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Persische Rüstungen – Die persische Flotte unter Memnon und die Griechen – Alexanders Marsch über den Tauros – Okkupation Kilikiens – Schlacht bei Issos – Das Manifest – Aufregung in Hellas – Die Belagerung von Tyros – Die Eroberung Gazas – Okkupation Ägyptens
Persischerseits war die Nachricht von der Schlacht am Granikos mit mehr Unwillen als Besorgnis aufgenommen worden. Man wird die eigentliche Bedeutung des unternommenen Angriffes und damit die Gefahr, die dem Reiche drohte, verkannt, man wird geglaubt haben, Alexanders Erfolge seien das zufällige Glück eines Tollkühnen, seien durch die Fehler, die sie nur erleichtert, verschuldet worden; meide man diese, so werde allen weiteren Gefahren vorgebeugt, und des Makedonen Glück am Ende sein. Vor allem schien Mangel an Einheit und planmäßiger Führung des Heeres das Unglück am Granikos herbeigeführt zu haben; Memnons Rat, man bekannte es jetzt, hätte befolgt werden, er selbst das Heer von Anfang her führen sollen. So wurde ihm wenigstens jetzt der alleinige und unumschränkte Befehl über die persische Land- und Seemacht in den vorderen Satrapien übertragen.
In der Tat schien in diesem Hellenen dem makedonischen Könige ein gefährlicher Gegner gefunden zu sein; schon die hartnäckige Verteidigung von Halikarnaß zeigte sein Talent und seinen Charakter; dann bis auf wenige Punkte von der Küste verdrängt, faßte er, begünstigt durch die Auflösung der makedonischen Flotte, den großen Plan, Alexander von Europa abzuschneiden, den Krieg nach Hellas hinüberzuspielen, und von dort aus in Verbindung mit Makedoniens zahlreichen Feinden in Hellas die Kraft Alexanders in ihrer Wurzel zu zerstören. Er hatte eine mächtige Flotte von phönikischen und kyprischen Schiffen, auch zehn lykische, zehn von Rhodos, drei von Mallos und Soloi in Kilikien befanden sich bei derselben; die Seeburg von Halikarnaß war noch in seiner Gewalt, Rhodos, Kos, gewiß alle Sporaden hielten zu ihm, die attischen Kleruchen, die Samos inne hatten, wohl nicht minder; die Oligarchen und Tyrannen auf Chios und Lesbos harrten nur seines Beistandes, der Demokratie und der Verbindung mit Makedonien ein Ende zu machen; die Patrioten in Hellas hofften von ihm die Herstellung der hellenischen Freiheit.
Von der Reede von Halikarnaß war Memnon mit der Flotte nach Chios gegangen; durch den Verrat der Oligarchen, die hier früher das Regiment gehabt, Appollonides an ihrer Spitze, gewann er die Insel; er stellte die Oligarchie wieder her, die ihm den Besitz der Insel sicherte. Er segelte nach Lesbos, wohin Chares von Sigeion mit Söldnern und Schiffen gekommen war, den Tyrannen Aristonikos von Methymna auszutreiben, derselbe Athener Chares, der Alexander bei seiner Landung in Sigeion so ergeben begrüßt hatte; er forderte von Memnon, ihn bei seinem Unternehmen nicht zu stören. Aber Memnon kam als des Tyrannen ›väterlicher Freund und Gastfreund‹ und jagte mit leichter Mühe den einst attischen Strategen von dannen. Schon hatten sich ihm die andern kleineren Städte der Insel ergeben, aber die bedeutendste, Mitylene, hatte ihrem Bunde mit Alexander treu und auf die makedonische Besatzung, die sie aufgenommen, sich verlassend, seine Aufforderung abgewiesen. Memnon begann sie zu belagern, bedrängte sie auf das härteste; durch einen Wall und fünf Lager auf der Landseite eingeschlossen, durch ein Geschwader, das den Hafen sperrte, und ein anderes, welches das Fahrwasser nach Hellas beobachtete, aller Aussicht auf Hilfe beraubt, wurde sie auf das Äußerste gebracht. Schon kamen von anderen Inseln Gesandte an Memnon; in Euböa besorgten die Städte, die makedonisch gesinnt waren, in kurzer Frist ihn kommen zu sehen; die Spartaner waren bereit, sich zu erheben. Da erkrankte Memnon; und nachdem er Pharnabazos, seinem Neffen, dem Sohne des Artabazos, bis zur weiteren Entscheidung des Großkönigs seine Gewalt übertragen hatte, sank er, wenn nicht für seinen Ruhm, doch für Dareios Hoffnungen zu früh, ins Grab.
Als Dareios, so wird erzählt, die Botschaft von Memnons Tod empfing, berief er einen Kriegsrat, unschlüssig, ob er dem Gegner, der rastlos vorrückte, die nächsten Satrapen entgegenschicken, oder ihm in Person und an der Spitze des Reichsheeres begegnen solle. Die Perser empfahlen, daß er selbst das schon versammelte Reichsheer ins Feld führe; unter den Augen des Königs der Könige werde das Heer zu siegen wissen, eine Schlacht genüge, Alexander zu vernichten. Aber der Athener Charidemos, der, vor Alexander flüchtig, dem Großkönige doppelt erwünscht gekommen war, riet, nicht ohne dessen Zustimmung vorsichtig zu sein, nicht alles auf einen Wurf zu setzen, nicht am Eingange Asiens Asien selbst preiszugeben, das Reichsaufgebot und die Gegenwart des höchsten Herrn auf die letzte Gefahr aufzusparen, zu der es nie kommen werde, wenn man dem tollkühnen Makedonen mit Geschick und Vorsicht zu begegnen wisse; an der Spitze von hunderttausend Mann, von denen ein Drittel Griechen, verbürge er sich dafür, den Feind zu vernichten. Auf das heftigste widersprachen die stolzen Perser: jene Pläne seien des persischen Namens unwürdig, sie seien ein ungerechter Vorwurf gegen die Tapferkeit der Perser; sie annehmen, werde ein Zeichen des traurigsten Argwohns, das Bekenntnis einer Ohnmacht sein, an deren Statt des Großkönigs Gegenwart nichts als Begeisterung und Hingebung finden werde; sie beschworen den schwankenden Herrn, nicht auch das Letzte einem Fremdling anzuvertrauen, der nichts wolle, als an der Spitze des Heeres stehen, um das Reich des Kyros zu verraten. Zornig sprang Charidemos auf, beschuldigte sie der Verblendung, der Feigheit und Selbstsucht: sie kennten ihre Ohnmacht und die furchtbare Macht der Griechen nicht, sie würden das Reich des Kyros ins Verderben stürzen, wenn nicht des Großkönigs Weisheit ihm jetzt folge. Der Perserkönig, ohne Vertrauen zu sich selbst und doppelt gegen andere mißtrauisch, überdies in dem Gefühl persischer Hoheit verletzt, berührte des Fremdlings Gürtel, und die Trabanten schleppten den hellenischen Mann hinaus, ihn zu erdrosseln; sein letztes Wort an den König soll gewesen sein: »meinen Wert wird deine Reue bezeugen, mein Rächer ist nicht fern«. Im Kriegsrat wurde beschlossen, den Makedonen bei ihrem Eintritt in das obere Asien mit dem Reichsaufgebot unter des Großkönigs persönlicher Führung entgegenzutreten, von der Flotte so viel griechische Söldner als möglich sei, heranzuziehen, die Pharnabazos, so bald als es möglich sei, in Tripolis an der phönikischen Küste ausschiffen solle. Thymondas, Mentors Sohn, wurde nach Tripolis gesandt, diese Völker zu übernehmen und dem Reichsheer zuzuführen, dem Pharnabazos in des Großkönigs Namen die ganze Gewalt, die Memnon innegehabt hatte, zu übertragen.
Pharnabazos und Autophradates hatten indes die Belagerung von Mitylene fortgesetzt und glücklich beendet; die Stadt hatte sich unter der Bedingung ergeben, daß gegen die Zurückführung der Verbannten und die Vernichtung der mit Alexander errichteten Bundesurkunde die makedonische Besatzung frei abziehen, und die Stadt nach den Bestimmungen des antalkidischen Friedens wieder Bundesgenossin von Persien sein sollte. Aber sobald die beiden Perser im Besitz der Stadt waren, achteten sie des Vertrages nicht weiter; sie ließen eine Besatzung unter Befehl des Rhodiers Lykomedes in der Stadt, setzten einen der früher Verbannten, Diogenes, als Tyrannen ein; in schweren Kontributionen, die teils von einzelnen Bürgern, teils von der ganzen Stadt gefordert wurden, ließen sie Mitylene den ganzen Druck des persischen Joches fühlen. Dann eilte Pharnabazos, die Söldner nach Syrien zu bringen; dort empfing er die Weisung, den Oberbefehl an Memnons Stelle zu übernehmen, dessen Pläne freilich durch diese Ablieferung der Söldner in ihrem Nerv durchschnitten waren; die rasche und durchschlagende Offensive, die Sparta, Athen, das ganze hellenische Festland entflammt haben würde, war nicht mehr möglich.
Dennoch versuchten Pharnabazos und Autophradates etwas der Art. Sie sandten den Perser Datames mit zehn Trieren nach den Kykladen und fuhren selbst mit hundert Schiffen nach Tenedos; sie nötigten die Insel, die sich der hellenischen Sache angeschlossen hatte, zu den Bestimmungen des antalkidischen Friedens – so war auch hier die Formel – zurückzukehren. Augenscheinlich war es auf die Besetzung des Hellespont abgesehen. Alexander hatte bereits, um wenigstens die Kommunikation mit Makedonien durch eine Flotte zu sichern, zu deren Bildung Hegelochos an die Propontis gesandt mit der Weisung, sämtliche aus dem Pontos herabkommende Schiffe anzuhalten und zum Kriegsdienst einzurichten. Zu gleicher Zeit ließ Antipatros durch Proteas Schiffe aus Euböa und dem Peloponnes zusammenziehen, um das Geschwader des Datames, das schon bei der Insel Siphnos vor Anker lag, zu beobachten, eine Maßregel, die um so nötiger war, da die Athener von neuem Gesandte an den Perserkönig gesandt, ja auf die Nachricht, daß ihre aus dem Pontos zurückkehrenden Getreideschiffe angehalten und zum Kampf gegen die Perserflotte verwendet würden, eine Flotte von hundert Segeln unter Menestheus, Iphikrates Sohn, in See zu schicken dekretiert hatten; Hegelochos sah sich dadurch veranlaßt, die angehaltenen attischen Schiffe zu entlassen, um den Athenern den Vorwand, ihre hundert Trieren zur Perserflotte stoßen zu lassen, zu entziehen. Um so ersprießlicher war es, daß Proteas mit seinem Geschwader von fünfzehn Schiffen die persischen Schiffe bei Siphnos nicht bloß festhielt, sondern durch einen geschickten Überfall so überraschte, daß acht derselben samt ihrer Mannschaft in seine Hände fielen, die beiden anderen die Flucht ergriffen und, von Datames geführt, sich zu der Flotte retteten, die in der Gegend von Chios und Miletos kreuzte und die Küsten plünderte.
Damit war die erste und wohl die größte Gefahr, die Memnons Plan hätte bringen können, beseitigt; der rasche Angriff des Proteas hatte einem Abfall der Griechen vorgebeugt. Aber zeigten nicht diese Erfolge selbst, daß Alexander Unrecht getan hatte, die Flotte aufzulösen, die er nach kaum sechs Monaten von neuem zu bilden genötigt war? Alexander hatte ein sicheres Gefühl von dem Maße der Tatkraft und der Einsicht, das er von den persischen Führern erwarten konnte, und taxierte seine hellenischen Bundesgenossen so, wie sie der Erfolg gezeigt hat; wenn sie auch zum Abfall geneigt und ihre Schiffe mit den persischen zu vereinigen bereit waren, Antipatros mußte sie auf dem festen Lande im Zaume halten können; endlich war es keineswegs so schwierig, in Eile eine neue Flotte aufzustellen, um gegen den Feind die Küsten zu decken; Alexander konnte, um den Seekrieg unbekümmert, seinen Kriegsplan weiter verfolgen, das um so mehr, da jeder Schritt vorwärts die Existenz der feindlichen Flotte selbst gefährdete, indem er derselben die Küsten ihrer Heimat nahm. Dies ins Werk zu setzen, war Zweck des nächsten Feldzuges.
Mit dem Frühling 333 vereinigten sich in Gordion die verschiedenen Abteilungen des makedonischen Heeres; von Süden her aus Kelainai rückten die Truppen ein, welche mit Alexander den Winterfeldzug gemacht hatten; von Sardeis her führte Parmenion die Reiterei und den Train der großen Armee heran; aus Makedonien kamen die Neuverheirateten von ihrem Urlaub zurück, mit ihnen eine bedeutende Zahl Neuausgehobener, namentlich dreitausend Makedonen zu Fuß und dreihundert zu Pferde, zweihundert thessalische, einhundertfünfzig elische Reiter, so daß Alexander trotz der zurückgelassenen Besatzungen nicht viel weniger Mannschaft als am Granikos beisammen hatte. Wie der Geist dieser Truppen war, läßt sich aus ihren Erfolgen bisher und aus dem, was als Preis weiteren Kampfes ihrer wartete, abnehmen; in dem Stolz der errungenen Siege neuer Siege gewiß, sahen sie Asien schon als Beute an; sie selbst, ihr König und die Götter waren ihnen Gewähr für den Erfolg.
Auch Gesandte aus Athen kamen nach Gordion, den König um Freigebung der Athener, die in der Schlacht am Granikos gefangen und gefesselt nach Makedonien abgeführt waren, zu bitten; ob wohl mit Berufung auf den in Korinth beschworenen Bund und ihre Bundestreue? Ihnen wurde der Bescheid, wiederzukommen, wenn der nächste Feldzug glücklich zu Ende geführt sei.
Die Stadt Gordion, der uralte Sitz phrygischer Könige, hatte auf ihrer Burg die Paläste des Gordios und Midas, und den Wagen, an dem Midas einst erkannt worden war als der von den Göttern zur Herrschaft Phrygiens erkorene; das Joch an diesem Wagen war durch einen aus Baumbast geschürzten Knoten so künstlich befestigt, daß man weder dessen Anfang noch Ende bemerken konnte; es gab ein Orakel, daß, wer den Knoten löse, Asiens Herrschaft erhalten werde. Alexander ließ sich die Burg, den Palast, den Wagen zeigen, er hörte dies Orakel, er beschloß es zu erfüllen und den Knoten zu lösen; umsonst suchte er ein Ende des Bastes, und verlegen sahen die Umstehenden sein vergebliches Bemühen; endlich zog er sein Schwert und durchhieb den Knoten; das Orakel war, gleichviel wie, erfüllt.
Das Heer brach tags darauf auf und marschierte am Südabhange der paphlagonischen Grenzgebirge nach Ankyra; dorthin kam eine Gesandtschaft der Paphlagonier, dem Könige die Unterwerfung ihres Landes unter der Bedingung anzubieten, daß keine makedonischen Truppen nach Paphlagonien kämen. Der König gewährte es; Paphlagonien blieb unter einheimischen Dynasten, vielleicht unter Kompetenz der Statthalterschaft von Phrygien am Hellespont.
Weiter ging der Zug nach Kappadokien, jenseits des Halys durch die bis zum Iris gelegenen Gebiete dieser großen Satrapie, die ohne Widerstand durchzogen und, obschon die nördlichen Landschaften derselben nicht okkupiert werden konnten, doch als makedonische Satrapie an Sabiktas übertragen wurde. Daß in den Griechenstädten am Pontos die demokratische Partei auf Befreiung durch Alexander hoffte, ist wenigstens durch ein Beispiel bezeugt. Doch blieb dort die persische Partei – so in Sinope – oder die Tyrannis vorerst noch im Besitz der Macht. Alexander durfte die wichtigeren Unternehmungen nicht hinausschieben, um die abgelegene Küste des Pontos zu besetzen; er zog den Küsten des Mittelmeeres zu. Der Weg, den er nahm, führte an dem Nordabhang des Tauros zu den kilikischen Pässen oberhalb Tyana, denselben, die vor etwa siebzig Jahren der jüngere Kyros mit seinen zehntausend Griechen überschritten hatte.
