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Die persischen Rüstungen – Alexanders Marsch nach Syrien, über den Euphrat, nach dem Tigris – Schlacht bei Gaugamela – Marsch nach Babylon – Besetzung von Susa – Zug nach Persien – Brand von Persepolis
Stets ist das stolze Recht des Sieges der Sieg eines höheren Rechts, des Rechts, das die höhere Spannkraft, die überlegene Entwicklung, die treibende Kraft eines neuen zukunftreichen Gedankens gibt. In solchen Siegen vollzieht sich die Kritik dessen, was bisher war und galt, aber nicht weiterführt, mächtig und selbstgewiß schien, aber in sich krank und brüchig ist. Nicht das Herkommen noch das ererbte Recht, nicht Friedlichkeit noch Tugend noch sonstiger persönlicher Wert schützten dann vor der überwältigenden Macht dessen, dem das Verhängnis geschichtlicher Größe zuteil geworden ist. Siegend, solange er zu wagen, zu kämpfen, niederzuwerfen findet, baut er auf, indem er noch zerstört, schafft so eine neue Welt, aber aus dem Trümmerfeld, auf dem Trümmerfeld seiner Zerstörungen. Was er besiegt und gebrochen hat, überdauert ihn in seinem Werk.
Die Überlieferungen von Alexanders Geschichte heben mehr oder weniger geflissentlich den Gegensatz zwischen ihm und Dareios, zwischen dem Helden der Tat und dem Helden des Leidens hervor. Sie schildern Dareios als milde, edel, treu, als ein Muster der Ehrerbietung gegen seine Mutter, die Liebe und Herzlichkeit gegen seine Gemahlin und seine Kinder, als den Persern wegen seiner Gerechtigkeit, seiner ritterlichen Tapferkeit, seines königlichen Sinnes hochverehrt. Es mag sein, daß er für ruhige Zeiten ein König gewesen wäre, wie ihn die Throne Asiens selten gesehen; aber von dem Strome der Begebenheiten, dem zu widerstehen vielleicht einem Kambyses oder Ochos gelungen wäre, schon ergriffen, bot er, sich und sein Reich noch zu retten, auch zu unwürdigen und verbrecherischen Plänen die Hand, ohne damit mehr zu erreichen als das lastende Bewußtsein, nicht mehr ohne Schuld an dem zu sein, gegen den er vergebens rang. Und mit der wachsenden Gefahr mehrte sich die Verwirrung, die Haltungslosigkeit und das Unrecht in allem, was er tat oder versuchte; immer dunkler umzog sich die Zukunft für das persische Königtum und dessen gerechte Sache; schon war das Tor gen Asien erbrochen, schon die reichen Satrapien der Küste des Siegers Beute, schon die Grundfeste der Achämenidenmacht erschüttert. Und hätte vielleicht der Großkönig selbst nach seiner milden Art gern das Verlorene verschmerzt und dem Frieden noch größere Opfer gebracht, so sollte ihn, dessen Sinn weniger an Thron und Reich als an Weib und Kind zu hängen schien, das größte Maß des Schmerzes, wie er ihn empfand, die Größe seines Sturzes empfinden lassen.
Dies Motiv ist es, das jene Überlieferungen mit den lebhaftesten Farben ausmalen. Sie heben hervor, daß des Großkönigs Mutter Sisygambis, seine Kinder, seine Gemahlin Stateira, die schönsten der Frauen Asiens, ihm doppelt teuer, da sie ein Kind unter dem Herzen trägt, Alexanders Gefangene sind. Die Hälfte seines Reiches und ungeheure Schätze bietet Dareios dem Feinde für die Gefangenen, der stolze Feind fordert Unterwerfung oder neuen Kampf. Dann kommt Tireus der Eunuch, der gefangenen Königin Diener, der aus dem Lager des Feindes geflohen ist, zum Dareios, bringt ihm die Trauerbotschaft, die Königin sei in den Geburtswehen gestorben. Da schlägt sich Dareios die Stirn, laut jammernd daß Stateira tot sei, daß die Königin der Perser selbst der Ehre des Grabes entbehren müsse. Der Eunuch tröstet ihn: weder im Leben noch im Tode habe es ihr der makedonische König vergessen, daß sie eines Königs Gemahlin sei, er habe sie und die Mutter und die Kinder in höchsten Ehren gehalten bis auf diesen Tag, er habe die königliche Leiche mit aller Pracht nach persischer Weise bestatten lassen und mit Tränen ihr Gedächtnis geehrt. Bestürzt fragte Dareios, ob sie keusch, ob sie treu geblieben, ob Alexander sie nicht gezwungen habe zu seinem, wider ihren Willen. Da wirft sich der treue Eunuch ihm zu Füßen, beschwört ihn, nicht das Andenken seiner edlen Herrin zu beschimpfen, und sich nicht selbst in seinem endlosen Unglück den letzten Trost zu rauben, den, von einem Feinde überwunden zu sein, der mehr als ein Sterblicher zu sein scheine; er schwört es mit den höchsten Eiden, daß Stateira treu und keusch gestorben, daß Alexanders Tugend ebenso groß sei wie seine Kühnheit. Dareios hebt die Hände gen Himmel und fleht zu den Göttern: »wollt mir mein Reich zu erhalten und wiederaufzurichten gewähren, damit ich als Sieger dem Alexandros vergelten kann, was er den Meinen getan; soll ich aber nicht länger Asiens Herr sein, so gebt die Tiara des großen Kyros keinem anderen als ihm«.
Schon war des Großkönigs Aufgebot in alle Satrapien des Reichs gesandt, von dem, wenn auch große, doch im Verhältnis zum Ganzen nicht bedeutende Länderstrecken in Feindeshand waren. Ganz Iran und Turan, alles Land bis zu den Quellen des Euphrat stand noch unberührt; es waren die tapfersten und treuesten Völker Asiens, die nur auf des Königs Befehl warteten, um ins Feld zu rücken; was galt Ägypten, Syrien, Kleinasien gegen die ungeheuere Länderstrecke von Tauros bis zum Indus, vom Euphrat bis zum Jaxartes, was der Verlust stets unzuverlässiger Küstenvölker gegen die treuen Meder und Perser, gegen die Reiterschwärme der baktrischen Ebene und die tapferen Bergvölker der kaspischen und kurdischen Gebirge? waren es nicht seit des ersten Dareios Zeit die jetzt verlorenen Küstenländer und die Bemühungen um die Seeherrschaft, zu denen sie nötigten, so gut wie allein gewesen, die Gefahr und Unheil über das Reich des Kyros gebracht, die Perser zum eigenen Verderben in die ewigen Streitigkeiten der Hellenen verwickelt hatten? Jetzt galt es, das Innere des Morgenlandes zu retten, die hohe Burg Iran zu verteidigen, die Asien beherrscht; jetzt rief der König der Könige die Edlen seines Stammes, die Enkel der sieben Fürsten, die getreuen Satrapen, an der Spitze ihrer Völker für den Ruhm und die Herrschaft Persiens zu kämpfen; in ihre Hand legte er sein Schicksal; nicht hellenische Söldner, nicht hellenische Feldherren und makedonische Flüchtlinge sollten die Eifersucht und das Mißtrauen der Seinen wecken, die wenigen tausend Fremdlinge, die mit ihm von Issos geflüchtet waren, hatte das gemeinsame Unglück mit den Söhnen Asiens vereinigt; ein echt asiatisches Heer sollte dem Heere Europas vor den Bergwällen Irans entgegentreten.
Die Ebene von Babylon war zum Sammelplatz des großen Völkerheeres bestimmt. Aus dem fernsten Asien führte Bessos, der baktrische Satrap, die Baktrier, ihre nördlichen Nachbarn die Sogdianer, sowie die streitbaren indischen Völker aus dem Berglande des indischen Kaukasus heran; ihm hatten sich das turkestanische Reitervolk der Saker und Mauakes und die Daer aus der Steppe des Aralsees angeschlossen. Die Völker aus Arachosien und Drangiana und die indischen Bergbewohner der Paravetiberge kamen unter ihrem Satrapen Barsaentes, ihre westlichen Nachbarn aus Areia unter dem Satrapen Satibarzanes, die persischen, hyrkanischen und tapurischen Reiterschwärme aus Korassan, dem Schwertlande Irans, unter Phrathaphernes und seinen Söhnen. Dann die Meder, einst die Herren Asiens, deren Satrap Atropates zugleich die Kadusier, Sakasener und Albaner aus den Tälern des Kur, des Araxes und des Urmeases führte. Von Süden her, von den Küsten des persischen Meeres, kamen die Völker Gedrosiens und Karmaniens unter Okontobates und Ariobarzanes, dem Sohne des Artabazos, die Perser unter Orxines, aus dem Geschlechte der sieben Fürsten. Die Susianer und Uxier führte Oxathres, der Sohn des susianischen Satrapen Abulites; die Scharen von Babylon sammelten sich unter Bupales' Befehl, die aus Armenien kamen unter Orontes und Mithraustes, die aus Syrien diesseits und jenseits der Wasser und Mazaios; selbst aus dem kappadokischen Lande, dessen Westen der Zug des makedonischen Heeres berührt hatte, kamen Reisige unter ihres Dynasten Ariarathes Führung.
So sammelte sich während des Frühjahrs 331 das Reichsheer des Perserkönigs in Babylon, an vierzigtausend Pferde und viele hunderttausend Menschen, dazu zweihundert Sensenwagen und fünfzehn Elefanten, die vom Indus hergebracht waren. Es heißt, daß gegen die sonstige Gewohnheit von dem Könige für die Bewaffnung dieses Heeres, namentlich der Reiter gesorgt worden sei. Vor allem galt es, einen Kriegsplan zu finden, der dem Perserheer möglich machte, mit der ganzen Wucht seiner Massen und der Vehemenz seiner ungeheuren Reitermacht zu wirken. Zwei Ströme, der Euphrat und Tigris, durchschneiden in diagonaler Richtung das syrische Tiefland, das sich an dem Fuße der iranischen Berge hinabzieht; über sie führen die Wege von den Küsten des Mittelmeeres zum oberen Asien. Es war ein naheliegender Gedanke, dem Feinde an den Stromübergängen entgegenzutreten; es war verständig, die Hauptmacht des Großkönigs hinter dem Tigris aufzustellen, da dieser einerseits schwerer zu passieren ist, andererseits eine am Euphrat verlorene Schlacht ihn nach Armenien zurückgeworfen und Babylon, sowie die großen Straßen nach Persis und Medien preisgegeben hätte, wogegen eine Stellung hinter dem Tigris Babylon deckte, eine gewonnene Schlacht den Feind in den weiten Wüstenebenen von Mesopotamien aller Verfolgung preisgab, eine verlorene den Rückzug nach den östlichen Satrapien offen ließ. Dareios begnügte sich, an den Euphrat einige Tausend Mann unter Mazaios vorauszusenden, um die Passage des Flusses beobachten zu lassen; er selbst ging von Babylon aus in die Gegend von Arbela, einem Hauptorte auf der großen Heerstraße, die weiter jenseits des Lykos zu der großen Ebene von Ninive führt, welche sich westwärts bis an das linke Ufer des reißenden Tigris und nordwärts bis an die Vorhöhen des Zagrosgebirges ausdehnt; dort mochte er, sobald Alexander herankam, an die Ufer des Stromes rücken und ihm den Übergang unmöglich machen wollen.
Während der König Dareios für die Osthälfte seines Reiches mit allen Streitkräften, die sie aufbringen konnte, an ihrer Schwelle zu kämpfen bereit stand, war im fernen Westen der letzte Rest der persischen Macht unterlegen.
