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In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts dachte England daran, seinen inzwischen ins Riesenhafte gewachsenen indischen Kolonialbesitz nach dem Osten hin zu erweitern. Man blickte erwartungsvoll nach dem Osten, nach Birma hinüber, welches infolge eines im Jahre 1886 geführten und von England gewonnenen Krieges dem vorderindischen Kontinent einverleibt wurde. Enge geistige Bande verknüpfen Birma schon seit Jahrtausenden mit dem Mutterreiche Indien, unter dessen Einflußsphäre sich das birmanische Volk eines hohen, kulturellen Aufstieges erfreute. Überall, wo der Geist Buddhas und Brahmas von Indien aus seine kreisenden Ringe zog, trug der Boden jener Länder die Früchte dieser bedeutungsvollen Geisteskultur. Grandiose Denkmäler aus wetterhartem Gestein führen uns auch hier die Größe und Erhabenheit dieser vergangenen Geschlechter deutlich vor Augen. Schon früh, einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, hat sich die Lehre Buddhas in Hinterindien verbreitet, wo sie sich trotz der starken Einflüsse der brahmanistischen Glaubenswelt bis heute als führende Religion erhalten hat. Zum größten Teil sind diese wunderbaren Kunstwerke, welche wir in Birmas Tempel und Palästen bewundern können, buddhistischen Ursprungs, was sich besonders in den charakteristischen, alten stupenförmigen Dagoben und den schlanken, kegelförmigen Türmen zeigt. Auf meinen Reisen in Birma besuchte ich diese berühmten Orte, welche teilweise als große Ruinenfelder am Unter- und Oberlauf des Flusses Irawadi gelegen, in den Überresten von Städten, Tempeln und Klöstern die geistigen Werte jener Zeit widerspiegeln. Zu den bedeutendsten dieser altbirmanischen Kultstätten gehören besonders Rangoon, Pegu, Pagan, Mjingyaung, Amarapura, Ava und Mandalay.
Am Morgen des vierten Tages der Seereise von Kalkutta wirft der Dampfer an dem langgestreckten Hafenpier von Rangoon Anker. Blaugraue Morgennebel liegen über dem riesenhaften Treiben des Hafenviertels, aus dem die hohen Öltanks der Birma-Oilcompagnie wie weiße Dunstblasen schweben. Von der Stadt hört man das emsige Treiben der Menschen wie fernes Räderwerk einer mahlenden Maschine herüberdringen. Wie geschäftig und betriebsam man dort drüben ist, zeigen die grauen Staub- und Qualmschwaden, die wie die Wolken eines heraufziehenden Gewitters das Häusermeer bedecken. Im Hintergrund der Stadt, vor einem blaugrauen, dunsthaften Himmel, glitzert wie ein Kleinod inmitten eines grauen Schlackenhaufens der goldene, über 100 m hohe Turm der Shwe-Dagon-Pagode, des schönsten und größten buddhistischen Tempels in Birma. Ihr gewaltiger goldener Turm ist gleichsam der geistige Mittelpunkt des alten Rangoon, hinter dessen Größe das weltlich-hastende Treiben der modernen Großstadt zu einem grauen, bedeutungslosen Phantom verblaßt. Ein ewig unruhevolles Leben erfüllt den Hafen der Stadt. Stromabwärts schwemmt man Berge von diesen kostbaren Urwaldhölzern, von denen die Wälder Birmas jährlich mehrere Millionen Kubikmeter in alle Teile der Welt senden. In den Timberyards am Hafen werden die wertvollen Hölzer aus dem Strome gefischt und von den Arbeitselefanten zu den Stapelplätzen der Sägereien und den Verladekais des Hafens geschleppt. Tankdampferflottillen liegen in Reih und Glied vor den Riesenkesseln der Oilcompagnie, die heute schon jährlich über 1 200 000 000 Liter birmesisches Erdöl verschifft. Berge von Rangoonreis und Getreide, Baumwolle, Jute und andere Produkte werden aus den Körpern großer Fluß- und Seedampfer in die Hafensilos verladen. Tag und Nacht sausen die Krane und Hebezeuge, wandern die Herden der eingeborenen Hafenarbeiter über die schmalen Brücken, welche die Schiffe mit den Kais verbinden. Denn Rangoon ist der Sammelplatz der wirtschaftlich so ergiebigen Quellen Birmas, und fast die gesamten Erzeugnisse des Landes werden in seinem Hafen verschifft.
