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Am andern Tag, als nach eingebrochener Abenddämmerung das Heer der frommen Franken vor den Mauern von Poitiers erschien, ward es wieder von einem Wunderzeichen der Heiligen begrüßt. Sobald die vordersten Reiter sichtbar wurden von der Stadt aus, flammte auf dem Turm der Basilika des heiligen Hilarius, des Schutzherrn der Stadt, plötzlich eine Feuersäule auf, den befreienden Merowingen bewillkommnend zu empfangen. Es war die bischöfliche Hauptkirche. Am Morgen darauf erbat und erhielt Bischof Theodor vom Gotenkönig die Erlaubnis, in das Lager der Franken zu gehen, den Frieden zu vermitteln.
Vor Chlodovech gebracht, forderte er diesen auf, rasch anzugreifen, bevor die Ostgoten einträfen. »Schönen Dank, ehrwürdiger Herr Bischof,« sprach Chlodovech erfreut, »für den guten Rat. Ei, wenn du so gesinnt bist, bleibe doch bei uns im Lager, bis ich dich zurückführe in die eroberte Stadt.« »Ich meine, mein Herr und König,« lächelte der Priester, »ich kann dir während der Belagerung viel mehr nützen in der Stadt als vor der Stadt.« Chlodovech blies vor sich hin: »Puh! Vortrefflich! Bist ein feiner Kopf, das seh' ich. Werde dir manchmal diesen schlauen Cautinus hier – als Unterhändler mit den Goten – schicken. Dein gebührender Lohn – nach meinem Sieg – soll nicht ausbleiben. Geleite den Wackern zurück an die Thore, Cautine!« Als beide das Zelt verlassen hatten, drohte Chlodovech dem Gaste mit erhobenem Zeigefinger nach: »Warte nur, du falscher Patron! Du würdest mich verraten, wenn dir's taugte, wie Alarich. Warte nur! Hab' ich die Stadt, sperr' ich dich in mein Kloster Micy, – war ein guter Einfall, daß ich's gründete! – und nie mehr kommst du mir heraus!«
Die Einschließung zog sich doch in die Länge. Chlodovech unternahm unterdessen, bis die Sturmmaschinen fertig gebaut waren, mit einer kleinen Schar die Bedrohung der benachbarten Feste Caput Tauri.
Die starken Mauern dieser Burg wichen den Axthieben nicht; Cautinus ging als Unterhändler hinein; am andern Tage zurückkehrend, brachte er zwar die Ablehnung des gotischen Befehlshabers, verkündete aber, Sankt Hilarius von Poitiers habe ihm, – Cautinus – in einem Traumgesicht geraten, die frommen Franken sollten mit Hörnerschall dreimal an der Kapelle vorbeiziehen, deren Rückwandung einen Teil der nördlichen Außenmauer bildete; das Wunder von Jericho werde sich zu Gunsten Chlodovechs, ›des zweiten Josua‹, wiederholen.
Die frommen Franken befolgten diesen Rat: psallierende Geistliche, voran Weihrauchfäßlein schwingende Knaben, zogen der roten Merowingenfahne mit den Wodanswölfen voraus und bei dem dritten Hörnerklang stürzten die Mauern der Kapelle zusammen: merkwürdigerweise alle von innen nach außen: der Archidiakon der Kapelle stand unversehrt in der Mauerlücke. Ohne weiteren Widerstand zog Chlodovech ein.
Als aber Frecho auch dies Wunder verwerten wollte, seinen Freund zu seinem neuen Glauben herüberzuziehen, – noch mit einem von der Geißelung wunden Rücken war er in das Taufbecken der Kapelle gestiegen – weigerte sich der, indem er eine von ihm entdeckte, lockere Steinplatte aufhob und auf die Äxte und Brecheisen hindeutete, die da, mit allen Spuren frischer Arbeit, versteckt lagen. »Ich stand heute Nacht hier auf Wache,« lachte er »und hörte stundenlang ein Hauen und Hämmern. Und übrigens: deine Heiligen haben deinen Buckel so wenig geschützt, wie meine Götter den meinen. Weißt du, was daraus folgt? Ich glaube nächstens an beide nicht!« Chlodovech erfuhr nichts von dieser Entdeckung; daher stieg Cautinus gewaltig in seiner guten Meinung: »Du mußt doch,« sagte er ihm bei Spendung reicher Geschenke, »trefflich stehen mit den Heiligen. Mir ist noch keiner erschienen, ja nicht einmal dem selbst schon heiligen Remigius! Was nützt mich ein Heiliger, der keine Wunder thut und ein Priester, dem nichts erscheint? Das nächste erledigte Bistum erhältst du, trotz Herrn Remigius und Frau Hrothehild und Jungfrau Genoveva, die dir alle gar wenig hold sind. Deinem Oheim Theoplastus hat mein neuer Freund Gundobad auf meine Verwendung den Stuhl zu Genf wieder gegeben. Dich aber behalt' ich in meiner Nähe. Ich bedarf gegen Remigius eines Vertreters des Glaubens, der nicht gar so himmlisch gesinnt und – für die Erde – so unbrauchbar ist.«