, dem hohen Sold des Kriegsdienstes haben die Edlen und das Volk Persiens den Mitgenuß der Herrschaft ihres Königs. Dies und auch auf der andern Seite die ständige Überwachung und Kontrolle, die strenge Disziplin, die willkürliche und oft blutig geübte Strafgewalt des Königs erhält die zu Dienst Berufenen in Furcht und Pflichttreue. Wehe dem Satrapen, der auch nur säumig ist, für den Ackerbau, für den Wohlstand seiner Provinz, für Bewässerung zu sorgen, Paradiese anzulegen, dessen Provinz sich entvölkert oder im Anbau zurückgeht, der die Untertanen bedrückt; des Königs Wille ist, daß sie in ihrem Sein und Tun rechte Diener der reinen Lehre seien. Sie alle sollen auf den König und nur auf ihn sehen; wie Ormuzd, dessen Abbild und Werkzeug er ist, die Welt des Lichtes beherrscht und gegen die des verderblichen, Arges sinnenden Arhiman kämpft, so ist er unumschränkt, unfehlbar, über alle und über alles. So die Grundzüge dieser Machtbildung, die aus dem eigensten Wesen des Perservolkes, seiner altgewohnten schlichten Anhänglichkeit an das Stammhaupt, dem stolzen Zuge der Legitimität in der alten Geschlechts Verfassung hervorgegangen ist. Diese grandiose Organisation despotischer Macht war darauf gestellt, daß die persönliche Würdigung und Kraft des einen, der sie innehatte, sich in jedem Nachfolger erneute, daß der Hof und der Harem in seiner Nähe, die Satrapen und Kriegsobristen in der Ferne nicht aufhörten, von ihm bestimmt und beherrscht zu werden, daß das herrschende Volk sich selbst, seiner alten Strenge und Rauheit und der fraglosen Hingebung an den Gott-König getreu blieb.

Unter Dareios hat die persische Macht die höchste Blüte gehabt, deren sie fähig war; auch die unterworfenen Völker segneten sein Regiment; selbst in den griechischen Städten fanden sich überall angesehene Männer, die für den Preis der Tyrannis gern sich und ihre Mitbürger unter das persische Joch beugten; die moralische Achtung der edlen Perser vor den klugen Hellenen wird darum nicht größer geworden sein. Nach Dareios, nach den Niederlagen von Salamis und Mykale begannen sich Anfänge der Stockung und des Sinkens zu zeigen, dem das Reich, einer inneren Entwicklung unfähig, verfallen mußte, wenn es aufhörte siegend und erobernd zu wachsen. Schon mit dem Ausgang des Xerxes wurde die Erschlaffung der despotischen Kraft und der Einfluß des Hofes und Harems fühlbar; die Eroberungen an der thrakischen Küste, der Hellespont und der Bosporus, die hellenischen Inseln und Städte an der Küste Kleinasiens waren verloren; bald versuchten einzelne der unterworfenen Völker sich frei zu machen, schon fand die Empörung Ägyptens und die Herstellung der altheimischen Dynastie von Hellas her Unterstützung. Je glücklicher dagegen die Satrapen der vorderen Lande ankämpften und je mehr sie den persönlichen Willen und die Kraft ihres Herrn nachlassen sahen, desto dreister wurden sie, im eigenen Interesse zu verfahren, nach selbständigerer und erblicher Herrschaft in ihren Satrapien zu trachten. Aber noch war der festgefugte Bau des Reiches stark genug und in dem Adel und Volk Persiens die gewohnte Zucht und Treue lebendig genug, um die da und dort ausbrechenden Schäden zu überwinden.