Der Reichtum Birmas ist infolge einer gehobenen Produktivität, welche durch die Engländer in ungeheurem Maße gesteigert worden ist, relativ groß und steht dem des zehnmal größeren vorderindischen Reiches in keiner Weise nach. Vom Hafen führt ein breites Wegenetz zu den in saftigem Grün tropischer Vegetation untergetauchten Stadtvierteln. Doch eine schwüle, feuchtwarme Atmosphäre, die sich unter den breiten Laubdächern der Alleen und Parks zur Unerträglichkeit verdichtet, lagert Tag und Nacht über den flachen Dächern des bunt durcheinander gewürfelten Häusermeeres und steigert das Klima Rangoons im Sommer zur Unerträglichkeit. Das Bild der Straßen ist ungleich anmutiger und von einer lichteren, farbenfroheren Stimmung als dieses mancher vorderindischen Städte. Die Häuserfronten in den Stadtvierteln der Eingeborenen sind einheitlich. ohne langweilig zu wirken. Zierliche Balkone, Gesimse, Estraden mit kunstvollen Schnitzereien an Treppen und an den Dachgesimsen geben dem Gesamtbild dieser Eingeborenenbehausungen eilen etwas barocken Charakter. Manche dieser Häuser gleichen in ihrer einfachen und geschmeidigen Zierlichkeit grotesken Vogelbauern, hinter deren vergitterten Fensteröffnungen die bunten Tücher der eingeborenen Bewohner wie das farbige Gefieder exotischer Vögel leuchten. Der Birmane ist meist von untersetztem, kleinem Körperbau und unterscheidet sich von dem Hindu Vorderindiens durch seine olivfarbige Hellhäutigkeit und den ausgeprägten malaiischen Gesichtstypus. Die Schädelbildung ist, ähnlich wie beim Drawiden des indischen Südens, rund, jedoch mit stärker hervortretenden Backenknochen und mongolischen Schlitzaugen. Männer wie Frauen kleiden sich ähnlich. Sie tragen ein bis zu den Fußknöcheln reichendes farbiges Gewand, das man Putsoe nennt und einen engen, faltenlosen Rock darstellt. Den Oberkörper bedeckt ein zierliches, bis zu den Hüften reichendes Mieder. Der Kopf ist bei den Männern mit einem turbanartigen, schmalen Tuch umwunden, aus dem der schwarze Haarschopf hervorblickt. Vielfach ist auch der Körper der Birmanen mit landesüblichen Ornamenten und Figuren tätowiert, während die Frauen ihre physiognomischen Reize durch starkes Auftragen von Puder und Schminke interessant hervorzuheben wissen.
In den von uralten Bäumen überschatteten Basaren der Eingeborenenviertel läßt einem das Gedränge der Menschen keine Muße zu stillen Betrachtungen. Auf schmalen Fußsteigen flutet das Meer einer hastig drängenden, bunten Menge auf und nieder. Hinter den Stapeln gefüllter Händlerbuden sitzen malerische Gestalten in bunten, geblümten und gestreiften Tüchern. Das Wesen des Birmanen ist von Ruhe und Zurückhaltung getragen. Zu lautem Leben und lebhaftem Gestikulieren, wie man es in den vorderindischen Basaren zu sehen und zu hören gewohnt ist, hat man hier wenig Lust. Fast alle Eingeborenen, die man in den Straßen und vor ihren Häusern sitzen sieht, sind damit beschäftigt, die riesige, zolldicke Zigarre, die typische grüne Burri, zu qualmen. Selbst die Frauen, die mit ihren dekorativen Gestalten die Balkone dieser niedlichen Holzbehausungen zieren, drehen diese ungraziösen, grünen Zigarrenstummel behaglich zwischen ihren kleinen Händchen und blasen aromatische Kringel in die flimmernde Luft der Straße. Enge Winkelchen und Gassen erfüllen das lebhafte Viertel der Eingeborenen. Der Birmane ist wie sein vorderindischer Stammesbruder lebenshungrig, doch liebt er mehr die bunten und abwechslungsreichen Vergnügen, welche ihm das weltliche Leben im Kreise seiner Mitmenschen bietet. Dieser Hang, welcher sich auch in dem geschmeidigen und beweglichen Äußeren, in der farbenfrohen Kleidung und dem heiteren und freundlichen Wesen des Birmanen ausprägt, gibt dem Gesicht dieser birmanischen Eingeborenenstädte einen besonders frohen Zug. Ich durchschreite weite, geräuschvolle Viertel, die einem Jahrmarkt gleichen und den Menschen, die sich hier in Scharen umherdrängen, nur Fröhlichkeit und tändelndes Spiel darbieten. Es ist, als ob man sich unter den sorgenlosesten Menschen der Erde befände. Denn nichts erinnert zwischen dieser unbekümmerten Welt und den farbenfroh geschmückten Reihen der Holzhäuschen an die Mühen und Härten des täglichen Lebens und an jene Not, der man in den großen Städten und in den Hungergebieten des vorderindischen Reiches so häufig begegnet.
