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Alsbald tagte zu Orléans – einer der neu eroberten Städte, die von den Franken nicht geräumt worden waren – ein Konzil von mehr als dreißig Bischöfen. Der König selbst eröffnete es, verließ aber alsdann die Versammlung. In dem vorletzten der einunddreißig Canones ward jeder heidnischer Aberglaube – Weissagung und ähnliches – bei Strafe der Ausschließung aus der Kirche verboten. Der König verpflichtete sich, durch den weltlichen Arm den Gehorsam gegenüber den Geboten der Kirche zu erzwingen: Cautinus und Theoplastus, – dieser bei dem Übertritt Gundobads zu Chlodovechs Feinden abermals aus Genf geflüchtet, von Chlodovech aufgenommen und zum Bischof von Cambrai ernannt, – waren die geistigen Beherrscher der Versammlung: Remigius, der dringend von jeder Verfolgung der Heiden und Ketzer abgeraten hatte, lag krank zu Reims.
Als der Kanzler dem König die Abschrift der gefaßten Beschlüsse überbrachte, durchflog sie der höchst gleichgültig, ja ungeduldig und ungehalten. »Was denn?« meinte er. »Asylrecht . . . geistliche Weihen . . . Kirchenvermögen. Schon recht, schon recht. Aber . . . Ei, was seh' ich da? Kanon sieben! Die Geistlichen sollen von mir keine Gaben verlangen dürfen ohne Erlaubnis des Bischofs bei Enthebung vom Amt und Exkommunikation? Schwillt den Herrn Bischöfen schon so hoch der Kamm?« – »Herr König, der Schatz ist leer. Widerstrebe nicht den Einzigen, die ihn dir füllen können!« – »Nun, beim lodernden . . .! Na, bei irgend wem oder was. Sei's drum! Aha, hier die Ketzer: Kanon zehn, Aufnahme der bisher arianischen Priester: meinetwegen! Büßer . . . Eheverbote . . . Mönche . . . Was denn? Ist ja alles . . . ganz . . . gleichgültig. Da! Nun kommt's aber! Kanon sechsunddreißig! Was? Weiter nichts? Nur Exkommunikation für ein Paar heidnische Gebräuche? Keine Einziehung des Vermögens bei Ketzern und Heiden? Ja, wie soll ich denn da zu Gelde kommen?« – »Herr, es war noch nicht mehr zu erreichen.« – »Wofür bist du Kanzler? Und ich König?« Cautinus zuckte die Achseln. »Du wirst noch lernen, – oder die nach dir kommen! – daß man die Kirche nicht herumbefehligen kann wie ein Reitergeschwader. Sie, das heißt die Bischöfe, konnten – offen – nicht weiter gehn. Remigius zu Reims, Avitus zu Vienne, Caesarius zu Arles, . . . sie alle würden sich an den heiligen Vater Symmachus zu Rom gewendet und sich verwahrt haben gegen Gewalt wider Ketzer und Heiden. Bedenke, die Heiden werden Widerstand leisten, Blut wird fließen: die Kirche aber dürstet nicht nach Blut.«
»Aber stark nach Gold und Land,« grollte der König. »Die Bischöfe wollen solche Schuld nicht auf sich nehmen. Remigius und seine zahlreichen Anhänger richteten einen Brief an das Konzil, der mit den Worten Tertullians schloß: ›der Glaube darf nicht aufgezwungen, freiwillig muß er angenommen werden!‹« Grimmig schleuderte Chlodovech die Akten des Konzils auf den Estrich. »Die Schwachköpfe! Bei Donars Strahl! Wozu dann die ganze geistliche Heerschau? Hei, auf meinem Märzfeld müssen die Kerle gehorchen!« »Auch nicht immer,« lächelte der Kanzler boshaft. »Denk' an den Krug von Poitiers.« Wild fuhr der Merowing auf: »Hüte dich! Du weißt wie jenem Frechling geschah.« – »Beruhige dich, Herr. Die Bischöfe haben sich schon – auf meine unablässigen Bemühungen – bereit erklärt . . .« »Wozu? Bin neugierig! Was denn?«
»Sie wollen dir auf feinere Weise, mit leiseren Schritten, wie wir's lieben, – nicht so gerade zu! – helfen: sie wollen dir zur Abwehr der feindlichen Ketzer an der Grenze aus dem Patrimonium der Heiligen leihen.« »Leihen? Was denn?« lachte Chlodovech. »Ich zurückzahlen? Ist ja . . .« – »Aber das reicht nicht. An Grundeigen und Fahrhabe der Ketzer und Heiden kommst du nicht durch die Kirche allein: nur zusammen durch die Kirche und . . .« – »Und wen?« – »Durch mich, deinen Kanzler.« Chlodovech blies vor sich hin. »Puh! Was denn? Da bleibt unterwegs viel in deinen Taschen stecken. Weiß schon! Hast wieder Schulden wie der Jagdhund Flöh'«. Lachend erwiderte der Schwarze: »Was thätest du mit einem unschuldigen Kanzler!«
»Ah, gut gesagt,« lachte der Merowing. »So was mag ich leiden. Also – was forderst du?« – »Unbeschränkte Vollmacht gegen Ketzer und Heiden. Das Konzil wird – mündlich, beim Schluß – von dir verlangen, daß du Untersuchung über Zahl und Treiben der Ketzer und Heiden in deinem Reiche vornehmen lässest, ›mit erforderlichen Maßregeln‹ von Fall zu Fall.« »Ah,« lachte Chlodovech vor sich hin. »Daran erkenne ich die Sprache eurer Priester. – So fein und dehnbar redet sonst kein Mensch. – Alles kann man daraus machen. Das hat Theoplastus vorgeschlagen oder du.«
»Wir beide. Jene Untersuchung, diese erforderlichen Maßregeln . . .« »Ein trefflich Wort,« wiederholte der König bewundernd. »Überträgst du mir – mit unbeschränkter Vollmacht des Vollzugs: – zunächst verhäng' ich Haft in Klöstern für weitere Untersuchung: – und ich stehe dir dafür, wo ich suche, Frevel oder Geld . . . –« »Da wirst du etwas finden! Gewiß! Mach dich ans Werk. Rasch! Ohne Schonung. Ich gebe dir hiermit dafür meinen Königsbann.« – »Urkundlich, muß ich bitten. Und dazu Gero und Frecho. Und hundert berittene Speerträger.« – »Nimm sie. Ich lasse die Vollmacht aufsetzen. Ans Werk!« Er eilte hinaus. »Ja, ans Werk! Endlich!« sprach der Kanzler und drückte die Hand ans hochklopfende Herz.