Was hätte die persische Flotte im hellenischen Meere leisten können, wenn sie zur rechten Zeit, in der rechten Art agiert, wenn sie die von König Agis im Peloponnes eingeleitete Bewegung mit aller Kraft unterstützt hätte. Aber zögernd, ohne Plan und Entschluß, hatte sie im Sommer 333 den Moment einer entscheidenden Offensive versäumt; und doch blieb sie, schon durch die Absendung vieler Schiffe, die die Söldner nach Tripolis führten, geschwächt, auch nach der Schlacht von Issos und als schon die phönikische Küste von den Feinden bedroht war, in jenen westlichen Stationen, die nur für die Offensive einen Sinn hatten, statt nach Phönikien zu eilen, den Widerstand von Tyros zu unterstützen und die unsicheren Kontingente der Flotte beieinander zu halten. Mit dem Frühling 332 segelten die phönikischen, die kyprischen Schiffe heim, aber Pharnabazos und Autophradates blieben mit dem Rest der Flotte im Ägäischen Meer, schon so gering an Macht, daß sie sich nur mit Mühe, nur noch durch die Beihilfe der von ihnen begünstigten oder eingesetzten Tyrannen in dem Besitz von Tenedos, Lesbos, Chios, Kos zu behaupten vermochten. Durch Antipatros' Umsicht und feste Haltung alles Einflusses im übrigen Hellas beraubt, standen sie nur noch mit König Agis in unmittelbarer Verbindung; aber die Bewegung, die dieser im Einverständnis mit ihnen auf dem Peloponnes zu erregen gehofft hatte, war durch die allmähliche Auflösung der Seemacht gleichfalls ins Stocken geraten, nur Kreta hatte er durch seinen Bruder besetzen lassen. Indes entwickelte die makedonische Flotte unter den Nauarchen Hegelochos und Amphoteros während des Jahres 332 in den griechischen Gewässern ein so bedeutendes Übergewicht, daß zunächst die Tenedier, die nur gezwungen das Bündnis mit Alexander gegen das persische Joch vertauscht hatten, den Makedonen ihren Hafen öffneten und das frühere Bündnis von neuem proklamierten. Ihrem Beispiele folgten die Chier, die, sobald sich die makedonische Flotte auf ihrer Reede zeigte, gegen die Tyrannen und die persische Besatzung einen Aufstand machten und die Tore öffneten; der persische Admiral Pharnabazos, der damals mit fünfzehn Trieren im Hafen von Chios lag, sowie die Tyrannen der Insel kamen in die Gewalt der Makedonen; und als während der Nacht Aristonikos, der Tyrann von Methymna auf Lesbos, mit einigen Kaperschiffen vor dem Hafen, den er noch in den Händen der Perser glaubte, erschien und einzulaufen begehrte, ließ ihn die makedonische Hafenwache ein, machte dann die Mannschaft der Trieren nieder und brachte den Tyrannen als Gefangenen in die Burg. Immer mehr sank das Ansehen der Perser und ihre Partei; schon hatte auch Rhodos zehn Trieren zur makedonischen Flotte vor Tyros gesandt; jetzt sagten sich auch die Koer von der persischen Sache los; und während Amphoteros mit sechzig Schiffen dorthin abging, wandte sich Hegelochos mit der übrigen Flotte nach Lesbos, das allein noch durch Tyrannen und persische Besatzungen in Untertänigkeit gehalten wurde. Dort hatte sich Chares, dem im Jahre vorher sein Versuch auf Methymna mißglückt war, mit zweitausend Söldnern eingefunden, Mitylene besetzt und im Namen des Dareios den Herrn zu spielen begonnen; der alte athenische Kriegsmann war nicht gewillt, ein großes Spiel zu wagen, er kapitulierte auf freien Abzug, zog mit seinen Kriegsleuten nach der attischen Insel Imbros, später nach Tainaron, dem großen Söldnermarkt. Die Übergabe Mitylenes gab auch den anderen Städten der Insel den Mut, frei zu sein; sie lieferten ihre Tyrannen aus und gaben sich eine demokratische Verfassung. Dann segelte Hegelochos südwärts nach Kos, das sich bereits in Amphoteros' Händen befand. Nur Kreta war noch von den Lakedämoniern besetzt; Amphoteros übernahm ihre Unterwerfung und segelte mit einem Teil der Flotte dorthin ab, mit dem anderen ging Hegelochos nach Ägypten, um selbst die Meldung von dem Ausgang des Kampfes gegen die persische Seemacht zu überbringen, zugleich die Gefangenen abzuliefern, alle bis auf Pharnabazos, der auf der Insel Kos zu entweichen Gelegenheit gefunden hatte. Alexander befahl, die Tyrannen den Gemeinden, die sie geknechtet hatten, zum Gericht zurückzusenden; diejenigen aber, welche die Insel Chios an Memnon verraten hatten, wurden mit einer starken Eskorte nach der Nilinsel Elephantine, dem südlichsten Grenzposten des Reiches, ins Elend geschickt.
So war mit dem Ausgang des Jahres 332 der letzte Rest einer persischen Seemacht, die das makedonische Heer im Rücken zu gefährden und dessen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, vernichtet. Die Reihe von Waffenplätzen, die sich vom thrakischen Bosporus über die Küsten Kleinasiens und Syriens bis zu dem neugegründeten Alexandria hin erstreckte, diente ebensosehr zur vollkommenen Behauptung der unterworfenen Lande, wie sie für die weiteren Unternehmungen nach Osten eine breite Basis gab. Der neue Feldzug sollte in eine durchaus neue und fremde Welt und unter Völker führen, denen die hellenische Weise fremd, das freie Verhältnis der Makedonen zu ihrem Fürsten unverständlich, denen der König ein Wesen höherer Art war. Wie hätte Alexander verkennen können, daß die Völker, die er zu einem Reiche zu vereinen gedachte, ihre Einheit zunächst nur in ihm finden würden und erkennen mußten. Und wenn ihn der heilige Schild von Ilion als den hellenischen Helden bezeichnete, wenn die Volker Kleinasiens in dem Löser des gordischen Knotens den verheißenen Überwinder Asiens erkannten, wenn in dem Heraklesopfer zu Tyros und der Feier im Phthatempel zu Memphis der siegende Fremdling sich mit den besiegten Völkern und ihrer heiligsten Stätte versöhnt hatte, so sollte ihn jetzt in das Innere des Morgenlandes eine geheimere Weihe, eine höhere Verheißung begleiten, in der die Völker ihn als den zum König der Könige, zum Herrn von Aufgang bis Niedergang Erkorenen erkennen mochten.
In der weiten Einöde Libyens, an deren Eingang das verwitterte Felsenbild der hütenden Sphinx und die halbversandeten Pyramiden der Pharaonen stehen, in dieser einsamen, totenstillen Wüste, die sich vom Saume des Niltales abendwärts in unabsehbarer Ferne erstreckt, und mit deren Flugsand ein glühender Mittagswind die mühsame Spur des Kamels verweht, liegt wie im Meere ein grünes Eiland, von hohen Palmen überschattet, von Quellen und Bächen und dem Tau des Himmels getränkt, die letzte Stätte des Lebens für die rings ersterbende Natur, der letzte Ruheplatz für den Wanderer in der Wüste; unter den Palmen der Oase steht der Tempel des geheimnisvollen Gottes, der einst auf heiligem Kahne vom Lande der Äthiopier zum hunderttorigen Theben gekommen, der von Theben durch die Wüste gezogen war, auf der Oase zu ruhen und dem suchenden Sohne sich kundzutun in geheimnisvoller Gestalt. Ein frommes priesterliches Geschlecht wohnte um den Tempel des Gottes, fern von der Welt, in heiliger Einsamkeit, in der Ammon Zeus, der Gott des Lebens, nahe war; sie lebten für seinen Dienst und für die Verkündigung seiner Orakel, die zu hören die Völker nah und fern heilige Boten und Geschenke sandten. Zu dem Tempel in der Wüste beschloß der makedonische König zu ziehen, um große Dinge den großen Gott zu fragen.
Was aber wollte er fragen? Die Makedonen mit ihm erzählten sich wunderbare Geschichten aus früherer Zeit; damals von wenigen geglaubt, von vielen verlacht, von allen gekannt, waren sie durch diesen Zug von neuem angeregt worden; man erinnerte sich der nächtlichen Orgien, die Olympias in den Bergen der Heimat feierte; man wußte von ihren Zauberkünsten, um deren Willen sie König Philipp verstoßen; er habe sie einst in ihrem Schlafgemach belauscht und einen Drachen in ihrem Schoß gesehen; vertraute Männer, die er nach Delphi geschickt, hätten ihm des Gottes Antwort gebracht: er möge dem großen Ammon Zeus opfern und ihn vor allen Göttern ehren. Man meinte, auch Herakles sei einer sterblichen Mutter Sohn gewesen; man wollte wissen, das Olympias ihrem Sohne auf dem Wege zum Hellespont das Geheimnis seiner Geburt vertraut habe. Andere hielten dafür, der König wolle für seinen weiteren Zug des Gottes Rat erfragen, wie ja auch Herakles getan, als er nach dem Riesen Antäos ausgezogen, und Perseus, ehe er die Fahrt zu den Gorgonen unternommen; beide seien des Königs Ahnherren, deren Beispiel er gern nachahme. Was er wirklich wollte, erfuhr niemand; nur wenige Truppen sollten ihm folgen.
Von Alexandria brach der Zug auf und wandte sich zunächst längs der Meeresküste gen Paraitonion, der ersten Ortschaft der Kyrenaier, die Gesandte und Geschenke – dreihundert Kriegsrosse und fünf Viergespanne – sandten und um ein Bündnis mit dem Könige baten, das ihnen gewährt wurde. Von hier führte der Weg südwärts durch wüste Sandstrecken, über deren eintönigen Horizont kein Baum, kein Hügel hervorragt; den Tag hindurch heiße Luft voll feinen Staubes, der Sand oft so lose, daß jeder Schritt unsicher war; nirgend ein Grasplatz zum Ruhen, nirgend ein Brunnen oder Quell, der den brennenden Durst hätte stillen können; – Regenwolken, die bald, ein Geschenk der Jahreszeit, wiederholentlich Erquickung gaben, galten für eine Wundergabe des Gottes in der Wüste. So zog man weiter; keine Spur bezeichnete den Weg, und die niedrigen Dünen in diesem Sandmeer, die mit jedem Winde Ort und Form wechseln, vermehrten nur die Verwirrung der Führer, die schon die Richtung zur Oase nicht mehr zu finden wußten; – da zeigten sich an der Spitze des Zuges ein paar Raben, sie erschienen wie Boten des Gottes, und Alexander befahl, im Vertrauen auf den Gott, ihnen zu folgen. Mit lautem Krähen flogen sie vorauf, sie rasteten mit dem Zuge, sie flatterten weiter, wenn das Heer weiter zog. Endlich zeigten sich die Wipfel der Palmen und die schöne Oase des Ammon empfing den Zug des Königs.
Alexander war überrascht von der Heiterkeit dieses heiligen Bezirkes, der, reich an Oliven und Datteln, an kristallinischem Salz und heilsamen Quellen, von der Natur zu dem frommen Dienste des Gottes und dem stillen Leben seiner Priester bestimmt schien. Als der König darauf, so wird erzählt, das Orakel zu hören verlangte, begrüßte der Älteste unter den Priestern ihn in dem Vorhofe des Tempels, gebot dann seinen Begleitern allen, draußen zu verweilen, und führte ihn in die Zelle des Gottes; nach einer kleinen Weile kam Alexander heiteren Angesichtes zurück und versicherte, die Antwort sei ganz nach seinem Wunsch ausgefallen. Dasselbe soll er in einem Briefe an seine Mutter wiederholt haben: wenn er sie wiedersähe bei seiner Rückkehr, wolle er ihr die geheimen Orakel, die er empfangen, mitteilen. Dann beschenkte er den Tempel und die gastfreundlichen Bewohner der Oase auf das reichlichste, und kehrte nach Memphis in Ägypten zurück.
Alexander hatte die Antwort des Gottes verschwiegen, desto lebhafter war die Neugier oder Teilnahme seiner Makedonen; die mit im Ammonion gewesen waren, erzählten Wunderbares von jenen Tagen; des Oberpriesters erster Gruß, den sie alle gehört hätten, sei gewesen: »Heil dir, o Sohn!« und der König habe erwidert: »O Vater, so sei es; dein Sohn will ich sein, gib mir die Herrschaft der Welt!« Andere verlachten diese Märchen; der Priester habe griechisch reden und den König mit der Formel ›Paidion‹ anreden wollen, statt dessen aber, mit einem Sprachfehler ›Paidios‹ gesetzt, was man wahrlich für ›Sohn des Zeus‹ nehmen könnte. Schließlich galt als das Sichere über diesen Vorgang: Alexander habe den Gott gefragt, ob alle, die an seines Vaters Tod Schuld hätten, gestraft seien; darauf sei geantwortet: er möge besser seine Worte wägen, nimmermehr werde ein Sterblicher den verletzen, der ihn gezeugt; wohl aber seien die Mörder Philipps des Makedonenkönigs alle gestraft. Und zum zweiten habe Alexander gefragt, ob er seine Feinde besiegen werde, und der Gott habe geantwortet, ihm sei die Herrschaft der Welt bestimmt, er werde siegen bis er zu den Göttern heimgehe. Diese und ähnliche Erzählungen, die Alexander weder bestätigte noch widerrief, dienten dazu, um seine Person ein Geheimnis zu verbreiten, das dem Glauben der Völker an ihn und seine Sendung Reiz und Gewißheit lieh, und den aufgeklärten Hellenen nicht seltsamer zu scheinen brauchte, als des Herakleitos Wort, daß die Götter unsterbliche Menschen, die Menschen sterbliche Götter seien, nicht seltsamer als der Heroenkult der Gründer in den neueren wie älteren Kolonien oder die Altäre und Festdienste, die vor zwei Menschenaltern dem Spartaner Lysandros gewidmet worden waren.
Es läge nahe, an dieser Stelle noch eine andere Frage aufzuwerfen, diejenige, mit der man doch erst den Kern der Sache treffen würde. Wie hat sich Alexander den Zweck dieses Zuges ins Ammonion, die geheimnisvollen Vorgänge in dem Tempel dort gedacht? hat er die Welt täuschen wollen? hat er selbst geglaubt, was er sie wollte glauben machen? hat er, sonst so klaren und freien Sinnes, seines Wollens und Könnens so gewiß, Momente innerer Unsicherheit gehabt, in denen sein Gemüt eine Stütze, einen Ruhepunkt in dem Überirdischen suchte? Man sieht, es handelt sich bei dieser Frage um die religiösen und sittlichen Voraussetzungen, unter denen das Wollen und Handeln dieses leidenschaftlichen Charakters stand, um das innerste Wesen seiner Persönlichkeit, man könnte sagen, um sein Gewissen. Ganz verstehen könnte man ihn nur von diesem Mittelpunkt seines Wesens aus, zu dem das, was er tut und schafft, nur die Peripherie ist, nur Stücke der Peripherie, von denen uns in der Überlieferung nur Fragmente erhalten sind. Dem Poeten steht es zu, zu der Handlung, die er darstellt, die Charaktere so zu dichten, daß sich aus ihnen erklärt, was sie tun und leiden. Die historische Forschung steht unter einem anderen Gesetz; auch sie sucht von den Gestalten, deren geschichtliche Bedeutung sie zu verfolgen hat, ein möglichst klares und begründetes Bild zu gewinnen; sie beobachtet, so weit ihre Materialien es gestatten, deren Tätigkeiten, Begabungen, Tendenzen; aber sie dringt nicht bis zu der Stelle, wo alle diese Momente ihren Quell, ihren Impuls, ihre Norm haben. Das tiefinnerste Geheimnis der Seele zu finden, damit den sittlichen Wert, das will sagen, den ganzen Wert der Person richtend zu bestimmen, hat sie keine Methoden und keine Kompetenz. Genug, daß sie für die Lücken, die ihr so bleiben, eine Art von Ersatz hat; indem sie die Persönlichkeiten in einem anderen Zusammenhang, als dem, wo ihr sittlicher Wert liegt, in dem ihres Verhältnisses zu den großen geschichtlichen Entwicklungen, ihres Anteils an überdauernden Leistungen oder Schöpfungen, in ihrer Kraft oder Schwäche, ihren Plänen und Veranstaltungen, ihrer Begabung und Energie, dieselben zu ermöglichen, auffaßt und sie nach ihrer Bedeutung einreiht, übt sie die Gerechtigkeit, die ihr zusteht, und gewährt sie ein Verständnis das nicht tiefer aber weiter und freier ist als jenes nur psychologische.