Alexander fand die Höhen mit starken Posten besetzt; er ließ das übrige Heer lagern und brach selbst mit den Hypaspisten, den Schützen und Agrianern um die erste Nachtwache auf, die Feinde beim Dunkel der Nacht zu überfallen. Kaum hörten die Wachen ihn anrücken, so verließen sie in eiliger Flucht den Paß, welchen sie mit leichter Mühe hätten sperren können, wenn sie sich nicht auf verlorenem Posten geglaubt hätten. Arsames, der kilikische Satrap, schien sie nur vorgeschoben zu haben, um Zeit zu gewinnen, das Land zu plündern und zu verwüsten, und sich dann sicher, eine Einöde in seinem Rücken, auf Dareios, der bereits vom Euphrat her anrückte, zurückziehen zu können. Desto eiliger zog Alexander durch die Pässe, und mit seiner Reiterei und den Leichtesten der Leichtbewaffneten auf Tarsos los, so daß Arsames, der die Feinde weder so nah, noch so rasch geglaubt hatte, in eiliger Flucht, ohne die Stadt oder das Land geplündert zu haben, sein Leben für einen baldigen Tod rettete.
Von Nachtwachen, Eilmärschen und der Mittagssonne eines heißen Spätsommertages ermattet, kam Alexander mit seinen Truppen zum Kydnos, einem klaren und kalten Bergstrome, der durch die Stadt Tarsos hinströmt. Schnell und nach dem Bade verlangend, warf er Helm, Harnisch und Kleid ab, und eilte in den Strom; da überfiel ihn ein Fieberschauer, er sank unter; halbtot, bewußtlos wurde er aus dem Strom gezogen und in sein Zelt getragen. Krämpfe und brennende Hitze schienen die letzten Zeichen des Lebens, das zu erretten alle Ärzte verzweifelten; die Rückkehr des Bewußtseins wurde zur neuen Qual; schlaflose Nächte und der Gram um den zu nahen Tod zehrten die letzte Kraft hinweg. Die Freunde trauerten, das Heer verzweifelte; der Feind war nah, niemand wußte Rettung. Endlich erbot sich der akarnanische Arzt Philippos, der den König von Kindheit an kannte, einen Trank zu bereiten, der helfen werde; Alexander bat um nichts, als eilige Hilfe; Philippos versprach sie. Zu derselben Zeit erhielt Alexander von Parmenion ein Schreiben, das ihm Vorsicht empfahl: Philippos, der Arzt, habe von Dareios tausend Talente und das Versprechen, mit einer Tochter des Großkönigs vermählt zu werden, um Alexander zu vergiften. Alexander gab den Brief seinem Arzte und leerte, während jener las, den Becher. Ruhig las der Arzt, er wußte sich aller Schuld rein; er beschwor den König, ihm zu vertrauen und zu folgen, bald werde dann sein Leiden vorüber sein; er sprach mit ihm von der Heimat, von seiner Mutter und seinen Schwestern, den nahen Siegen und den wunderreichen Ländern des Ostens; seine treue Sorgfalt ward durch des Königs baldige Genesung belohnt; Alexander kehrte zurück in die Reihen seiner Makedonen.
Die Kriegsoperationen wurden mit doppeltem Eifer fortgesetzt. Die Landschaft Kilikien war in der Kette der persischen Satrapien der Ring, der die des vorderen und oberen Asiens zusammenhielt. Die stärkste Defensivstellung des Perserreichs gegen den Westen hatte Alexander mit den Pässen des Tauros rasch genommen; er mußte sich des ganzen Gebietes an ihrem Südabhange möglichst versichern, um die zweite Paßregion, die des amanischen Gebirges gegen Syrien, gewinnen und behaupten zu können. Während Parmenion mit den Söldnern und Bundestruppen, mit den thessalischen Ilen und den Thrakern des Sitalkes ostwärts vorrückte, die Pässe nach dem oberen Asien zu besetzen, ging der König westwärts, um sich der Straße nach Laranda und Ikonion, des sogenannten rauhen Kilikiens zu versichern, dessen Bewohner, freie räuberische Bergvölker wie ihre pisidischen Nachbarn, leicht die Verbindung mit Kleinasien stören konnten.
Er zog von Tarsos nach der Stadt Anchiale, die, von Sardanapal gegründet, das Standbild dieses assyrischen Königs aufbewahrte, mit der merkwürdigen Inschrift: ›Anchiale und Tarsos hat Sardanapal an einem Tage gegründet; du aber, Fremdling, iß, trinke, liebe; was sonst der Mensch hat, ist nicht der Rede wert.‹ Dann kam er nach Soloi, der ›Heimat der Soloikismen‹, die, obschon griechischen Ursprungs, den Persern so anhing, daß Alexander nicht nur eine Besatzung in der Stadt zurückließ, sondern ihr eine Buße von zweihundert Talenten Silber auferlegte. Von hier aus machte er mit drei Phalangen und mit den Schützen und Agrianern einen Streifzug in das rauhe Kilikien; in sieben Tagen hatte er teils durch Gewalt, teils in Güte die Unterwerfung dieser Gebirgsbewohner vollendet, damit seine Verbindung mit den westlichen Provinzen gesichert. Er kehrte nach Soloi zurück; er empfing hier von seinen Befehlshabern in Karien die Nachricht, daß Othontopates, der noch die Seeburg von Halikarnaß gehalten, in einem hartnäckigen Gefecht bewältigt, daß mehr als tausend Mann gefangen seien. Zur Feier des glücklich begonnenen Feldzugs und der Wiedergenesung des Königs wurden in Soloi mannigfache Festlichkeiten veranstaltet; durch das große Opfer, das dem Asklepios gebracht wurde, durch den Festaufzug des gesamten Heeres, durch den Fackellauf, durch die gymnischen und künstlerischen Wettkämpfe mag in den, der hellenischen Sitte fast schon entwöhnten, Soliern die Erinnerung an die Heimat und ihre Vorfahren erweckt worden sein; nun war die Zeit der Barbaren vorüber, hellenisches Leben gewann Raum in den Ländern viel jähriger Knechtschaft; hellenischer Ursprung, sonst inmitten asiatischer Barbarei verachtet und vergessen, wurde ein großes Recht. Alexander gab den Soliern demokratische Verfassung; wenige Wochen später, gleich nach der entscheidenden Schlacht, sandte er Befehl, ihnen die Brandschatzung zu erlassen und ihre Geiseln zurückzugeben.
Nach Tarsos zurückgekehrt, ließ der König seine Ritterschaft unter Philotas' Führung über das aleische Feld an den Pyramosstrom vorrücken, während er selbst mit dem übrigen Heere an der Küste entlang über Magarsos nach Mallos zog, zweien Städten, in denen es hellenische Erinnerungen gab, an die der König anknüpfen konnte; namentlich in Mallos hatte sich das Volk schon vor dem Erscheinen Alexanders gegen seine bisherigen Unterdrücker erhoben; den blutigen Kampf zwischen der persischen und der Volkspartei entschied und stillte erst Alexanders Erscheinen; er erließ der Stadt, die ihren Ursprung von Argos herleitete wie das makedonische Königshaus, den Tribut, den sie bisher an den Großkönig gezahlt, gab ihr die Freiheit, ehrte ihren Gründer Amphilochos von Argos mit Heroenfeier.
Noch während des Aufenthaltes in Mallos erhielt Alexander die Nachricht, daß der König Dareios mit einem ungeheuren Heere vom Euphrat herangerückt sei, und bereits einige Zeit in der syrischen Stadt Sochoi, zwei Tagereisen von den Pässen entfernt, stehe. Alexander berief sofort einen Kriegsrat. Alle waren der Meinung, man müsse eiligst aufbrechen, durch die Pässe vorrücken, die Perser, wo man sie auch finde, angreifen. Der König befahl, am folgenden Morgen aufzubrechen. Der Marsch ging von Mallos aus um den tiefeinschneidenden Meerbusen hin nach Issos.
Von Issos führen zwei Wege nach Syrien; der eine, beschwerlichere, geht ostwärts durch die Schluchten und über die Höhen der amanischen Berge; Alexander wählte diesen nicht, seine Soldaten wären durch den Wechsel von Berg und Tal und durch die Unwegsamkeit der Gegend doppelt ermüdet an den Feind gekommen; und er durfte sich nicht früher von der Küste dieser Bucht entfernen, als bis sie ganz in seiner Gewalt und den feindlichen Schiffen gesperrt war. Er rückte, mit Zurücklassung der Kranken, die im Rücken der Armee am sichersten waren, von Issos aus auf der gewöhnlichen und den Griechen durch Xenophons Beschreibung bekannten Straße südwärts an der Meeresküste hin, durch die sogenannten Strandpässe nach der Küstenstadt Myriandros, unfern vom Eingang der syrischen Hauptpässe, um von hier aus mit dem nächsten Morgen in die Ebene von Syrien und nach Sochoi aufzubrechen. Über Nacht begann heftiges Unwetter, es waren die ersten Novembertage; Sturm und Regen machten den Aufbruch unmöglich; das Heer blieb im Lager von Myriandros, etwa drei Meilen südwärts der Strandpässe, in wenig Tagen hoffte man den Feind auf der Ebene von Sochoi zur entscheidenden Schlacht zu treffen.
In der Tat, entscheidend mußte das nächste Zusammentreffen der beiderseitigen Heere werden. Das persische zählte nach Hunderttausenden, unter diesen hellenische Söldner, mit den jüngst unter dem Akarnanen Bianor und dem Thessaler Aristomedes gelandeten dreißigtausend; unter der Masse asiatischen Kriegsvolkes bei hunderttausend Mann schwerbewaffnetes Fußvolk (Kardaker) und die gepanzerten persischen Reiter: Dareios vertraute auf diese Macht, auf seine gerechte Sache, auf seinen Kriegsruhm; er glaubte gern den stolzen Versicherungen seiner Großen und – so wird erzählt – einem Traume kurz vor dem Auszuge aus Babylon, der ihm günstig genug von den Chaldäern gedeutet war; er hatte das makedonische Lager in dem Scheine einer ungeheuren Feuersbrunst, den makedonischen König in persischer Fürstentracht durch Babylons Straßen reiten, dann Roß und Reiter verschwinden sehen. So der Zukunft sicher, war er über den Euphrat gezogen; umgeben von der ganzen kriegerischen Pracht eines ›Königs der Könige‹, begleitet von seinem Hofstaat und Harem, von den Harems der persischen Satrapen und Fürsten, von den Scharen der Eunuchen und Stummen, zu den Hunderttausenden unter den Waffen eine endlose Karawane geschmückter Wagen, reicher Baldachine, lärmenden Trosses, lagerte er nun bei Sochoi; hier in der weiten Ebene, die ihm Raum gab, die erdrückende Übermacht seines Heeres zu entwickeln und namentlich seine Reitermassen wirksam zu verwenden, wollte er den Feind erwarten, um ihn zu vernichten.
Es soll Arsames gewesen sein, der aus Kilikien flüchtend ins Lager die erste Nachricht von Alexanders Nähe, von dessen Anmarsch brachte; nach dem, was er meldete, schien der Feind über die amanischen Pässe anrücken zu wollen; man erwartete täglich die Staubwolke im Westen. Es verging ein Tag nach dem anderen, man wurde gleichgültig gegen die Gefahr, die nicht näherkam; man vergaß, was schon verloren war; man verspottete den Feind, der das enge Küstenland nicht zu verlassen wage, der wohl ahne, daß die Hufe der persischen Pferde hinreichen würden, seine Macht zu zertreten. Nur zu gern hörte Dareios die übermütigen Worte seiner Großen: der Makedone werde, eingeschüchtert durch die Nähe der Perser, nicht über Tarsos hinausgehen, man müsse ihn angreifen, man werde ihn vernichten. Vergebens widersprach der Makedone Amyntas: Alexander werde den Persern nur zu bald entgegenrücken, sein Säumen sei nichts als ein Vorzeichen doppelter Gefahr; um keinen Preis dürfe man sich in die engen Täler Kilikiens hinabwagen, das Feld von Sochoi sei für die persische Macht das geeignete Schlachtfeld, hier könne die Menge siegen oder besiegt sich retten. Aber Dareios, mißtrauisch gegen den Fremdling, der seinen König verraten, durch die Schmeichelreden seiner Großen und durch die eigenen Wünsche berauscht, endlich durch die Unruhe der Schwäche und durch sein Verhängnis vorwärts getrieben, beschloß die Stellung von Sochoi aufzugeben und den Feind, der ihn meide, aufzusuchen. Das unnötige Heergerät, die Harems, der größte Teil des Schatzes, alles, was den Zug hindern konnte, wurde unter Kophenes, dem Bruder Pharnabazos, nach Damaskus gesandt, während der König, um den Umweg über Myriandros zu meiden, durch die amanischen Pässe nach Kilikien einrückte und in Issos ankam. Dies geschah an demselben Tage, da Alexander nach Myriandros gezogen war. Die Perser fanden in Issos die Kranken des makedonischen Heeres, sie wurden unter grausamen Martern umgebracht; die frohlockenden Barbaren meinten, Alexander fliehe vor ihnen; sie glaubten, er sei von der Heimat abgeschnitten, sein Untergang gewiß. Ungesäumt brachen die Völker auf, die Fliehenden zu verfolgen.
Allerdings war Alexander abgeschnitten; man hat ihn der Unvorsichtigkeit angeklagt, daß er die amanischen Tore nicht besetzt, daß er keine Besatzung in Issos zurückgelassen, sondern die zurückbleibenden Kranken einem grausamen Feinde preisgegeben habe; sein ganzes Heer, sagt man, hätte elend untergehen müssen, wenn die Perser eine Schlacht vermieden, das Meer durch ihre Flotte, die Rückzugslinie Alexanders durch eine hartnäckige Defensive gesperrt, jedes Vorrücken durch ihre Reiterschwärme beunruhigt und durch Verwüstungen, wie sie Memnon geraten, doppelt gefährlich gemacht hätten. Alexander kannte die persische Kriegsmacht; er wußte, daß die Verpflegung von so vielen Hunderttausenden auf seiner Marschlinie und in dem engen Kilikien auf längere Zeit eine Unmöglichkeit sei, daß jenes Heer, nichts weniger als ein organisches Ganze, zu einem System militärischer Bewegungen, durch die er hätte umgarnt werden können, unfähig sei, daß im schlimmsten Falle eine Reihe rascher und kühner Märsche von seiner Seite jene unbeholfene Masse zum Nachrücken gezwungen, verwirrt, aufgelöst und jedem Überfall bloßgegeben hätte. Er hatte nicht erwarten können, daß die Perser das für sie so günstige Terrain aufgeben, daß sie gar in die enge Strandebene am Pinaros vorrücken würden. Dareios hatte es getan; von flüchtigen Landleuten benachrichtigt, daß Alexander kaum einige Stunden entfernt jenseits der Strandpässe stehe und nichts weniger als auf der Flucht sei, mußte er sich, da er sein ungeheures Heer weder schnell genug zurückziehen konnte, noch es gegen diese Thermopylen Kilikiens vorzuschieben wagte, in der engen Ebene gelagert zu einer Schlacht bereit machen, für die er jetzt die Vorteile des Angriffs dem Feinde überlassen mußte. In der Tat, hätte es irgendeinen Strategen gegeben, den Großkönig zum Aufbruch aus der Ebene von Sochoi und zu dieser folgereichen Bewegung nach Kilikien hinab zu nötigen, so würde es Alexander, selbst wenn es einen größeren Verlust als den des Lazaretts von Issos gegolten hätte, mit Freuden gewagt haben. So unglaublich schien ihm das erste Gerücht von Dareios' Nähe, daß er einige Offiziere auf einer Jacht an der Küste entlangfahren ließ, um sich von der wirklichen Nähe des Feindes zu überzeugen.
Einen anderen Eindruck machte dasselbe Gerücht auf die Truppen Alexanders; sie hatten dem Feinde in einigen Tagen und auf offenem Felde zu begegnen gehofft; jetzt war alles unerwartet und übereilt; jetzt stand der Feind in ihrem Rücken, schon morgen sollte gekämpft werden; man werde, hieß es, was man schon besessen, dem Feinde durch eine Schlacht entreißen, jeden Schritt rückwärts mit Blut erkaufen müssen; vielleicht aber seien die Pässe schon besetzt und gesperrt, vielleicht müsse man sich, wie einst die Zehntausend, durch das Innere Asiens durchschlagen, um statt Ruhm und Beute, kaum das nackte Leben in die Heimat zu bringen; und das alles, weil man nicht vorsichtig vorgerückt sei; man halte den gemeinen Soldaten nicht wert, und gebe ihn, wenn er verwundet zurückbleibe, seinem Schicksal und den Feinden preis. So und ärger noch murrten die Soldaten, während sie ihre Waffen putzten und ihre Speere schärften, weniger aus Mutlosigkeit, als weil es anders, wie sie erwartet hatten, gekommen war, und um sich des unbehaglichen Gefühls, das die tapfersten Truppen bei der Nähe einer lange erwarteten Entscheidung ergreift, mit lautem Scheltworte zu entschlagen.