Überall stauen sich die Wogen der Schaulustigen vor den oft geheimnisvoll verhüllten Buden, in denen man trinkt, spielt, musiziert und farbenfrohe Schauspiele sehen kann. Grelle Namenschilder, Papierlaternen und groteske Bilder aus Papiermaché und Stoff schaukeln an Masten und Drähten, die man über die Gassen der ewig bewegten, von Staub und Dunst erfüllten Straßen gezogen hat. Hahnenkämpfe sind hier in diesem jahrmarktsmäßigen Milieu an der Tagesordnung. Sie bilden die Lieblingsunterhaltung des Birmanen, und man setzt und wettet auf die bespornten Sieger, die sich in jedem Winkel der Gassen und Straßen auf Leben und Tod bekämpfen. Ich trete in eine dieser mit bunten Tüchern verhängten Buden ein und sehe über den Köpfen der fieberhaft begeisterten Menge, wie man in dem »Ring« eben zwei neuen gefiederten Matadoren die rasiermesserscharfen Dolche an den Sporen befestigt. Die Arena ist von einer lauten Menge umlagert. Ein schwitzender »Bookmaker« sammelt und quotiert die Wetten auf den nächsten Gang des Kampfes. Ängstlich blickt man zur Türe, denn Hahnenkämpfe in dieser grausamen Aufmachung sind verboten. Und mit Recht, denn es ist eine erschütternde, rohe Tierquälerei, gegen die sich das Mitgefühl und normale Empfinden des gesitteten Menschen auflehnt. Der Kampf beginnt. Die Tiere bekriegen sich mit einem instinktmäßig angeborenen Haß. Sie strecken die Hälse und verfolgen jede Bewegung ihrer federgesträubten Köpfe mit dem merkwürdig rhythmischen Auf und Nieder, welches den Anschein erweckt, als ob es ein Spiegelbild ihrer selbst wäre. Plötzlich flattern sie auf und versuchen, sich blitzschnell die Hiebe mit den scharfen Sporen beizubringen. Enthusiastisches Geschrei begleitet das hitzige Gefecht, bei dem es zerfetzte Kämme gibt und Federbüschel und Flaum regnet. Ich verlasse den Ort, ohne die Entscheidung mit ansehen zu können. Doch schon an der nächsten Ecke unter freiem Himmel hockt wieder ein anderes Paar, welches vor einer versammelten Menge seine wütenden Vögel aufeinander losläßt. Hier müssen die Tiere blind fechten, d. h. man läßt die Sporen vorläufig unbewaffnet, weil sich eine Polizeistreife in der Nähe befindet. In manchen Buden zeigt man putzige Marionettenspiele merkwürdig aufgetakelter, humoristischer Figuren, wie sie auch in den malaiischen Staaten Hinterindiens häufig zu sehen sind. Die Straßen und Plätzchen zwischen den Häuserreihen und schattigen Baumgruppen wimmeln von fliegenden Schaustellern, Zauberern und Schlangenbeschwörern. Das ganze Treiben mutet wie ein Volksfest an, und überall scheinen die Menschen etwas zu finden, das ihrer Laune entspricht.