Wenigstens berührt mag hier ein Punkt werden, in dem sich bedeutsame Linien zu kreuzen scheinen.
Seit jenem merkwürdigen Ausspruch des Herakleitos, seit dem Äschyleischen ›in vielen Namen eine Gestalt‹ haben die Dichter und Denker der hellenischen Welt nicht aufgehört, in den vielen Göttergestalten und deren Mythen, die ihrem Volke Religion waren, den tieferen Sinn zu suchen und in ihm die Rechtfertigung ihres Glaubens zu finden. Man weiß, bis zu welchen Punkten Aristoteles diese Fragen vertieft hat. Alexander wird nicht bloß dessen populären Dialog gelesen haben, in dem er schildert, wie ein Blick in die Herrlichkeit der Welt und die ewige Bewegung der Gestirne dem, der sie zum ersten Male sähe, die Überzeugung geben würde, ›daß wirklich Götter seien, daß so Staunenswürdiges ihr Wirken und Werk sei‹. Aus des großen Denkers Vorträgen mag auch er die Überzeugung gewonnen haben, daß die frühe Vorzeit den Himmel und die Gestirne, die sich in ewigen Sphären an ihm bewegen, als Gottheiten angeschaut, deren Tun und Wirken ›in mythischer Gestalt‹ ausgesprochen habe, daß ›zur Überredung der vielen, sowie um der Gesetze und des Gebrauches willen‹ diese Mythen beibehalten, auch weiter ausgeführt und Wunderliches hinzugefügt worden sei, daß aber die wahre Gottheit, das ›Unbewegt-Bewegende‹, das ›nicht durch andere Ursache als sich selbst Gewordene‹ ohne Stoff, ohne Teile, ohne Vielheit sei, reine Form, reiner Geist, sich selbst denkend, bewegend ohne zu handeln und zu bilden, zu dem sich alles ›aus Sehnsucht‹ bewegt als dem ewig Guten, dem höchsten Zweck.
Wie nun, wenn Alexander im Ammonion einer Gotteslehre, einer Symbolik begegnete, die, in ähnlichen Spekulationen sich vertiefend, zugleich die Gewißheit des Jenseits, seines Gerichtes und seiner Verklärungen, die Pflichten und die Ordnung des Lebens hienieden, das darauf Vorbereitung sei, das Wesen des Priestertums und des Königtums zu einem großen und in sich geschlossenen System zu verbinden verstanden hatte? Schon Monumente aus der alten Pharaonenzeit sprechen von ›dem Gott, der sich selbst zum Gott gemacht hat, der durch sich selbst besteht, dem einzigen nicht erzeugten Erzeuger im Himmel und auf Erden, dem Herrn der seienden und nicht seienden Wesen‹. Und daß diese Gedanken in voller Lebendigkeit bewahrt und vielleicht weitergeführt worden sind, lehrt eine denkwürdige Inschrift aus Dareios' II. Zeit und zu seinen Ehren; da ist Ammon-Ra der Gott, der sich selbst erzeugte, der sich offenbart in allem, was da ist, der von Anbeginn war und das Bleibende ist in allem, was da ist; die anderen Götter sind wie Prädikate für ihn, wie Tätigkeiten von ihm: ›Es sind die Götter in deinen Händen und die Menschen zu deinen Füßen; du bist der Himmel, du bist die Tiefe; die Menschen preisen dich als den Unermüdlichen in der Sorge für sie, dir sind ihre Werke geheiligt‹. Dann folgt das Gebet für den König: ›laß glücklich sein deinen Sohn, der da sitzet auf deinem Thron, mach ihn dir ähnlich, laß als König ihn herrschen in deinen Würden; und wie deine Gestalt ist segenspendend, wenn du dich erhebst als Ra, so ist das Wirken deines Sohnes nach deinem Wunsch, Dareios, der ewig lebe; die Furcht vor ihm, die Achtung vor ihm, seines Ruhmes Glanz, sie seien im Herzen aller Menschen in jedem Lande, wie die Furcht vor dir, die Achtung vor dir im Herzen der Götter und Menschen weilt‹.
Wenn die Priester des Ammonion Alexander als Sohn des Ammon-Ra, als Zeus-Helios begrüßt haben, so taten sie es in der vollen Wahrhaftigkeit ihrer religiösen Überzeugung und der tieferen Symbolik, in der sie ihre Gotteslehre faßten. Alexander, so wird erzählt, habe die Darlegungen des Priesters Psammon, des ›Philosophen‹, mit Aufmerksamkeit angehört, namentlich: daß jeder Mensch von einem Gott regiert werde (βασιλεύονται ύπό ϑεοῦ), denn das in jedem Herrschende und Mächtige sei göttlich; dem habe Alexander entgegnet: allerdings sei der gemeinsame Vater aller Menschen Gott (τὸν ϑεόν), aber die Besten wähle er sich zu besonderer Kindschaft.
Und nun zurück zu dem Zusammenhang der historischen Ereignisse, deren mit dem Frühling 331 eine neue bedeutsame Reihe beginnen sollte.
Nach Memphis zurückgekehrt, fand Alexander zahlreiche Gesandtschaften aus den hellenischen Landen, deren keine ohne geneigtes Gehör und möglichste Erfüllung ihrer Anträge in die Heimat zurückkehrte. Mit ihnen zugleich waren neue Truppen angekommen, namentlich vierhundert Mann hellenische Söldner unter Menidas und fünfhundert thrakische Reiter unter Asklepiodoros, die sofort in das Heer eingereiht wurden, welches schon in den Rüstungen zum Aufbruch begriffen war. Dann ordnete Alexander die Verwaltung des ägyptischen Landes mit besonderer Vorsicht, namentlich darauf bedacht, durch Zerlegung der amtlichen Befugnisse die Vereinigung zu großer Macht in einer Hand zu vermeiden, die bei der militärischen Bedeutung dieser großen Satrapie und den reichen Machtelementen in ihr nicht ohne Gefahr gewesen wäre. Peukestas, des Makartalos Sohn, und Balakros, des Amyntas Sohn, erhielten die Strategie des Landes und Befehl über die dort zurückbleibenden Truppen mit Einschluß der Besatzungen von Pelusion und Memphis, im ganzen etwa viertausend Mann, den Befehl über die Flotte von dreißig Trieren der Nauarch Polemon; die in Ägypten ansässigen oder einwandernden Griechen wurden unter eine besondere Behörde gestellt; die ägyptischen Kreise oder Nomen behielten ihre alten Nomarchen, mit der Bestimmung, an diese nach der früheren Taxe ihre Abgaben einzuzahlen; die Oberaufsicht über die sämtlichen rein ägyptischen Kreise wurde anfangs zweien, dann einem Ägypter, sowie die über die libyschen Kreise einem griechischen Manne übertragen; der Verwalter der arabischen Kreise Kleomenes, ein Grieche aus Naukratis in Ägypten, der die Sprache und Sitten des Landes kannte, erhielt zugleich die Weisung, die von den Nomarchen aller Kreise gesammelten Tribute in Empfang zu nehmen, sowie ihm auch insbesondere die Sorge für den Bau der Stadt Alexandreia übertragen wurde.
Nach diesen Einrichtungen, nach einer Reihe von Beförderungen in der Armee, nach neuen Festlichkeiten in Memphis und einem feierlichen Opfer, das Zeus vom Könige dargebracht wurde, brach Alexander mit dem Frühling 331 nach Phönikien auf; zugleich mit ihm traf die Flotte in dem Hafen von Tyros ein. Die kurze Zeit, die der König hier verweilte, verging unter großen und prächtigen Festlichkeiten nach hellenischem Brauch; zu den Opfern, die im Heraklestempel gefeiert wurden, hielt das Heer Wettkämpfe aller Art; die berühmtesten Schauspieler der hellenischen Städte waren berufen, diese Tage zu verherrlichen, und die kyprischen Könige, die nach griechischer Sitte die Chöre stellten und schmückten, wetteiferten an Pracht und Geschmack miteinander. Dann lief die attische Tetrere Paralia, die stets nur in heiligen oder besonders wichtigen Angelegenheiten gesendet wurde, in den Hafen der Stadt ein; die Gesandten, die sie brachte, kamen dem Könige Glück zu wünschen und die unverbrüchlichste Treue ihrer Vaterstadt zu versichern, eine Aufmerksamkeit, die Alexander mit der Freilassung der am Granikos gefangenen Athener erwiderte.
Es galt für eine lange Abwesenheit von den westlichen Landen Fürsorge zu treffen. Bis auf Sparta und Kreta war in Hellas alles in Ruhe; nur daß noch zahlreiche Seeräuber, die Nachwirkung der persischen Unternehmungen, die Meere unsicher machten. Amphoteros erhielt den Befehl, die Austreibung der spartanischen und persischen Besatzungen aus Kreta zu beschleunigen, dann auf die Seeräuber Jagd zu machen, den Peloponnesiern, die etwa von Sparta aus bedrängt werden könnten, Hilfe und Schutz zu bieten; die Kyprier und Phöniker wurden angewiesen, ihm hundert Schiffe nach dem Peloponnes nachzusenden. Zur gleichen Zeit wurden einige Veränderungen in der Verwaltung der bisher unterworfenen Länder vorgenommen; es wurde nach Lydien an die Stelle des Satrapen Asandros, der auf »Werbung nach Griechenland ging, der Magnesier Menandros von den Hetairen gesendet, an dessen Stelle Klearchos den Befehl über die fremden Völker erhielt; es wurde die Satrapie Syriens von Menon, der nicht mit der gehörigen Sorgfalt für die Bedürfnisse des durch seine Provinz ziehenden Heeres gesorgt hatte, auf den jüngst angekommenen Asklepiodoros übertragen, zugleich diesem der unmittelbare Befehl über das Land des Jordan, dessen bisheriger Befehlshaber Andromachos von den Samaritanern erschlagen worden war, und die Bestrafung der Samaritaner übertragen. Endlich wurde die Finanzverwaltung in der Art geordnet, daß die Generalkasse, die bisher mit der Kriegskasse vereinigt gewesen war, von derselben getrennt und, wie schon für Ägypten geschehen war, so für Syrien und Kleinasien bis zum Tauros je eine besondere Hauptkasse eingerichtet wurde. Für die Satrapien westwärts vom Tauros erhielt dies Amt Philoxenos, für die syrischen Länder mit Einschluß der phönikischen Städte Koiranos, wogegen die Verwaltung der Kriegskasse an den reuigen Harpalos gegeben wurde, dem der König aus alter Freundschaft oder aus politischen Rücksichten verzieh, was er getan hatte.
Dann endlich brach das Heer von Tyros auf und zog die große Heerstraße am Orontas hinab, vielleicht auf dem Marsche durch Zuzüge aus den kleinasiatischen Besatzungen verstärkt, dem Euphrat zu; etwa vierzigtausend Mann Fußvolk und siebentausend Reiter stark erreichte es um den Anfang August Thapsakos, den gewöhnlichen Übergangsort. Eine Abteilung Makedonen war vorausgesandt worden, zwei Brücken über den Strom zu schlagen; sie waren noch nicht ganz vollendet, denn das jenseitige Ufer hatte der Perser Mazaios, mit etwa zehntausend Mann zur Deckung des Flusses abgesandt, bisher besetzt gehalten, so daß für die um vieles schwächere makedonische Vorhut zu gewagt gewesen wäre, die Brücken bis an das jenseitige Ufer fortzuführen. Beim Anrücken der großen Armee zog sich Mazaios eilends zurück; zu schwach, um den Posten gegen Alexanders Übermacht zu behaupten, hätte er seine Truppen aufopfernd höchstens das Vorrücken der Feinde in etwas verzögern können, was für den Großkönig, dessen Rüstungen bereits vollendet waren, kein erheblicher Gewinn gewesen wäre.
Alexander ließ sofort den Bau beider Brücken vollenden und sein Heer auf das Ostufer des Euphrat hinüberrücken. Selbst wenn er vermutete, daß das persische Heer in der Ebene von Babylon, in der es gesammelt hatte, zum Kampfe und zur Verteidigung der Reichsstadt bereitstand, durfte er nicht, wie siebzig Jahre früher die Zehntausend, den Weg längs des Euphrat, den jene genommen hatten, einschlagen. Die Wüsten, durch welche derselbe führt, wären in der Hitze des Sommers doppelt mühselig gewesen und die Verpflegung eines so bedeutenden Heeres hatte die größten Schwierigkeiten gehabt. Er wählte die große nördliche Straße, welche nordostwärts über Nisibis durch das kühlere und weidenreiche Hügelland, das die Makedonen später Mygdonien nannten, an den Tigris und dann an der linken Seite des Stromes hinab in die Ebene von Babylon führt.
Da brachte man eines Tages einige der feindlichen Reiter, die in der Gegend umherschwärmten, gefangen vor den König; sie sagten aus, daß Dareios bereits von Babylon aufgebrochen sei und auf dem linken Ufer des Tigris stehe, entschlossen, seinen Gegnern mit aller Kraft den Übergang über den Strom zu wehren; seine jetzige Macht sei viel größer als die in den issischen Pässen; sie selbst wären auf Kundschaft ausgesendet, damit sich das Perserheer zur rechten Zeit und am rechten Orte den Makedonen gegenüber am Tigris aufstellen könne.
Alexander durfte nicht wagen, einen so breiten und reißenden Strom, wie der Tigris ist, unter den Pfeilen der Feinde zu überschreiten; er mußte erwarten, daß Dareios die Gegend von Ninive, wo der gewöhnliche Heerweg über den Strom führt, besetzt halten werde; es kam alles darauf an, möglichst bald auf derselben Seite des Stromes mit dem Feinde zu sein; es galt den Übergang unbemerkt zu bewerkstelligen. Alexander veränderte sofort die Marschroute und ging, während ihn Dareios auf der weiten Ebene der Trümmer von Ninive erwartete, nordöstlich in Eilmärschen auf Bedzabde. Kein Feind war in der Nähe, die Truppen begannen den sehr reißenden Strom zu durchwaten; mit der größten Anstrengung, doch ohne weiteren Verlust, gewannen sie das östliche Ufer. Alexander gewährte seinen erschöpften Truppen einen Tag Ruhe; sie lagerten sich längs den bergigen Ufern des Stromes.