Ernster wurde die Gefahr, als mit dem Ausgang Dareios II. (424-404) dessen jüngerer Sohn Kyros sich zum Aufstande gegen den älteren, Artaxerxes II., der die Tiara bereits empfangen hatte, erhob. Kyros, nicht vor der Thronbesteigung des Vaters geboren wie der Bruder, sondern als der Vater schon König war, glaubte sich in demselben bessern Recht, kraft dessen einst Xerxes dem Dareios gefolgt war; noch der Vater hatte ihn, den Liebling der Mutter Parysatis, als ›Karanos‹ nach Kleinasien gesandt, als ›Herrn‹, wie es scheint, ihm die Satrapien Kappadokien, Phrygien und Lydien gegeben; hatten die bisherigen Satrapen an der Seeküste Tissaphernes und Pharnabazos, in dem schweren Kampf zwischen Athen und Sparta miteinander rivalisierend bald die eine, bald die andere Macht begünstigt, so trat Kyros in der nach dem Interesse des Reiches gewiß richtigen Politik rasch und entschieden auf die Seite Spartas. Selbst nach dem Zeugnis der Griechen war dieser junge Fürst voll Geist und Energie, von militärischem Talent, in der strengen Art seines Volkes; dem Spartaner Lysandros konnte er den Park zeigen, den er meist mit eigener Hand geschaffen habe; und als dieser ungläubig auf seine goldene Kette sah, schwur Kyros bei Mithras: daß er des Tages nicht eher Speise zu sich nehme, als bis er in Landarbeit oder kriegerischer Übung seine Pflicht getan. Die militärische Kunst und Tüchtigkeit der Hellenen hatte er kennen und würdigen gelernt; daß zumeist durch seine Unterstützung Lysandros der Athener Meister geworden, daß mit dem Falle Athens die Seemacht, welche bisher dem Reich schweren Abbruch getan, zu Ende war, daß Sparta ausdrücklich die Rückkehr der asiatischen Griechenstädte unter die persische Herrschaft zugesagt hatte, mochte es ihm unbedenklich erscheinen lassen, als Kern des Heeres, mit dem er das ihm gebührende Reich in Besitz zu nehmen gedachte, dreizehntausend griechische Söldner, ein buntes Gemisch aus allen griechischen Staaten, zu werben, denen dann noch Sparta siebenhundert Hopliten nach Issos nachsandte. Tissaphernes, der Satrap Ioniens, der persönliche Feind des Kyros, hatte rechtzeitig Warnungen nach Susa gesandt; mit dem Aufgebot des Reichs rückte Artaxerxes gegen den Empörer aus; am Eingang Babyloniens bei Kunaxa traf er ihn zur Schlacht. Nach dem Siege der Griechen auf ihrem Flügel stürmte Kyros mit sechshundert Reitern auf die sechstausend Reiter, die den König umgaben, durchbrach sie, drang auf den König selbst ein, verwundete ihn, erlag dann unter den Streichen des Königs und seiner Getreuen. Des Königs Wunde heilte sein Arzt, der Grieche Ktesias. Auch des Kyros Harem fiel in des Königs Hand, unter den Gefangenen zwei Griechinnen, die von ihren Eltern dem Prinzen nach Sardes gebracht waren; die eine von ihnen, eine Milesierin, flüchtete sich glücklich in das Lager der Hellenen, die schöne und hochgebildete Milto von Phokaia, die in des Großkönigs Harem überging, hat dann dort, wie die Griechen erzählen, lange eine bedeutende Rolle gespielt.

Äußerlich war die Macht des Großkönigs mit dem Tage von Kunaxa hergestellt. Aber es war ein Zeugnis tiefer Zerrüttung, daß unmittelbar vor der Schlacht viele Edle aus dem Reichsheer zu dem Empörer übergegangen waren; es war ein bedenklicheres Symptom, daß dies Häuflein Griechen auf dem Schlachtfelde die Massen des Reichsheeres durchbrochen und geschlagen, daß es dann mitten durch das Reich marschierend in geschlossenen Reihen die Küste des Pontos erreicht hatte. War denn die Organisation des Reiches nichts, daß ein feindliches Heer so ungestraft drei, vier Satrapien, deren Grenzfesten mißachten konnte? Nimmermehr hätte der Empörer die Pässe des Tauros überschreiten können, wenn der Satrap Kilikiens, aus dem altheimischen Stamm der Syennesis, wenn die persische Flotte, die unter dem Ägypter Tamos stand, ihre Schuldigkeit getan hätten. Vor allem, daß Kyros, mit zu großer Macht in den vorderen Satrapien, die rings von den Küsten her mit griechischem Wesen durchzogen waren, griechisches Kriegsvolk in Masse hatte an sich ziehen können, zeigte, daß man mit jenen Satrapien behutsamer und strenger als bisher verfahren müsse. Nicht das Satrapensystem war fehlerhaft; es war der Fehler der zentralen Stelle, daß die Karanen und Satrapen sich hatten gewöhnen können, Politik auf eigene Hand zu machen, wie Territorialherren zu regimentieren, in den Stadttyrannen, Steuerpächtern, dotierten Günstlingen sich persönlichen Anhang zu schaffen, welcher Macht genug gab, nach oben zu trotzen und nach unten zu drücken.

Vielleicht war es nicht erst in diesem Zusammenhange, daß die Zahl der Satrapien Kleinasiens – nach der Einrichtung des Dareios I. nur vier – gemehrt, daß namentlich die große Satrapie Phrygien, welche von der Propontis bis zum Tauros und den armenischen Gebirgen das ganze innere Hochland umfaßte, in drei Satrapien – Phrygien am Hellespont, Großphrygien und Kappadokien – zerschlagen, von der Satrapie Ionien das ganze Karien und die Südküste bis Kilikien abgelöst, daß endlich Kilikien fortan ohne Satrapen gelassen und, so scheint es, unmittelbares Reichsland wurde.