Was hier unter diesem Volke der Birmanen in die Augen fällt, ist das Fehlen jedes dem Hindu Vorderindiens eigenen übersinnlichen Wesens. Der Hang zum Mystischen, die Schwäche, sich willenlos leiten zu lassen, das von religiösem Glaubenseifer ins Fieberhafte gesteigerte Denken und Empfinden, welches dem Volke der vorderindischen Welt den Schein des Weltfremden und Unnahbaren gibt, fehlt dem Birmanen fast gänzlich. Der Birmane ist Buddhist, und wenn er gläubig ist, so steht er jener Neigung zu einer phantastischen und übernatürlichen Gedanken- und Vorstellungswelt, wie sie der Brahmanismus besitzt, fern. Fast nirgends in Birma treffen wir die Spuren der Religiosität im öffentlichen Leben und außerhalb der Mauern des Tempels in diesem übertriebenen Maße, wie wir es so häufig in Vorderindien finden. In der Welt des Hindu sind es nicht die Mauern der großen Tempel, welche den Zielen des Glaubenseifers Schranken setzen. Denn überall sehen wir die schreienden Merkmale, mit denen man dem Volk den Glauben an ihre Götter suggeriert. Nicht nur die Menschen und Tiere tragen dort den Stempel der krankhaft gesteigerten Religiosität, sondern man trägt die Zeichen der Götter auch in den Bannkreis der Natur, in der man überall in Indien die Insignien der Götterwelt findet. Und hier in Birma träumen die Heiligen und Gottheiten in der Stille ihrer Tempel, in denen man sie, wie es der Brauch seit Jahrtausenden vorschreibt, in demütiger Ehrfurcht und mit feierlicher Würde und Ruhe verehrt.
Durch hohe, etagenförmig sich verjüngende Tortürme trete ich in die große Shwe-Dagon-Pagode Rangoons ein. Dumpf tönen die Gongs aus dem Innern der schimmernden Heiligtümer. Über bunten, mit Spiegel- und Glasmosaiken geschmückten Altären erhebt sich wie ein Triumph der Erhabenheit der goldene Turm der Pagode. Eine Unzahl kleine kegelförmige Türmchen, an deren Basis sich Altar an Altar reiht, umsäumen die terrassenförmig ansteigenden Plattformen. Bewundernd stehe ich am Fuße des großen goldenen Turmkegels, dessen Schimmern in wunderbar harmonischer Weise mit dem reinen Blau des birmanischen Himmels übereinstimmt. Plötzlich geht die ruhevoll niedergleitende, vergoldete Linie der Pagode in ein wirres Durcheinander grotesk-barocker Formen und Linien über, und alles, was den Fuß dieses Turmes umschließt, scheint sich an plastisch-ornamentalem Reichtum und endlos-zackigen Gliederungen architektonischer Details zu überstürzen. Skulpturenerfüllte Giebelterrassen mit Tausenden und aber Tausenden von kleinen, holzgeschnitzten Gottheiten, fabelhaften Menschen- und Tierfiguren, steigen in ewig sich wiederholenden Linien auf und nieder und gönnen dem irrenden Auge keinen Ruhepunkt. Von wundervoller Pracht ist dieser bezaubernde Schmuck der blendenden Inkrustationen aus vielfarbigen Spiegel- und goldenen Glassteinchen, welche die Säulen und Rückwände der Altäre wie flüssiges Metall bedecken. Unter schattigen Kolonnaden in kühlen Gesteinsgrotten ruhen auf prunkvollen Sockeln Statuen Buddhas in hundertfältiger Darstellung. Andächtige Beter knien draußen im Hofe des Tempels und am Rande der in mystisches Halbdunkel gehüllten Hallen, in denen Pungis und Priester zelebrieren und beten. Hell klingen im Winde die Glockenkränze, die unter den Hti-Schirmen, auf den Spitzen der zierlichen Giebeldächer und Turmkegelchen versteckt sind.