Alexander kannte die Stimmung seiner Truppen; ihn beunruhigte diese Ungebundenheit nicht, die der Krieg erzeugt und fordert. Sobald ihm jene Offiziere von dem, was sie gesehen, Bericht erstattet hatten, namentlich, daß die Ebene von der Pinarosmündung bis Issos mit Zelten bedeckt, daß Dareios in der Nähe sei, berief er die Strategen, Ilarchen und Befehlshaber der Bundesgenossen, teilte ihnen die empfangenen Meldungen mit, zeigte, daß unter allen denkbaren Möglichkeiten die jetzige Stellung des Feindes den sichersten Erfolg verspreche; der Schein, umgangen zu sein, so läßt ihn Arrian sagen, werde sie nicht beirren; sie hätten zu oft rühmlich gekämpft, um den Mut bei scheinbarer Gefahr sinken zu lassen; stets Sieger, gingen sie stets Besiegten entgegen; Makedonen gegen Meder und Perser, erfahrene, unter den Waffen ergraute Krieger gegen die längst der Waffen entwöhnten Weichlinge Asiens, freie Männer gegen Sklaven, Hellenen, die für ihre Götter und ihr Vaterland freiwillig kämpften, gegen entartete Hellenen, die für nicht einmal hohen Sold ihr Vaterland und den Ruhm ihrer Vorfahren verrieten, die streitbarsten und freiesten Autochthonen Europas gegen die verächtlichsten Stämme des Morgenlandes, kurz, Kraft gegen Entartung, das höchste Wollen gegen die tiefste Ohnmacht, alle Vorteile des Terrains, der Kriegskunst, der Tapferkeit gegen persische Horden – könne da der Ausgang des Kampfes zweifelhaft sein? Der Preis dieses Sieges aber sei nicht mehr eine oder zwei Satrapien, sondern das Perserreich; nicht die Reiterscharen und Söldner am Granikos, sondern ein Reichsheer Asiens, nicht persische Satrapen, sondern den Perserkönig würden sie besiegen; nach diesem Siege bleibe ihnen nichts weiter zu tun, als Asien in Besitz zu nehmen, und sich für alle Mühsale zu entschädigen, die sie gemeinsam durchgekämpft. Er erinnerte an das, was sie gemeinsam ausgeführt, er erwähnte, wie die einzelnen bei den Aktionen bisher sich ausgezeichnet hatten, sie mit ihren Namen nennend. Das und vieles andere, was vor der Schlacht im Munde des tapferen Feldherrn tapfere Männer anzufeuern geeignet ist, sprach Alexander mit der eigentümlichen Hoheit und Begeisterung; niemand, den nicht des jugendlichen Helden Worte ergriffen hätten; sie drängten sich heran, ihm die Hand zu reichen und ein tapferes Wort hinzuzufügen. Sie verlangten, gleich aufzubrechen, gleich zu kämpfen. Alexander entließ sie mit dem Befehl, zunächst dafür zu sorgen, daß die Truppen gehörig abkochten, einige Reiter und Bogenschützen nach den Strandpässen vorauszuschicken, um den Weg zu rekognoszieren und jene zu besetzen, mit den übrigen Truppen für den Abend zum Marsch bereit zu sein.
Am späten Abend brach das Heer auf, erreichte um Mitternacht die Pässe, machte bei den Felsen halt, um etwas zu ruhen, während die geeigneten Vorposten vorgeschoben waren. Mit der Morgenröte wurde aufgebrochen, durch die Pässe in die Strandebene zu ziehen.
Diese Ebene erstreckt sich von den Strandpässen etwa zwei Meilen nordwärts bis zur Stadt Issos; auf der Westseite vom Meere, auf der Ostseite von den zum Teil hohen Bergen eingeschlossen, erweitert sie sich, je mehr sie sich von den Pässen entfernt. In der Mitte, wo sie über eine halbe Meile breit ist, durchströmt sie südwestwärts ein kleiner Gebirgsfluß, der Pinaros, dessen nördliche Ufer zum Teil abschüssig sind; er kommt nordöstlich aus den Bergen, die, seinen Lauf begleitend, auf seinem Südufer eine bedeutende Berghöhe in die Ebene vorschicken, so daß sich mit dem Laufe des Pinaros die Ebene etwas bergein fortsetzt. In einiger Entfernung nordwärts vom Pinaros begann das persische Lager.
Sobald Dareios Nachricht erhielt, daß Alexander zu den Strandpässen zurückgekehrt, daß er bereit sei, eine Schlacht anzubieten und bereits anrücke, wurde so schnell und so gut es sich tun ließ, die persische Heeresmasse geordnet. Freilich war das sehr beschränkte Terrain der Übermacht nicht günstig, desto mehr schien es zu einer nachhaltigen Defensive geeignet; der Pinaros mit seinen abschüssigen Ufern war wie Wall und Graben, hinter dem sich die Masse des Heeres ordnen sollte. Um dies ohne alle Störung bewerkstelligen zu können, ließ Dareios dreißigtausend Reiter und zwanzigtausend Mann leichtes Fußvolk über den Fluß gehen, mit der Weisung, sich demnächst rechts und links auf die Flügel der Linie zurückzuziehen. Sodann wurde die Linie des Fußvolkes so geordnet, daß die dreißigtausend hellenischen Söldner unter Thymondas den rechten Flügel bildeten, den linken sechzigtausend Kardaker; andere zwanzigtausend Kardaker wurden weiter links bis auf die Höhe geschoben, bestimmt, den rechten Flügel Alexanders zu gefährden; sobald die Makedonen zum Angriff an den Pinaros gerückt waren, stand wenigstens ein Teil jenes Korps im Rücken des rechten Flügels. Der enge Raum gestattete persischerseits nur, die bezeichneten Truppen zur unmittelbaren Teilnahme an der Schlacht zu bestimmen; die Mehrzahl der Völker, aus leichtem und schwerem Fußvolk bestehend, rückte hinter der Linie kolonnenweise auf, so daß immer neue Truppen ins Treffen geführt werden konnten. Nachdem so alles geordnet war, wurde den vorgeschickten Reiterschwärmen das Zeichen zum Rückzüge gegeben; sie verteilten sich rechts und links auf die Flügel; aber das Terrain schien auf dem linken den Gebrauch der Reiterei unmöglich zu machen, weshalb auch die dorthin Bestimmten auf den rechten Flügel verlegt wurden, so daß nun der Küste zunächst die gesamte Reiterei, die eigentlich persische Macht, unter Führung des Nabarzanes vereint war. Dareios selbst nahm nach der persischen Sitte auf seinem Schlachtwagen im Zentrum der gesamten Linie seine Stellung, umgeben von einer Reiterschar der edelsten Perser, die sein Bruder Oxathres befehligte. Der Schlachtplan war, daß das Fußvolk seine Stellung hinter dem Pinaros behaupten sollte, zu welchem Ende die weniger steilen Stellen des Ufers mit Verschanzungen ausgefüllt wurden; auf dem rechten Flügel dagegen sollte die persische Reiterei sich mit aller Gewalt auf den linken Flügel der Makedonen werfen, während die Truppen von den Bergen her den Feinden in den Rücken fielen.
Alexander seinerseits hatte, sobald das Terrain freier wurde, aus seiner Marschkolonne, in der das schwere Fußvolk, die Reiterei, die Leichtbewaffneten nacheinander heranzogen, das schwere Fußvolk rechts und links in Schlachtlinie zu sechzehn Mann Tiefe aufrücken lassen; beim weiteren Vorrücken öffnete sich die Ebene mehr und mehr, so daß auch die Reiterei, auf dem linken Flügel die der hellenischen Bündner und die Geworbenen aus Elis, auf dem rechten, der wie gewöhnlich den Angriff machen sollte, die thessalische und makedonische, aufreiten konnte. Schon erkannte man in der Ferne die lange Linie des Perserheeres; die Höhen zur Rechten sah man mit feindlichem Fußvolke bedeckt, man bemerkte, wie sich eben vom linken Flügel der Feinde große Schwärme Reiterei längs der Schlachtlinie hinabzogen, um sich auf dem rechten feindlichen Flügel, wo das Terrain freier war, wie es schien, zu einem großen Reiterangriff zu vereinen. Alexander befahl den thessalischen Ilen, hinter der Front, damit der Feind es nicht sähe, nach dem linken Flügel hinabzutraben, und zunächst nach den kretischen Bogenschützen und den Thrakern des Sitalkes, die eben jetzt in die Schlachtlinie links bei den Phalangen aufrückten, einzuschwenken; er befahl Parmenion, der den linken Flügel kommandierte, mit den geworbenen Reitern von Elis, die nun links auf die Thessaler folgten, sich so dicht als möglich an das Meer zu halten, damit die Schlachtlinie nicht von der Seeseite her umgangen werde. Auf seinem rechten Flügel ließ er rechts von der makedonischen Ritterschaft die Ilen der Sarissophoren unter Protomachos, die Paionen unter Ariston, die Bogenschützen unter Antiochos aufrücken. Gegen die auf den Bergen in seiner Rechten aufgestellten Kardaker formierte er aus den Agrianern unter Attalos, einem Teil der Bogenschützen und einigen Reitern eine zweite Front, die gegen die Schlachtlinie einen Winkel bildete.
Je näher man dem Pinaros kam, desto deutlicher erkannte man die bedeutende Ausdehnung der feindlichen Linie, die weit über den rechten Flügel des makedonischen Heeres hinausreichte; der König hielt für nötig, zwei von den makedonischen Ilen, die des Peroidas und Pantordanos, hinter der Front nach dem äußersten Flügel vorzuschieben; er konnte schon in die Schlachtlinie statt ihrer die Agrianer, die Bogenschützen und Reiter des Seitenkorps ziehn; denn ein heftiger Angriff, den sie auf die ihnen gegenüberstehenden Barbaren gemacht, hatte diese geworfen und sich auf die Höhen zu flüchten genötigt, so daß jetzt jene dreihundert Hetairen hinreichend schienen, sie fern zu halten und die Bewegungen der Schlachtlinie von dieser Seite her zu sichern.
Mit diesem Aufmarsch, wie er sich ohne Hast, mit kleinen Pausen zum Ausruhen, vollzog, hatte Alexander nicht bloß jenes in seine Rechte vorgeschobene Flankenkorps des Feindes weit seitab gedrängt; er hatte zugleich rechts mit dem leichten Volk zu Fuß und zu Roß seine Linie über den linken Flügel des Feindes hinaus gerückt, so daß dasselbe den Stoß, den er mit den Ilen der Hetairen zu führen gedachte, decken und die Spitze der feindlichen Linken beschäftigen konnte, bis er sich auf das Zentrum des Feindes gestürzt hatte, ihm zur Linken die Hypaspisten, die nächsten Phalangen ihm folgend. War das Zentrum des Feindes gebrochen, so hoffte er dessen rechten Flügel, der durch die hellenischen Söldner und die Reitermassen ein entschiedenes Übergewicht über Parmenions Flügel hatte, gleichzeitig mit seinen Ilen in der Flanke, mit seinen Hypaspisten in der Front zu fassen und zu vernichten. Er konnte voraussehen, daß sein erster Stoß um so entscheidender wirken werde, da der Großkönig sich nicht bei der Reiterei auf dem rechten Flügel, die persischerseits den Hauptangriff hätte machen können, sondern im Mittelpunkt der Defensive befand, die, wennschon durch die natürlichen Uferwände des Pinaros und durch Erdaufschüttungen geschützt, einem scharfen Angriff nicht widerstehen zu können schien.
Alexander ließ seine Linie langsam vorrücken, um mit größter Ordnung und durchaus geschlossen auf den Feind einbrechen zu können. Er ritt an der Front entlang, sprach zu den einzelnen Abteilungen, rief diesen, jenen der Führer mit Namen an, erwähnend, was sie schon Rühmliches getan; überall jauchzten ihm die Scharen zu, forderten, nicht länger zu zögern, den Angriff zu beginnen. Sobald sich die ganze Linie in geschlossener Ordnung auf Pfeilschußweite den Feinden genähert hatte, warf sich Alexander unter dem Schlachtrufe des Heeres mit seiner Ritterschaft in den Pinaros. Ohne von dem Pfeilhagel des Feindes bedeutenden Verlust zu erleiden, erreichten sie das jenseitige Ufer, stürzten sich mit solcher Gewalt auf die feindliche Linie, daß diese nach kurzem vergeblichem Widerstande sich zu lösen und zu weichen begann. Schon sah Alexander des Perserkönigs Schlachtwagen, er drang auf diesen vor; es entspann sich das blutigste Handgemenge zwischen den edlen Persern, die ihren König verteidigten, und den makedonischen Rittern, die ihr König führte; es fielen Arsames, Rheomithres, Atizyes, der ägyptische Satrap Sabakes; Alexander selbst ward im Schenkel verwundet, desto erbitterter kämpften die Makedonen; dann wandte Dareios seinen Wagen aus dem Getümmel, ihm folgten die nächsten Reihen, die links gegen die Höhe vorgeschobenen; bald war hier die Flucht allgemein. Die Paionen, die Agrianer, die beiden Ilen des äußersten makedonischen Flügels stürzten sich von rechts her auf die verwirrten Haufen und vollendeten an dieser Seite den Sieg.
Indes hatte dem heftigen Vorrücken Alexanders das schwere Fußvolk der Mitte nicht in gleicher Linie folgen können, so daß da Lücken entstanden, die der Eifer, nachzukommen, schon durch die steilen Ufer des Pinaros gehemmt, nur vergrößerte; als Alexander schon in dem Zentrum der Feinde wütete und ihr linker Flügel wankte, eilten die Hellenen des Perserheeres sich auf die makedonischen Hopliten, denen sie sich an Mut, Waffen und Kriegskunst gewachsen wußten, da, wo in deren Linie die größte Lücke war, zu werfen. Es galt, den schon verlorenen Sieg wieder zu gewinnen; gelang es, die Makedonen wieder von dem steilen Ufer zurück und über den Fluß zu drängen, so war Alexander in der Flanke entblößt und so gut wie verloren. Diese Gefahr feuerte die Pezetairen zu doppelter Anstrengung an; sie hätten den Sieg, den Alexander schon gewonnen, preisgegeben, wenn sie wichen. Den Kampf des gleichen Mutes und der gleichen Kraft machte der alte Haß zwischen Hellenen und Makedonen noch blutiger; man wütete doppelt, weil der Feind des Feindes Fluch und Todesseufzer verstand. Schon waren Ptolemaios, des Seleukos Sohn, der die vorletzte Taxis führte, zahlreiche Offiziere gefallen; nur kaum noch, mit äußerster Anstrengung hielt man hier das Gefecht, das sich in der Nähe des Gestades bereits für die Perser zu entscheiden schien.
Nabarzanes mit den persischen Reitern war über den Pinaros gesetzt und hatte sich mit solchem Ungestüm auf die thessalischen Reiter geworfen, daß eine der Ilen ganz zersprengt wurde, die anderen sich nur durch die Gewandtheit ihrer Pferde, sich immer wieder von neuem rasch sammelnd und bald da, bald dort dem Feinde mit neuem Schock zuvorkommend, zu behaupten vermochten; es war nicht möglich, daß sie auf die Dauer der Übermacht und der Wut der persischen Reiter widerstanden. Aber schon war der linke Flügel der Perser gebrochen, und Dareios suchte, statt in der Schlacht und bei seinen Getreuen, sein Heil in der Flucht. Alexander sah seine Phalangen in Gefahr; er eilte, sie zu retten, ehe er den flüchtigen König weiter verfolgte; er ließ seine Hypaspisten links schwenken und den griechischen Söldnern, während die Hopliten der Phalanx von neuem ansetzten, in die Flanke fallen, die, unfähig dem Doppelangriff zu widerstehen, geworfen, zersprengt, niedergemacht wurden. Die Massen hinter ihnen, die als Reserve hätten dienen und nun den Kampf aufnehmen können, waren der Flucht des Großkönigs gefolgt. Die Reiter des Nabarzanes, die noch im heißesten Kampf und im Vordringen waren, erreichte jetzt das Geschrei: »der König flieht«; sie begannen zu stocken, sich zu lockern, zu fliehen; von den Thessalern verfolgt jagten sie über die Ebene. Alles stürzte den Bergen zu, die Schluchten füllten sich; das Gedränge aller Waffen und Nationen, der zermalmende Hufschlag der stürzenden Pferde, das Geschrei der Verzweifelnden, die mörderische Wut ihrer Todesangst unter den Klingen und Spießen der verfolgenden Makedonen und deren jubelndes Siegesgeschrei – das war das Ende des glorreichen Tages von Issos.