Schon waren die Spartaner unter Agesilaos Führung in den vorderen Landen, den Kampf gegen das Reich zu wagen. Daß Tissaphernes, der in sein früheres Amt zurückgekehrt war, nicht energischer verfuhr, nicht mehr erreichte, gab der Königin-Mutter die Handhabe, den Tod ihres Lieblings an dem Verhaßten zu rächen; ihm ward ein Nachfolger gesandt mit dem Befehl, ihn zu ermorden.

Von sehr ernster Bedeutung war, daß zugleich Ägypten in Waffen stand. Noch bei Kunaxa hatte auch ägyptisches Kriegsvolk in dem Heere des Großkönigs gekämpft; aber man wußte in dem Griechenheere bereits, daß Ägypten abgefallen sei; jener Tamos flüchtete mit der Flotte nach Ägypten, und Sparta trat mit Memphis in Verbindung, empfing von dort Subsidien und die Zusage weiterer Hilfe. Nur zu leicht konnten auch die phönikischen Städte, auch Kypros, wo der König Euagoras das griechische Wesen eifrigst förderte, dem Beispiel Ägyptens folgen; die ganze maritime Macht Persiens stand auf dem Spiel, während die griechische Landmacht die Satrapien Kleinasiens bedrängte; dem Reich wiederholte sich die Gefahr der perikleischen Zeit in gesteigertem Maße. Wie ihr wehren?

Den rechten Weg wies der Athener Konon, der nach der letzten Niederlage der attischen Macht Zuflucht am Hofe des Euagoras gefunden hatte. Auf seinen Rat erhielt der Satrap von Phrygien am Hellespont Befehl, eine Flotte zusammenzubringen und den Staaten in Hellas mit persischem Golde den Kampf gegen Sparta möglich zu machen. Mit Konons Sieg bei Knidos, mit der Schilderhebung von Theben, Korinth, Athen, mit des Pharnabazos Seezuge bis zur lakonischen Küste und seinem Erscheinen in der Versammlung der Verbündeten zu Korinth war Agesilaos zu schleuniger Heimkehr gezwungen. Bald hart bedrängt, suchte Sparta des Großkönigs Gunst und Bündnis, es sandte Antalkidas, jenen Frieden zu schließen, in dem Sparta dem Reiche die Griechenstädte Asiens und Kypros obenein preisgab. Nicht mehr militärisch, aber diplomatisch war damit Persien der Griechen Meister; bald den Spartanern, bald den Athenern, bald den Thebanern seine Gunst zuwendend, hielt der Hof von Susa die noch streitbaren Staaten Griechenlands in Atem; er ließ sie sich selbst zerfleischen.

Nur daß mit diesem Ringen in Hellas auch die Empörer des Großkönigs, Kypros, Ägypten, die syrische Küste, Gelegenheit fanden, sich dorther Beistand zu gewinnen, und die Satrapen Kleinasiens schon nicht mehr bloß nach der Weisung der Hofburg sich zu dem Wirrsal in Hellas verhielten. Des zu gütigen Artaxerxes Hand war nicht fest genug, die Zügel anzuziehen. Trotz zehnjährigen Kampfes erlangt er von dem kyprischen Könige nichts, als daß sich Kypros zur Zahlung des Tributes wie ehedem verstand. Ägyptens wurde er trotz des hellenischen Söldnerheeres, das er sandte, trotz des Iphikrates, der es führte, nicht mehr Herr. Die empörten Kadusier in den Gebirgen der kaspischen Pässe vermochte er mit aller Anstrengung nicht wieder zu unterwerfen. Die Bergvölker zwischen Susa, Ekbatana und Persepolis hatten sich der Botmäßigkeit entzogen, sie forderten und erhielten, wenn der Großkönig mit seinem Hofe durch ihr Gebiet zog, Tribut für den Durchzug. Schon empörten sich einige der Satrapen Kleinasiens: Ariobarzanes in Phrygien am Hellespont, Autophradates in Lydien, Maussollos, Orontes; nur der Verrat des Orontes, den sie zum Führer gewählt hatten, rettete dem Großkönig die Halbinsel.