Überall in den Höfen und Heiligtümern, wo sagenhafte Figuren phantastischer Tiere, welche Drachen und Löwen ähneln, die Altäre bewachen, herrscht Friede und feierliche Stille. Wohin ich auch gehe, läßt man mich ungehindert passieren. Man zeigt mir sogar unaufgefordert die Schätze, Reliquien und Herrlichkeiten, die in den kostbaren vergoldeten Schreinen und in den verzierten Lackkästchen aufbewahrt sind. Auch hier in diese Tempel Hinterindiens kommen täglich große Scharen von Wallfahrern, unter denen sich viele dieser wandernden Pungis (Mönche) aus den Kyaungs (Klöster) befinden, welche ich in Birma in ungeheuer großer Zahl angetroffen habe. Es sind meist schlichte, einfache Männer, deren streng religiöse Gesetze ihnen eine asketische Lebensweise vorschreiben. Mit kahlgeschorenem Haupt, in die malerisch geschlungene, ockergelbe Toga gehüllt, pilgern sie unter großen körperlichen Entbehrungen durch das Land, besuchen Tempel, Kloster- und Wallfahrtsstätten und leben von dem Almosen ihrer Mitmenschen und Brüder. In Nordbirma, Mandalay, Pegu und Mjingyaung hatte ich öfter Gelegenheit, diese Kyaungs, welche dem Fremden in der tolerantesten Weise offen stehen, in Augenschein zu nehmen. Es sind meist große, aus; Holz erbaute Gebäude, in denen sich oft ein ungemein reicher Prunk entfaltet. Ebenso sind diese Pagoden mit kostbaren Kunstwerken, reichen Holzschnitzereien und herrlichen, plastischen Bildwerken geschmückt.
Von Rangoon aus führt mich mein Weg mit der Eisenbahn über das alte Pegu nach Mandalay, jener großartigen, mit herrlichen altbuddhistischen Denkmälern geschmückten Stadt am Oberlauf des Stromes Irawadi. Die über 600 km lange Fahrt führt in ihrem nördlichen Teil durch ein wildromantisches Bergland, dessen Hänge mit einer dichten Urwaldvegetation bedeckt sind. Eine ungemein üppige Fruchtbarkeit erfüllt Täler und Hügel, an denen bewässerte Reiskulturen wie ungeheuerliche Terrassen in die Höhe steigen. Aus grünen, im Blütenschmuck leuchtenden Hainen schimmern die Siedlungen friedlicher Menschen hervor. Bäume, welche die Last ihrer Früchte kaum zu tragen vermögen, beschatten die Fluren und überall in diesem glücklichen Lande ist man mit dem Einheimsen der reichen Ernten beschäftigt.
Mandalay hat unvergleichlich herrliche Schätze buddhistischer Baukunst aufzuweisen. Alte festungsartige Wälle beherbergen eine Stadt von herrlichen Kloster- und Palastbauten, und eine große Anzahl von pyramidenförmigen Giebeldächern und goldschimmernde Pagodentürme ragen über dem Grün dichter Laubdächer empor. Von der Fülle blendenden Sonnenlichtes überstrahlt, schimmern die leuchtenden Farben der graziösen Bedachungen und ihrer goldenen Rankenwerke aus dem satten Grün herrlicher Vegetation. Diese Kyaungs sind von einer seltsam friedlichen Ruhe umgeben, die sich auch auf den unbeweglichen Gesichtern dieser buddhistischen Mönche ausprägt. Man wagt es nicht, den Frieden dieser Klöster, von denen das Heil auf die Gläubigen dieser Welt ausgeht, zu stören. Von Mönchen aufgefordert, betrete ich die kühlen Hallen und verwinkelten Räume des heiligen Ortes. Die Pungis empfangen und bewirten mich wie einen Bruder ihres Glaubens. Man geleitet mich durch prächtige Säle, deren Fußboden mit glitzernden Mosaikfliesen bedeckt sind. In ihnen spiegelt sich der sagenhafte Glanz gold- und silberstrotzender Altäre, und auch hier begegnet man überall wieder dem Bild des Erleuchteten mit dem ewig rätselvollen Lächeln auf den seltsam belebten Gesichtszügen. Friese, auf denen seine tausendfältig variierte Gestalt wiederkehrt, schmücken die Sockel und Wände, die Gesimse und Leisten, die als ein dicht ineinander verschlungenes Schnitzwerk die Fassaden und Giebellinien dieser eigenartigen Bedachungen begleiten. Selten sah ich eine solche Fülle minuziös gearbeiteter Feinheiten bildnerischen Schmucks, wie ich ihn in diesen Palästen, Klöstern und Tempeln Birmas fand. Bald ist es ein Wirrwarr phantastischer Formen und durcheinanderwirbelnder Linien, die sich in spitzen Endigungen, in bizarren Formen und zackigen Bekrönungen verlieren. Thronhallen und Gemächer scheinen unter dem Glanze dieser für Hinterindiens Kunst so typischen Inkrustierungen und dem Ballast eines übertriebenen Prunkes niederzubersten. Ermüdet wendet man sich unter der Last dieser gleißenden Pracht von diesem, aus einer übersprudelnden Phantasie geborenen orgiastischen Reichtum, der unserem nordischen Gemüte so merkwürdig und fremd erscheint. Kaum ist es möglich, uns dem Geiste dieser in einer erstaunlichen Vorstellungs- und Erfindungsgabe erschaffenden Geschlechter zu nähern, und auch hier in Birmas sagenhaften Wundern äußert sich die tiefe Religiosität und Gläubigkeit des Volkes, die den alten Geschlechtern die Kraft und den Willen zu diesem Bauen und Schaffen verliehen hat.