Das war am 20. September. Der Abend kam, die ersten Nachtwachen rückten auf ihre Posten am Fluß und auf den Bergen; der Mond erhellte die Gegend, die vielen den makedonischen Berglanden ähnlich schien; da begann sich das Licht des Vollmondes zu verdunkeln; bald war die Scheibe des hellen Gestirnes völlig in Dunkel gehüllt. Es schien ein großes Zeichen der Götter; besorgt traten die Kriegsleute aus ihren Zelten; viele fürchteten, daß die Götter zürnten; andere erinnerten, daß, als Xerxes gegen Griechenland gezogen, seine Magier die Sonnenfinsternis, die er in Sardeis gesehen, dahin gedeutet hätten, daß die Sonne das Gestirn der Hellenen, der Mond das der Perser sei; jetzt verhüllten die Götter das Gestirn der Perser, zum Zeichen ihres baldigen Unterganges. Dem König selbst deutete der zeichenkundige Aristandros: das Ereignis sei zu seinen Gunsten, noch in demselben Monate werde es zur Schlacht kommen. Dann opferte Alexander dem Mond, der Sonne, der Erde, und auch die Opferzeichen verhießen Sieg. Mit Anbruch des Morgens brach das Heer auf, um dem Heere der Perser zu begegnen.
In südlicher Richtung, auf der linken Seite die Vorhöhen der gordäischen Gebirge, auf der rechten den reißenden Tigris, zog das makedonische Heer weiter, ohne auf eine Spur der Feinde zu stoßen. Endlich am 24. wurde von der Vorhut gemeldet, im Blachfelde zeige sich feindliche Reiterei, wie stark, lasse sich nicht erkennen. Das Heer wurde rasch geordnet und rückte zum Kampf fertig vor. Bald kam die weitere Meldung: man könne die Zahl der Feinde auf ungefähr tausend Pferde schätzen. Alexander ließ die königliche und eine andere Ile der Hetairen und von den leichten Reitern (den Plänkelern) die Paionen aufsitzen und eilte mit ihnen, indem er dem übrigen Heere langsam nachzurücken befahl, dem Feinde entgegen. Sobald die Perser ihn heransprengen sahen, jagten sie mit verhängtem Zügel davon; Alexander setzte ihnen nach, die meisten entkamen, manche stürzten, sie wurden niedergehauen, einige gefangen. Vor Alexander gebracht, sagten sie aus, daß Dareios nicht weit südwärts bei Gaugamela an dem Flusse Bumodos, in einer nach allen Seiten hin ebenen Gegend stehe, daß sein Heer sich wohl auf eine Million Menschen und mehr als vierzigtausend Pferde belaufe, daß sie selbst unter Mazaios auf Kundschaft gesandt gewesen seien. Sofort machte Alexander halt; ein Lager wurde aufgeschlagen und sorgfältig verschanzt; in der Nähe einer so ungeheuren Übermacht war die größte Vorsicht geboten; vier Tage Rast, die den Truppen gegönnt wurde, reichten hin, alles zur entscheidenden Schlacht vorzubereiten.
Da sich weiter keine feindlichen Truppen zeigten, so war vorauszusetzen, daß Dareios eine für seine Streitkräfte günstige Gegend besetzt habe und sich nicht wie früher durch das Zögern seiner Feinde und seine eigene Ungeduld in ein ihm ungelegenes Terrain hinauslocken lassen wolle. Alexander beschloß deshalb, ihm entgegenzurücken. Während alle unnötige Bagage und die zum Kampf untauglichen Leute im Lager zurückblieben, brach das Heer in der Nacht vom 29. zum 30. September, etwa um die zweite Nachtwache, auf. Gegen Morgen erreichte man die letzten Hügel, man war dem Feind auf sechzig Stadien nahe, aber die Hügel, die man vor sich hatte, entzogen ihn noch dem Blick. Dreißig Stadien weiter, als das Heer über jene Hügel kam, sah Alexander in der weiten Ebene, etwa eine Stunde entfernt, die dunklen Massen der feindlichen Linie. Er ließ seine Kolonnen haltmachen, berief die Freunde, die Strategen, die Ilarchen, die Anführer der Bundesgenossen und Soldtruppen, und legte ihnen die Frage vor, ob man sofort angreifen oder an Ort und Stelle sich lagern und verschanzen und das Schlachtfeld zuvor rekognoszieren solle? Die meisten waren dafür, das Heer, das von Kampflust brenne, sogleich gegen den Feind zu führen; Parmenion dagegen riet zur Vorsicht: die Truppen seien durch den Marsch ermüdet, die Perser, schon länger in dieser für sie günstigen Stellung, würden wohl nicht versäumt haben, sie auf jede Weise zu ihrem Vorteil einzurichten; man könne nicht wissen, ob nicht eingerammte Pfähle oder heimliche Gruben die feindliche Linie deckten; die Kriegsregel erfordere, daß man sich erst orientiere und lagere. Diese Ansicht des alten Feldherrn drang durch; Alexander befahl, die Truppen in der Ordnung, wie sie in die Schlacht rücken sollten, auf den Hügeln im Angesicht der Feinde, sich lagern zu lassen. Das geschah am 30. September morgens.
Dareios seinerseits, obschon er lange Zeit die Ankunft der Makedonen erwartet und in dem weiten Blachfelde jedes Hindernis bis auf das Dorngestrüpp und die einzelnen Sandhügel, die den stürmischen Angriff seiner Reiterschwärme oder den Lauf der Sensenwagen hätten stören können, aus dem Wege geräumt hatte, war durch die Nachricht von Alexanders Nähe und dem sehr eiligen Rückzuge seiner Vorposten unter Mazaios in einige Unruhe versetzt worden; doch in der stolzen Zuversicht seiner Satrapen, die kein unberufener Warner mehr störte, und den endlosen Reihen seines Heeres, vor denen kein Charidemos oder Amyntas dem dichten Häuflein der Makedonen den nur zu gerechten Vorzug zu geben wagte, endlich in den eigenen Wünschen, die so gern ihre Blindheit für besonnene Kraft halten und die zuversichtlichen Worte der Schmeichler lieber hören, als die ernsten Mahnungen des schon Geschehenen, fand der Perserkönig bald Beruhigung und Selbstvertrauen; seine Großen überzeugten ihn leicht, daß er bei Issos nicht dem Feinde, sondern dem engen Raume erlegen sei; jetzt sei Raum für die Kampflust seiner Hunderttausende, für die Sensen seiner Kriegswagen, für seine indischen Elefanten; jetzt sei die Zeit gekommen, dem Makedonen zu zeigen, was ein persisches Reichsheer sei. – Da sah man am Morgen des 30. auf der Hügelreihe nordwärts das makedonische Heer geordnet und wie zur Schlacht geschart heranrücken; man erwartete, daß es sofort zum Angriff vorgehen werde; auch die persischen Völker ordneten sich über die weite Ebene hin zur Schlacht. Es erfolgte kein Angriff, man sah den Feind sich lagern; alles blieb ruhig, nur ein Reiterhaufe mit einigen Scharen leichten Fußvolkes untermischt, zog von den Hügeln herab, durch die Ebene und, ohne sich der Linie der Perser zu nahen, wieder zum Lager zurück. Der Abend kam; beabsichtigten die Feinde einen nächtlichen Überfall? Das persische Lager, ohne Wall und Graben, hätte nicht Schutz gegen einen Überfall gewährt; die Völker erhielten Befehl, die Nacht hindurch unter den Waffen und in Schlachtordnung zu bleiben, die Pferde gesattelt neben sich bei den Wachtfeuern zu halten. Dareios selbst ritt während der Nacht an den Linien entlang, um die Völker durch sein Antlitz und seinen Gruß zu begeistern. Auf dem äußersten linken Flügel standen die Völker des Bessos, die Baktrianer, Daer und Sogdianer, vor ihnen hundert Sensenwagen, zu ihrer Deckung links vorgeschoben tausend baktrische Reiter und die massagetischen Skythen, Mann und Roß gepanzert. Rechts auf Bessos folgten die Arachosier und Berginder; dann eine Masse Perser, die aus Reiterei und Fußvolk gemischt war, dann die Susier und die Kadusier, welche sich an das Mitteltreffen anschlossen. Dies Mitteltreffen umfaßte zunächst die edelsten Perserscharen, die sogenannten Verwandten des Königs nebst der Leibwache der Apfelträger; zu beiden Seiten derselben die hellenischen Söldner, die sich noch im Dienst des Königs befanden; ferner noch im Mitteltreffen die Inder mit ihren Elefanten, die sogenannten Karier, die Nachkommen der einst nach den oberen Satrapien Deportierten, die mardischen Bogenschützen, vor ihnen fünfzig Sensenwagen. Das Zentrum, welches in der Schlacht am Pinaros so bald durchbrochen war, zu verstärken, waren hinter demselben die Uxier, die Babylonier, die Küstenvölker des persischen Meeres und die Sitakener aufgestellt; es schien so in zwei- und dreifachen Treffen fest und dicht genug, um den König in seine Mitte aufzunehmen. Auf dem linken Flügel, zunächst an den Mardiern, standen die Albaner und Sakasener, dann Phrataphernes mit seinen Parthern, Hyrkaner, Tapuriern und Saken, dann Atropates mit den medischen Völkern, nach ihnen die Völker aus Syrien diesseits und jenseits der Wasser, endlich auf dem äußersten linken Flügel die kappadokischen und armenischen Reitervölker, vor ihnen fünfzig Sensenwagen.
Die Nacht verging ruhig; Alexander hatte, nachdem er mit seinen makedonischen Geschwadern und dem leichten Fußvolke vom Rekognoszieren des Schlachtfeldes zurückgekommen war, seine Offiziere um sich versammelt und ihnen angezeigt, daß er am folgenden Tage den Feind anzugreifen gedenke: er kenne ihren und ihrer Truppen Mut, mehr als ein Sieg habe ihn erprobt; vielleicht würde es notwendiger sein ihn zu zügeln, als anzufeuern, sie möchten ihre Leute vor allem erinnern, schweigend anzurücken, um desto furchtbarer beim Sturm den Schlachtgesang zu erheben; sie selbst sollten besonders Sorge tragen, seine Signale schnell zu vernehmen und schnell auszuführen, damit die Bewegungen rasch und mit Präzision vor sich gingen; sie möchten sich überzeugen, daß auf jedem der Ausgang des großen Tages beruhe, der Kampf gelte nicht mehr Syrien und Ägypten, sondern dem Besitz des Orients; es werde sich entscheiden, wer herrschen solle. Mit lautem Zuruf antworteten ihm seine Generale; dann entließ sie der König, gab den Truppen Befehl, zur Nacht zu essen und sich dann der Ruhe zu überlassen. Bei Alexander im Zelte waren noch einige Vertraute, als Parmenion, wie erzählt wird, hereintrat, und nicht ohne Besorgnis von der unendlichen Menge der persischen Wachtfeuer und dem dumpfen Tosen, das durch die Nacht herübertöne, berichtete: die feindliche Übermacht sei zu groß, als daß man bei Tage und in offener Schlacht sich mit ihr zu messen wagen dürfe; er rate, jetzt bei Nacht anzugreifen, das Unvermutete und die Verwirrung eines Überfalls werde durch die Schrecken der Nacht verdoppelt werden. Alexanders Antwort soll gewesen sein, er wolle den Sieg nicht stehlen. Weiter wird erzählt, daß Alexander sich bald darauf zur Ruhe gelegt und ruhig den übrigen Teil der Nacht geschlafen habe; schon sei es hoher Morgen, schon alles bereit zum Ausrücken gewesen, nur der König habe noch gefehlt, endlich sei der alte Parmenion in sein Zelt gegangen und habe ihn dreimal bei Namen gerufen, bis Alexander sich endlich ermuntert, sich rasch gerüstet habe.
Am Morgen des 1. Oktobers rückte das makedonische Heer aus dem Lager auf den Höhen, dort beim Gepäck wurde thrakisches Fußvolk zurückgelassen. Bald stand das Heer in der Ebene in Schlachtordnung; in der Mitte die sechs Taxen der Phalanx, auf ihrer Rechten die Hypaspisten und weiter die acht Ilen der makedonischen Ritterschaft; der Linken der Phalanx, der Taxis des Krateros, sich anschließend die Reiter der hellenischen Bundesgenossen, dann die thessalische Ritterschaft. Den linken Flügel führte Parmenion, der mit der pharsalischen Ile, der stärksten der thessalischen Ritterschaft, die Spitze des Flügels bildete. Auf der Spitze des rechten Flügels, mit dem Alexander den Angriff machen wollte, an die königliche Ile sich anschließend ein Teil der Agrianer, der Bogenschützen und Balakros mit den Akontisten. Da bei der ungeheueren Übermacht des Feindes Überflügelung unvermeidlich war und doch dem Gewaltstoß der Offensive, der die Entscheidung bringen mußte, nur so viel Kräfte entzogen werden durften als die Rücken- und Flankendeckung der angreifenden Schlachtlinie durchaus forderte, ließ Alexander hinter den Flügeln seiner Linie rechts und links je ein zweites Treffen formieren, das, wenn der Feind die Linie im Rücken bedrohte, kehrt machen und so eine zweite Front bilden, wenn er gegen die Flanke losging, mit einer Viertelschwenkung sich im Haken an die Linie anschließen sollte. Als Reserve des linken Flügels rückten auf: das thrakische Fußvolk, ein Teil der Bündnerreiter unter Koiranos, die odrysischen unter Agathon, am weitesten links die Söldnerreiter unter Andromachos; auf dem rechten Flügel: Kleandros mit den alten Söldnern, die Hälfte der Bogenschützen unter Brison, der Agrianer unter Attalos, dann Aretes mit den Sarissophoren, Ariston mit den paionischen Reitern, am Flügel rechts die neugeworbenen hellenischen Reiter unter Menidas, die heute an der gefährlichsten Stelle ihre Waffenprobe machen sollten.
