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Ein Stückchen fürs Kasperltheater
Kasperle (allein, singt):
Bummvallera ist nicht da; wo ist Bummvallerallerallera? |
(Er gähnt) Ach, ist die Welt langweilig! Vor lauter Langerweile hab ich schon ein paarmal meine Finger gezählt; aber komisch, es kommt immer was andres raus. (Er zählt an seinen Händen): 1, 2, 3, 5, 7, 8, 10, 12, 14, 15 – na ja, nun sind's wieder 15. Na, noch mal: 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 12, 13, 14 – komisch, nu sind's wieder 14. Mal hat der Mensch 15 und mal 14 Finger; und dabei sehn sie immer egal aus. (Es klopft.) Ei, da kommt Besuch. Immer 'rein, meine Herrschaften, immer 'rein! (Polizist kommt.)
Polizist: Bist du der Kasper?
Kasperle: Was? Kasper? Herr Kasper heißt es, geehrter Herr Kasper heißt es, wertgeschätzter Herr Kasper heißt es, Sie oller Helmaffe Sie, Sie untertänigster Rasselsäbel!
Polizist: Mann, seien Sie mal etwas höflicher zur königlichen Polizei!
Kasperle: Höflich? Hi hi, höflich? Mit Höflichkeit fängt man nicht mal 'nen Floh. Oder soll man etwa sagen: bitte, Herr Floh, seien Sie so gut, Herr Floh?
Polizist: Kasper, du bist ein Esel!
Kasperle: Ein Esel? Was Sie sagen! Ist 'n nettes Tierchen, so'n Esel, hihi; klettert auf die höchsten Stellen und fällt nicht runter. Hihi, möcht schon solch Tierchen sein.
Polizist: Lirum, larum, Kasper, du mußt jetzt in den Krieg; darum bin ich hergekommen.
Kasperle: Krieg? Was ist denn das? Kriecht man da rum, in dem Krieg? Ich bin doch kein Kriechtier!
Polizist: Du dummer Kasper, du dammliger, der Krieg sind Schlachten mit Bomben und Kanonen.
Kasperle: Schlachten? Ei, das kenn ich, da gibt's frische Wurst; Blut- und Leberwurst, hihi, das schmeckt aber fein! – Und Bomben? wissen Sie, die backt meine Omama mir immer zu Weihnachten; die kenn ich auch. Und Kanonen? ja, die stehn noch vom Großvater selig her auf'm Kramboden; der war Sie nämlich Mistbauer, und brauchte so'ne dicken hohen Schmierstiebeln. Also, dann kenn ich ja den Krieg; muß 'ne lustige Sache sein.
Polizist: Na warte man, du Frechdachs, wirst es schon merken, wenn's dir man erst um die Ohren knallt.
Kasperle: Knallen tut's da? O jemine! Wissen Sie, Herr Kriegsminister, gegen Knallen hab ich von Kind auf 'ne Idiokratie.
Polizist: Idiosynkrasie meinst du wohl, dummer Kasper.
Kasperle: Nee, Herr Rasselsäbel, Sinn ist da nicht drin; sonst wär's ja keine Idiotokratie. (Er singt):
Die Welt, die haut sich tot wie nie, tot wie nie, tot wie nie, und füttert das Meer mit Korn und Vieh, Korn und Vieh, Korn und Vieh; das ist doch Idiotokratie, Tokratie, Tokratie, Idiotokratie! |
Polizist: Halt deinen dummen Schnabel, Kasper, das verstehst du nicht; das ist die hohe Diplomatie. Sage mir lieber, wie dein Vater heißt, Kasper.
Kasperle: Das kann ich Ihnen durchaus nicht sagen, Sie neugieriger Iltis, alldieweil ich das selber nicht weiß. Ich glaube, ich hatte gar keinen Vater.
Polizist: Und deine Mutter?
Kasperle: 'ne Mutter? 'ne Mutter hab ich auch nicht gehabt. Bloß 'ne Großmutter und 'ne Urmama; die haben mich zusammen zur Welt gebracht.
Polizist: Du bist 'n Ochse, Kasper, oder 'n Frechdachs. Jeder Mensch hat doch 'ne Mutter.
Kasperle: 'n Ochse? das wär was, ei der Daus! Was wär ich da wert bei den heutigen Fleischpreisen? wir wollen mal zusammen rechnen, Herr Kriegsminister. Also: ich wiege 150 Pfund, das Pfund kostet jetzt 8 Mark 50. Erst also 100 mal 8 Mark 50 – hängen wir einfach zwei Nullen an, das macht 85000 Mark; und dann noch 50 mal 8 Mark 50, das ist mir zu schwer, das kann ich nicht rechnen. Wissen Sie's vielleicht, Herr Kriegsrat?
Polizist: Na, das sind ungefähr 4000 Mark, Kasperle; es ist ja auch schon lange her, daß ich in der Schule war.
Kasperle: Also, ich hatte 85 000 Mark; und Ihre 4000 Mark dazu, macht 100000 Mark. Sehn Sie, Herr Kriegsminister, soviel ist der Kasper wert, wenn er ein Ochse ist; hihi, was sagen Sie nun, Herr Oberkanonenrat? Was mag man da erst wert sein, Sie, wenn man ein fettes Schwein ist! Wissen Sie was: wir wollen beide Bauern werden und fette Schweine zusammen ausbrüten. (Er singt):
O wär ich doch ein Öchselein, Öchselein, Öchselein, oder auch ein fettes Schwein, fettes Schwein, fettes Schwein, dann pökelt' ich mich selber ein, si- sa- selber ein. Da käm ich in ein großes Faß, großes Faß, großes Faß, da rollt' ich in das Kellergelaß, Kellergelaß, Kellergelaß, da hätt ich für den Winter was, Wi- Wa- Winter was. |
Polizist (packt ihn): Ach was, vorwärts marsch mit dir in den Krieg! und hast-du-nicht-gesehn ins Feuer!
Kasperle: Ins Feuer soll ich? Ich ins Feuer? Aber ich bin doch keine Preßkohle, Herr Oberheizer, daß ich ins Feuer soll? (Er ruft ins Haus): Großmama, mein Puttchen, du alte Knochenmühle! komm doch mal her, aber putz dich nicht erst! man will dein Kasperle ins Feuer stecken! (Großmutter kommt.)
Großmutter: Was ist denn los? Was schreist du so, Kasperchen?
Polizist: Er muß in den Krieg und will nicht, der Racker!
Großmutter: O Gott, o Gott, in den Krieg, mein Herzblatt? Da werden sie dich totschießen, armes Kasperchen! Ogottogottogottedoch!
Kasperle: Laß man, Omamachen wenn sie schießen wollen, nehm ich meine Pritsche und hau sie selber tot. Guck mal, so – so – haste nich gesehn – (er haut den Polizisten tot, wirft ihn über die Rampe und sagt dabei:) Ja, quiek man! den Kasper krigst du nicht! der lebt ewig, du oller Rasselsäbel! –