Der Verlust der Perser war ungeheuer, der Walplatz mit Leichen und Sterbenden bedeckt, die Schluchten des Gebirges mit Leichen gesperrt, und hinter dem Wall von Leichen des Königs Flucht sicher.
Dareios, der, sobald Alexanders erster Angriff glückte, sein Viergespann gewendet hatte, war durch die Ebene bis zu den Bergen hingejagt; dann hemmte der jähe Boden die Eile, er sprang vom Wagen, ließ Mantel, Bogen und Schild zurück und warf sich auf eine Stute, die zu ihrem Füllen im Stall mit der Eile, die Dareios verlangte, heimjagte. Alexander setzte ihm nach, solange es Tag war; den Großkönig zu fangen, schien der Siegespreis des Tages; er fand in der Schlucht dessen Schlachtwagen, Schild, Mantel, Bogen; mit diesen Trophäen kehrte er ins Lager der Perser zurück, das ohne Kampf von seinen Leuten besetzt und zur Nachtruhe eingerichtet war.
Die Beute, die man machte, war, außer dem üppigen Prunke des Lagers und den kostbaren Waffen der persischen Großen, an Geld und Geldeswert nicht bedeutend, da die Schätze, die Feldgerätschaften, die Hofhaltungen des Großkönigs und der Satrapen nach Damaskus gesendet waren. Aber die Königin-Mutter Sisygambis, die Gemahlin des Dareios und deren Kinder fielen mit dem Lager, in dem sie über die Verwirrung der Flucht vergessen waren, in des Siegers Hand. Als Alexander, vom Verfolgen zurückgekehrt, mit seinen Offizieren im Zelte des Dareios zu Nacht aß, hörte er das Wehklagen und Jammern weiblicher Stimmen in der Nähe und erfuhr, daß es die königlichen Frauen seien, die Dareios für tot hielten, weil sie gesehen, wie sein Wagen, sein Bogen und Königsmantel im Triumph durch das Lager gebracht war; sogleich sandte er Leonnatos, einen der Freunde, an sie, mit der Versicherung: Dareios lebe, sie hätten nichts zu fürchten, er sei weder ihr noch Dareios persönlicher Feind, es handele sich im ehrlichen Kampf um Asiens Besitz, er werde ihren Rang und ihr Unglück zu ehren wisse. Er hielt ihnen sein Wort; nicht allein, daß sie die Schonung genossen, die dem Unglück gebührt, auch die Ehrerbietung, an die sie in den Tagen des Glückes gewöhnt waren, wurde ihnen nach wie vor gezollt, der Dienst um sie nach persischer Sitte fortgesetzt. Alexander wollte sie nicht als Kriegsgefangene, sondern als Königinnen gehalten, er wollte über den Unterschied von Griechen und Barbaren die Majestät des Königtums gestellt sehen. Hier zuerst wurde erkennbar, wie er sein Verhältnis zu Persien zu gestalten dachte. Unter gleichen Umständen hätten die Athener und Spartaner ihren Haß oder ihre Habgier das Schicksal der feindlichen Fürstinnen bestimmen lassen; Alexanders Benehmen war ebensosehr ein Beweis freierer oder doch weiterblickender Politik, wie sie für seinen hochherzigen Sinn zeugt. Seine Zeitgenossen priesen diesen, weil sie oder so lange sie jene nicht begriffen; fast keine Tat Alexanders haben sie mehr bewundert, als diese Milde, wo er den stolzen Sieger, diese Ehrerbietung, wo er den Griechen und den König hätte zeigen können; denkwürdiger als alles schien ihnen, daß er, darin größer als sein großes Vorbild Achill, das Recht des Siegers auf des Besiegten Gemahlin, die doch für die schönste aller asiatischen Frauen galt, geltend zu machen verschmähte; von ihrer Schönheit auch nur zu sprechen, wo er nahe war, verbot er, damit auch nicht ein Wort den Gram der edlen Frau vermehre. Man erzählte nachmals, der König sei, nur von seinem Lieblinge Hephaistion begleitet, in das Zelt der Fürstinnen gekommen, dann habe die Königin-Mutter, ungewiß, wer von beiden gleich glänzend gekleideten Männern der König sei, sich vor Hephaistion, der höher von Gestalt war, in den Staub geworfen, nach persischer Sitte anzubeten; aber da sie, durch Hephaistions Zurücktreten über ihren Irrtum belehrt, in der höchsten Bestürzung ihr Leben verwirkt geglaubt, habe Alexander lächelnd gesagt: »Du hast nicht geirrt, auch der ist Alexander«; dann habe er den sechsjährigen Knaben des Dareios auf den Arm genommen, ihn geherzt und geküßt.
Der Verlust des makedonischen Heeres in dieser Schlacht wird auf dreihundert Mann vom Fußvolk, hundertfünfzig Reiter angegeben. Der König selbst war am Schenkel verwundet. Trotzdem besuchte er am Tage nach der Schlacht die Verwundeten; er ließ die Gefallenen mit allem militärischen Gepränge, indem das ganze Heer wie zur Schlacht ausrückte, bestatten; die drei Altäre am Pinaros wurden ihr Denkmal, die Stadt Alexandreia am Eingange der syrischen Pässe das Denkmal des großen Tages von Issos, der mit einem Schlage die persische Macht vernichtet hatte.
Von dem persischen Heere sollen gegen hunderttausend Mann, darunter zehntausend Reiter, umgekommen sein. Daß es auf seinem linken Flügel zuerst geschlagen, nach dem Meere zu aufgerollt war, hatte die Reste desselben völlig zersprengt. Die Masse flüchtete über die Berge nach dem Euphrat; andere Haufen waren nordwärts in die kilikischen Berge geflohen und hatten sich von da nach Kappadokien, Lykaonien, Paphlagonien geworfen; teils Antigonos von Phrygien, teils Kalas von Kleinphrygien bewältigten sie. Von den hellenischen Söldnern retteten sich etwa achttausend vom Schlachtfelde über die amanischen Berge nach Syrien, erreichten, von Amyntas, dem makedonischen Flüchtling, geführt, in ziemlich geordnetem Rückzüge Tripolis, wo am Strande noch die Trieren lagen, auf denen sie gekommen waren; sie besetzten von diesen so viele, als zu ihrer Flucht nötig waren, verbrannten die anderen, um sie nicht den Feinden in die Hände fallen zu lassen, fuhren dann nach Kypros hinüber. Andere mögen auf andern Wegen die See erreicht haben und nach dem Tainaron gezogen sein, neue Dienste zu suchen. Mit denen auf Kypros wandte sich Amyntas nach Pelusion, dort des bei Issos gefallenen Satrapen Sabakes Stelle, mit der bereits der Perser Mazakes betraut war, an sich zu bringen. Schon war er bis vor die Tore von Memphis vorgedrungen, schon Herr des wichtigsten Teiles von Ägypten, als seine Söldner, durch ihre frechen Plünderungen verhaßt und wieder, um zu plündern, in der Gegend zerstreut, von den Ägyptern, die der Satrap aufgerufen, überfallen und sämtlich, Amyntas mit ihnen, erschlagen wurden.
Dareios selbst hatte auf seiner Flucht bis Onchai die Reste seines persischen Volkes und etwa viertausend hellenische Söldner gesammelt und mit diesen in unablässiger Eile seinen Weg nach Thapsakos fortgesetzt, bis er hinter dem Euphrat sich vor weiterer Gefahr sicher glaubte. Mehr als der Verlust der Schlacht und einiger Satrapien mochte der der Seinigen, mehr als die Schande der Niederlage und der Flucht die Schande, der er seine Gemahlin, die schönste Perserin, in den Händen des stolzen Feindes preisgegeben fürchtete, sein Herz kränken; und indem er über sein häusliches Unglück und seinen Kummer wohl die Gefahr und Ohnmacht, seines Reiches, aber nicht seinen erhabenen Rang vergaß, glaubte er Großes zu tun, wenn er dem Sieger in großmütiger Herablassung einen ersten Schritt entgegenkam. Er schickte bald nach der Schlacht Gesandte an Alexander mit einem Schreiben, das darlegte, wie dessen Vater Philipp mit dem Großkönig Artaxerxes in Freundschaft und Bundesgenossenschaft gestanden, aber nach dessen Tod gegen den Großkönig Arses zuerst und ohne den geringsten Anlaß von seiten Persiens Feindseligkeiten begonnen, wie dann bei dem erfolgten neuen Thronwechsel in Persien Alexander selbst versäumt habe, an ihn, den König Dareios, Gesandte zu senden, um die alte Freundschaft und Bundesgenossenschaft zu befestigen, vielmehr mit Heeresmacht nach Asien eingebrochen sei und den Persern vieles und schweres Unglück bereitet habe; deshalb habe er, der Großkönig, seine Völker versammelt und wider ihn geführt; da der Ausgang der Schlacht wider ihn entschieden habe, so fordere er, der König, von ihm, dem Könige, seine Gemahlin, seine Mutter und Kinder, die kriegsgefangen seien, ihm zurückzugeben; er erbiete sich, Freundschaft und Bundesgenossenschaft mit ihm zu schließen; er fordere ihn auf, die Überbringer dieser Botschaft, Meniskos und Arsimas, durch Bevollmächtigte zurückbegleiten zu lassen, um die nötigen Gewährleistungen zu geben und zu empfangen.
Auf dieses Schreiben und die anderweitigen mündlichen Eröffnungen der königlichen Botschafter antwortete Alexander in einem Schreiben, das er seinem Gesandten Thersippos, welcher mit jenen an den Hof des Dareios abging, an den König abzugeben befahl, ohne sich auf weitere mündliche Unterhandlungen einzulassen. Das Schreiben lautete:
›Eure Vorfahren sind nach Makedonien und in das übrige Hellas gekommen, und haben, ohne den geringsten Anlaß hellenischerseits, mannigfaches Unglück über uns gebracht. Ich, zum Feldherrn der Hellenen erwählt, und entschlossen, die Perser entgelten zu lassen, was sie an uns getan, bin nach Asien hinübergegangen, nachdem Ihr neuerdings Veranlassung zum Kriege gegeben habt. Denn die Perinthier, die meinen Vater beleidigt hatten, habt Ihr unterstützt, und nach Thrakien, über das wir Herren sind, hat Ochos Kriegsmacht gesandt; mein Vater ist unter den Händen von Meuchelmördern, die, wie Ihr selbst auch in Briefen an jedermann erwähnt habt, von Euch angestiftet wurden, umgekommen; mit Bagoas gemeinschaftlich hast Du den König Arses ermordet und Dir den persischen Thron unrechtmäßigerweise, nicht nach dem Herkommen der Perser, sondern mit Verletzung ihrer heiligsten Rechte angemaßt; Du hast in Beziehung auf mich Schreiben, die nichts weniger als freundschaftlich waren, den Hellenen, um sie zum Kriege gegen mich aufzureizen, zukommen lassen; hast an die Spartaner und gewisse andere Hellenen Geld gesendet, das zwar von keinem der andern Staaten, wohl aber von den Spartanern angenommen worden ist; hast endlich durch Deine Sendlinge meine Freunde zu verführen und den Frieden, den ich den Hellenen gegeben habe, zu stören gesucht. Aus diesen Gründen bin ich gegen Dich zu Felde gezogen, indem die Feindseligkeiten von Dir begonnen sind. Im gerechten Kampfe Sieger zuerst über Deine Feldherren und Satrapen, jetzt auch über Dich und die Heeresmacht, die mit Dir war, bin ich durch die Gnade der unsterblichen Götter auch des Landes Herr, das Du Dein nennst. Wer von denen, die in Deinen Reihen wider mich gekämpft haben, nicht im Kampfe geblieben ist, sondern sich zu mir und in meinen Schutz begeben hat, für den trage ich Sorge; keiner ist ungern bei mir, vielmehr treten alle gern und freiwillig unter meinen Befehl. Da ich so Herr über Asien bin, so komm' auch Du zu mir; solltest Du jedoch zu irgendeiner Besorgnis, im Fall Du kämest, Grund zu haben glauben, so sende einige Deiner Edlen, um die gehörigen Sicherheiten entgegenzunehmen. Bei mir angelangt, wirst Du um die Zurückgabe Deiner Mutter, Deiner Gemahlin, Deiner Kinder und um was Du sonst willst, bittend geneigtes Gehör finden; was Du von mir verlangen wirst, soll Dir werden. Übrigens hast Du, wenn Du von neuem an mich schickest, als an den König von Asien zu senden, auch nicht an mich wie an deinesgleichen zu schreiben, sondern mir, dem Herrn alles dessen, was Dein war, Deine Wünsche mit der gebührenden Ergebenheit vorzulegen, widrigenfalls ich mit Dir als dem Beleidiger meiner königlichen Majestät verfahren werde. Bist Du aber über den Besitz der Herrschaft anderer Meinung, so erwarte mich noch einmal zum Kampf um dieselbe im offenen Felde, und fliehe nicht; ich für mein Teil werde Dich aufsuchen, wo Du auch bist.‹
Ist dieses Schreiben, so wie es vorliegt, erlassen worden, so war es nicht bloß für den geschrieben, an den es gerichtet war, sondern ein Manifest, das der Sieger zugleich an die Völker Asiens und an die Hellenen richtete.
Auch an die Hellenen. Noch war die Perserflotte im Ägäischen Meere und ihre Nähe nährte die Aufregung in den Staaten von Hellas. Ein Sieg dort, eine dreiste Landung auf dem Isthmos oder in Euböa hätte mit der dann unzweifelhaften Schilderhebung der Hellenen unberechenbare Wirkungen gehabt, Makedonien selbst sehr ernsten Gefahren ausgesetzt. Darum, so scheint es, war Alexander so spät von Gordion aufgebrochen; er hätte im Notfalle von dort in fünfzehn Tagemärschen den Hellespont erreichen können. Vielleicht erst die Nachricht von der Abführung der hellenischen Söldner nach Tripolis mochte ihn zum Aufbruch bestimmt haben; ohne diese durften die Bewegungen der persischen Flotte, die überdies um die in Tripolis bleibenden Schiffe gemindert war, seinem militärischen Blick als bloße Ostentation erscheinen.
Bei weitem nicht so urteilten die Patrioten in Hellas. Wie mochte ihnen dar Mut wachsen, als Hegelochos durch den tapferen Beschluß der Athener, hundert Trieren in See zu schicken, geschreckt, die angehaltenen attischen Schiffe freigegeben hatte; wie gar, als die makedonische Besatzung in Mitylene gezwungen wurde, zu kapitulieren, die ganze Insel zum antalkidischen Frieden zurückkehrte, Tenedos die mit Alexander und dem korinthischen Bunde geschlossenen Verträge aufgeben und sich wieder zu dem antalkidischen Frieden bekennen mußte. Der glorreiche antalkidische Friede war dem hellenischen Patriotismus das rettende Prinzip, unter diesem Banner gedachte man den Greuel des korinthischen Bundes aus dem Felde zu schlagen. Damals wurde auf der attischen Rednerbühne mit offenen Worten der Bruch mit Alexander empfohlen, trotz der geschlossenen Verträge; »in diesen steht«, sagte ein Redner, »wenn wir teilhaben wollen an dem gemeinen Frieden; also können wir auch das Gegenteil wollen«.
Noch beherrschte die persische Flotte, trotz der kleinen Niederlage, die Datames erlitten, das Ägäische Meer. Nach der Einnahme von Tenedos hatten die persischen Admirale ein Geschwader unter Aristomenes in den Hellespont gesandt, sich der Küsten dort zu bemächtigen, sie selbst waren die ionische Küste brandschatzend nach Chios gegangen; freilich versäumten sie die wichtige Position von Halikarnaß zu decken, wo Othontopates noch die Seeburg hielt; diese fiel – in Soloi erhielt Alexander die Nachricht davon – in die Hand der Makedonen; nach dem schweren Verlust an Mannschaft, den die Perser erlitten, mußten wohl auch die Punkte auf dem Festlande, die sie noch hatten, Myndos, Kaunos, das Triopion aufgegeben werden; nur Kos, Rhodos, Kalymna, damit der Eingang in die Bucht von Halikarnaß blieben noch persisch. Sie wußten, daß Dareios bereits über den Euphrat vorgerückt sei, mit einem Heere, in dem die griechischen Söldner allein der ganzen Armee Alexanders gleichkamen, mit einer unermeßlichen Übermacht an Reitern.