Die Heere beginnen vorzurücken; Alexander mit der makedonischen Ritterschaft, dem rechten Flügel, ist dem feindlichen Zentrum, den Elefanten der Inder, dem Kern des feindlichen Heeres, der doppelten Schlachtlinie gegenüber, von dem ganzen linken Flügel der Feinde überragt. Er läßt aus der echten Flanke halbrechts vorrücken, des Kleitos Ile und das leichte Volk zu ihrer Rechten voran, dann die zweite, die dritte usw. Ile, die Hypaspisten usw., staffelförmig eine Abteilung nach der andern; Bewegungen, die mit der größten Stille und Ordnung ausgeführt werden, während die Feinde bei ihren großen Massen eine Gegenbewegung aus ihrer linken Flanke nicht ohne Verwirrung versuchen. Immer noch überragte ihre Linie bei weitem die der Makedonen, und die skythischen Reiter des äußersten Flügels traben schon zum Angriff gegen die leichten Truppen in Alexanders Flanke vor, sind ihnen schon nahe. Ohne sich durch dies Manöver irre machen zu lassen, setzt Alexander seine Bewegung halb rechts vorwärts fort; nicht mehr lange, und er wird an der hier zum Gebrauch der Sensenwagen geebneten Stelle vorüber sein. Von deren vernichtendem Einbrechen – es stehen hier hundert Wagen der Art – hat sich der Perserkönig besonderen Erfolg versprochen; er befiehlt jetzt seinen skythischen und den tausend baktrischen Reitern, den feindlichen Flügel zu umreiten und damit das weitere Vorrücken des Feindes zu hindern. Alexander läßt gegen sie die hellenischen Reiter des Menidas vorgehen; ihre Zahl ist zu gering, sie werden geworfen. Die Bewegung der Hauptlinie fordert hier möglichst festen Widerstand, die paionischen Reiter unter Ariston werden zu Menidas' Unterstützung vorgeschickt; vereint stürmen sie vor, so heftig, daß die Skythen und die tausend Baktrier weichen müssen. Aber schon jagt die Masse der anderen baktrischen Reiter an Alexanders Flügel vorüber, die geworfenen sammeln sich um sie, die ganze Übermacht stürzt sich auf Ariston und Menidas; auf das heftigste wird gekämpft; die Skythen, Mann und Roß gepanzert, setzen den Paionen und Veteranen hart zu, deren viele fallen; aber sie weichen nicht, sie schlagen, Ile um Ile, zurück, sie drängen die Übermacht für den Augenblick rückwärts.
Die makedonische Front hat sich indes in schräger Linie weiter und weiter vorgeschoben; jetzt sind die makedonischen Ilen und die Hypaspisten den hundert Sensenwagen des linken Flügels gegenüber, da brechen diese los und jagen gegen die Linie heran, die sie zerreißen sollen. Aber die Agrianer und die Bogenschützen empfangen sie unter lautem Geschrei mit einem Hagel von Pfeilen, Steinen und Speeren; viele werden schon hier aufgefangen, die stutzenden Pferde bei den Zügeln ergriffen und niedergestochen, das Riemenzeug durchhauen, die Knechte herabgerissen; die anderen, welche auf die Hypaspisten zujagen, werden entweder von den dicht verschildeten Rotten mit vorgestreckten Spießen empfangen und von den stürzenden Gespannen im Laufe gehemmt, oder jagen durch die Öffnungen, welche die schnell rechts und links eindublierten Rotten bilden, unbeschädigt und ohne zu beschädigen, hindurch, um hinter der Front den Reitknechten in die Hände zu fallen.
Nun beginnt die ganze Massenlinie des Perserheeres, die sich bisher links geschoben, wie zum Angriff vorzurücken, während das Reitergefecht in Alexanders Flanke von Ariston und Menidas nur noch mit größter Anstrengung unterhalten wird. Jetzt dem Feinde vielleicht auf Pfeilschußnähe nahe, läßt Alexander in rascherem Tempo vorgehen, befiehlt zugleich, daß Aretas mit den Sarissophoren – es ist die letzte Kavallerie seines zweiten Treffens – den schwer Kämpfenden unter Menidas und Ariston zu Hilfe eile. So wie man persischerseits diese Bewegung sieht, traben die nächsten Reitermassen des Flügels den Baktriern nach; es entsteht so eine Lücke in ihrem linken Flügel. Der Moment, den Alexander erwartet, ist da. Er läßt das Signal zum Vorrücken geben, an der Spitze von Kleitos' Ile sprengt er voran, die anderen Ilen, die Hypaspisten folgen unter mächtigem Schlachtruf, in Sturmschritt; dieser Keilangriff reißt die feindliche Linie völlig auseinander; schon sind auch die nächsten Phalangen, Koinos, Perdikkas heran, mit vorstarrenden Spießen stürmen sie auf die Schlachthaufen der Susianer, der Kadusier, auf die Scharen, die den Wagen des Königs Dareios decken; nun ist kein Halten, kein Widerstand mehr; den wütenden Feind vor Augen, inmitten der plötzlichsten, wildesten, lärmendsten Verwirrung, der mit jedem Augenblick wachsenden Gefahr für seine Person ratlos gegenüber, gibt er alles verloren, wendet sich zur Flucht; nach tapferster Gegenwehr folgen die Perser, ihres Königs Flucht zu schirmen; die Flucht, die Verwirrung reißt die Schlachthaufen der zweiten Linie mit sich. Das Zentrum ist vernichtet.
Zugleich hat die ungeheuere Heftigkeit, mit der Aretas in die feindlichen Haufen eingebrochen, das Gefecht im Rücken der Linie entschieden; die skythischen, baktrischen, persischen Reiter suchen, von den Sarissophoren, den hellenischen, paionischen Reitern auf das heftigste verfolgt, das Weite. Der linke Flügel der Perser ist vernichtet.
Anders der rechte. Der raschen Bewegung des Angriffes haben Alexanders Schwerbewaffnete nur mit Mühe folgen, sie haben nicht geschlossen bleiben können; zwischen der letzten Taxis, der des Krateros und der rechts ihr nächsten, die Simmias führt, ist eine Lücke entstanden; Simmias hat haltmachen lassen, da Krateros und der ganze Flügel Parmenions in schwerer Gefahr ist. Ein Teil der Inder und der persischen Reiter der feindlichen Mitte hat jene Lücke rasch benutzt, hat sich da hindurch, vom zweiten Treffen nicht gehindert, auf das Lager gestürzt, die wenigen Thraker, leicht bewaffnet und keines Angriffes gewärtig, vermögen den mörderlichen Kampf in den Lagerpforten nur mit der größten Anstrengung zu halten; da brechen die Gefangenen los, fallen ihnen während des Kampfes in den Rücken; die Thraker werden bewältigt; schreiend und jubelnd stürzen sich die Barbaren ins Lager zu Raub und Mord. Wie die Führer der zweiten Linie links, Sitalkes, Koiranos, der Odryser Agathon, Andromachos innewerden, was geschehen ist, lassen sie kehrtmachen, führen ihre Truppen so schnell als möglich gegen das Lager, werfen sich auf den schon plündernden Feind, überwältigen ihn nach kurzem Gefecht; viele Barbaren werden niedergemacht, die anderen jagen ohne Ordnung rückwärts, auf das Schlachtfeld zurück, den makedonischen Ilen ins Eisen.
Parmenion hatte – denn zugleich mit jenem Durchbruch durch die Lücke waren die anderen Inder und Perser, die parthischen Reiter mit ihnen, der thessalischen Ritterschaft in die Flanke gekommen – an Alexander die Meldung gesandt, daß er in schwerer Gefahr sei, daß Alexander Verstärkung senden müsse, oder alles sei verloren. Die Antwort des Königs soll gelautet haben: Parmenion müsse von Sinnen sein, jetzt Hilfe zu verlangen, mit dem Schwert in der Hand werde er zu siegen oder zu sterben wissen. Aber die schon begonnene Verfolgung gibt Alexander auf, um erst zu helfen; er eilt mit allem, was er an Truppen zur Stelle hat, nach dem rechten persischen Flügel, der noch steht; er stößt zuerst auf die schon aus dem Lager zurückgeschlagenen Perser, Inder, Parther, die sich schnell in Geschwaderkolonnen sammeln und in solcher Rottentiefe ihn empfangen. Das Reitergefecht, das sich hier entspinnt, ist furchtbar und lange schwankend; die Perser kämpfen um ihr Leben, jeder einzelne sucht sich durchzuhauen; an sechzig von den Hetairen fallen, sehr viele, unter ihnen Hephaistion, Menidas, werden schwer verwundet; endlich ist der Sieg auch hier entschieden; die sich durchgeschlagen, überlassen sich unaufhaltsam der Flucht.
Ehe Alexander so kämpfend bis zum rechten Flügel der Perser hindurchdrang, hatte auch die thessalische Ritterschaft, so schwer sie von Mazaios bedrängt wurde, das Gefecht wieder hergestellt, die kappadokischen, medischen, syrischen Reitermassen zurückgeschlagen; sie war bereits im Verfolgen, als Alexander bis zu ihr kam. Da er auch hier das Werk getan sah, jagte er zurück in der Richtung, die der Großkönig genommen zu haben schien, über das Schlachtfeld, er setzte ihm nach, so lange es noch hell war. Er erreichte, während Parmenion das feindliche Lager am Bumodos, die Elefanten und Kamele, die Wagen und Lasttiere der ungeheueren Bagage nahm, den Lykos-Fluß, vier Stunden jenseits des Schlachtfeldes. Hier fand man ein furchtbares Gewirre flüchtender Barbaren, noch gräßlicher durch die Dunkelheit der einbrechenden Nacht, durch das erneute Gemetzel, durch den Einsturz der überfüllten Flußbrücke; bald machte die Furcht den Heerweg frei, aber Alexander mußte, da Pferde und Reiter von der ungeheueren Anstrengung auf das äußerste ermüdet waren, einige Stunden rasten lassen. Um Mitternacht, als der Mond aufgegangen war, brach man von neuem auf nach Arbela, wo man Dareios, sein Feldgerät, seine Schätze zu erbeuten hoffte. Man kam im Laufe des Tages dort an, Dareios war fort; seine Schätze, sein Wagen, sein Bogen und Schild, sein und seiner Großen Feldgerät, ungeheuere Beute fiel in Alexanders Hände.
Dieser große Sieg auf der Ebene von Gaugamela kostete nach Arrian von der makedonischen Ritterschaft allein sechzig Tote; es waren über eintausend Pferde, davon die Hälfte bei der makedonischen Ritterschaft, gestürzt oder getötet; nach den höchsten Angaben fielen auf makedonischer Seite fünfhundert Mann; Zahlen, die gegen den Verlust der Feinde, der auf dreißigtausend, ja neunzigtausend Mann angegeben wird, unverhältnismäßig erscheinen, wenn man nicht bedenkt, daß einerseits, bei der trefflichen Bewaffnung der Makedonen, im Handgemenge nicht viele tödlich verwundet wurden, und daß andererseits erst beim Verfolgen das ›Fleischhandwerk‹ beginnen konnte; alle Schlachten nicht bloß des Altertums beweisen, daß der Verlust der Fliehenden bis ins Unglaubliche größer ist, als der der Kämpfenden.
Mit dieser Schlacht war Dareios' Macht gebrochen; von seinem zersprengten Heere sammelten sich einige tausend baktrische Reiter, die Überreste der hellenischen Söldner gegen zweitausend Mann unter dem Ätoler Glaukias und dem Phokier Patron, die Melophoren und Verwandten, im ganzen ein Heer von etwa dreitausend Reitern und sechstausend Mann zu Fuß; mit diesen wandte sich Dareios in unaufhaltsamer Flucht nordostwärts durch die Pässe Mediens gen Ekbatana; dort hoffte er vor dem furchtbaren Feinde wenigstens für den Augenblick sicher zu sein, dort wollte er abwarten, ob sich Alexander mit den Reichtümern von Susa und Babylon begnügen, ihm das altpersische Land lassen werde, das mächtige Gebirgswälle von dem aramäischen Tieflande scheiden; erstieg der unersättliche Eroberer dennoch die hohe Burg Irans, dann war des Großkönigs Plan, weit und breit verwüstend über die Nordabhänge des Hochlandes nach Baktrien, dem letzten Quartier des einst so ungeheueren Reiches, zu flüchten.
Von der größeren Masse der Zersprengten, die südwärts in der Richtung auf Susa und Persien geflohen war, fanden sich an die fünfundzwanzigtausend, nach anderen vierzigtausend Mann zusammen, die unter Führung des persischen Satrapen Ariobarzanes, des Artabazos Sohn, die persischen Pässe besetzten und sich hinter ihnen auf das sorgfältigste verschanzten. Wenn irgendwo, so war an dieser Stelle noch das persische Reich zu retten; es wäre vielleicht gerettet worden, wenn Dareios nicht den nächsten Weg gesucht, nicht durch seine Flucht nach dem Nordabhang von Iran die Satrapien südwärts sich selbst und der Treue der Satrapen überlassen hätte. Denn diese waren nicht alle wie Ariobarzanes gesinnt; sie mochten in ihrer eben so verlockenden wie schwierigen Stellung gern den landflüchtigen Herrn vergessen, um sich der Hoffnung einer vielleicht längst ersehnten Unabhängigkeit hinzugeben, oder durch freiwillige Unterwerfung von dem großmütigen Sieger mehr zu gewinnen, als sie durch die Flucht ihres Königs verloren hatten. Die Völker selbst, die, wenn Dareios an den Pforten Persiens für sein Königtum zu kämpfen hätte wagen wollen, nach ihrer Weise zu neuem Kampf zusammengeströmt wären, und die natürliche Grenze ihres Landes, die sich so oft und so glücklich in der Geschichte geltend gemacht hat, vielleicht mit Erfolg verteidigt hätten, diese kriegerischen Reiter- und Räubervölker, die Alexander zum Teil mit Mühe und spät bewältigt, zum Teil nie anzugreifen gewagt hat, waren durch jene Flucht des Dareios sich selbst überlassen und gleichsam auf verlorenen Posten gestellt, ohne daß die Sache des Königs von ihnen den geringsten Vorteil gehabt hätte. So gewann der Sieg von Gaugamela durch die unglaubliche Verwirrung, in welche Dareios, zu allem bereit, um irgend etwas zu retten, immer tiefer versank, jene lawinenhaft wachsende Wirkung, welche die persische Macht bis auf den letzten Rest vertilgen sollte.