Noch trauriger zeigen die Überlieferungen, freilich die griechischen, des alternden Artaxerxes Schwäche im Bereich seines Hofes; er erscheint da wie ein Spielball in den Händen seiner Mutter, seines Harem, seiner Eunuchen. Sein Sohn Dareios, den er, ein Neunziger, zum Nachfolger ernannt mit dem Recht, schon jetzt die Tiara zu tragen, soll wegen einer Gunst, die ihm von dem Vater versagt worden, eine Verschwörung gegen dessen Leben angezettelt und dann auf des Vaters Befehl, dem sie verraten worden, mit dem Tode gebüßt haben. Zum Thron der nächste war nun Ariaspes, nach ihm Arsames; aber ein dritter Sohn Ochos, so wird erzählt, trieb den ersten mit falschen Gerüchten von des Vaters Ungnade zum Selbstmord, ließ den zweiten durch gedungene Mörder beseitigen. Gleich darauf (358) starb Artaxerxes II. Ochos folgte ihm.

Ochos erscheint in der Überlieferung als ein asiatischer Despot echter Art, blutdürstig und schlau, energisch und wollüstig, in der kalten und berechneten Entschiedenheit seiner Handlungen nur desto furchtbarer; ein solcher Charakter konnte wohl die im Innersten zerrüttete Persermacht noch einmal zusammenraffen und mit dem Schein von Kraft und Frische beleben, die empörten Völker und die trotzigen Satrapen zur Unterwürfigkeit zwingen, indem er sie auch seine Launen, seine Mordlust, seine wahnsinnige Wollust schweigend anzusehen gewöhnte. Er begann mit der Ermordung seiner jüngeren Brüder, ihres Anhanges; und der persische Hof nannte ihn voll Bewunderung mit dem Namen seines Vaters, der keine Tugend als die Sanftmut gehabt hatte.

Die Art, wie der Thronwechsel geschah, vielleicht schon die blutigen Vorgänge, die ihm vorausgingen, waren Anlaß oder Vorwand zu neuen Empörungen in den vorderen Satrapien, zu dreisterem Vorgehen Ägyptens. Es erhob sich Orontes, der Ionien, Artabazos, der Phrygien am Hellespont hatte; attische Inschriften bezeugen die Verbindung des Orontes mit Athen. Artabazos hatte zwei rhodische Männer, die Brüder Mentor und Memnon, beide tüchtige Kriegsleute, an sich gezogen, sich mit ihrer Schwester vermählt, seine griechischen Söldner unter ihren Befehl gestellt. Die attischen Strategen Chares, Charidemos, Phokion leisteten ihm Beistand. Andere Satrapen blieben auf des Großkönigs Seite; namentlich der von Karien, Maussollos aus dem alten Dynastengeschlecht des Landes; sein Werk war der Abfall der attischen Bundesgenossen (357), der Rhodier, Koer, Chier voran; nur um so eifriger half Athen den empörten Satrapen; das gegen sie gesandte königliche Heer wurde namentlich von Chares geschlagen; die Athener jubelten wie über einen zweiten marathonischen Sieg. Aber eine persische Gesandtschaft erschien in Athen, über Chares Beschwerde zu führen, drohte 300 Trieren den Feinden Athens zum Beistand zu senden; man beeilte sich, den Zorn des Königs zu begütigen, schloß mit den empörten Bundesgenossen Frieden (355). Auch ohne attische Hilfe kämpfte Artabazos weiter, sein Schwager Memnon unternahm einen Zug gegen den Tyrannen im kimmerischen Bosporus, mit dem Heraklea im Kriege war, die wichtigste Stadt an der bithynischen Küste des Pontos. Artabazos selbst gewann Unterstützung von den Thebanern, die ihm ihren Feldherrn Pammenes mit fünftausend Söldnern sandten; mit deren Hilfe schlug er des Königs Truppen in zwei Schlachten. Dann ließ Artabazos den thebanischen Feldherrn gefangen setzen, weil er mit den Gegnern in Verhandlungen zu stehen schien; Pammenes mag Weisung dazu aus Theben empfangen haben, wohin der Großkönig große Geldsummen hatte senden lassen. Rasch sank nun das Glück des Artabazos; er mußte flüchten (um 351), er und Memnon fanden an dem makedonischen Hofe Zuflucht, Mentor ging nach Ägypten.

