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Vollständig glückte der Plan. Schon als die Franken – mit heißer Hast und lautem Lärm – ihr Lager abbrachen und eilig gen Südwesten abzogen, hatten die Goten in der Stadt, müde der langen Einschließung, während deren die Feinde das Land verwüsteten und die Angehörigen der Heermänner mißhandelten, ihren König zwingen wollen, die Abziehenden zu verfolgen. Er widerstand mannhaft und verständig. Als aber die zwei Überläufer den Grund des Abzugs überall in den Gassen verkündigten und daß die Scharen der Ostgoten bereits den Clain, südwestlich von Poitiers, überschritten hätten, – da brach in Alarichs Heer eine nicht mehr zu bändigende Bewegung aus. Sie wollten nicht den Ostgoten allein Sieg, Ruhm, Beute und Rache überlassen: sie wollten die frechen Angreifer, die Verderber ihrer Häuser, Frauen und Töchter vernichten helfen: sie wollten dabeisein in der Stunde der Vergeltung. Sie rissen die Thore auf und strömten hinaus, in kleinen Haufen, einzeln, ohne Führer, ohne Ordnung, den Verhaßten nachjagend.
Seufzend entschloß sich der König, der ungern seine wohl gewählte, gut befestigte Verteidigungsstellung aufgab, den Befehl zur Verfolgung zu erteilen: er erkannte, andernfalls geschehe die Verfolgung ohne, ja gegen seinen Befehl, und ohne jede Leitung: nur wenige würden bei ihm in der Stadt bleiben.
Aber auch jetzt gelang es nicht mehr, Ordnung in die blind vorwärts tosende Menge zu bringen. Nicht nach ihren gotischen Tausendschaften, Hundertschaften, Fünfzig- und Zehnschaften gegliedert, – bunt durcheinander gemengt, wie die Rudel davongelaufen waren aus der Stadt, Reiter und Fußvolk, schwere Schildner und leichte Pfeilschützen durcheinander, wogten die Verfolger nach.
Die Überläufer hatten ausgesagt, die ostgotischen Helfer, sechzig Tausendschaften, den Franken um das doppelte überlegen, lagerten bereits in dem dichten Walde, der den langen Höhenzug auf dem linken, dem Westufer des Clain bedeckt: hier hätten die fränkischen Spähreiter sie entdeckt und – voll Schrecken! – ihre ungeheure Zahl geschildert.
Die Freude der Vergeltung trieb die Goten rasch vorwärts. Von den Franken zeigte sich keine Spur. Aber dieses atemlose Laufen – vier Stunden lang – unter der glühenden Mittagsonne des Erntemonats hatte die Kraft der Kräftigsten erschöpft und als sie nun, steil bergan rennend, den Fuß jener Höhen erreicht hatten und jetzt mit letzter Anstrengung emporklommen, – da trat plötzlich beim Schmettern der Hörner das ganze fränkische Heer meisterhaft geordnet aus dem Waldesdunkel hervor und warf sich mit gellendem Hohngeschrei, die Reiter voran, das Fußvolk in geschlossenen Reihen mit gefällten Speeren folgend, auf die bergan Keuchenden, im höchsten Grad Erschrockenen.
Ein einziger Stoß – beim ersten Zusammentreffen – entschied die Schlacht. Die Goten kamen gar nicht zu geordnetem Widerstand. Sie wurden die steilen Hänge, die sie mühsam zu erklimmen suchten, hinunter gefegt, wie der Wind die Spreu vor sich her bläst. Der Anprall der Franken warf das ganze lose Gefüge der einzeln oder in kleinen Haufen Emporsteigenden, Pferde und Menschen durcheinander, hinunter: viele wurden erstickt, zertreten von den in sinnlosem Schrecken nachdrängenden Genossen: sie wurden untereinander handgemein, sie rangen um den Vorsprung in der Flucht, indes die Franken auf die wirren, wehrlosen Knäuel einhieben. Unten am Fluß staute sich eine Zeitlang der Schwarm der Fliehenden. Hier hatte Alarich seine Gefolgschaft um sich geschart: dieser kleine Reiterzug hielt den Zugang zu der schmalen Brücke über den tiefen Fluß besetzt und versuchte, Freund und Feind aufzuhalten.
