Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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XIII.

Einige Tage später saßen in Brinnos Halle die Freunde beisammen und pflogen Rates über die Schritte, die nun ferner geschehen sollten.

Ungeduldig schüttelte der Hausherr das rote Gelock. »Allzulange,« grollte er, »schiebt ihr mir das Losschlagen hinaus. Ich möchte . . .«

»Bruder,« mahnte Brinnobrand aufblickend von seiner Arbeit: er schnitzte mit scharfem Messer an einem schlanken Eschenstämmchen, das der Schaft eines Speeres werden sollte – »hast du Einen nicht selbst gelehrt: »erst zähe zögernd zielen mit spitzem Speer, bevor du ihn sausend entsendest?«

»Und,« fiel Ulemer der Friese ein, »hat nicht das Zögern schon genützt? Haben wir nicht einstweilen schon von den fernen Markomannen Zusage erhalten, daß sie ihren Königssohn samt seiner Gefolgschaft und wer ihm sich anschließen mag, zu uns stoßen lassen wollen? Müssen wir nicht noch die Antwort der andern Überrheiner abwarten?«

»Aber es kann doch jede Stunde von Rom der Befehl eintreffen,« erinnerte Brinno, »dich, nach jenem Senatsbeschluß, auszuliefern. Was thun wir dann?«

»Das hat noch gute Wege,« tröstete Civilis. »Ihr wißt, Hordeonius, der Legat, hält große Stücke auf mich!«

»Er hatte volle Ursach'!« schalt Brinno. »Warst du doch römischer als die Römer.«

»Als ich ihm erklärte, ich wolle mich freiwillig in Rom stellen . . .«

»Unseliger!« rief Brinno, »dich und uns alle wolltest du verderben? Denn was sind wir ohne dich? Ein Riesenleib – ohne Kopf.«

»Da verbot er mir das, wie ich voraus wußte. Er übernahm es, mich in Rom zu vertreten, meine Sache zu führen, mein – vorläufiges – Ausbleiben zu entschuldigen. Ich las den Brief, in welchem er erklärte, ich sei hier in Gallien unentbehrlich, die Hitzköpfe –«

»Als wie mich,« lachte Brinno und trank das Auerhorn aus.

»In Ruhe, das ganze Volk in Treue zu erhalten. Damit ist Zeit gewonnen.«

»Wenn nur nicht inzwischen . . . !« meinte Brinno. »Wenn sie unser Trachten entdecken!«

»Unter uns ist kein Verräter,« sprach Civilis.

Da hörte man von der Vorderseite des Gehöftes eilende Schritte nahn: Katwald riß die Thüre der Halle auf: »Flieht!« rief er. »Durch die Tennenthüre! In die Kähne! Über den Fluß! Die Römer nahn! Viele Kohorten! Der ganze Wald klirrt und gleißt von ihren Waffen.«

Alle außer Civilis sprangen auf: Brinno griff nach dem Steinhammer, der an der Wand hing: »Fliehn?« rief er. »Aus meiner Väter Halle? Nein! Was wollen sie an meinem Herd? Ich will sie fragen!« Und er schwang die Waffe.

Civilis zog ihm sanft den Arm herunter. »Ruhig, Freund! Vielleicht droht noch gar keine Gefahr. Schaffe sie nicht selbst. Setzt euch nieder – alle! – auch du, Brinno.«

Da klang draußen leis eine Waffe: dann ward es wieder ganz still.

»Sie horchen!« flüsterte Brinnobrand.

Civilis nickte ihm zu, erhob warnend den Zeigefinger gegen Brinno und hob an mit lauter Stimme auf Lateinisch zu singen, was in deutschen Reimen etwa also lauten würde:

»Durch Alpenschnee, durch Parthersand,
    Mit immer stetem Schritte
Trägt die Legion das Vaterland
    Und Römerrecht und Sitte.
Und wo der Feldherr Lager schlug,
    Da mag uns Heimat werden:
Wir folgen unsrer Adler Flug
    Und unser ist die Erden.
Denn uns ward aus Orakelmund
    Das Schicksalswort verkündet:
So ewig steht im Erdenrund
    Das Römerreich gegründet, –
So ewig ziehn von Pol zu Pol
    Die römischen Legionen,
Als auf betürmten Kapitol
    Die ew'gen Götter thronen.«

Kaum war das Lied verhallt, da ward die Hallenthüre nach innen aufgestoßen und über die Schwelle schritten zwei römische Heerführer; zahlreiche Legionäre wurden in dem Hofraum vor der Halle sichtbar.