Alexander folgte weder dem Großkönige die Gebirgspässe hinauf, noch den auf der Straße nach Susa Flüchtenden. Er zog an den Vorbergen der iranischen Randgebirge entlang die Straße nach Babylon, der Königin im weiten aramäischen Tieflande, und seit Dareios Hystaspis Zeit der Mittelpunkt des persischen Reiches; der Besitz dieser Weltstadt war der erste Preis des Sieges von Gaugamela. Alexander erwartete Widerstand zu finden; er wußte, wie ungeheuer die ›Mauern der Semiramis‹ seien, wie ein Netz von Kanälen sie umschließe, wie lange die Stadt des Kyros und Dareios Belagerung ausgehalten hatte; er erfuhr, daß sich Mazaios, der bei Arbela am längsten und glücklichsten das Feld behauptet, nach Babylon geworfen habe; es war zu fürchten, daß sich die Szenen von Halikarnaß und Tyros wiederholten. Deshalb ließ Alexander, sobald er sich der Stadt nahte, sein Heer schlagfertig vorrücken; aber die Tore öffneten sich, die Babylonier mit Blumenkränzen und reichen Geschenken, die Chaldäer, die Ältesten der Stadt, die persischen Beamten an der Spitze, kamen ihm entgegen; Mazaios übergab die Stadt, die Burg, die Schätze, und der siegreiche König hielt seinen Einzug in Semiramis' Riesenstadt.
Hier wurde den Truppen längere Rast gegeben; es war die erste wahrhaft morgenländische Großstadt, die sie sahen; ungeheuer in ihrem Umfange, voller Bauwerke der staunenswürdigsten Art, die Riesenmauer, die hängenden Gärten der Semiramis, des Belos Würfelturm, an dessen ungeheuerem Bau sich Xerxes wahnsinnige Wut über die salaminische Schmach vergebens versucht haben sollte, dazu die endlose Menschenmenge, die hier aus Arabien und Armenien, aus Persien und Syrien zusammenströmte, dann die überschwengliche Pracht und Lüsternheit des Lebens, der tausendfältige Wechsel raffinierter Wollust und ausgewählter Genüsse, kurz dieser ganze märchenhafte Zauber morgenländischer Taumellust ward hier den Söhnen des Abendlandes als Preis so vieler Mühen und Siege. Wohl mochte der kräftige Makedone, der wilde Thraker, der heißblütige Grieche hier Sieges- und Lebenslust in überreichen Zügen schlürfen und auf duftigen Teppichen, bei goldenen Bechern, im lärmenden Jubelschall babylonischer Gelage schwelgen, mochte mit wilderer Begier den Genuß, mit neuem Genuß sein brennendes Verlangen, mit beiden den Durst nach neuen Taten und neuen Siegen steigern. So begann sich Alexanders Heer in das asiatische Leben hineinzuleben und sich mit denen, die das Vorurteil von Jahrhunderten gehaßt, verachtet, Barbaren genannt hatte, zu versöhnen und zu verschmelzen; es begann sich Morgen- und Abendland zu durchgären und eine Zukunft vorzubereiten, in der beide sich selbst verlieren sollten.
Mag es klares Bewußtsein, glückliches Ungefähr, notwendige Folge der Umstände genannt werden, jedenfalls traf Alexander in den Maßregeln, die er wählte, die einzig möglichen und die richtigen. Hier in Babylon war mehr als irgendwo bisher das Einheimische mächtig, naturgemäß und in seiner Art fertig; während Kleinasien dem hellenischen Leben nahe, Ägypten und Syrien demselben zugänglich waren und mit ihm durch das gemeinsame Meer in Verbindung standen, in Phönikien griechische Sitten schon länger in den Häusern der reichen Kaufherren und vieler Fürsten eingeführt, im Lande des Nildelta durch griechische Ansiedelungen, durch Kyrenes Nachbarschaft, durch mannigfache Verhältnisse mit hellenischen Staaten seit der Pharaonenzeit bekannt und eingebürgert waren, lag Babylon fern von aller Berührung mit dem Abendlande, tief stromab bei dem Doppelstrome des aramäischen Landes, das durch die Natur, durch Handel, Sitte und Religion, durch die Geschichte vieler Jahrhunderte eher gen Indien und Arabien als gen Europa wies; hier in Babylon lebte man noch in dem Besitz einer uralten Kultur, man schrieb noch wie seit Jahrhunderten Keilschrift auf Tonplatten, beobachtete und berechnete den Lauf der Gestirne, zählte und maß nach einem vollendeten metrischen System, in aller technischen Kultur immer noch in unerreichter Meisterschaft. In dies fremde, buntgemischte, in sich gesättigte Völkerleben kamen jetzt die ersten hellenischen Elemente, der Masse nach unbedeutend gegen das Heimische und ihm nur durch die Fähigkeit, sich ihm anzuschmiegen, überlegen.
Dazu ein zweites. Im Felde geschlagen war freilich die persische Macht; aber überwunden, hinweggetilgt war sie noch keineswegs. Wollte Alexander nur als Makedone und Hellene an des Großkönigs Stelle herrschen, so war er schon zu weit gegangen, als er die Grenzen abendländischer Nachbarschaft überschritt, auch jenseits der syrischen Wüste seine Eroberung fortzusetzen. Wollte er die Völker Asiens nichts als den Namen der Knechtschaft tauschen, ja sie nichts als den härteren, den demütigenden Druck höherer oder doch kühnerer geistiger Entwicklung empfinden lassen, so war kaum der Augenblick des Sieges ihres Gehorsams gewiß, und ein Wutausbruch der Volksmasse, eine Seuche, ein zweifelhafter Erfolg hätte genügt, die Chimäre selbstsüchtiger Eroberung zu zerstören. Alexanders Macht, der Masse nach im Verhältnis zu den asiatischen Gebieten und Völkern unverhältnismäßig gering, mußte an den Wohltaten, die sie den Besiegten brachte, ihre Rechtfertigung, in deren Zustimmung ihren Halt und ihre Zukunft finden; sie mußte sich gründen auf die Anerkennung jeder Volkstümlichkeit in Sitte, Gesetz und Religion, so weit sie mit dem Bestehen des Reiches vereinbar war. Was die Perser so tief gedrückt hatten und so gern erdrückt hätten, was nur ihre Ohnmacht oder Sorglosigkeit der Tat, nicht dem Rechte nach hatte gewähren lassen, das mußte nun neu und frei erstehen, und sich unmittelbar zum hellenischen Leben verhalten, um mit ihm verschmelzen zu können. War nicht desselben Weges und seit Jahrhunderten die wundervolle koloniale Entwicklung der Hellenen vor sich gegangen? Hatte nicht bei den Skythen im taurischen Lande wie bei den Afrikanern der Syrte, in Kilikien wie an der keltischen Rhonemündung ihre Begabung, das Fremde aufzufassen, anzuerkennen, sich mit ihm zu verständigen und zu verschmelzen, die Fülle neuer lebensvollster Gestaltungen geschaffen, hellenisierend das Hellenische selbst der Zahl und der Spannkraft nach fort und fort gesteigert? Daß in dieser Richtung Alexanders Gedanken gingen, dafür kann als Beweis gelten, wie er in Memphis und Tyros und immerhin auch Jerusalem Feste feierte nach der Landesart, wie er in Babylon die von Xerxes geplünderten Heiligtümer von neuem zu schmücken, den Belosturm wieder herzustellen, den Dienst der babylonischen Götter fortan frei und prächtig, wie zu Nebukadnezars Zeit, zu begehen befahl. So gewann er die Völker für sich, indem er sie sich selbst und ihrem volkstümlichen Leben wiedergab; so machte er sie fähig, auf tätige und unmittelbare Weise in den Zusammenhang des Reiches, das er zu gründen im Sinne trug, einzutreten, eines Reiches, in dem die Unterschiede von Abend und Morgen, von Hellenen und Barbaren, wie sie bis dahin die Geschichte beherrscht hatten, untergehen sollten zu der Einheit einer Weltmonarchie.
Wie aber sollte dies Reich organisiert und verwaltet, wie in der politischen und militärischen Form der Gedanke durchgeführt werden, der für das bürgerliche und kirchliche Wesen die Norm gab? Sollten fortan die Satrapen, die Umgebung des Königs, die Großen des Reichs, das Heer nur Makedonen und Hellenen sein, so war jene Ineinsbildung nur Vorwand oder Illusion, die Volkstümlichkeiten nicht anerkannt, sondern nur geduldet, die Vergangenheit nur durch das Unglück und schmerzliche Erinnerungen an die Zukunft geknüpft, und statt der asiatischen Herrschaft, die wenigstens in demselben Weltteile erwachsen war, ein fremdes, unnatürliches, doppelt schweres Joch über Asien gekommen.
Die Antwort auf diese Fragen bezeichnet die Katastrophe in Alexanders Heldenleben; es ist der Wurm, der an der Wurzel seiner Größe nagt, das Verhängnis seiner Siege, das ihn besiegt.
Während der König Persiens die letzten Wege flieht, beginnt Alexander sich mit dem Glanze des persischen Königtums zu schmücken, die Großen Persiens um sich zu sammeln, sich mit dem Namen, den er bekämpft und gedemütigt hat, zu versöhnen, dem makedonischen Adel einen Adel des Morgenlandes hinzuzufügen.
Schon seit dem Herbst 334 ist Mithrines von Sardes, dann seit dem Fall von Tyros und Gaza Mazakes und Amminapes von Ägypten in Amt und Ehren bei ihm. Der Tag von Gaugamela hat den Stolz und das Selbstvertrauen der persischen Großen gebrochen, sie lernen die Dinge mit anderen Augen als bisher ansehen; die Übertritte mehren sich, zumal seit Mithrines die stets hochgehaltene Satrapie Armenien, Mazaios, der, wenn einer, tapfer gegen Alexander gekämpft, die reiche babylonische erhalten hat. Der persische Adel zu einem guten Teil gibt die Sache des landflüchtigen Achämeniden auf, sammelt sich um den Sieger.
Natürlich, daß ihnen Alexander, so weit irgend möglich, entgegenkommt. Aber ebenso natürlich, daß, wenn er einem Perser eine Satrapie gibt oder seine bisherige läßt, neben demselben die bewaffnete Macht in der Satrapie aus makedonischen Truppen gebildet und unter makedonische Befehlshaber gestellt wird; ebenso natürlich, daß die Finanzen der Satrapien von dem Geschäftsbereich des Satrapen getrennt, die Tributerhebung an makedonische Männer gegeben wird.
So jetzt in der babylonischen Satrapie. Dem Satrapen Mazaios wurde für die Tribute Asklepiodoros an die Seite gesetzt; die Stadt Babylon erhielt eine starke Garnison, die auf der Burg ihr Quartier nahm, unter Agathon, dem Bruder Parmenions, während die Strategie über die bei dem Satrapen bleibenden Truppen Apollodoros aus Amphipolis erhielt; außerdem wurde Menes, einer der sieben Somatophylakes, als Hyparch für Syrien, Phönikien und Kilikien bestellt, und die nötigen Truppen unter seinen Befehl gestellt, die große Passage von Babylon zur Küste und die Transporte aus dem Morgenlande nach Europa und umgekehrt zu sichern, eine Einrichtung, die wegen der Raubsucht der in der Wüste hausenden Beduinenstämme doppelt notwendig wurde. Der erste Transport war eine Summe von etwa dreitausend Talent Silber, von denen ein Teil nach Europa an Antipatros gehen sollte, damit er den eben jetzt beginnenden Krieg gegen Sparta mit Nachdruck führen könne, das Übrige aber zu möglichst ausgedehnten Werbungen für die große Armee bestimmt wurde.
Während des etwa dreißigtägigen Aufenthaltes in Babylon war Susa, die Stadt des persischen Hoflagers und der königlichen Schätze, auf gütlichem Wege gewonnen worden. Schon von Arbela aus hatte Alexander den Makedonen Philoxenos, wie es scheint an der Spitze eines leichten Korps, vorausgesandt, um sich der Stadt und der königlichen Schätze zu versichern; er erhielt jetzt von ihm den Bericht, daß sich Susa freiwillig ergeben habe, daß die Schätze gerettet seien, daß sich der Satrap Abulites der Gnade Alexanders unterwerfe. Alexander langte zwanzig Tage nach seinem Aufbruch von Babylon in Susa an; er nahm sofort die ungeheueren Schätze in Besitz, die in der hohen Burg der Stadt, dem kissischen Memnonion der griechischen Dichter, seit den ersten Perserkönigen aufgehäuft lagen, allein des Goldes und Silbers waren fünfzigtausend Talente, dazu noch die aufgehäuften Vorräte von Purpur, Rauchwerk, edlen Gesteinen, der ganze überreiche Hausrat des üppigsten aller Höfe, auch mehrfache Beute aus Griechenland von Xerxes Zeit her, namentlich die Erzbilder der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton, die Alexander den Athenern zurücksandte.