Es ist nicht klar, welche Motive die nächst weitere Aktion der Admirale bestimmten, ob das Vordringen des Hegelochos, der auf Alexanders Weisung von neuem eine Flotte im Hellespont gesammelt hatte, dem Aristomenes mit seinem Geschwader erlag, der Tenedos wieder gewann, oder die Absicht, mit der erwarteten Niederlage Alexanders zugleich die allgemeine Empörung in Hellas aufflammen zu machen. Sie ließen eine Besatzung in Chios, einige Schiffe bei Kos und Halikarnaß zurück; sie gingen mit hundert Schiffen, den am besten fahrenden, nach Siphuos. Dort kam König Agis zu ihnen, freilich mit nur einer Triere, aber mit einem großen Plan, zu dessen Ausführung er sie ersuchte, so viel Schiffe und Truppen als möglich mit ihm nach dem Peloponnes zu senden, ihm Geld zu weiteren Werbungen zu geben. Auch in Athen war die Stimmung auf das höchste erregt, oder doch die Patrioten bemüht, sie zu entzünden; »als Alexander«, sagt Äschines drei Jahre später, in einer Rede gegen Demosthenes, »in Kilikien eingeschlossen war und Mangel an allem litt, wie du sagtest, und nächster Tage, wie deine Worte waren, von der persischen Reiterei niedergestampft sein sollte, da faßte das Volk deine Zudringlichkeiten nicht, noch die Briefe, die du in deinen Händen haltend umhergingst, mochtest du auch den Leuten mein Gesicht zeigen, wie entmutigt und verstört es aussehe, auch wohl mich als das Opfertier bezeichnen, das fallen werde, sobald dem Alexander etwas begegnet sei«. Und doch, sagt Äschines, empfahl Demosthenes noch zu zögern; desto eifriger mögen Hypereides, Moirokles, Kallisthenes gedrängt haben, mit Agis vereint die hellenischen Staaten, die nur das Zeichen zum Abfall zu erwarten schienen, gegen Antipatros und Makedonien zu führen. Es muß dahingestellt bleiben, ob auch mit Harpalos Verbindungen angeknüpft wurden, dem Schatzmeister Alexanders, der sich jüngst, gewiß nicht mit leeren Händen, aus dem Staube gemacht hatte und nun in Megara war.
Aber statt der erwarteten Siegesnachricht aus Kikidien kam die von der gänzlichen Niederlage des Großkönigs, von der völligen Vernichtung des Perserheeres. Die Athener mochten Gott danken, daß sie noch nichts getan, was sie weiter zu gehen zwang. Die persischen Admirale eilten zu retten, was noch zu retten war. Pharnabazos segelte mit zwölf Trieren und eintausendfünfhundert Söldnern nach der Insel Chios, deren Abfall er fürchten mußte, Autophradates mit dem größeren Teil der Flotte – auch die tyrischen Schiffe unter dem Könige Azemilkos waren mit ihm – nach Halikarnaß. König Agis erhielt statt der großen Land- und Seemacht, die er gefordert hatte, dreißig Talente und zehn Schiffe; er sandte sie seinem Bruder Agesilaos nach dem Tainaron mit der Weisung, den Schiffsleuten die volle Löhnung auszuzahlen und dann nach Kreta zu eilen, um sich der Insel zu versichern; er selbst folgte nach einigem Aufenthalt in den Kykladen dem Autophradates nach Halikarnaß. An Unternehmungen zur See konnte nicht weiter gedacht werden, da die phönikischen Geschwader – denn daß Alexander nicht nach dem Euphrat marschierte, zeigte sich bald genug – nur die Jahreszeit abwarteten, um in die Heimat zu segeln, die sich vielleicht schon den Makedonen hatte ergeben müssen. Auch die kyprischen Könige glaubten für ihre Insel fürchten zu müssen, sobald die phönikische Küste in Alexanders Gewalt war.
Es ist neuerer Zeit wohl als seltsam, als planlos bezeichnet worden, daß Alexander nicht nach der Schlacht von Issos die Verfolgung der Perser fortgesetzt, den Euphrat zu überschreiten sich beeilt habe, um dem Reich der Perser ein Ende zu machen. Es wäre töricht gewesen, er würde einen Stoß in die Luft getan haben, während sein Rücken noch keineswegs gesichert war. Der Zug der hellenischen Söldner nach Pelusion konnte ihn daran erinnern, daß er Ägypten haben mußte, wenn er seinen Marsch ins Innere Asiens sicher basieren wollte. Nicht Babylon und Susa waren der Siegespreis für Issos, sondern daß die Küste des Mittelmeeres bis zum öden Strand der Syrte ihm offenstand, daß zunächst Phönikien, dies unerschöpfliche Arsenal des Perserreiches, mochte es sich unterwerfen oder verteidigen wollen, seine Flotte aus den griechischen Meeren zurückziehen mußte, daß damit die von Sparta begonnene Bewegung, ohne jede weitere Unterstützung vonseiten Persiens, bald gebrochen werden konnte, daß endlich mit der Besetzung des Nillandes, der dann kein wesentliches Hindernis weiter entgegentreten konnte, die Operationsbasis für den Feldzug nach dem weiteren Osten ihre volle Breite und Festigkeit hatte.
Dem entsprechend mußte der Gang der weiteren Unternehmungen sein. Alexander sandte Parmenion mit den thessalischen Reitern und anderen Truppen das Tal des Orontes aufwärts nach Damaskus, der Hauptstadt Koilesyriens, wohin die Kriegskasse, das Feldgerät, die ganze kostbare Hofhaltung des Großkönigs, sowie die Frauen, Kinder, Schätze der Großen von Sochoi aus gesendet worden waren. Durch den Verrat des syrischen Satrapen, der mit den Schätzen und der Karawane so vieler edler Perserinnen und ihrer Kinder flüchten zu wollen vorgab, fielen diese und die Stadt in Parmenions Hände. Die Beute war ungemein groß; unter den vielen Tausend Gefangenen befanden sich die Gesandten von Athen, Sparta und Theben, die vor der Schlacht von Issos an Dareios gekommen waren. Auf Parmenions Bericht von dieser Expedition befahl Alexander, alles, was an Menschen und Sachen in seine Hände gefallen sei, nach Damaskus zurückzubringen und zu bewachen, die griechischen Abgeordneten ihm sofort zuzuschicken. Sobald diese angekommen waren, entließ er die beiden Thebaner ohne weiteres teils aus Rücksicht für ihre Person, indem der eine Thessaliskos, des edlen Ismenias Sohn, der andere Dionysidoros, ein olympischer Sieger war, teils aus Mitleid mit ihrer unglücklichen Vaterstadt und dem nur zu verzeihlichen Haß der Thebaner gegen Makedonien; den Athener Iphikrates, den Sohn des Feldherrn gleichen Namens, behielt er aus Achtung für dessen Vater und um den Athenern einen Beweis seiner Nachsicht zu geben, in hohen Ehren um seine Person; der Spartiate Euthykles dagegen, dessen Vaterstadt gerade jetzt offenbaren Krieg begonnen hatte, wurde vor der Hand als Gefangener zurückbehalten; er ist späterhin, als die immer größeren Erfolge der makedonischen Waffen das Verhältnis zu Sparta änderten, in seine Heimat entlassen worden.
Während Parmenions Zug nach Damaskus hatte Alexander die Verhältnisse Kilikiens geordnet. Wir erfahren wenig darüber, aber das Wenige ist bezeichnend. Dies Gebiet, das militärisch wichtiger war, als irgendein anderes, und das in den freien und tapferen Stämmen des Tauros eine gefährliche Umgebung hatte, mußte in durchaus feste Hand gelegt werden. Der König übertrug es einem der sieben Leibwächter, dem Balakros, Nikanors Sohn; es scheint, daß ihm mit der Satrapie zugleich die Strategie übertragen wurde; wir finden demnächst des Balakros Kämpfe gegen die Isaurier erwähnt. Man glaubt unter den Münzen Alexanders vom älteren Typus eine bedeutende Zahl von kilikischem Gepräge zu erkennen. Für Syrien, so weit es durch Parmenion besetzt war – Koilesyrien – wurde Menon zum Satrapen ernannt. Über Phönikien konnte der König noch nicht verfügen; dort erwarteten ihn nicht geringe Schwierigkeiten.
Die politische Stellung der phönikischen Städte im Perserreich war besonderer Art, eine Folge ihrer geographischen Lage und ihrer inneren Verhältnisse. Seit Jahrhunderten zur See mächtig, entbehrten sie des für Seemächte fast unentbehrlichen Vorteils der insularen Lage; sie waren nacheinander die Beute der Assyrer, der Babylonier, der Perser geworden. Aber auf der Landseite durch die hohen Bergketten des Libanon fast vom Binnenlande abgeschnitten und teilweise auf kleinen Küsteninseln erbaut, die wenigstens dem unmittelbaren und fortwährenden Einfluß der auf dem Festlande herrschenden Macht nicht ganz zur Hand waren, behaupteten sie mit ihrer alten Verfassung die alte Selbständigkeit insoweit, daß sich die Perserkönige gern mit der Oberherrlichkeit und der Befugnis, die phönikische Flotte aufzubieten, begnügten. Die einst sehr bedrohliche Rivalität der Griechen in Kauffahrtei, Industrie, Seemacht war, seitdem der alte attische Seebund zusammengebrochen war, überholt; und selbst in den Zeiten der völligen Unabhängigkeit dieser Städte war ihre Betriebsamkeit und ihr Wohlstand vielleicht nicht so groß gewesen wie jetzt unter der Perserherrschaft, die ihrem Handel ein unermeßliches Hinterland sicherte. Während sonst in allen dem Perserreiche einverleibten Ländern die frühere volkstümliche Zivilisation entartet oder vergessen war, blieb in Phönikien der alte Handelsgeist und die Art von Freiheit, die der Betrieb des Handels fordert. Auch bei den Phönikern hatte es nicht an Versuchen gefehlt, sich der Herrschaft des Großkönigs zu entziehen; wenn es trotz der Erschlaffung der Persermacht damit nicht gelungen war, so lag der Grund in der inneren Verfassung und mehr noch in den scharf ausgeprägten Sonderinteressen der untereinander eifersüchtigen Städte. Als zur Zeit des Königs Ochos Sidon auf dem Bundestage zu Tripolis die beiden anderen Hauptstädte des Bundes, Tyros und Arados, zur Teilnahme an der Empörung aufrief, versprachen sie Hilfe, warteten aber untätig das Ende eines Unternehmens ab, das, falls es glückte, sie mit befreite, falls es mißglückte, mit Sidons Verlusten ihre Macht und ihren Handel mehren mußte. Sidon unterlag, brannte nieder, verlor die alte Verfassung und Selbständigkeit, und Byblos, so scheint es, trat statt ihrer in den Bundesrat von Tripolis, oder hob sich wenigstens seit dieser Zeit so, daß es fortan neben Arados und Tyros eine Rolle zu spielen vermochte.
Die neun Städte von Kypros, in ihrem Verhältnis zum Perserreiche den phönikischen ähnlich, aber durch ihren zum Teil hellenischen Ursprung und die größere Gunst ihrer Lage ungeduldiger frei zu sein, hatten zu gleicher Zeit mit Sidon, König Pnytagoras von Salamis an ihrer Spitze, sich empört, waren aber unter Pnytagoras Bruder Euagoras bald nach Sidons Fall zum Gehorsam zurückgekehrt; und wenn nach einiger Zeit Pnytagoras die Herrschaft von Salamis wieder erhielt, so war völlige Hingebung an das persische Reich die Bedingung gewesen, unter der er, wie ehedem, der erste unter den kleinen Fürsten von Cypern sein durfte.
Zwanzig Jahre waren nach jenem Aufstande verflossen, als Alexander seinen Krieg gegen Persien begann. Die Schiffe der Phöniker unter ihren ›Königen‹, die von Tyros unter Azemilkos, die der Aradier unter Gerostratos, die von Byblos unter Enylos, ihnen zugesellt die von Sidon, ferner die kyprischen Schiffe unter Pnytagoras und den anderen Fürsten, waren auf des Perserkönigs Aufruf in die hellenischen Gewässer gegangen, hatten dort, freilich bald unter schlaffer Führung, ohne großen Erfolg den Krieg geführt. Die Schlacht von Issos änderte für die phönikischen Städte die Lage der Dinge völlig. Wenn sie gemeinsame Sache gemacht, wenn sie ihre Seemacht vereinigt hätten, jeden Punkt, auf den sich der Feind werfen wollte, gemeinsam zu unterstützen, wenn die Admirale des Großkönigs die hellenischen Gewässer und die jetzt wirkungslose Offensive aufgegeben hätten, um die phönikischen Häfen zu verteidigen, so ist nicht abzusehen, wie die nur kontinentale Macht des Eroberers es über die maritime Verteidigung dieser befestigten und volkreichen Städte hätte davontragen sollen. Aber die phönikischen Städte waren trotz ihres Bundes nichts weniger als geeint, am wenigsten seit dem, was sie an Sidon hatten geschehen lassen. Die Sidonier werden den Sieg von Issos mit Jubel begrüßt haben; sie durften hoffen, durch Alexander wieder zu erhalten, was sie im Kampfe gegen den persischen Despoten eingebüßt hatten. Byblos, durch Sidons Fall gehoben, mußte ebenso besorgt sein, alles zu verlieren, wie es, auf dem Festlande gelegen, unfähig war, dem siegreichen Heere Alexanders zu widerstehen; Arados und Tyros dagegen lagen im Meere; doch hatte Arados, weniger durch ausgebreiteten Handel als durch Besitzungen auf dem Festlande mächtig, durch Alexanders Heranrücken mehr zu verlieren als Tyros, das mit den achtzig Schiffen, die es noch daheim hatte, sich auf seiner Insel sicher glaubte.
Als nun Alexander vom Orontes her sich dem Gebiete der phönikischen Städte näherte, kam ihm auf dem Wege Straton, des aradischen Fürsten Gerostratos Sohn, entgegen, überreichte ihm, namens seines Vaters, einen goldenen Kranz und unterwarf ihm dessen Gebiet, welches den nördlichsten Teil der phönikischen Küste umfaßte und sich eine Tagereise weit landeinwärts bis zur Stadt Mariamne erstreckte; auch die große Stadt Marathos, in der sich Alexander einige Tage aufhielt, gehörte zum Gebiete von Arados. Auf seinem weiteren Zuge nahm er Byblos durch vertragsmäßige Übergabe. Die Sidonier eilten, sich dem Sieger der verhaßten Persermacht zu ergeben; Alexander nahm auf ihre ehrenvolle Einladung die Stadt in Besitz, gab ihr ihr früheres Gebiet und ihre frühere Verfassung wieder, indem er dem Abdollonymos, einem in Armut lebenden Nachkommen der sidonischen Könige, die Herrschaft übertrug; er brach dann nach Tyros auf.
Auf dem Wege dahin begrüßte ihn eine Deputation der reichsten und vornehmsten Bürger von Tyros, an ihrer Spitze der Sohn des Fürsten Azemilkos; sie erklärten, daß die Tyrier bereit seien zu tun, was Alexander verlangen werde. Der König dankte ihnen und belobte ihre Stadt: er gedenke nach Tyros zu kommen, um im Tempel des tyrischen Herakles ein feierliches Opfer zu halten.
Es war gerade das, was die Tyrier nicht wollten; unter den jetzigen Verhältnissen, darüber waren die Lenker der Stadt einig, müsse sie, wie zur Zeit der sidonischen Empörung mit so glücklichem Erfolge geschehen sei, mit der strengsten Neutralität ihre Unabhängigkeit sichern, um bei jedem Ausgange des Krieges ihren Vorteil zu finden; und sie könne es, da die Marine der Stadt trotz dem im Ägäischen Meere befindlichen Geschwader bedeutend genug sei, den gefaßten Beschlüssen Achtung zu verschaffen; noch habe die persische Seemacht in allen Meeren die Oberhand, und Dareios rüste schon ein neues Heer, um das weitere Vordringen der Makedonen zu hemmen; wenn er siege, so werde die Treue der Tyrier um so reicher belohnt werden, da bereits die übrigen phönikischen Städte die persische Sache verraten hätten; unterliege er, so werde Alexander, ohne Seemacht wie er sei, vergebens gegen die Stadt im Meere zürnen, Tyros dagegen noch immer Zeit haben, auf seine Flotte, seine Bundesgenossen in Kypros, dem Peloponnes und Libyen, sowie auf die eigenen Hilfsmittel und die unangreifbare Lage der Stadt gestützt, mit Alexander die Bedingungen, die dem Interesse der Stadt entsprächen, einzugehen. Überzeugt, eine Auskunft, die zugleich schicklich, gefahrlos und ersprießlich sei, gefunden zu haben, meldeten die Tyrier dem makedonischen Könige ihren Beschluß: sie würden sich geehrt fühlen, wenn er ihrem heimischen Gott in dem Tempel von Alttyros auf dem Festlande seine Opfer darbringe; sie seien bereit ihm zu gewähren, was er sonst fordern werde, ihre Inselstadt müsse für die Makedonen und Perser geschlossen bleiben.