Ägypten war seit lange der rechte Herd des Kampfes gegen die Persermacht. Noch als Artaxerxes II. das Reich hatte, war dort von Tachos, dem Sohn des Nektanebos, ein großes Unternehmen gerüstet; mit einem Heere von achtzigtausend Ägyptern, zehntausend griechischen Söldnern, zu denen Sparta unter dem alten Agesilaos noch tausend sandte, einer Flotte von 200 Schiffen, deren Befehl der Athener Chabrias übernahm, gedachte Tachos auch das syrische Land zu erobern. Aber König Tachos hatte sich durch Mißtrauen und Zurücksetzung den König Agesilaos, durch Erpressungen das ägyptische Volk so verfeindet, daß, während er in Syrien stand, seines Oheims Sohn Nektanebos II. sich zum Pharao aufwerfen konnte, und da Agesilaos auch die griechischen Truppen dem neuen Herrn zuwandte, blieb dem Tachos kein anderer Ausweg, als nach Susa zu flüchten und des Großkönigs Gnade anzuflehen. Gegen Nektanebos erhob sich in Mendes ein anderer Prätendent, fand Zulauf in Menge; es kam so weit, daß der Pharao samt seinen Griechen umstellt, mit Wällen und Gräben dicht und dichter eingeschlossen wurde, bis gegen die hunderttausend Mann der alte Agesilaos mit seinen Griechen anrückte und den ganzen mendischen Haufen auseinander- und in Flucht trieb; es war die letzte Tat des alten Spartanerkönigs; im Begriff nach Sparta heimzusegeln, starb er (358).

Die dürftigen Überlieferungen dieser Zeit geben nur an, daß noch Artaxerxes II. seinen Sohn Ochos gegen Ägypten gesandt habe, daß das Unternehmen gescheitert sei, daß Ochos, gleich nachdem er König geworden, gegen die Kadusier gekämpft, sie besiegt habe.

Wenige Jahre darauf, um 354, war man in Athen in lebhafter Sorge über die großen Rüstungen, die König Ochos mache, größere als seit Xerxes Zeit gemacht seien; man meinte, er wolle zuerst Ägypten unterwerfen, um sich dann auf Griechenland zu stürzen; auch Dareios habe erst Ägypten unterworfen, dann sich gegen Hellas gewandt, auch Xerxes erst das empörte Ägypten bewältigt, dann seinen Zug nach Hellas unternommen; man sprach in Athen, als sei er schon auf dem Wege, seine Flotte liege bereit, Truppen über Meer zu führen, auf zwölfhundert Kamelen werde ihm der Schatz nachgeführt; mit seinem Golde werde er zu seinem asiatischen Heere hellenische Söldner in Masse anwerben; Athen müsse eingedenk der Tage von Marathon und Salamis den Krieg wider ihn beginnen. So schnell freilich war das Reichsheer nicht beieinander. Und bevor es kam, hatte sich zu der noch währenden Empörung in Kleinasien auch Phönikien erhoben. Die Sidonier unter ihrem Fürsten Tennes beredeten auf dem Tage zu Tripolis die anderen Städte zum Abfall; man verbündete sich mit Nektanebos, man zerstörte die königlichen Schlösser und Paradiese, verbrannte die Magazine, ermordete die Perser, die in den Städten waren; sie alle, namentlich das durch Reichtum und Erfindsamkeit ausgezeichnete Sidon, rüsteten mit größtem Eifer, warben Söldner, machten ihre Schiffe fertig. Der Großkönig, dessen Reichsheer sich bei Babylon sammelte, befahl dem Satrapen Belesys von Syrien und dem Mazaios, dem Verwalter Kilikiens, den Angriff auf Sidon. Aber Tennes, unterstützt von viertausend griechischen Söldnern, unter Mentors Führung, die ihm Nektanebos sandte, leistete glücklichen Widerstand. Zu gleicher Zeit erhoben sich die neun Städte von Kypros, verbanden sich mit den Ägyptern und Phönikiern, gleich ihnen unter ihren neuen Fürsten unabhängig zu sein. Auch sie rüsteten ihre Schiffe, warben griechische Söldner. Nektanebos selbst war auf das beste gerüstet; der Athener Diophantos, der Spartaner Lamios standen an der Spitze seiner Söldner.

»Mit Schimpf und Schanden«, sagt ein attischer Redner dieser Zeit, »mußte Ochos abziehen.« Er rüstete einen dritten Zug, er forderte die hellenischen Staaten auf, ihn zu unterstützen; es war in den letzten Stadien des heiligen Krieges; wenigstens Theben sandte ihm tausend Söldner unter Lakrates, Argos dreitausend unter Nikostratos; in den asiatischen Griechenstädten waren sechstausend Mann geworben, die unter Bagoas Befehl gestellt wurden. Der Großkönig befahl dem Satrapen Idrieus von Karien den Angriff auf Kypros; er selbst wandte sich gegen die phönikischen Städte. Vor solcher Übermacht entsank diesen der Mut; nur die Sidonier waren entschlossen den äußersten Widerstand zu leisten; sie verbrannten ihre Schiffe, um sich die Flucht unmöglich zu machen. Aber auf Mentors Rat hatte König Tennes bereits Unterhandlungen angeknüpft, sie beide verrieten die Stadt; als die Sidonier bereits die Burg und die Tore in Feindes Hand und jede Rettung unmöglich sahen, zündeten sie die Stadt an und suchten den Tod in den Flammen; vierzigtausend Menschen sollen umgekommen sein. Den kyprischen Königen sank der Mut, sie unterwarfen sich.

