Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XIII.

Der Erfolg schien den weisen und hochherzigen Beschluß des Civilis belohnen zu wollen: das Schlachtenglück, das seit des Cerialis Auftreten bisher ununterbrochen die Legionen begleitet hatte, wandte sich, sobald Civilis ihnen entgegentrat.

In die Heimat zurückgekehrt ließ er Brinno auf dessen heißen Wunsch der Kannenefaten Gaue befreien von Claudius Labeo, der seine römischen Kohorten durch Aufgebote der gallischen Nervier von der Sambre um Bavay und der Bätasier in Südbrabant verstärkt und nun Brinnos Heimat und die benachbarten Marsaker im Süden heimgesucht hatte. Der ungestüme Held warf sich mit Wut auf die Feinde und schlug sie rasch zum Lande hinaus. Aber damit nicht begnügt, zog er den durch die römische Flotte bedrängten Friesen zu Hilfe, griff vereint mit Ulemer das Geschwader der hochbordigen und tief gehenden Trieren, die sich in jenen Watten so unbehilflich wie der Wal in seichtem Landwasser bewegten, mit zahlreichen leichten Fischerkähnen an, nahm den größeren Teil, bohrte viele andere in den Grund und ließ nur wenige entkommen.

Einstweilen hatte Civilis die beiden Brigantiker aus seinem Heimatgaue vertrieben und weit bis nach Südosten an die Maas verfolgt. Hier retteten sie sich zu Claudius Labeo, der im Gebiet der Tungern die Brücke über die Maas besetzt hatte und im Vertrauen auf diese feste Stellung hier Stand hielt. Aber Brinnobrand, der nicht von seinem Wodan gewichen war, schwamm in der Nacht an der Spitze eines Schwarmes von Batavern über den Strom und fiel den Feinden in den Rücken. Geschlagen flohen die drei Führer in die Wildnisse der Belgen, eifrig, aber vergeblich verfolgt von Civilis.

So der Feinde in seinem Rücken entledigt wandte sich Civilis aus der befreiten Heimat wieder mit Brinno und dem ganzen ihm noch verbliebenen Heere nach Südosten, den dringenden Hilferufen der Gallier folgend.

Inzwischen hatte Cerialis, nachdem sein Zug gegen das Heer des Sabinus durch dessen Niederlage bei Besançon überflüssig geworden und die Hauptstadt der Lingonen in seine Hand gefallen war, sich wieder nach Norden gewandt und bei Trier eine feste Stellung bezogen. Zu dieser Bewegung der Vorsicht drängten den sonst so stürmischen Angreifer die wiederholten Nachrichten, neue germanische Haufen seien vom rechten Rheinufer her im Anzuge zu Civilis. Diesen sollte der Weg verlegt werden; er hoffte, jene Verstärkungen abzufangen, und dann ebenso Bataver und Gallier vor deren Vereinigung zu vernichten. Um dieser zuvorzukommen, schickte er eine starke Abteilung über Köln hinaus stromabwärts bis Neuß. Er selbst blieb in Trier: – länger als seine Unterführer ratsam und des Ungestümen Art entsprechend fanden.

Diese staunten hier bald über gar manches Seltsame in seinem Thun und Lassen. Was den Seinen am meisten auffiel, war, daß er, der Rücksichtsloseste der Menschen, plötzlich Mitleid mit den armen Galliern beteuerte, und sich bereit erklärte, Vermittelungsvorschläge zu ihren Gunsten entgegenzunehmen.

Schon vor dem Abzug von Langres hatte er in denselben öffentlichen Anschlägen, die Sabinus ächteten, dem Oberpriester Gutruat volle Verzeihung verheißen, ja ihn aufgefordert, über Verhütung weiterer Kämpfe mit den Römern in Verhandlung zu treten; »denn wer,« so schloß der Erlaß, »ist zu solch edlem Werke näher berufen als der Oberpriester des höchsten Gottes der Gallier durch seine hohe Stellung, seine fromme Pflicht und die erhabene Weisheit seines Geistes?«

Das hatte gewirkt.