Alexander gab sofort alle weiteren Unterhandlungen auf; er beschloß das zu erzwingen, was für den Fortgang seiner Unternehmungen ihm unentbehrlich war. Das seemächtige Tyros, neutral in seinem Rücken, hätte allem Übelwollen und Abfall in den hellenischen Landen, hätte dem schon begonnenen Kampf des Königs Agis, dessen Bruder schon Kreta gewonnen hatte, einen Mittelpunkt und Halt gegeben. Er berief die Strategen, Ilarchen, Taxiarchen, sowie die Führer der Bundestruppen, teilte das Geschehene mit und eröffnete seine Absicht, Tyros um jeden Preis einzunehmen; weder könne man den Marsch nach Ägypten wagen, so lange die Perser noch eine Seemacht hätten, noch den König Dareios verfolgen, während man die Stadt Tyros mit ihrer offenbar feindlichen Gesinnung, dazu Ägypten und Kypros, die noch in den Händen der Perser seien, im Rücken habe; der griechischen Angelegenheiten wegen sei das noch weniger möglich; mit Hilfe der Tyrier könnten sich die Perser wieder der Seeküsten bemächtigen und, während man auf Babylon losgehe, mit noch größerer Heeresmacht den Krieg nach Hellas hinüberspielen, wo die Spartaner schon offenbar aufgestanden seien, und die Athener bisher mehr die Furcht als der gute Wille für Makedonien zurückgehalten habe; werde dagegen Tyros eingenommen, so habe man Phönikien ganz, und die phönikische Flotte, der größte und schönste Teil der persischen Seemacht, werde sich zu Makedonien halten müssen; denn weder die Matrosen, noch die übrige Bemannung der phönikischen Schiffe würden, während ihre eigenen Städte besetzt wären, den Kampf zur See auszufechten geneigt sein; Kypros würde sich gleichfalls entschließen müssen zu folgen, oder sofort von der makedonisch-phönikischen Flotte genommen werden; habe man aber einmal die See mit der vereinten Seemacht, zu der auch noch die Schiffe von Kypros kämen, so sei Makedoniens Übergewicht auf dem Meere entschieden, der Zug nach Ägypten sicher und des Erfolges gewiß; und sei erst Ägypten unterworfen, so brauche man wegen der Verhältnisse in Hellas nicht weiter besorgt zu sein; den Zug nach Babylon könne man, über die heimischen Zustände beruhigt, mit desto größeren Erwartungen beginnen, da dann die Perser zugleich vom Meere und von den Ländern diesseits des Euphrat abgeschnitten seien. Die Versammlung überzeugte sich von der Notwendigkeit, die stolze Seestadt zu unterwerfen; aber ohne Flotte sie zu erobern, schien unmöglich. Immerhin unmöglich für den ersten Blick; aber das als notwendig Erkannte mußte auch zu ermöglichen sein; kühne Pläne durch kühnere Mittel zu verwirklichen gewohnt, beschloß Alexander die Inselstadt landfest zu machen, um dann die eigentliche Belagerung zu beginnen.
Neutyros, auf einer Insel von einer halben Meile Länge und geringerer Breite erbaut, war vom festen Lande durch eine Meerenge von etwa tausend Schritt Breite getrennt, die in der Nähe der Insel etwa noch drei Faden Fahrwasser hatte, in der Nähe des Festlandes dagegen seicht und schlammig war. Alexander beschloß an dieser Stelle einen Damm durch das Meer zu legen; das Material dazu lieferten die Gebäude des von den Einwohnern verlassenen Alttyros und die Zedern des nahen Libanon; Pfähle ließen sich leicht in den weichen Meeresgrund treiben, und der Schlick diente dazu, die eingelassenen Werkstücke miteinander zu verbinden. Mit dem größten Eifer wurde gearbeitet, der König selbst war häufig zugegen; Lob und Geschenke machten den Soldaten die harte Arbeit leicht.
Die Tyrier hatten bisher, auf ihre Schiffe, auf die Stärke und Höhe ihrer Mauern vertrauend, ruhig zugesehen; jetzt schien es Zeit, den übermütigen Feind die Torheit seines Wagnisses und die Überlegenheit einer uralten Meisterschaft in der Maschinenkunst erfahren zu lassen. Der Damm erreichte bereits das tiefere Fahrwasser; sie brachten auf die dem Lande zugewandte Stelle ihrer hohen Mauer so viel Geschütz als möglich zusammen und begannen Pfeile und Steine gegen die ungedeckten Arbeiter auf dem Damm zu schleudern, während diese zugleich von beiden Seiten durch die Trieren der Tyrier hart mitgenommen wurden. Zwei Türme, die Alexander auf dem Ende des Dammes errichten ließ, mit Schirmdecken und Fellen überhangen und mit Wurfgeschütz versehen, schützten die Arbeiter vor den Geschossen von der Stadt her und vor den Trieren; mit jedem Tage rückte der Damm, wenn auch wegen des tieferen Meeres langsamer, vor. Dieser Gefahr zu begegnen bauten die Tyrier einen Brander in folgender Weise. Ein Frachtschiff wurde mit dürrem Reisig und anderen leicht entzündbaren Stoffen angefüllt, dann am Galeon zwei Mastbäume befestigt und mit einer möglichst weiten Galerie umgeben, um in derselben mehr Stroh und Kien aufhäufen zu können; überdies brachte man noch Pech und Schwefel und andere Dinge der Art hinein; ferner wurden an die beiden Masten doppelte Rahen befestigt, an deren Enden Kessel mit allerlei das Feuer schnell verbreitenden Brennstoffen hingen; endlich wurde der hintere Teil des Schiffes schwer geballastet, um das vordere Werk möglichst über den Wasserspiegel emporzuheben. Bei dem nächsten günstigen Winde ließen die Tyrier diesen Brander in See gehen; einige Trieren nahmen ihn ins Schlepptau und brachten ihn gegen den Damm; dann warf die in dem Brander befindliche Mannschaft Feuer in den Raum und die Masten und schwamm zu den Trieren, die das brennende Gebäude mit aller Gewalt gegen die Spitze des Dammes trieben. Der Brander erfüllte, von einem starken Nordwestwinde begünstigt, vollkommen seinen Zweck; in kurzer Zeit standen die Türme, die Schirmdächer, die Gerüste und Faschinenhaufen auf dem Damm in hellen Flammen, während sich die Trieren an den Damm ober dem Winde vor Anker legten und durch ihr Geschütz jeden Versuch, den Brand zu löschen, vereitelten. Zugleich machten die Tyrier einen Ausfall, ruderten auf einer Menge von Booten über die Bai heran, zerstörten in kurzem die Pfahlroste vor dem Damm und zündeten die Maschinen, die noch übrig waren, an. Durch das Fortreißen jener Rosten wurde der noch unfertige Teil des Dammes entblößt und den immer heftiger anstürmenden Wellen preisgegeben, so daß der vordere Teil des Werkes durchrissen und hinweggespült in den Wellen verschwand.
Man hat wohl gesagt, Alexander habe nach diesem unglücklichen Ereignis, das ihn nicht bloß eine Menge Menschen und alle Maschinen gekostet, sondern auch die Unmöglichkeit, Tyros vom Lande her zu bewältigen, gezeigt habe, die Belagerung ganz aufgeben, den von Tyros angebotenen Vertrag annehmen und nach Ägypten ziehen sollen. Das wäre nach seinem Charakter und nach seinen Plänen noch unmöglicher gewesen, als die Eroberung der Insel. Je mächtiger und unabhängiger Tyros seiner Landmacht gegenüberstand, desto notwendiger war es, die stolze Stadt zu demütigen; je zweifelhafter der Erfolg besorglicheren Gemütern erscheinen mochte, desto bestimmter mußte Alexander ihn erzwingen; ein Schritt rückwärts, ein aufgegebener Plan, eine halbe Maßregel hätten alles vereitelt.
In dieser Zeit mag es gewesen sein, daß von neuem Gesandte des Dareios eintrafen, die für des Großkönigs Mutter, Gemahlin und Kinder ein Lösegeld von zehntausend Talenten, ferner den Besitz des Landes diesseits des Euphrat, endlich mit der Hand seiner Tochter Freundschaft und Bundesgenossenschaft anboten. Als Alexander seine Generale versammelte und ihnen die Anträge des Perserkönigs mitteilte, waren die Ansichten sehr geteilt; Parmenion namentlich äußerte, daß, wenn er Alexander wäre, er unter den gegenwärtigen Umständen jene Bedingungen annehmen und sich nicht länger dem wechselnden Glück des Krieges aussetzen würde. Alexander antwortete: auch er würde, wenn er Parmenion wäre, also handeln; doch da er Alexander sei, so laute seine Antwort an Dareios: daß er weder Geld von Dareios brauche, noch des Landes einen Teil statt des Ganzen nehme; was Dareios an Land und Leuten, an Geld und Gut habe, sei sein, und wenn es ihm beliebe Dareios Tochter zu heiraten, so könne er es, ohne daß Dareios sie ihm gebe; er möge in Person kommen, wenn er etwas von seiner Güte empfangen wolle.
Mit doppeltem Eifer wurden die Belagerungsarbeiten fortgesetzt, namentlich der Damm vom Lande aus in größerer Breite wiederhergestellt, um einerseits dem Werke selbst mehr Festigkeit zu geben, andererseits mehr Raum für Türme und Maschinen zu gewinnen. Zu gleicher Zeit erhielten die Kriegsbaumeister den Auftrag, neue Maschinen sowohl für den Dammbau als für den Sturm auf die mächtigen Mauern zu errichten. Alexander selbst ging während dieser vorbereitenden Arbeiten mit den Hypaspisten und Agrianern nach Sidon, dort eine Flotte zusammenzubringen, mit der er Tyros zu gleicher Zeit von der Seeseite her blockieren könne. Gerade jetzt – es mag um Frühlingsanfang gewesen sein – kamen die Schiffe von Arados, Byblos und Sidon aus den hellenischen Gewässern zurück, wo sie auf die Nachricht von der Schlacht bei Issos sich von der Flotte des Autophradates getrennt und, sobald es die Jahreszeit erlaubte, zur Heimfahrt aufgemacht hatten; es waren an achtzig Trieren unter Gerostratos von Arados und Enylos von Byblos; auch die Stadt Rhodos, die sich vor kurzem für Alexanders Sache entschieden hatte, sandte zehn Schiffe; dann lief auch das schöne Geschwader der kyprischen Könige, von etwa hundertundzwanzig Segeln, in den Hafen von Sidon ein; dazu kamen einige Schiffe aus Lykien und Kilikien und selbst ein makedonisches, das Proteas, der Neffe des schwarzen Kleitos, der sich durch seinen Überfall bei Siphnos ausgezeichnet hatte, führte, so daß sich Alexanders Seemacht wohl auf zweihundertundfünfzig Schiffe belief, darunter auch Vier- und Fünfruderer.
Während die Flotte vollständig ausgerüstet und der Bau der Maschinen beendet wurde, unternahm Alexander einen Streifzug gegen die arabischen Stämme im Antilibanon, deren Unterwerfung um so wichtiger war, da sie die Straßen, die vom Tale des Orontes nach der Küste führen, beherrschten und die Karawanen aus Chalybon und Damaskus von ihren festen Bergschlössern aus überfallen konnten. Von einigen Geschwadern der Ritterschaft, von den Hypaspisten, den Agrianern und Bogenschützen begleitet, durchzog der König die schönen Täler der Libanonketten; mehrere Schlösser der Araber wurden erstürmt, andere ergaben sich freiwillig, alle erkannten die Oberherrschaft des makedonischen Königs an, der nach elf Tagen schon wieder nach Sidon zurückkehrte, wo kurz vorher viertausend Mann griechische Söldner, die Kleandros geworben, sehr zur rechten Zeit eintrafen. Die Rüstungen zur förmlichen Belagerung des mächtigen Tyros waren so weit, daß Alexander, nachdem er die Bemannung seiner Schiffe um in offener Seeschlacht und namentlich im Entern ein entschiedenes Übergewicht über die Tyrier zu haben, mit Hypaspisten verstärkt hatte, von der Reede von Sidon aus in See stechen konnte. In voller Schlachtlinie steuerte er auf Tyros los, auf dem linken Flügel Krateros und Pnytagoras, er selbst mit den übrigen Königen und den phönikischen auf dem rechten; er gedachte die tyrische Flotte womöglich sogleich durch eine Schlacht von der See zu verdrängen und dann durch Sturm oder Blockade die Stadt zur Übergabe zu zwingen.
Die Stadt hat zwei Häfen, beide auf der dem Lande zugekehrten Seite der Insel, der sidonische rechts von dem Damm der Makedonen, der ägyptische links, durch den weit vorspringenden südlichen Teil der Insel vom offenen Meer entfernter. Die Tyrier hatten, solange sie nicht wußten, daß sich die kyprischen und phönikischen Geschwader unter Alexanders Befehl befanden, die Absicht gehabt, ihm zu einer Seeschlacht entgegenzusegeln; jetzt sahen sie am Horizont die ausgedehnte Schlachtlinie der feindlichen Flotte herauffahren, mit der es ihre Schiffe, an Zahl wohl dreimal schwächer, um so weniger aufzunehmen wagen durften, da sie die beiden Häfen vor einem Überfall schützen mußten, wodurch die Zahl der disponiblen Schiffe noch mehr verringert wurde. Sie begnügten sich, die enge Mündung des Nordhafens, der dem ersten Angriffe ausgesetzt war, durch eine dicht gedrängte Reihe von Trieren mit seewärts gewandten Schnäbeln so zu sperren, daß jeder Versuch zum durchbrechen unmöglich war. Alexander seinerseits hatte, sobald seine Geschwader auf die Höhe von Tyros gekommen waren, haltmachen lassen, um die feindliche Flotte zum Gefecht zu erwarten, war dann, als kein feindliches Schiff ihm entgegenkam, unter vollem Ruderschlage gegen die Stadt losgesteuert, vielleicht in der Hoffnung, durch einen heftigen Anlauf den Hafen zu gewinnen. Die dichte Reihe der Trieren in der engen Hafenmündung zwang ihn diesen Plan aufzugeben; nur drei Schiffe, die am weitesten aus dem Hafen hinauslagen, wurden in den Grund gebohrt; die Besatzung rettete sich durch Schwimmen zum nahen Ufer.
Alexander hatte die Flotte nicht fern von dem Damm sich an den Strand legen lassen, wo sie Schutz vor dem Winde hatte. Am folgenden Tage ließ er die Blockade der Stadt beginnen. Die kyprischen Schiffe unter dem Admiral Andromachos und ihren eigenen Königen sperrten den Nordhafen, während die phönikischen, bei denen er selbst blieb, sich vor den ägyptischen Hafen legten. Es galt nun, die Maschinen und Türme nahe genug an die Mauer zu bringen, um entweder Bresche zu legen oder Fallbrücken auf die Zinnen zu werfen. Zu dem Ende war nicht bloß der Damm mit einer Menge von Maschinen bedeckt, sondern auch eine große Anzahl von Lastschiffen und alle Trieren, die nicht besonders segelten, zum Teil auf das kunstreichste mit Mauerbrechern, Katapulten und anderen Maschinen ausgerüstet. Aber den Maschinen vom Damme her widerstand die feste, aus Quadern erbaute Mauer, deren Höhe von hundertfünfzig Fuß, noch vermehrt durch die Aufstellung hölzerner Türme auf den Zinnen, die makedonischen Türme mit ihren Fallbrücken unschädlich machte. Und wenn sich die Maschinenschiffe rechts und links vom Damm den Mauern nahten, so wurden sie schon von Ferne mit einem Hagel von Geschossen, Steinen und Brandpfeilen empfangen; wenn sie dennoch näher an den Strand hinruderten, um endlich anzulegen, fanden sie die Anfahrt durch eine Menge versenkter Steine unmöglich gemacht. Man begann, die Steine herauszuschaffen, von den schwankenden Schiffen aus an sich schon eine mühselige Arbeit, und sie wurde dadurch verdoppelt und oft ganz vereitelt, daß tyrische mit Schirmdächern versehene Fahrzeuge die Ankertaue der arbeitenden Schiffe kappten und sie so der treibenden Strömung und dem Winde preisgaben. Alexander ließ ebenso bedeckte Fahrzeuge vor den Ankern beilegen, um die Taue zu schützen; aber tyrische Taucher schwammen unter dem Wasser bis in die Nähe der Schiffe und zerschnitten deren Kabel, bis endlich die Anker an eisernen Ketten in den Seegrund gelassen wurden. Jetzt konnten die Schiffe ohne weitere Gefahr arbeiten; die Steinmassen wurden aus dem Fahrwasser in der Nähe des Dammes hinweggeschafft, so daß die einzelnen Maschinenschiffe sich endlich der Mauer nähern konnten. Das Heer war voll Kampfbegier und Erbitterung; hatten doch die Tyrier gefangene Makedonen auf die Höhe der Mauer geführt, sie dort – recht vor den Augen ihrer Kameraden im Lager – geschlachtet und ins Meer geworfen.