Mit dem Fall Sidons war der Weg nach Ägypten frei. Das Heer des Großkönigs zog an der Küste südwärts, nicht ohne bedeutende Verluste gelangte es durch die Wüste, welche Asien und Ägypten scheidet, unter die Mauern der Grenzfestung Pelusion, welche von fünftausend Griechen unter Philophron verteidigt wurde; die Thebaner unter Lakrates, voll Begier ihren Waffenruhm zu bewähren, griffen sogleich an, wurden zurückgeworfen; nur die einbrechende Nacht rettete sie vor schwererem Verlust. Nektanebos durfte hoffen, den Kampf zu bestehen; er hatte zwanzigtausend Griechen, dazu ebenso viele Libyer, sechzigtausend Ägypter; zahllose Nilschiffe waren imstande, dem Feind jeden Flußübergang zu wehren, selbst wenn er die Verschanzungen, die am rechten Nilufer entlang errichtet waren, genommen hatte.

Der Großkönig teilte seine Macht. Er selbst zog den Nil aufwärts, Memphis bedrohend. Die böotischen Söldner und persisches Fußvolk unter Lakrates und dem lydischen Satrapen Roisakes sollten Pelusion berennen; die Söldner von Argos unter Nikostratos und tausend ausgewählte Perser unter Aristazanes wurden mit achtzig Trieren ausgesandt, im Rücken von Pelusion eine Landung zu versuchen; eine vierte Abteilung, in ihr Mentors Söldner und die sechstausend Griechen des Bagoas, rückte südwärts von Pelusion auf, die Verbindung mit Memphis abzuschneiden. Dem verwegenen Nikostratos gelang die Landung im Rücken der feindlichen Linie, er schlug die dort stehenden Ägypter, die unter Kleinias von Kos zu deren Unterstützung herbeieilenden griechischen Söldner. Nektanebos eilte, seine Truppen rückwärts auf Memphis zusammenzuziehen. Nach tapferem Widerstande übergab Philophron Pelusion gegen freien Abzug. Mentor und Bagoas wandten sich gegen Bubastis; die Aufforderung zur Unterwerfung, die Drohung bei unnützem Widerstande die Züchtigung, die Sidon erlitten, zu wiederholen, brachte den Zwiespalt zwischen den Griechen, die bereit waren ihr Leben daran zu setzen, und den feigen Ägyptern zum Ausbruch; die Griechen kämpften weiter; der endlichen Einnahme der Stadt – sie hätte dem Bagoas, dem Liebling des Königs, das Leben gekostet, wenn nicht Mentor zu seiner Rettung herbeigeeilt wäre – folgte die Besetzung der noch übrigen Plätze des niederen Landes. Der anrückenden Übermacht gegenüber hielt sich Nektanebos nicht mehr in seiner Hauptstadt sicher; er rettete sich mit seinen Schätzen stromauf nach Äthiopien.

So erlag – um 344 – Ägypten Artaxerxes III. Er ließ das Land, das sechzig Jahre dem Reich entfremdet gewesen war, seinen Zorn fühlen. Die Zeiten des Kambyses erneuten sich. Es folgten Hinrichtungen in Menge, Plünderungen ärgster Art; mit eigener Hand durchbohrte der Großkönig den heiligen Stier Apis, befahl die Tempel ihres Schmuckes, ihres Goldes, selbst ihrer heiligen Bücher zu berauben. ›Der Dolch‹ hieß er fortan im Munde des Volkes. Nachdem Pherendakes zum Satrapen eingesetzt, die griechischen Söldner überreich beschenkt in die Heimat entlassen waren, kehrte der König mit unermeßlicher Beute, mit Ruhm bedeckt, nach Susa zurück.

Wie schwer hatten die attischen Redner vor einem Jahrzehnt, als Artaxerxes III. erst zu rüsten begann, die Gefahr für Hellas geschildert, wenn Ägypten wieder persisch würde. Jetzt hatte man in Athen nur die Sorge um die wachsende Macht des makedonischen Königs, der ja schon auch nach Perinth und Byzanz die Hand ausstrecke. Freilich, Philipp mochte meinen eilen zu müssen, ehe die Persermacht – denn griechische Söldner, griechische Bundesgenossen fand sie so viele, als sie bezahlen wollte – sich auf Europa stürze; über sein Gebiet zuerst hätte sich die Flut der Barbaren ergossen.