Eine Weile glückte das: und auch von dem fliehenden Fußvolk hielten hier ein paar Haufen und stellten sich zur Wehre. Es waren die tapfren Auvergnaten, die, eifrig fromme Katholiken, die Ehre der Treue der Katholiken, die manche ihrer Priester bisher schwer gefährdet hatten, auf diesem blutigen Felde glänzend wahrten: sie fielen, ihren ketzerischen König mit ihrem Leben deckend, fast alle auf diesem Fleck.
Da jagte Chlodovech heran auf feurigem Roß, dem der Schaum von den Nüstern flog. Die zarte, feine Gestalt des Merowing sah jetzt herrlich aus, scharf, schneidig und doch biegsam wie Stahl: die roten Locken flatterten, aus dem Helm quillend, in dem Wind, aus den hellgrauen Augen blitzte die stolze Lust an Kampf und Sieg. »Wer hemmt uns da? Uns und die Heiligen? Drauf, meine Franken!«
Und er spornte den Hengst, daß er hoch stieg und im Niedersinken den nächsten Gaul über den Haufen warf.
»Hei, die blaue Gotenfahne!« rief Chlodovech. »Da muß der König halten. Nieder die Fahne und nieder der König.«
Aber in dichten Reihen umdrängten die berittenen Gefolgen das teuere Zeichen und ihren Herrn. Chlodovech brach sich Bahn; den nächsten Reiter stach er mit dem Speer vom Roß, der Speer brach; da zerschmetterte er mit der mörderischen Doppelaxt dem Nächsten Sturmhaube und Haupt: nun war er an dem Fahnenwart: er schlug den Fahnenschaft krachend entzwei: die blaue Gotenfahne Eurichs und Thorismunds, die siegreich auf der Walstatt von Châlon über der gebrochenen Gottesgeißel Attilas geweht hatte und in mancher andern Schlacht, – sie sank in den Staub.
An dem bestürzten Bannerwart vorbei drängte Chlodovech den Hengst vorwärts: da erkannte ihn wenige Schritte vor sich, auf seinem weißen Roß, König Alarich: »Stirb, Friedebrecher, Räuber, Mörder!« rief er und schleuderte die Wurflanze. Aber der Merowing fing die heransausende auf mit der flinken Rechten, drehte sie um, sah gen Himmel und rief: »Nun höre mich, Herr Christus, der du da Wesenseins bist mit dem Vater: das will der Schuft da nicht glauben! Wohlan, wie jenen wilden Heidenkönig, – so bring' ich dir als blutig Opfer dar den Ketzerkönig hier. Nun lenke wieder wie damals meinen Wurf.« Er warf: Alarich flog der eigne Speer in die Kehle, genau an der Stelle, wo der Alamanne getroffen war.
Der Fall des Königs entscharte das Häuflein, das hier letzten Widerstand versucht hatte: sie stürzten in wilder Flucht auf die rettende Brücke zu, diese brach unter dem nie erfahrnen Gewicht: hoch spritzten sie auf, die blutigen Wogen des Clain, die viele Hunderte verschlangen. Die Verfolgung, wenigstens durch die Reiterei, von Chlodovech rastlos nachgehetzt, jagte die Besinnungslosen bis vor die Thore von Poitiers. Als diese sich aufthaten, die Flüchtigen zu retten, drang Chlodovech mit den besten Rossen seiner Gefolgschaft zugleich mit ein: der Bischof und sein zahlreicher Klerus hatte sich derart zwischen die zwei geöffneten Flügel des Südthores gestellt, daß sie nicht rasch genug geschlossen werden konnten: die wenigen zurückgebliebenen Goten streckten die Waffen. Chlodovech war Herr der Feste.
Nicht fünfzig Mann hatten die Franken verloren.
Viele, viele Hunderte von Goten waren erschlagen, ertrunken, gefangen. »Wie der Habicht die Taube schlägt, traf ich die Feinde,« frohlockte Chlodovech. »Ah!« rief er, »wer jetzt nicht einsieht, daß der Herr Christus stärker ist als Wodan und der Katholische besser als der Arianische, der ist dümmer als . . . Was denn? Nun, als ich bin.«