Von Mandalay aus erreicht man mühelos die antike Ruinenstadt Amarapura, in der ich die großartigen Überreste buddhistischer Klöster und Pagoden aus der frühesten Zeit altbirmanischer Dynasten fand. Nach mehrtägigem Aufenthalt in dem von tropischer Schwüle erstickten Mandalay trete ich mit einem der luxuriösen Passagierdampfer der Irawadi-Flottilla-Co. Stromabwärts die Rückreise nach Rangoon an. Selten erlebte ich während meiner Fahrten im Osten eine reizvollere und mit bunten, abwechslungsreichen Bildern so reich erfüllte Flußfahrt wie diese. Es war unmittelbar nach der Regenzeit, als die herrliche, wildromantische Natur, welche sich unter tropisch-feuchten Dünsten zu beiden Seiten des Stromes erstreckte, in den sattesten Farben eines schwelgerischen Wachstums erstrahlte. Ein tiefblauer, klarer Himmel wölbt sich über dieser reizvollen Tropenwelt. Gewaltige gelbgraue Wogen wälzen sich in dem schlammigen Flußbett des Irawadi nach Süden. Fast gleitet das Schiff zu rasch dahin, um alle die Eindrücke, welche man von der überwältigenden Gewalt dieser herrlichen Tropennatur empfängt, seiner Seele zugänglich zu machen.
Oft fahren wir nahe den Ufern entlang. Ein dicht verwachsenes Urgestrüpp des uralten Dschungels tritt bis unmittelbar an die schäumenden Ufer heran. Es sind Teile der gewaltigen Urwälder Oberburmas, die einen unerhörten Reichtum an kostbaren und seltenen Hölzern enthalten. So weit das Auge reicht, ist das Land mit diesen wertvollen und unerschöpflichen Forsten bedeckt. Über den Ufergebüschen und den stillen Wassern der tief ins Land hineingreifenden Flußlagunen schweben die Wolken von Insektenschwärmen, welche dem Lande die Seuche des Fiebers bringen. Regen bedeutet auch hier für den Menschen Tod, für die Natur jedoch neues Leben. Tiere des Urwalds schleichen auf ihren engen Wechseln zu dem nie versiegenden Quell des Stromes herab. Lärmende Affenmeuten und exotisch gefiederte Sänger beleben die engverschlungenen Baumkronen, die sich turmhoch über das trübe Wasser des Stromes neigen. Ihre Wurzeln sind unterspült und bilden ein Labyrinth von dunklen, morastigen Kanälen und Gängen, die weit in das Innere des Waldes hineinreichen. Krokodile, Kraniche und eine schillernde Welt gefiederter Sänger hausen in diesem Dorado des Dschungels. Auf dem östlichen Ufer steht wie eine blaue Dunstwand der ferne Höhenzug der Mjingyauberge. Unzählige fremde Stimmen einer geheimnisvollen, fremdartigen Natur schweben flimmernd über der breiten Wasserfläche und wecken ein tausendfältiges Echo in den einsamen Buchten des Stromes. Schwer wie ein Alp hegt die drückende Schwüle, die von Feuchtigkeit geschwängerte Atmosphäre über dem Verdeck des Schiffes, und das ewige Flimmern aufsteigender Hitzewellen zittert über den gelben, siedenden Strudeln und Wirbeln, welche an den Windungen des Stromes große Schilf- und Schlamminseln im Kreise drehen. Auf ihrem trügerischen Grund haben sich Scharen von silberglänzenden, großen Wasservögeln, Reiher und Pelikane niedergelassen, um stromabwärts zu anderen Fischgründen zu treiben. Bald wechseln flache, sonnenverbrannte Einöden, an deren Rand wir die Rudel schlanker Gazellen ziehen sehen, mit üppig grünen Gebieten, die Oasen gleichen und deren göttliche Fruchtbarkeit den Menschen eine Heimat gibt. Golden leuchten die fruchtstrotzenden Dolden der Bananen- und Mangohaine zu uns herüber.