Das Perserreich stand so gewaltig da wie in seinen besten Tagen; und daß es gelernt hatte, mit griechischen Feldherren, griechischen Söldnern seine Kriege zu führen, schien ihm eine neue Überlegenheit zu sichern, so lange die Griechenwelt blieb, wie sie war, voll vagabunder Kräfte, in zahllose Autonomien zerrissen, in jeder Stadt immer wechselnde Parteiherrschaft. Der Großkönig hatte das ganze Reich seiner Vorfahren wieder, bis auf das, was Dareios und Xerxes jenseits des Hellespontes dem Reich einverleibt hatten, Thrakien, Makedonien, Thessalien. In seinem Chiliarchen Bagoas, in dem Rhodier Mentor besaß er zwei treffliche Werkzeuge zu weiterem Wirken; miteinander in geschworener Gemeinschaft, dienten sie dem Herrn, lenkten sie ihn, Bagoas allmächtig am Hofe und in den oberen Satrapien, Mentor mit der Küste Kleinasiens betraut, zugleich, wie es scheint, als Karanos, wie einst Kyros, an der Spitze der Kriegsmacht Kleinasiens.

Auf Mentors Antrag gewährte der Großkönig die Begnadigung des Artabazos, des Memnon, ihrer Familien, die am makedonischen Hofe Zuflucht gefunden hatten; sie kehrten zurück. Aus dieser Zeit Mentors ist ein Zug überliefert, der bedeutsame Zusammenhänge erschließt. Ein Bithynier, Eubulos, seines Zeichens ein Wechsler, hatte, wohl auf dem Wege der Tributpachtung, die Stadt Atarneus, das feste Assos, die reiche Küste gegenüber von Lesbos an sich gebracht, sie seinem getreuen Hermias vererbt, einem dreimal entlaufenen Sklaven, wie man in dem klatschsüchtigen Athen sagte; man kannte ihn dort als Schüler Platons, als Freund des Aristoteles; nach Platons Tod folgte Aristoteles seiner Einladung nach Atarneus (345) zu längerem Aufenthalt. Gegen diesen reichen ›Tyrannen‹ wandte sich Mentor, lud ihn, um ihm die Wege zur Gnade des Großkönigs zu zeigen, zu einer Zusammenkunft ein, ließ ihn dann greifen, schickte ihn nach Susa, wo er ans Kreuz geschlagen wurde; er selbst bemächtigte sich seiner Schätze, seines Gebietes. Nur seine Tochter rettete sich, flüchtete zu Aristoteles; er nahm das verarmte, ›aber sittsame und wackere Mädchen‹ zur Frau.

Es war in der Zeit, da Philippos gegen die Thraker zog, Byzanz, Perinth bedroht schienen. Demosthenes empfahl damals den Athenern, Gesandte an den Großkönig zu schicken, ihm den Zweck der makedonischen Rüstungen darzulegen; es sei ja einer der mächtigsten Freunde Philipps und Mitwisser aller seiner Pläne bereits aufgegriffen und in des Königs Hand. Den Perinthiern sandte Arsites, der Satrap Phrygiens, am Hellespont Geld, Proviant, Waffen, Soldtruppen unter dem Athener Apollodoros. Aber auf die Bitte der attischen Gesandtschaft um persische Subsidien antwortete der Großkönig in einem ›sehr stolzen und barbarischen Schreiben‹. Mochte er die Athener nur verachten oder auch ihnen Verderben sinnen, die Dinge in Hellas rollten rasch weiter, vollendeten sich in derselben Zeit, da ihn ein jähes Ende traf.

Seit der glorreichen Rückkehr aus Ägypten saß er in seiner Hofburg, in zügelloser Willkür und Grausamkeit herrschend. Alle fürchteten und haßten ihn; der einzige, dem er Vertrauen schenkte, mißbrauchte es. Sein Vertrauter Bagoas war ein Ägypter; dem Glauben und Aberglauben seines Vaterlandes, zu dessen Untergang er selbst geholfen, ganz ergeben, hatte er die Schändung der vaterländischen Heiligtümer und die Ermordung des heiligen Apis nicht vergessen; je mehr im Reich und am Hofe die Erbitterung gegen den Großkönig wuchs, desto kühner wurden die Pläne seines tückischen Günstlings. Der Eunuch gewann den Arzt des Königs, ein Gifttrank machte dem Leben des Verhaßten ein Ende; das Reich war in des Eunuchen Hand; um desto sicherer seine Stelle zu behaupten, ließ er des Königs jüngsten Sohn Arses zum Könige weihen, die Brüder desselben ermorden; nur einer, Bisthanes, rettete sich. Das geschah etwa zu der Zeit der Schlacht von Chaironeia.