Den Tyrier entging keineswegs, wie sich mit jedem Tage die Gefahr mehrte, und wie ihre Stadt ohne Rettung verloren sei, wenn sie nicht mehr die Oberhand auf dem Meere habe. Sie hatten auf Hilfe, namentlich von Karthago, gehofft; sie hatten erwartet, daß die Kyprier wenigstens nicht gegen sie kämpfen würden; von Karthago kam endlich das heilige Schiff der Festgesandtschaft, es brachte die Botschaft, daß der Mutterstadt keine Hilfe werden könnte. Und schon waren sie so gut wie eingesperrt, da vor dem Nordhafen die kyprische, vor dem südlichen die phönikische Flotte ankerte, so daß sie nicht einmal ihre ganze Marine zu einem Ausfall, der noch die einzige Rettung zu sein schien, vereinigen konnten. Mit desto größerer Vorsicht rüsteten sie im Nordhafen hinter ausgespannten Segeln, die völlig verdeckten, was da geschah, ein Geschwader von drei Fünfruderern, ebenso vielen Vierruderern und sieben Trieren aus, bemannten diese mit auserlesenem Schiffsvolk; die Stille der Mittagsstunde, in der Alexander selbst auf dem Festlande in seinem Zelte zu ruhen, sowie die Mannschaften der meisten Schiffe sich, um frisches Wasser und Lebensmittel zu holen, auf dem Strande zu befinden pflegten, war zum Ausfall bestimmt. Unbemerkt aus dem Hafen gefahren, ruderten sie, sobald sie den auf der Nordseite stationierten und fast ganz unbewachten Schiffen der kyprischen Fürsten nahe kamen, mit lautem Schlachtruf auf dieselben los, bohrten beim ersten Anlauf die Pentere des Pnytagoras, die des Androkles von Amathos, die des Pasikrates von Kurion in den Grund, jagten die übrigen auf den Strand, begannen sie zu zertrümmern. Indes hatte Alexander, der diesen Tag früher als gewöhnlich zu seinen Schiffen auf der Südseite zurückgekommen war und sehr bald die Bewegung vor dem Hafen jenseits der Stadt bemerkt hatte, die Mannschaften an Bord kommandiert, schleunigst seine Schiffe bemannt, den größten Teil derselben unmittelbar vor dem Südhafen auffahren lassen, um einem Ausfall der Tyrier von dieser Seite zuvorzukommen, war dann mit fünf Trieren und allen Fünfruderern seines Geschwaders um die Insel herumgesteuert, dem bereits siegreichen tyrischen zu. Von der Mauer der Stadt aus gewahrte man Alexanders Nahen; mit lautem Geschrei, mit Zeichen jeder Art suchte man den Schiffen die Gefahr kundzutun und sie zum Rückzuge zu bewegen; über den Lärm des anhaltenden Gefechtes bemerkten es die Kämpfenden nicht eher, als bis das feindliche Geschwader sie fast schon erreicht hatte; schnell wendeten die tyrischen Schiffe und ruderten in der größten Eile dem Hafen zu; nur wenige erreichten ihn; die meisten wurden in den Grund gebohrt oder so beschädigt, daß sie zu künftigem Seedienst unbrauchbar waren; noch dicht vor der Mündung fiel ein Fünfruderer und ein Vierruderer in des Feindes Hand, während sich die Mannschaft schwimmend rettete.
Dieser Ausgang des Tages war für das Schicksal der Stadt von schwerer Bedeutung; sie hatte mit dem Meere gleichsam das Glacis der Festung verloren. Die tyrischen Schiffe lagen nun tot in den beiden Häfen, die von denen des Feindes auf das strengste bewacht, tyrischerseits durch Sperrketten vor einem Einbruch gesichert wurden. Damit begann der letzte Akt einer Belagerung, die, von beiden Seiten ein immer höher gesteigerter Wettkampf von Erfindungen, mechanischen Mitteln und technischer Kunst, alles übertraf, was je in dieser Art von Barbaren und Hellenen unternommen worden war. Hatten die Tyrier, die anerkannt größten Techniker und Maschinenbauer der damaligen Welt, alles Unerwartete geleistet, sich zu schützen, so waren Alexanders Ingenieure, unter ihnen Diades und Chairias aus der Schule Polyeides, nicht minder erfinderisch gewesen, deren Künste zu überbieten. Jetzt, nachdem der König durch seinen Damm einen festen Angriffspunkt und für seine Schiffe einen ziemlich sicheren Ankerplatz gewonnen, nachdem er den Meeresgrund gereinigt und seinen Maschinen das Anlegen an den Mauern möglich gemacht, nachdem er die tyrische Seemacht verdrängt hatte, so daß ihm nichts mehr zu tun übrig blieb, als die Mauern zu übersteigen oder zu durchbrechen, erst jetzt begann für ihn die mühevollste und gefährlichste Arbeit. Die Wut der Tyrier wuchs mit der Gefahr, ihr Fanatismus mit dem Nahen des Untergangs.
Dem Damme gegenüber waren die Mauern zu hoch und zu dick, um erschüttert oder erstiegen zu werden; nicht viel mehr richteten die Maschinen auf der Nordseite aus; die Mächtigkeit der in Zement gefügten Quadermassen schien jeder Gewalt zu trotzen. Mit desto größerer Hartnäckigkeit verfolgte Alexander seinen Plan; er ließ auf der Südseite der Stadt die Maschinen anrücken, arbeiten, nicht eher ruhen, als bis die Mauer, bedeutend beschädigt und durchbrochen, zu einer Bresche zusammenstürzte. Sogleich wurden Fallbrücken hineingeworfen, ein Sturm versucht; es entbrannte der härteste Kampf; vor der Wut der Verteidiger, vor den Geschossen, den ätzenden, glühenden Massen, die sie schleuderten, den schneidenden, fassenden Maschinen, die sie arbeiten ließen, mußten die Makedonen weichen; der König gab die zu kleine Bresche auf, welche bald von den Tyriern hinterbaut wurde.
Begreiflich, daß die Zuversicht im Heere zu wanken begann. Desto ungeduldiger war der König, ein Ende zu machen; jene erste Bresche hatte ihm gezeigt, wo er die trotzende Stadt fassen müsse; er wartete nur stille See ab, den Versuch zu erneuern. Drei Tage nach dem vergeblichen Angriff – es war im August – war das Meer ruhig, die Luft klar, der Horizont wolkenlos, alles so, wie des Königs Plan es forderte. Er berief die Führer der zum Angriff bestimmten Truppen, sagte ihnen das Nötige. Dann ließ er die mächtigsten seiner Maschinenschiffe im Süden gegen die Mauer anrücken und arbeiten, während zwei andere Schiffe, das eine mit den Hypaspisten Admets, das andere mit Koinos' Phalangiten, bereitlagen, zum Sturm anzulegen, wo es möglich sein werde; er selbst ging mit den Hypaspisten; zu gleicher Zeit ließ er sämtliche Schiffe in See gehen, einen Teil der Trieren sich vor die Häfen legen, um während des Sturmes vielleicht die Hafenketten zu sprengen und in die Bassins einzudringen; alle anderen Schiffe, welche Bogenschützen, Schleuderer, Ballisten, Katapulten, Sturmblöcke oder ähnliches an Bord hatten, verteilten sich rings um die Insel, mit dem Befehl, entweder wo es irgend möglich sei zu landen, oder innerhalb Schußweite unter den Mauern zu ankern und die Tyrier von allen Seiten so zu beschießen, daß sie, unschlüssig, wo am meisten Gefahr oder Schutz sei, desto leichter dem Sturme erlägen.
Die Maschinen begannen zu arbeiten, von allen Seiten flogen Geschosse und Steine gegen die Zinnen, an allen Punkten schien die Stadt gefährdet, als plötzlich der Teil der Mauer, auf den es Alexander abgesehen hatte, zertrümmert zusammenstürzte und eine ansehnliche Bresche öffnete. Sogleich legten die beiden Fahrzeuge mit Bewaffneten an der Stelle der Maschinenschiffe bei, die Fallbrücken wurden hinabgelassen, die Hypaspisten eilten über die Brücke, Admetos war der erste auf der Mauer, der erste, der fiel; durch den Tod ihres Führers entflammt, unter den Augen des Königs, der schon mit dem Agema folgte, drangen die Hypaspisten vor; bald waren die Tyrier aus der Bresche verdrängt, bald ein Turm, bald ein zweiter erobert, die Mauer besetzt, der Wallgang nach der Königsburg frei, den der König nehmen ließ, weil von dort leichter in die Stadt hinabzukommen war.
Währenddessen waren die Schiffe von Sidon, Byblos, Arados in den Südhafen, dessen Sperrketten sie gesprengt hatten, eingedrungen und hatten die dort liegenden Schiffe teils in den Grund gebohrt, teils auf das Ufer getrieben; ebenso waren die kyprischen Schiffe in den Nordhafen eingelaufen und hatten bereits das Bollwerk und die nächsten Punkte der Stadt besetzt. Die Tyrier hatten sich überall zurückgezogen, sich vor dem Agenorion gesammelt, um dort sich geschlossen zur Wehr zu setzen. Da rückte von der Königsburg der König mit den Hypaspisten, von der Hafenseite her Koinos mit den Phalangiten gegen diese letzten geordneten Haufen der Tyrier; nach kurzem, höchst blutigen Kampf wurden auch diese bewältigt und niedergemacht. Achttausend Tyrier fanden den Tod. Der Rest der Einwohner, so viele nicht entkamen, an dreißigtausend Menschen, wurden in die Sklaverei verkauft. Denen, die sich in den Heraklestempel geflüchtet hatten, namentlich dem König Azemilkos, den höchsten Beamten der Stadt und einigen karthagischen Festgesandten ließ Alexander Gnade angedeihen.
Es mag sein, daß die Sidonier und andere Phönikier auf ihren Schiffen Tausende ihrer tyrischen Landsleute bargen und retteten; nicht minder, daß ein Teil der alten Bevölkerung blieb oder sich wieder zusammenfand. Die Stadt mit ihrem trefflichen Hafen, für eine Flotte vielleicht die beste Station auf der ganzen syrischen Küste, zu erhalten, hatte Alexander allen Grund, schon um sich mitten unter den anderen Seestädten in diesen Gewässern, die ihre Fürsten und ihre Flotten, wenn auch unter makedonischer Hoheit behielten, die beherrschende Position zu sichern. Aber das alte Gemeinwesen der Stadt und, so scheint es, das Königtum in ihr hatte ein Ende. Tyros wurde der makedonische Waffenplatz an dieser Küste und, wie man annehmen darf, eine der dauernden Stationen der Flotte.
Alexanders Siegesfeier war, daß er das Heraklesopfer, das ihm von den Tyriern geweigert war, im Herakleion der Inselstadt beging, indem das Heer in voller Rüstung dazu ausrückte und die gesamte Flotte auf der Höhe der Insel im Festaufzuge vorübersteuerte; unter Wettkampf und Fackellauf wurde die Maschine, welche die Mauer gesprengt hatte, durch die Stadt gezogen und im Herakleion aufgestellt, das Heraklesschiff der Tyrier, das schon früher in Alexanders Hände gefallen war, dem Gott geweiht.
Die Kunde von diesen tyrischen Vorgängen muß unermeßlichen Eindruck gemacht, sie muß wie der Tag von Issos dem Morgenlande, so und noch mehr den abendländischen Küstenlanden bis zu den Säulen des Herakles die überwältigende Wucht dieses makedonischen Kriegsfürsten fühlbar gemacht haben. Die mächtige Inselstadt, die stolze Flotte, die Kauffahrtei, der Reichtum dieser weltberühmten Stadt war dahin; der achilleische Zorn des Siegers hatte sie niedergeworfen.
Er hatte neuen Widerstand im südlichen Syrien zu erwarten. Von Tyros hatte er die Juden und Samaritaner aufgefordert, sich zu unterwerfen; unter dem Vorwande, durch ihren Untertaneneid dem persischen Könige verpflichtet zu sein, hatten sie die Zufuhren und anderweitigen Leistungen, die Alexander forderte, verweigert. Größere Sorge machte die Grenzfestung Gaza; in dem palästinischen Syrien bei weitem die wichtigste Stadt, an der Handelsstraße vom Roten Meere nach Tyros, von Damaskus nach Ägypten, als Grenzfestung gegen die so oft unruhige ägyptische Satrapie für die Perserkönige stets ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit, war sie von Dareios einem seiner treuesten Diener, dem Eunuchen Batis anvertraut worden, der kühn genug dem Vordringen des siegreichen Feindes ein Ziel zu setzen gedachte. Er hatte die bedeutende persische Besatzung der Stadt durch Werbungen bei den Araberstämmen, die bis an die Küste im Süden Gazas wohnten, verstärkt; er hatte Vorräte für eine lange Belagerung aufgehäuft, überzeugt, daß, wenn er jetzt den Feind aufzuhalten vermöchte, einerseits die reiche Satrapie Ägypten in Gehorsam bleiben, andererseits der Großkönig Zeit gewinnen werde, seine neuen Rüstungen im oberen Asien zu vollenden, in die unteren Satrapien herabzukommen und den tollkühnen Makedonen über den Tauros, den Halys, den Hellespont zurückzujagen. Der lange Widerstand, den Tyros geleistet hatte, erhöhte den Mut des Eunuchen um so mehr, da die Flotte, der Alexander die endliche Einnahme der Inselstadt dankte, vor Gaza nicht anzuwenden war; denn die Stadt lag eine halbe Meile von der Küste, die überdies durch Sandbänke und Untiefen gesperrt, einer Flotte kaum zu landen gestattete; von der Küste an erstreckte sich landeinwärts eine tiefe Sandgegend bis zum Fuße des Erdrückens, auf dem Gaza erbaut war. Die Stadt selbst hatte bedeutenden Umfang und war mit einer hohen und mächtigen Mauer umgeben, die jedem Widder und jedem Geschoß widerstehen zu können schien.
Alexander brach etwa mit Anfang September 332 von Tyros auf; ohne bei der festen Stadt Ake, welche den Eingang in das palästinische Syrien schließt, Widerstand zu finden, rückte er in das Land der Samaritaner ein; durch schnelle Unterwerfung beugten sie der gerechten Strafe ihrer Hartnäckigkeit vor. Jerusalem folgte diesem Beispiel, und Alexander, so wird berichtet, hielt im Tempel Jehovas ein feierliches Opfer; er zeigte sich in allem milde und nachsichtig gegen die Nachkommen Abrahams, deren Ergebenheit ihm bei dem Angriff auf die Philisterstadt von mannigfachem Nutzen sein konnte.