Gleich am ersten Tage, nachdem Cerialis in Trier wieder eingetroffen, erhielt er ein Schreiben Gutruats, der sich in volltönenden Worten erbot, die Vermittelung zwischen Rom und Gallien zu übernehmen, wenn ihm und seiner Gattin volle Sicherheit und Freiheit zugeschworen werde; alsdann werde er auch seinen in dem Briefe noch nicht mitgeteilten Aufenthalt angeben und den Feldherrn zu sich einladen. Da ward Cerialis plötzlich seelenvergnügt. Er beschwor vor dem Boten, der seinerseits das Schreiben ohne Kenntnis des Verstecks des Verfassers von anderen Sendungen erhalten hatte, alles was der wollte bei allen Göttern Galliens und Roms und erfuhr bald darauf, daß Gutruat und dessen Gemahlin, nach vielen Fährlichkeiten ihrer Wege, ganz in der Nähe von Trier Zuflucht gefunden hatten in Obringadunum, einem noch von den Galliern behaupteten sehr festen Kastell, das uneinnehmbar durch Sturm von steilem Sandsteinfelsen auf die Mosel herabschaute; es war – wohl wegen seiner sturmfreien Lage – zugleich ein uraltes keltisches Heiligtum des Teutates, des Kriegsgottes, dessen überlebensgroßes Standbild von Erz in dem Sacrarium der Burg errichtet stand.

Der erste Gedanke, der den raschen Krieger durchzuckte, war gewesen, sofort aufzubrechen, das Felsennest zu erobern, den aufgeblasenen Pfaffen über dessen Zinnen herabzuschleudern und die schöne Witwe zu trösten. Allein die Landeskundigen versicherten, – und auf einem Erkundungsritt bestätigten ihm das die eigenen kriegserfahrenen Augen – daß der Sturm in der That unmöglich sei: die Aushungerung aber, versicherte man ihm, werde eine höchst langwierige Einschließung von Wochen, ja von Monaten erheischen, da gleich zu Anfang des Aufstandes Vorräte in außerordentlicher Menge in diese heilige Trutzfeste waren gebracht worden. Monate! Und er mußte in wenigen Wochen schon wieder als Sieger in Rom vor dem Imperator stehen.

Sein ungeduldiges Verlangen, die – kaum gewonnen – sofort Verlorene wiederzusehen, drängte ihn vielmehr, auf jeden Vorschlag einzugehen, der ihn so rasch als möglich in ihre Nähe brachte. Stand er nur erst, wenn auch durch Vertrag gebunden und in Gegenwart des Gemahls, ihr gegenüber, so würde List oder Gewalt schon weiter helfen.

So ließ er es sich denn nicht verdrießen, Tag für Tag mit kleinem Gefolg zu der eine starke Stunde Mosel aufwärts gelegenen Felsenburg zu reiten und vor deren Thor mit dem herzlich gering geschätzten Druiden zu verhandeln.

Vergebens hatte er in den ersten Tagen gehofft, Eintritt in die Burg zu finden, hier die Heißverlangte zu sehen, sich, wenn auch nur durch Blicke, mit ihr zu verständigen: er hätte sich – trotz der Warnung seines Gefolges – kühn in die Feste und so in die Gewalt des Priesters begeben, so heiß war sein Begehren, so ganz hatte die Leidenschaft für dies Weib alles andere in seiner Seele zurückgedrängt.