Bald empfand Arses den frechen Stolz des Eunuchen, er vergaß ihm nicht den Mord seines Vaters und seiner Brüder. Bagoas eilte ihm zuvorzukommen; nach kaum zweijähriger Regierung ließ er den König mit seinen Kindern ermorden; zum zweiten Male war die Tiara in seinen Händen. Aber das königliche Haus war verödet; durch Ochos Hand waren Artaxerxes IL Söhne, durch Bagoas Ochos Söhne und Enkel ermordet bis auf jenen Bisthanes, der sich durch die Flucht gerettet hatte. Noch lebte ein Sohn Dareios, dem sein Vater Artaxerxes II. die Tiara gewährt, die erbetene Gunst versagt hatte, des Namens Arbupalos; aber die Augen der Perser wandten sich auf Kodomannos, der einer Seitenlinie des Achaimenidenhauses angehörte; er war der Sohn des Arsames, des Brudersohnes von Artaxerxes II., und der Sisygambis, einer Tochter desselben Artaxerxes; in dem Kriege, den Ochos gegen die Kadusier geführt, hatte er die Herausforderung ihres riesigen Anführers, da kein anderer sich zu stellen wagte, angenommen und ihn bewältigt; damals ward ihm von den Persern der Preis der Tapferkeit zuerkannt, sein Name von alt und jung gefeiert worden, der König Ochos hatte ihn mit Geschenken und Lobpreisungen überhäuft, ihm die Satrapie Armenien gegeben. Mochte Bagoas jener Stimmung der Perser nachgegeben, oder sich mit der Hoffnung geschmeichelt haben, daß Kodomannos für die Tiara, die er durch ihn erlangt, ihm ergeben bleiben würde, früh genug sollte er erkennen, wie sehr er sich getäuscht hatte. Der König – Dareios nannte er sich – haßte den Mörder und verachtete seinen Rat; Bagoas beschloß, ihn aus dem Wege zu räumen, er mischte ihm Gift in den Becher; aber Dareios war gewarnt; er rief den Eunuchen und hieß ihn, als wäre es ein Zeichen seiner Gunst, den Becher trinken. So fand Bagoas eine späte Strafe.

Die Zügel der Herrschaft waren in der Hand eines Königs, wie ihn Persien lange nicht gehabt hatte; schön und ernst, wie der Asiate sich gern seinen Herrscher denkt, allen huldreich und von allen verehrt, an allen Tugenden seiner großen Ahnen reich, frei von den scheußlichen Lastern, die das Leben der letzten Könige geschändet und zum Verderben des Reichs gemacht hatten, schien Dareios berufen, das Reich, das er ohne Schuld und Blut erworben, von den Schäden zu heilen, an denen es krankte. Keine Empörung störte den Beginn seiner Herrschaft; Ägypten war dem Reiche wiedergegeben, Baktrien, Syrien dem König treu und gehorsam; von den Küsten Ioniens bis an den Indus schien Asien so sicher, wie seit lange nicht, geeint unter dem edlen Dareios. Und dieser König sollte der letzte Enkel des Kyros sein, der über Asien herrschte, gleich als ob ein unschuldiges Haupt sühnen müsse, was nicht mehr zu heilen war.

Schon stieg im fernen Westen das Wetter, das Persien vernichten sollte, empor. Schon hatten die seeländischen Satrapen Botschaft gesandt, daß der makedonische König mit den Staaten von Hellas Frieden und Bündnis geschlossen habe, daß er sein Heer rüste, um mit dem nächsten Frühling in die Provinzen Kleinasiens einzubrechen. Dareios wünschte auf jede Weise, diesen Krieg zu vermeiden; er mochte ahnen, wie sein ungeheures Reich, in sich zerrüttet und abgestorben, nur eines äußeren Anstoßes bedürfe, um zusammenzubrechen. So zögernd, versäumte er die letzte Frist, dem Angriff, den er fürchtete, zuvorzukommen.

In derselben Zeit, da er das Königtum übernahm, sandte König Philipp die ersten Truppen unter Parmenions und Attalos Befehl über den Hellespont, sich in den griechischen Städten der nächsten Satrapien festzusetzen. Schon war an die Genossen des hellenischen Bundes die Weisung erlassen, ihre Kontingente nach Makedonien, ihre Trieren zur makedonischen Flotte zu senden. Er selbst gedachte demnächst aufzubrechen, um an der Spitze der makedonisch-hellenischen Macht das Werk zu beginnen, für das er bisher gearbeitet hatte.


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