Während das Heer noch in Susa und an den Ufern des Choaspes verweilte, kam der Strateg Amyntas, welcher vor einem Jahre von Gaza aus heimgesandt war, Verstärkungen zu holen, mit den neuen Truppen heran. Ihre Einordnung in die verschiedenen Heeresabteilungen war zugleich der Anfang einer neuen Formation der Armee, die im Lauf des nächsten Jahres und nach den neuen Gesichtspunkten, die der Fortgang des Krieges in den oberen Satrapien an die Hand gab, weiter entwickelt wurde; den Anfang machte, daß die Ilen der makedonischen Ritterschaft in zwei Lochen formiert und damit sozusagen taktisch verdoppelt wurden.
Im späteren wird auf diese Reorganisation zurückzukommen sein. Sie leitet die große Umwandlung ein, die, wie man Alexanders Verhalten in ihr auch beurteilen mag, aus der Konsequenz des Werkes, das er unternommen hatte, und den Bedingungen, die das Gelingen forderte, sich notwendig ergab.
Alexander gedachte demnächst, es mochte Mitte Dezember sein, nach den Königsstädten der Landschaft Persis aufzubrechen, mit deren Besitz der Glaube der Völker die Herrschaft über Asien untrennbar verbunden zu denken gewohnt war; dort auf dem Throne der Großkönige, in den Palästen des Kyros, Dareios und Xerxes wollte er den Sturz der Achämenidendynastie verkünden. Er eilte, die Angelegenheiten des susianischen Landes zu ordnen. Er bestätigte dem Satrapen Abulites die Satrapie, übergab die Burg der Stadt Susa an Mazaros, die Feldhauptmannschaft der Satrapie nebst einem Korps von dreitausend Mann an Archelaos; er wies die Schlösser von Susa der Mutter und den Kindern des Perserkönigs, die bisher in seiner Nähe gewesen waren, als künftige Residenz an, und umgab sie mit königlichem Hofstaat; man erzählt, daß er einige griechische Gelehrte an dem Hofe der Prinzessinnen zurückließ, mit dem Wunsche, sie möchten von diesen griechisch lernen. Nach diesen Einrichtungen brach er mit dem Heere gen Persien auf.
Unter den mannigfachen militärischen Schwierigkeiten, welche Alexanders Feldzüge denkwürdig machen, ist die Orientierung in völlig fremden Ländern nicht die geringste. Jetzt galt es, aus dem Tiefland nach dem hohen Iran hinaufzusteigen, nach Landschaften, von deren Gestalt, von deren Ausdehnung, von deren Hilfsmitteln, Straßen, klimatischen Verhältnissen die Griechenwelt bisher auch nicht die geringste Kenntnis hatte. Man wird annehmen dürfen, daß sich Alexander aus den Mitteilungen persischer Männer, deren er bereits genug in seiner Umgebung hatte, eine ungefähre Vorstellung von den geographischen Verhältnissen der Gebiete, auf die er sich zunächst zu wenden hatte, zu bilden verstand. Das Einzelne mußte sich dann aus den Umständen und aus den Erkundigungen an Ort und Stelle ergeben.
Zunächst galt es aus der Ebene Susianas durch die höchst schwierigen Pässe nach den Königsstädten in der hohen Persis zu gelangen. Die Straße, die Alexander einzuschlagen oder vielmehr sich zu öffnen hatte, war die, welche für die Züge des persischen Hofes zwischen Persepolis und Susa eingerichtet war. Sie führte zunächst durch die überaus reiche susianische Ebene, über den Kopratas (Disful) und den Eulaios (Kuran bei Shuster), die sich vereinigen und als Pasitigris in das ›Erythräische Meer‹ fließen, – dann weiter über zwei Flüsse, deren alte Namen nicht mehr festzustellen sind, den Jerahi bei Ram Hormuz und den Tab (Arosis?). Zwischen beiden führt ein Paß aus der Ebene in die Berge, derselbe Paß, wie es scheint, der von den Alten der Paß der Uxier genannt wurde. Denn die Uxier wohnen teils in der Ebene, teils in den Bergen, die diese im Nordosten begleiten; nur die in der Ebene waren dem Großkönige unterworfen; die in den Bergen gewährten, wenn der persische Hof des Weges zog, nur gegen reiche Geschenke den Durchzug durch jenen Paß, den sie in ihrer Gewalt hatten. Dieselben Randgebirge des hohen Iran, die bei Ninive bis dicht an den Tigris reichen, begleiten in südöstlichem Zuge die Ebene der Susianer und der Uxier, in mehreren Terrassen hintereinander bis zur Schneehöhe emporsteigend; weiter südöstlich, wo statt der Ebene und sie gleichsam fortsetzend das erythräische Meer tief in das Land einschneidet, mehrt sich die Zahl dieser von der Küste an aufsteigenden Terrassen bis zu acht und neun Berglinien hintereinander, über die man von dem Meerbusen aus gegen zwanzig Meilen entfernt die Schneekette des Kuh-i-Baena als Zentralmasse emporragen sieht. In dies Labyrinth von Bergzügen, durchbrechenden Bergströmen, kleinen Ebenen, Pässen zwischen ihnen, führt die ›Fahrstraße‹, nachdem sie jene Uxierpässe hinter sich hat, nach Babehan, dann südöstlich über die Ebene von Lasther, weiter ostwärts zu der von Basht, dann in die von Fahiyan, von so mächtigen Bergen umschlossen, daß das Dorf nur am Morgen die Sonne sieht, den übrigen Tag im Schatten liegt. Dies nach Osten streichende Tal schließt der Felskegel von Kelahi-Sefid, der mit der Feste auf seiner Höhe den Weg völlig sperrt. Das sind die persischen Pässe auf der Fahrstraße über Shiras nach Persepolis; wer sie vermeiden will, wendet sich bei Fahiyan südwärts und erreicht über Kazerun, ›bösen Felsweg auf und nieder‹ Shiras. Daß man jenen Paß nordwärts umgehen, daß man von Tab her einen kürzeren Weg als die Fahrstraße nehmen kann, zeigt Alexanders Marsch. Gleich bei Babehan führt ein Weg zur Linken nordostwärts, ersteigt bei Tang-i-tekab die nächsthöhere Terrasse und scheint dann bei Basht in die große Straße zu führen; dann wieder bei Fahiyan wird ein Weg angegeben, der gerade nordwärts ins Gebirge führt und jenseits Kelah-i-Sefid in die hinter der Feste liegende kleine Ebene hinabsteigt.
So die Wege, die Alexander zu nehmen hatte, um Persepolis und Pasargadai zu erreichen; die Jahreszeit war nichts weniger als günstig, es mußte schon tiefer Schnee in den Bergen liegen, es mußten die bei der Seltenheit der Ortschaften häufigen Biwaks und die kalten Nächte den an sich schon beschwerlichen Zug noch schwieriger machen; es kam dazu, daß man Widerstand von seiten der Uxier und noch mehr von seiten des Ariobarzanes, der sich mit bedeutender Truppenmacht in den höheren Pässen verschanzt hatte, erwarten konnte. Dennoch eilte Alexander gen Persien, nicht bloß, um sich des Landes, der Schätze von Persepolis und Pasargadai und des Weges ins Innere Irans zu versichern, sondern und namentlich, damit nicht durch längeres Zögern der Perserkönig Zeit gewann, große Rüstungen zu machen und sich von Medien hierher zu wenden, um die Heimat des persischen Königtums und die hohe Pforte der Achämeniden hinter den so schwierigen persischen Pässen zu verteidigen.
So zog Alexander mit seinem Heere über die Ebene Susianas; in wenigen Tagen überschritt er den Pasitigris und betrat das Gebiet der talländischen Uxier, die, schon dem Perserkönige unterworfen und unter der Herrschaft des susianischen Satrapen, sich ohne weiteres ergaben. Die Berguxier dagegen sandten Abgeordnete an ihn mit der Botschaft: nicht anders würden sie ihm den Durchzug nach Persis gestatten, als wenn sie die Geschenke, die die Perserkönige gegeben hätten, auch von ihm erhielten. Je wichtiger die freie Passage nach dem oberen Lande war, desto weniger konnte Alexander sie in den Händen des trotzigen Bergvolkes lassen; er ließ ihnen sagen, sie möchten in die Engpässe kommen und sich dort ihr Teil holen.
Mit der Agema und den anderen Hypaspisten, mit noch etwa achttausend Mann meist leichter Truppen wandte er sich, von Susianern geführt, bei Nachtzeit auf einen anderen sehr schwierigen Gebirgspfad, der von den Uxiern unbesetzt geblieben war; mit Tagesanbruch erreichte er die Dorfschaften derselben; die meisten derer, die daheim waren, wurden auf ihren Lagern ermordet, die Häuser geplündert und den Flammen preisgegeben; dann eilte das Heer zu den Engpässen, wohin sich die Uxier von allen Seiten versammelt hatten, um die Pässe zu sperren. Alexander sandte Krateros mit einem Teile des Heeres auf die Höhen hinter dem von den Uxiern besetzten Paß, während er selbst gegen den Paß mit größter Eile vorrückte, so daß die Barbaren, umgangen, durch die Schnelligkeit des Feindes erschreckt, aller Vorteile, die der Engpaß gewähren konnte, beraubt, sich sofort, als Alexander in geschlossenen Reihen anrückte, fliehend zurückgezogen; viele stürzten in die Abgründe, viele wurden von den verfolgenden Makedonen, noch mehr von Krateros' Truppen auf der Höhe, nach der sie sich retten wollten, erschlagen. Alexander war anfangs willens, den ganzen Stamm der Berguxier aus diesen Gegenden zu versetzen; Sisygambis, die Königin-Mutter, legte Fürbitte für sie ein; man sagt, Madates, ihrer Nichte Gemahl, sei ihr Anführer gewesen. Alexander ließ auf der Königin Bitten diesen Hirtenstämmen ihr Bergland, er legte ihnen einen jährlichen Tribut von tausend Pferden, fünfhundert Haupt Zugvieh, dreißigtausend Schafen auf; Geld und Ackerland hatten sie nicht.
So war der Eingang in die höheren Gebirge geöffnet; und während Parmenion mit der einen Hälfte des Heeres, namentlich den schwerer Bewaffneten vom Fußvolk, den thessalischen Reitern und dem Train, auf der großen Heerstraße weiterzog, eilte Alexander selbst mit dem makedonischen Fußvolk, der Ritterschaft, den Sarissophoren, den Agrianern und Schützen auf dem nächsten, aber beschwerlichen Gebirgswege, die persischen Pässe zu erreichen; Eilmärsche brachten ihn am fünften Tage an den Eingang derselben, den er durch mächtige Mauern gesperrt fand; der Satrap Ariobarzanes, so hieß es, stehe mit vierzigtausend Mann Fußvolk und siebenhundert Reitern hinter der Mauer in einem festen Lager, entschlossen, den Eingang um jeden Preis zu sperren. Alexander lagerte sich; am nächsten Morgen wagte er sich in die von hohen Felsen eingeschlossene Paßgegend hinein, um die Mauer anzugreifen; ihn empfing ein Hagel von Schleudersteinen und Pfeilen, Felsmassen von den Abhängen hinabgestürzt, von drei Seiten ein erbitterter Feind; vergebens versuchten einzelne die Felsenwände zu erklimmen, die Stellung der Feinde war unangreifbar. Alexander zog sich in sein Lager, eine Stunde vor dem Paß zurück.
Seine Lage war peinlich; nur dieser Paß führte nach Persepolis, er mußte genommen werden, wenn nicht eine gefährliche Unterbrechung eintreten sollte; aber an diesen Felsenwänden schienen die höchsten Anstrengungen der Kunst und des Mutes scheitern zu müssen; und doch hing alles von der Einnahme dieser Pässe ab. Von Gefangenen erfuhr Alexander, daß diese Gebirge meist mit dichten Wäldern bedeckt seien, daß kaum einzelne gefährliche Fußsteige hinüberführten, daß sie jetzt doppelt mühselig wegen des Schnees in den Bergen sein würden, daß andererseits nur auf diesen Felsenpfaden die Pässe zu umgehen und in das von Ariobarzanes besetzte Terrain zu gelangen sei. Alexander entschloß sich zu dieser, vielleicht der gefährlichsten Expedition seines Lebens.
Krateros blieb mit seiner und Meleagros Phalanx, mit einem Teile der Bogenschützen und fünfhundert Mann von der Ritterschaft im Lager zurück, mit der Weisung, durch Wachtfeuer und auf jede andere Weise dem Feinde die Teilung der Armee zu verbergen, dann aber, wenn er von jenseits der Berge herüber die makedonischen Trompeten höre, mit aller Gewalt gegen die Mauern zu stürmen. Alexander selbst brach mit den Divisionen Amyntas, Perdikkas, Koinos, mit den Hypaspisten und Agrianern, mit einem Teile der Schützen und dem größten Teil von der Ritterschaft unter Philotas in der Nacht auf und stieg nach einem sehr beschwerlichen Marsche von mehr als zwei Meilen über das mit tiefem Schnee bedeckte Gebirge. Er war am anderen Morgen jenseits; rechts die Bergkette, die an den Pässen und über dem Lager der Feinde endete, vor der Front das Tal, das sich zur Ebene des Araxes, über den hin der Weg nach Persepolis führt, ausbreitet, im Rücken die mächtigen Gebirge, die, mit Mühe überschritten, vielleicht bei einem Unfalle den Rückweg, die Rettung unmöglich machten. Alexander teilte nach einiger Rast sein Heer; er ließ Amyntas, Koinos, Philotas mit ihren Korps in die Ebene hinabgehen, sowohl um auf dem Wege nach Persepolis über den Fluß eine Brücke zu schlagen, als auch um den Persern, wenn sie bewältigt wären, den Rückzug auf Persepolis zu sperren; er selbst rückte mit seinen Hypaspisten, mit der Taxis des Perdikkas, mit dem Geleit der Ritterschaft und einer Tetrarchie derselben, mit den Schützen und Agrianern rechts gegen die Pässe hin; ein höchst beschwerlicher Marsch, durch die Waldung des Berges, durch den heftigen Sturm, durch das Dunkel der Nacht doppelt schwierig. Vor Tagesanbruch traf man die ersten Vorposten der Perser, sie wurden niedergemacht; man nahte den zweiten, wenige entkamen zu der dritten Postenreihe, um sich mit dieser nicht in das Lager, sondern in die Berge zu flüchten.