Der Vorderste von den beiden und offenbar der höhere im Rang war ein ältlicher Herr, der den schweren Helm, den mit zahlreichen Ehrenzeichen geschmückten Panzer sichtlich nicht ohne Beschwerde trug; die schlaffen Züge, das matt blickende Auge machten nicht den Eindruck scharfer Willenskraft.

Dicht hinter ihm folgte eine jugendliche Kriegsgestalt echt römischen Schlages, rundköpfig, kaum mittelgroß: das kurzkrause schwarze Haar ward von dem Helm fast völlig verdeckt; aus den dunkeln Augen blitzten Feuer und entschlossener Mut: nicht eben freundlich oder vertrausam wanderten seine Blicke von einem zu dem andern der Germanen.

»Willkommen in dieser Halle, mein Feldherr,« rief Civilis aufstehend, da Brinno, ohne sich zu rühren und ziemlich unwirsch blickend, auf dem Hochsitz blieb.

Beifällig nickte der Römer: »wir haben's gehört, was du sangest. Ein Lagerlied der Unsern! In der ersten Legion zu Bonn ist es entstanden. – Unser Weg führte uns nahe an diesem Hofe vorüber, wo – wie der Zufall uns verriet – mehrere euerer Edelinge versammelt sind. So wollte ich euch gleich selbst eine wichtige Nachricht bringen. Der Imperator hat befohlen . . .« er zögerte.

Sein Begleiter schärfte noch den forschenden Blick, mit dem er in des Civilis Zügen zu lesen suchte: allein diese waren unbeweglich, wie versteint.

»Vitellius hat befohlen, das ganze Aufgebot von euch Batavern, Kanenefaten, Sugambern, Gugernen, Friesen – All' eure Mannschaft, zu Fuß und zu Roß, sofort nach Italien zu schicken.«

»Unmöglich!« schrie Brinno ungestüm aufspringend. »Da hast du's, Civilis!« Auch Ulemer konnte seine Bestürzung nicht verbergen.

Nur in des Civilis Antlitz suchte der junge Römer vergeblich nach einer Erregung. So wandte er sich gegen Brinno. »Und weshalb ist unmöglich, wenn's beliebt,« fragte er diesen in drohendem Ton, »was Rom befiehlt?«

Heftig wollte der Hofherr erwidern, jedoch Hordeonius kam zuvor. Ängstlich beide Hände vorstreckend mahnte er: »Ruhig, Vocula, mein junger Freund! Nur keinen Streit unter Bundesgenossen! Alles in Güte. Es ist ja wahr,« fuhr er zu den Germanen gewendet begütigend fort, »der Befehl kommt unerwartet, ist hart . . .«

»Unmöglich ist er!« wiederholte Brinno. »Viele, viele Tausende unsres Volkes, – weit mehr als die Verträge verlangen, – sind in diesen Jahren gefallen für euch! Und nun sollen abermals . . . ? Nun sollen unsre letzten Kräfte . . . ?« Der Zorn erstickte ihm die Stimme.

»Gemach,« sprach Civilis. »Sie sind noch nicht fort.« – »Wer wird hindern, was der Imperator gebeut?« fragte Vocula drohend und furchte die Stirn. – »Wer, o tapfrer Legat? – Nun: vielleicht . . . ein andrer Imperator.« – »Wie meinst du das?« – Achselzuckend erwiderte Civilis: »Sie wechseln rasch in diesen Tagen.«

Mit Staunen blickte Hordeonius auf ihn, faßte ihn am Arm und murmelte leise vor sich hin: »Merkwürdig! Sollte er bereits . . . ? Aber nein! Noch kann kein Bote bis hierher . . . ! – Du hast,« sprach er nun laut, »eine Gabe der Ahnung, Claudius Civilis. Folge mir! Ein Wort zu dir allein.« Er wandte sich, öffnete die Thüre der Halle und winkte jenem, ihm zu folgen.

Da schoß Brinno, unter dem Vorwand, eine Trinkschale für Vocula von dem Wandverschlag zu holen, an dem Freunde vorbei: »Da hast du's!« raunte er ihm zu. »Wenn all' unsere Krieger . . .«

»Sie sind noch nicht fort, wiederhol' ich,« flüsterte Civilis und folgte Hordeonius über die Schwelle.

 


 


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