So langte das Heer ohne weiteren Aufenthalt vor Gaza an, lagerte sich auf der Südseite, wo die Mauer am leichtesten angreifbar schien; Alexander befahl sofort, die erforderlichen Maschinen zu zimmern und aufzustellen. Aber die Kriegsbaumeister erklärten, es sei bei der Höhe des Erdrückens, auf dem die Stadt liege, unmöglich, Maschinen zu errichten, die sie zu erreichen und zu erschüttern vermöchten. Um keinen Preis durfte Alexander diese Festung unbezwungen lassen; je schwieriger den Seinen die Aufgabe schien, desto mehr wollte er sie gelöst, auch hier das Unmögliche möglich gemacht sehen. Er befahl auf der am meisten zugänglichen Südseite einen Damm gegen die Stadt hin aufzuschütten, der die Höhe des Erdrückens, auf dem die Mauern standen, erreichte. Die Arbeit wurde möglichst beeilt; sobald sie vollendet war, wurden die Maschinen gegen die Mauer aufgefahren und begannen mit Tagesanbruch zu arbeiten; während dessen opferte Alexander gekränzt und im kriegerischen Schmucke und erwartete ein Zeichen; da flog – so wird erzählt – ein Raubvogel über den Altar hin und ließ ein Steinchen auf des Königs Haupt hinabfallen, fing sich selbst aber in dem Tauwerk einer Maschine; der Zeichendeuter Aristandros deutete das Zeichen dahin, daß der König zwar die Stadt erobern werde, jedoch sich an diesem Tage wohl zu hüten habe. Alexander blieb in der Nähe der schützenden Maschinen, die nicht ohne Erfolg gegen die mächtigen Mauern arbeiteten. Plötzlich und mit großer Heftigkeit machten die Belagerten einen Ausfall, warfen Feuer in die Schirmdächer und Geschütze, beschossen von der hohen Mauer herab die Makedonen, welche in den Maschinen arbeiteten und zu löschen suchten, drängten diese so, daß sie bereits sich von ihrem Damme zurückzuziehen begannen. Länger hielt sich Alexander nicht; an der Spitze seiner Hypaspisten rückte er vor, half, wo am meisten Gefahr war, brachte die Makedonen von neuem in den Kampf, so daß sie wenigstens nicht ganz von dem Damme zurückgeworfen wurden; da traf ihn ein Katapultenpfeil, fuhr ihm durch Schild und Panzer in die Schulter hinein. Der König sank, die Feinde drängten jubelnd heran, die Makedonen wichen von der Mauer zurück.
Des Königs Wunde war schmerzhaft, aber nicht gefährlich; sie hatte das Zeichen zur Hälfte wahrgemacht, nun mochte auch der glücklichere Teil desselben sich erfüllen. Eben jetzt waren die Maschinen, die die Mauern von Tyros gebrochen hatten, im nahen Hafen Majumas angekommen; um sie anwenden zu können, befahl der König, Dämme von zwölfhundert Fuß Breite und zweihundertfünfzig Fuß Höhe konzentrisch mit den Mauern der Stadt aufzuschütten; zu gleicher Zeit wurden Minen bis unter die Mauern getrieben, so daß diese an einigen Stellen durch ihre eigene Schwere, an anderen vor den Stößen der Sturmblöcke auf den Dämmen zusammensanken. Gegen diese schadhaften Stellen begann man zu stürmen; zurückgeschlagen wiederholte man den Angriff zum zweiten, zum dritten Mal; endlich beim vierten Sturm, als die Phalangen von allen Seiten heranrückten, als immer neue Strecken der Mauer zusammenstürzten und die Maschinen immer furchtbarer wirkten, als die tapferen Araber schon zu viele Tote und Verwundete zählten, um noch an allen Orten den gehörigen Widerstand zu leisten, gelang es den Hypaspisten, Sturmleitern in die Breschen zu werfen und über den Schutt der eingestürzten Mauern einzudringen, die Tore aufzureißen und dem gesamten Heere den Eingang in die Stadt zu öffnen. Ein noch wilderer Kampf begann in den Straßen der Stadt; die tapferen Gazäer verteidigten ihre Posten bis auf den Tod; ein gräßliches Blutbad endete den heißen Tag; an zehntausend Barbaren sollen gefallen sein; ihre Weiber und Kinder wurden in die Sklaverei verkauft. Reiche Beute fiel in des Siegers Hand, namentlich an arabischen Spezereien, für die Gaza der Stapelplatz war. Alexander zog die Bevölkerung der umliegenden philistäischen und arabischen Ortschaften in die Stadt; eine dauernde Besatzung machte sie zu einem Waffenplatz, der für Syrien und für Ägypten gleich wichtig war.
Es mag gestattet sein, noch einen Augenblick bei den syrischen Landen zu verweilen. Die dürftigen Notizen, die nach den alten Überlieferungen über die neue Ordnung der Dinge in diesen Gebieten anzuführen waren, gewähren im entferntesten nicht eine klare Vorstellung, lassen nicht einmal erkennen, ob hier in derselben Art und nach demselben Schema, wie in den Satrapien Kleinasiens verfahren wurde.
Wenigstens einiges zur Ergänzung bieten die Münzen. Das Silbergeld Kleinasiens bis zum Tauros, sahen wir, mit dem bekannten Gepräge Alexanders geschlagen, gehörte sämtlich den späteren Klassen der Alexandermünzen an, denen, die in und nach den Zeiten der Diadochen geschlagen sind; wir können noch von einzelnen dieser Städte nachweisen, daß sie in der Zeit Alexanders und so lange sein Reich der Form nach bestand (bis 306), Münzen eigenen Gepräges schlugen; wir durften daraus folgern, daß die Griechenstädte Kleinasiens, und die des lykischen Bundes mit ihnen, durch Alexander zu freien, ihm verbündeten Staaten gemacht wurden und daß sie in dieser ihrer staatlichen Selbständigkeit das Münzrecht ebenso souverän übten, wie Athen und Argos und die anderen Staaten des korinthischen Bundes. Jenseits des Tauros beginnt eine andere Weise; die zahlreichen Silbermünzen mit Alexandergepräge, die aus den kilikischen Städten erhalten sind, gehören sämtlich den älteren Klassen an; ebenso die von Commagene, Damaskus, von Arados, Sidon, Ake, Askalon; und zwar wird hier in der Umschrift fast immer Alexander König genannt, was bei den gleichzeitigen Münzen von Makedonien, Thrakien und Thessalien in der Regel nicht der Fall ist.
Also in Kilikien, Syrien, Koilesyrien und Phönikien läßt Alexander das städtische Gemeinwesen, aber die Städte werden nicht wie die griechischen Kleinasiens autonome Staaten; ihre Münzen zeigen, daß sie entweder im Auftrage des Königs und unter ihrer Verantwortlichkeit prägen, oder daß sie nur innerhalb des von Alexander eingeführten Münzsystems und mit dessen Typen, nur Königsgeld prägen dürfen.
Noch ein weiteres darf hinzugefügt werden. Im Jahre 1863 wurde in der Nähe von Sidon beim Umgraben eines Gartens ein Schatz von dreitausend Goldstücken gefunden, der nicht wie die Funde von 1829 und 1852 zerstreut, sondern wenigstens zum größeren Teil von Kundigen genau untersucht und verzeichnet werden konnte. Unter den so beschriebenen 1531 Stateren waren besonders zahlreich die von Ake und Sidon, von Arados; von Kilikien gab es einzelne Stücke; von den Städten Makedoniens, Thrakiens, Thessaliens waren ziemlich viele mit einem oder mehreren Typen vertreten; an Gepräge aus Hellas fehlte es fast ganz, von Kleinasien fanden sich Kios, Klazomenä (?), Pergamon, Rhodos mit ihrem eigenen Gepräge, ebenso König Pnytagoras vom kyprischen Salamis vor. ›Diese Münzen‹, sagt der eine Bericht, ›waren beinahe durchgehend neu; ein großer Teil, namentlich die in Sidon geprägten, noch rauh, wie sie eben vom Prägestock gekommen zu sein schienen.‹ Daß sich unter diesen Münzen keine der Diadochen, die 306 den Königstitel angenommen haben, fanden, sowie der Umstand, daß drei von Ake mit den Jahreszahlen 23 und 24 bezeichnet waren, ließ mit Sicherheit schließen, daß dieser Schatz vor 306 und bald nach 310 vergraben worden ist, also zu einer Zeit, wo formell noch die Monarchie Alexanders und die von ihm geschaffene Reichsverwaltung bestand.
Sehr bemerkenswert ist, daß sich unter diesen vielen Goldmünzen auch nicht eine von Tyros fand; es kann Zufall sein, wenn wir auch vermuten durften, daß zunächst nach der Eroberung der Stadt ihre politische Berechtigung minderer Art war, als die anderer phönikischer Städte. Von besonderem Interesse sind die Jahresziffern auf den Münzen von Ake; es finden sich die entsprechenden auf anderweitig bekannten Münzen von Arados, und zwar von 21 bis zu 76; es wird in der Geschichte der Diadochen davon zu handeln sein, daß Arados 258 durch die Seleukiden volle Unabhängigkeit erhielt und damit eine neue Ära begann; Arados wie Ake hatte eine frühere Ära mit der Befreiung vom Perserjoch begonnen, und man kann zweifeln, ob sie diese von dem Siege am Granikos oder dem issischen datierten.
Wenigstens aus den Münzen ergibt sich nicht, daß auch die anderen Städte diese Jahresrechnung eingeführt haben; aber jenen beiden Städten gewiß galt dieser Sieg Alexanders als Befreiung und als ein neuer Anfang.
Lange genug hatte der Widerstand von Tyros, dann noch der von Gaza des Königs Zug nach Ägypten verzögert; jetzt endlich, Jahr und Tag nach der Schlacht bei Issos, gegen den Anfang Dezember 332 brach er von Gaza auf. Es galt, die letzte Provinz des Großkönigs am Mittelmeer zu nehmen, die, wenn sie treu oder in treuen Händen gewesen wäre, vermöge ihrer günstigen örtlichen Verhältnisse lange Widerstand zu leisten vermocht hätte. Aber wie sollte sich das ägyptische Volk für die Sache eines Königs, an den es durch nichts als die Ketten einer ohnmächtigen und darum doppelt verhaßten Herrschaft gefesselt war, zu kämpfen bereit fühlen? Überdies lag in der Natur der Ägypter weniger Neigung zu Kampf als zur Ruhe, mehr Geduld und Arbeitsamkeit als Geist und Kraft; und wenn dessen ungeachtet während der zweihundert Jahre der Dienstbarkeit öfter Versuche gemacht worden waren, die fremde Herrschaft abzuschütteln, so hat an diesen das Volk im Ganzen um so weniger Anteil genommen, da es seit der Auswanderung der einheimischen Kriegerkaste daran gewöhnt war, fremde, besonders hellenische Söldner für Ägypten kämpfen und höchstens Tausende von Eingeborenen als wüsten Haufen oder als Packknechte mitziehen zu sehen. Überhaupt war der damalige Zustand Ägyptens der der vollkommensten Stagnation; alle inneren Verhältnisse, Überreste der längst untergegangenen Pharaonenzeit, standen im offenbarsten Widerspruche mit jedem der geschichtlichen Wechselfälle, deren das Land seit dem Sturze des priesterlichen Königtums so viele erfahren hatte; die Versuche der saitischen Könige, ihr Volk durch Handel und Verbindung mit fremden Völkern zu beleben, hatten nur das heimische Wesen noch mehr verwirren und verstocken müssen; die persische Herrschaft, der sie erlagen, hatte dann freilich mit dem dumpfen, stets zunehmenden Abscheu gegen die unreinen Fremdlinge, mit wiederholten Empörungen solcher, die sich pharaonischen Blutes rühmten, zu kämpfen, aber zu selbständiger Erhebung und eigener Bewegung war Ägypten nicht mehr gekommen; in sich versunken, in afrikanischer Indolenz und Genußsucht, belastet mit allen Nachteilen und allem Aberglauben eines Kastenwesens, von dem die Zeit nichts als die abgestorbene Form übrig gelassen hatte, bei alledem durch die überreiche Fruchtbarkeit ihres Landes, der kein freier und lebendiger Verkehr nach außen Wert und Reiz gab, mehr gedrückt als gefördert, bedurften die Ägypter mehr als irgendein Volk einer Regeneration, einer neuen und erfrischenden Durchgärung, wie sie das hochgespannte hellenische Wesen und dessen Herrschaft bringen konnte.
Ägypten war, sobald Alexander nahte, für den Perserkönig verloren; sein Satrap Mazakes, des bei Issos gefallenen Sabakes Nachfolger, hatte die unter Amyntas Führung gelandeten griechischen Söldner aus Eifersucht oder mißverstandenem Eifer, statt sie zur Verteidigung des Landes in Sold zu nehmen, niedermetzeln lassen; jetzt, nach dem Fall von Tyros und Gaza, als durch die feindliche Okkupation, die bis zu den Araberstämmen der Wüste hinausreichte, Ägypten vom oberen Persien durchaus abgeschnitten war, schon die von Tyros gekommene Flotte vor Pelusion lag, blieb dem Satrapen und den wenigen Persern um ihn freilich nichts übrig, als sich möglichst schnell zu unterwerfen.
So geschah es, daß, als Alexander von Gaza aus nach einem Marsche von sieben Tagen in Pelusion eintraf, Mazakes ihm ohne weiteres Ägypten übergab. Während der König seine Flotte auf dem pelusischen Nilarm stromauf sandte, ging er selbst über Heliopolis nach Memphis, um sich mit derselben dort wieder zu treffen. Alle Städte, zu denen er kam, ergaben sich ohne zu zögern; ohne das geringste Hindernis besetzte er Memphis, die große Hauptstadt des Nillandes, dessen Unterwerfung damit vollbracht war.
Er wollte mehr als unterwerfen; die Völker, zu denen er kam, sollten innewerden, daß er komme zu befreien und aufzurichten, daß er ehre, was ihnen heilig, gelten lasse, was nach ihrer Landesart sei. Nichts hatte die Ägypter tiefer getroffen, als daß König Ochos den heiligen Stier in Memphis niedergestochen hatte; Alexander opferte, wie den anderen Göttern der Ägypter, so dem Apis im Phthatempel zu Memphis; er ließ dort von hellenischen Künstlern gymnische und musische Wettkämpfe halten, zum Zeichen, wie fortan das Fremde hier heimisch, das Einheimische auch den Fremden ehrwürdig sein werde. Die Achtung, die er den ägyptischen Priestern zollte, mußte ihm diese Kaste um so mehr gewinnen, je tiefer sie von der oft fanatischen Intoleranz der persischen Fremdlinge herabgewürdigt worden war.
Mit der Besitznahme Ägyptens hatte Alexander die Eroberung der Mittelmeerküsten, die unter persischer Herrschaft gestanden, vollendet. Der kühnste Gedanke der perikleischen Politik, in der Befreiung Ägyptens der See- und Handelsherrschaft Athens ihren Schlußstein und dauernde Sicherung zu geben, war nun nicht bloß erfüllt, sondern weit überboten; der hellenischen Welt war das Ostbassin des Mittelmeeres gewonnen und mit der Herrschaft über Ägypten die nahe Meeresbucht, von der aus die Seestraßen nach Äthiopien und dem Wunderland Indien führen. Unermeßliche Aussichten knüpften sich an den Besitz Ägyptens.
Wie Alexander sie ergriff und zu verwirklichen gedachte, zeigt das Nächste, was er von Memphis aus unternahm.
Er hatte in Pelusion an der östlichen Ecke des Delta eine starke Besatzung gelassen; von dort sollte im nächsten Frühling der Zug nach dem inneren Asien ausgehen. Von Memphis aus fuhr er mit den Hypaspisten, dem Agema der makedonischen Ritterschaft, den Agrianern und Bogenschützen den westlichen Nilarm hinab nach Kanobos, von da längs der Küste nach Rakotis, einem alten Grenzposten gegen Libyen. Der Flecken lag auf der acht Meilen langen Nehrung, welche das Haffwasser Mareotis vom Meere trennt, vor der Küste sieben Stadien von ihr entfernt die Insel Pharos, jenes Robbeneiland der homerischen Gesänge. Der König erkannte, wie überaus geeignet der Strand zwischen der Mareotis und dem Meere zur Gründung einer Stadt, der Meeresarm zur Herstellung eines großen und fast gegen jeden Wind sichernden Hafens sei.
Er selbst, so wird erzählt, wollte sofort seinem Baumeister Deinokrates den Plan der Stadt, die Straßen und Märkte, die Lage der Tempel für die hellenischen Götter und für die ägyptische Isis bezeichnen; da eben nichts anderes zur Hand war, ließ er seine Makedonen ihr Mehl ausstreuend die Linien des Grundrisses ziehen, worauf unzählige Vögel von allen Seiten herbeigeflogen kamen, von dem Mehle zu fressen, ein Zeichen, das der weise Aristandros auf den künftigen Wohlstand und ausgebreiteten Handel der Stadt deutete. Es ist bekannt, auf wie außerordentliche Weise dieses Zeichen und des Königs Gedanken erfüllt worden sind; die Bevölkerung der Stadt wuchs reißend schnell, ihr Handel verband demnächst die abendländische Welt mit dem neu erschlossenen Indien, sie wurde der Mittelpunkt für das hellenistische Leben der nächsten Jahrhunderte, die Heimat der aus dem Orient und Okzident zusammenströmenden Weltbildung und Weltliteratur, das herrlichste und dauerndste Denkmal ihres großen Gründers.