Im persischen Lager ahnte man nichts von dem, was vorging; man glaubte die Makedonen unten vor dem Tale, man hielt sich in diesem winterlichen Sturmwetter in den Zelten, überzeugt, daß Sturm und Schnee dem Feinde das Angreifen unmöglich machen werde; so war alles im Lager ruhig, als plötzlich, es war in der Frühstunde, rechts auf den Höhen die makedonischen Trompeten schmetterten, und von den Höhen herab, aus dem Tale herauf zugleich der Sturmruf ertönte. Schon war Alexander im Rücken der Perser, während Krateros vom Tal herauf den Sturm begann; leicht erbrach er die schlecht verwahrten Eingänge: die von dort Flüchtenden rannten dem vordringenden Könige ins Eisen; sich zu der verlassenen Stellung zurückwendend, trafen sie sie bereits von einem dritten Haufen besetzt, denn Ptolemaios war mit dreitausend Mann zurückgelassen, um von der Seite her einzudringen. So trafen von allen Seiten die Makedonen in dem feindlichen Lager zusammen. Hier begann ein gräßliches Gemetzel, Fliehende stürzten den Makedonen in die Schwerter, viele in die Abgründe, alles war verloren; Ariobarzanes schlug sich durch, er entkam mit wenigen Reitern in die Gebirge und auf heimlichem Wegen nordwärts nach Medien.
Alexander brach nach kurzer Rast gen Persepolis auf; auf dem Wege soll ihm ein Schreiben des Tiridates, der des Königs Schätze unter sich hatte, zugekommen sein, ihn zur Eile zu mahnen, da sonst der Schatz geplündert werden könnte. Um desto schneller die Stadt zu erreichen, ließ er das Fußvolk zurück und jagte mit den Reitern voraus; mit Tagesanbruch war er an der Brücke, die bereits von der Vorhut geschlagen war. Seine unvermutet schnelle Ankunft, er war fast der Kunde von dem Gefecht vorausgeeilt, machte allen Widerstand und alle Unordnung unmöglich; die Stadt, die Paläste, die Schätze wurden ohne weiteres in Besitz genommen. Ebenso schnell fiel Pasargadai dem Sieger mit neuen größeren Schätzen zu; viele Tausend Talente Gold und Silber, unzählige Prachtgewebe und Kostbarkeiten wurden hier aufgehäuft gefunden; man erzählt, daß zehntausend Paar Maultiere und dreitausend Kamele nötig gewesen, um sie von dannen zu bringen.
Wichtiger noch als diese Reichtümer, mit denen Alexander dem Feinde seine bedeutendsten Machtmittel entriß, und die seine Freigebigkeit aus den toten Schatzgewölben in den Verkehr der Völker, dem sie so lange entzogen gewesen, zurückzuführen eilte, war der Besitz dieser Gegend selbst, der eigentlichen Heimat des persischen Königtums. In dem Tale von Pasargadai hatte Kyros die medische Herrschaft bewältigt und zur Erinnerung des großen Sieges dort sein Hoflager, seine Paläste und sein Grab gebaut, zwischen den Monumenten höchster irdischer Pracht ein einfaches Felsenhaus, bei dem fromme Magier jeden Tag opferten und beteten. Noch reicher an Prachtbauten war die Ebene von Persepolis mit ihren am Araxes und Medos sich westwärts und ostwärts hinauf fortsetzenden Tälern. Dareios, des Hystaspes Sohn, der zuerst Erde und Wasser von den Hellenen gefordert, der den Philhellenen Alexandros, den makedonischen König, zu einem persischen Satrapen gemacht hatte, war hier nach dem falschen Smerdes zum Großkönig erhoben worden, hatte sich hier seinen Palast, seinen Säulenhof und sein Grab gebaut; von vielen seiner Nachfolger war mit neuen Prachtgebäuden, mit Jagdrevieren und Paradiesen, mit Palästen und Königsgräbern das Felsental des Bendemir erfüllt; die Königspforte der tausend Säulen, der stolze Felsenbau auf dreifacher Terrasse, die Kolossalbilder von Rossen, von Stieren am Eingange, ein Riesenplan von Gebäuden der höchsten Pracht und feierlichsten Größe schmückten diesen heiligen Bezirk, den die Völker Asiens ehrten als den Ort der Königsweihe und der Huldigungen, als Herd und Mittelpunkt des einst so mächtigen Reiches. Dies Reich war jetzt gestürzt; Alexander saß auf dem Throne desselben Xerxes, der einst auf der Strandhöhe der salaminischen Bucht sein Prachtzelt aufgeschlagen, dessen frevelnde Hand die Akropolis Athens niedergebrannt, die Tempel der Götter und die Gräber der Toten zerstört hatte. Jetzt war der makedonische König, der hellenische Bundesfeldherr, Herr in diesen Königsstädten, diesen Palästen; jetzt schien die Zeit gekommen, altes Unrecht zu rächen und die Götter und die Toten im Hades zu versöhnen; hier an diesem Herde der persischen Herrlichkeit sollte das Recht der Vergeltung geübt und die alte Schuld gesühnt, es sollte den Völkern Asiens der augenfällige Beweis geliefert werden, daß die Macht, die sie bisher geknechtet, ab und tot, daß sie für immer ausgetilgt sei. Es liegen hinlängliche Beweise vor, daß es nicht die Tat eines aufgeregten Momentes, sondern ruhiger Überlegung war, wenn Alexander gebot, den Feuerbrand in das Zederngetäfel des Königspalastes zu werfen; Parmenion war anderer Ansicht gewesen, hatte dem Könige geraten, des schönen Gebäudes, seines Eigentumes, zu schonen, nicht die Perser zu kränken und in den Denkmälern ihrer geistigen Größe und Herrlichkeit. Der König hielt dafür, daß die Maßregel, die er beabsichtigte, nützlich und notwendig sei. So brannte ein Teil des Palastes von Persepolis nieder. Dann befahl der König, die Flamme zu löschen.
Vielleicht war dieser Brand des Palastes im Zusammenhang mit einer Art Inthronisation, die Alexander gefeiert zu haben scheint. Es wird erzählt, daß der Korinther Demaratos, als er Alexander auf dem Thron der Großkönige unter goldenem Baldachin sitzen sah, sich geäußert habe: um wie große Wonne diejenigen gekommen seien, welche diesen Tag nicht mehr erlebt hätten.
Noch ein zweites Vielleicht darf hier zur Erwägung kommen, ein solches, das für die Gesamtauffassung Alexanders und seines Verfahrens nicht ohne Gewicht ist.
Bedeutete der Vorgang in Persepolis die feierliche Totsprechung der Achämenidenmacht und die förmliche Besitzergreifung des ledig erklärten Reiches, so darf man fragen, ob erst jetzt oder schon jetzt der Moment gekommen war, in so drastischer Symbolik den unwiderruflichen Abschluß auszusprechen und das Urteil zu vollstrecken. Hatte die Schlacht bei Gaugamela die Persermacht definitiv gebrochen, warum zögerte dann Alexander ein halbes Jahr, den Schritt zu tun, zu dem die Weltstadt Babylon oder die Hofburg in Susa sich immerhin ebensogut geeignet hätte? oder wenn er ihn vorschob, weil mit jenem Siege, mit der Besitznahme von Babylon und Susa noch nicht Genügendes gewonnen schien, war dann etwa die Okkupation der Landschaft Persis militärisch und politisch von so großer Bedeutung, wenn noch Medien mit Ekbatana in Dareios' Hand war, und damit der weite Norden und Osten des Reichs, damit der kürzere Weg zum Tigris und der großen königlichen Straße von Susa bis Sardeis, damit für ein in Medien sich sammelndes Heer von Reitermassen des Ostens die Möglichkeit, die lange und dünnbesetzte Linie zu durchreißen, die Alexander mit der westlichen Satrapie und mit Europa verband?
Die Überlieferungen, die uns vorliegen, sind nicht der Art, daß wir voraussetzen dürfen, in ihnen alles Wesentliche erwähnt zu finden. Sie sind redselig genug, wo es sich um die moralische Beurteilung Alexanders handelt; von seinen militärischen Aktionen geben sie ungefähr genug, um deren summarischen Zusammenhang erkennen zu lassen; über sein politisches Handeln, über die Motive, die ihn bestimmten, die Zielpunkte, die er im Auge behielt, sagen sie wenig oder nichts, so daß auf Grund der Information, die sie uns geben, auch die Vorstellung gerechtfertigt hat scheinen können, Alexander habe den Hellespont überschritten mit dem sehr einfachen Plan, bis zu dem noch unbekannten Ganges und dem ebenso unbekannten Meer im Osten, in das er sich ergießt, zu marschieren.
Daß sich Alexander einen Friedensschluß möglich dachte, in welcher Form, nach welcher Grundlage, das hatte die Antwort gezeigt, die er nach der Schlacht bei Issos auf die ebenso dürftigen wie hochmütigen Anträge des Großkönigs gegeben hatte. Die Forderung, die er in denselben voranstellte, ergab sich aus der Sachlage und aus der Summe der vorausliegenden geschichtlichen Tatsachen. Einst hatten Dareios' Vorfahren den makedonischen König gezwungen, sich ihrer Oberhoheit zu unterwerfen, ihr Satrap zu sein; sie hatten von den hellenischen Staaten Erde und Wasser gefordert, sie hatten nicht aufgehört, sich als geborene Herren auch über die Hellenen und die Barbaren Europas anzusehen, sie hatten im antalkidischen Frieden und auf Grund desselben ›Befehle‹ zur Nachachtung an die hellenischen Staaten erlassen; sie hatten, als König Philipp gegen Perinth und Byzanz kämpfte, ohne weiteres Truppen wider ihn gesandt, als stehe ihnen zu, über die griechische Welt ihre Hand zu halten und einzuschreiten, wann und wie es ihnen beliebe. Lag in dem Wesen Persiens, der ›Monarchie Asiens‹, dieser Anspruch der Oberherrlichkeit auch über die hellenische Welt, so konnte der Zweck des Krieges, zu dessen Führung Alexander sich an der Spitze der Makedonen und Hellenen erhoben hatte, kein anderer sein, als diesem Anspruch des Großkönigs gründlich und für immer ein Ende zu machen. Alexander hatte nach der Schlacht bei Issos den Anträgen des Dareios eine und nur eine Forderung entgegengestellt: die der Anerkennung, daß nicht mehr Dareios, sondern Alexander Herr und König in Asien sei; er war bereit, für diese Anerkennung dem besiegten Gegner Zugeständnisse zu machen, ihm, so ungefähr ist der Ausdruck, alles zu gewähren, von dessen Angemessenheit er ihn, den Sieger, überzeugen werde; wenn er diese Anerkennung weigere, dann möge er einer neuen Schlacht gewärtig sein. Auf solche Alternative gestellt, hatte Dareios den weiteren Kampf gewählt; er hatte die zweite größere Schlacht, mit ihr die weite Länderstrecke von den Meeresküsten bis zu den Randgebirgen Irans verloren. Mußte er jetzt nicht inne geworden sein, daß er der Macht Alexanders nicht gewachsen sei? zeigte nicht jeder weitere Marsch desselben, daß er tatsächlich sei, wofür er anerkannt zu werden gefordert hatte, Herr in Asien, und daß es da keine Macht mehr gebe, die ihn hindern könne, zu tun, was er wolle? Konnte Dareios noch zweifeln, daß er sich beugen, sich ihm unterordnen müsse, wenn er noch irgend etwas retten, wenn er die ihm teuren Pfänder, die in des siegreichen Gegners Hand waren, wieder gewinnen wolle?
Alexander mag nach dem Tage von Gaugamela erwartet haben, daß Dareios an ihn senden, ihm eingehendere Anträge als nach dem von Issos machen, sich vor der Macht der Tatsachen beugen werde; er mag, da ihm nicht angemessen scheinen konnte unmittelbar die Initiative zu ergreifen, der Königinmutter – auf deren Fürbitte hatte er den Uxiern verziehen – Andeutungen gemacht haben, daß er friedlichen Erbietungen ihres Sohnes gern Gehör schenken werde. Er konnte auch jetzt noch gewillt sein, dem besiegten Gegner, wenn er den geschehenen Wechsel der Macht anerkenne, einen Frieden zu gewähren, der ihm Land und Leute ließ und ihm seine Familie wiedergab. Was Alexander jetzt innehatte, die Länderstrecken vom Meere bis zu den Bergsteilen, die Iran umschließen, bildeten ein großes zusammenhängendes, auch der Volksart nach ziemlich gleichartiges Ganzes, groß und reich genug, um, zu einem Reich mit Makedonien und Hellas vereint, die beherrschende Macht Asiens zu sein, durch seine Küsten dem Westen nah genug, um die Herrschaft über das Mittelmeer hinzuzufügen, zu der mit dem ägyptischen Alexandrien der Grund- und Eckstein gelegt war. Ein Friedensschluß in solchem Sinn würde das Werk der siegreichen Waffen mit der Anerkennung durch den, der ihnen erlegen war, besiegelt haben.
So die hypothetische Linie, die zu zeichnen angemessen schien, um die Lücke zu bezeichnen, die in unseren Überlieferungen ist; die Vorgänge in Persepolis bekommen einen Akzent mehr, wenn man jene Lücke sich so ergänzt denkt. Wenn Alexander Friedensanträge gewünscht, wenn er sie monatelang erwartet hatte, wenn sie auch nach dem Fall von Susa, auch nach der Forcierung der Pässe nach Persien hinauf, nach Besitznahme der alten Königsstätten dort nicht kamen, so war endlich die Hoffnung auf einen vertragsmäßigen Abschluß aufzugeben und der Akt zu vollziehen, mit dem die Achämenidenmacht tot erklärt, die Besitzergreifung der Monarchie über Asien verkündet wurde.
Es war der Urteilsspruch, den zu vollstrecken die nächstweitere militärische Aufgabe sein mußte.