Allein Gutruat hielt ihn mit schärfstem Mißtrauen von der Burg ab: er berief sich dabei vorwurfsvoll auf den verräterischen Überfall von Langres; vergebens entschuldigte diesen der Römer damit, daß seine Legionäre, nachdem sie – durch Zufall – jenen Erdgang entdeckt, nicht mehr von dem Eindringen in die Stadt zurückzuhalten gewesen seien. Der Priester trat aus der Burg heraus nur unter starker Bedeckung von Gewaffneten, wahrend Cerialis sein Gefolge weiter unten halten lassen mußte. So mußte sich denn der Ungeduldige bequemen, statt sich des schönen heißen Weibes zu freuen, draußen vor dem Burgthor auf einem Block von dem schönen, roten Sandstein des Felsens lange, nichtssagende Reden des Wichtigthuers von Gemahl anzuhören und obenein noch vorsichtig zu beantworten, auf daß die Fortführung einer Verhandlung möglich blieb, die er im Innern verlachte. Wie würde er jemals Gallien andere Bedingungen zugestehen als bedingungslose Unterwerfung! Aber noch mußte er seinen Zorn über den eingebildeten Schwätzer zurückdämmen!

Und die Hoffnung auf Erfolg seiner Absicht stieg, seit – am dritten Tage der Verhandlungen – die lockende Gestalt Claudias auf dem Wall sichtbar geworden. Also lebte sie, weilte wirklich in der Feste: – er hörte des Eiteln gespreizte Reden nicht umsonst! Am folgenden Tag erbat er die Vergünstigung, die Gemahlin des Gottähnlichen, von deren Schönheit er schon viel vernommen habe, kennen lernen zu dürfen.

Aber Gutruat sträubte sich; gar mißtrauisch sah er auf den stattlichen kraftstrotzenden Mann: er schlug es ab. Jedoch als am folgenden Mittag Cerialis – er hatte das Weib oben auf der Zinne, der Gutruat den Rücken wandte, stehen und einen Silberbecher zum Munde führen sehen – um einen Trunk Weines bat und Gutruat einen der Seinen an das Thor schickte – siehe, da trat aus demselben plötzlich Claudia mit der zierlichen Boadicea, ihrer vertrauten Sklavin, die Krug und Becher trug, heraus auf den schmalen Platz zwischen dem Thor und dem steilen Felsenabstieg. Sie freue sich, sagte sie, jedem Wunsch ihres Gastes und Besiegers entgegenzukommen. Sie setzte sich zu den Männern auf die Bank von rotem Sandstein und trank aus Einem Becher mit ihnen. Argwöhnisch beobachtete Gutruat die beiden und so vortrefflich die Frau ihre Rolle durchführte, den nie gesehenen Fremdling artig, doch kühl zu behandeln, – die Leidenschaft des Mannes verriet sich gar bald durch flammende Blicke. Er konnte heute gar kein Ende der Verhandlung finden: – aber er gab verwirrte Antworten, machte Zugeständnisse, die er bisher stets verweigert: – dabei ließ er kein Auge von Claudia.

Unwirsch stand Gutruat auf; er müsse, bevor er abschließen könne, erst noch den Willen des Teutates befragen, dem in dieser Nacht ein großes Opfer zu bringen sei; er beschied seinen Gast auf morgen Mittag. Schon wollte dieser aufbrechen, als plötzlich Claudia rief: »Ei, wie schön, wie schön! Dort! Cerialis! Dort das Vogelnest in der Mauer!«

Beide Männer blickten in der Richtung: – beide wunderten sich über den lebhaften Ausruf: denn in der That war an dem verlassenen Spatzennest nichts irgend Auffälliges zu sehen. Aber Cerialis hatte verstanden, als Claudia bei seinem erstaunt fragenden Blick die starken Augenbrauen bedeutsam in die Höhe zog. Gutruat ward still: doch verabschiedete er den Römer mit seiner gewöhnlichen, feierlichen Herablassung.

Als mehrere Stunden später Claudia von ihrem Gatten die Erlaubnis erbat, – es war schon dunkler Abend – sich im Freien vor dem Thor zu ergehen, verstattete er das mit gnädigem Kopfnicken. Raschen Schrittes rauschte sie hinweg: – sie warf vor dem Thor einen sehnsüchtigen Blick den Felsensteig hinab: ach! da standen auf demselben die Wachen Gutruats.

 


 


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