Wo man menschliche Siedlungen findet, sehen wir die buntgekleideten, malerischen Gestalten der Eingeborenen, die auf den Feldern und in den Gärten mit der Ernte beschäftigt sind. Stundenweit windet sich der Strom durch Gebiete, in denen grüne Meere von Palmen wogen, an deren haushohen, schlanken Stämmen unter den schattigen Wedeln ihrer Kronen die wildwachsenden Früchte in ungeheuren Mengen hängen. Es ist ein Schlaraffenland der Affenmeuten, die sich in Scharen dort drüben herumtreiben. Ein goldenes Abendlicht sinkt auf die Oberfläche des Stromes herab. Die Dämmerung unter diesen Breitegraden ist kurz, und rasch gleitet die Dunkelheit der Nacht auf den rauschenden Strom hernieder. Ringsumher hören wir allmählich die geheimnisvollen Geräusche des Urwalds verklingen. Nur das Geräusch übermütiger Fische, die sich in die Kühle der sternendurchglühten Nacht emporschnellen, und das klagende Locken nächtlicher Vögel liegt über dem leise rauschenden Strom. In der Nacht erreichen wir Pagan, wo ich am nächsten Morgen die gewaltigen Ruinen seiner alten Tempel aufsuche. Die riesigen Architekturen erinnern in ihrem Aufbau an die hinduistischen Tempel von Orissa in Vorderindien. Über schweren, quadratischen Steinsockeln erheben sich die massigen, bienenkorbartigen Gopurams, unter denen die Götter ihre Wohnungen haben. Reiche Plastiken, die vielfach aus dem gewachsenen Stein gemeißelt sind, schmücken auch hier an diesen ältesten Bauwerken Birmas die ruinenhaften Heiligtümer dieser imposanten Tempelstadt. Weiter geht die interessante Fahrt über Mijngyaung und Prome nach Rangoon, dem Ausgangspunkt meiner Reise im großen birmanischen Reich, dessen Volk sich das geistige Erbe Buddhas bis in unsere Tage bewahrt hat.
In Rangoon wartet das Schiff, welches mich von dem glücklichen Lande Birma nach Vorderindien und der paradiesischen Küste Ceylons zurückführen sollte. Nach einem längeren Aufenthalt in Madras erreiche ich Colombo, von wo aus ich vor geraumer Zeit meinen verheißungsvollen Weg nach Indien einschlug. Und eilig verflog die Zeit meines Erlebens in Indien. Es schien mir, als hätte ich erst vor Tagen dem Palmenstrand Ceylons den Rücken gewandt, als ich damals in jener stürmischen Nacht des Monsuns die Meeresstraße, welche die Insel vom Kontinent trennt, passierte und mich mit fiebernder Erwartung dem Reiche der Wunder näherte. Und was dieses gewaltige Land und sein an hoher geistiger Kraft und frommer Gläubigkeit so reiches Volk an unvergleichlich hohen Werten besitzt, erfüllt den sehenden Menschen unserer Zeit mit tiefer Ehrfurcht. Nur weniges ist es, was ich mit den niedergeschriebenen Eindrücken über meine Fahrten in Indien von der Unerschöpflichkeit des Sehens und Empfindens wiederzugeben vermag. Doch ich gab es im Glauben und mit dem unerschütterlichen Willen, dessen Kraft durch das große Erleben eines wunderbaren und fremdartigen Ereignisses in mir erweckt worden ist und nun im Raume dieser engumrissenen Skizzen und Bilder vor dem geistigen Auge des Beschauers wiederkehren soll.