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»Dank, Sanges- und Siegesgenoß!« rief der. »Möchten die Götter es Einem gewähren, daß er dir's einmal im Kampfe vergelte!« – »Käm' es nur bald wieder zum Kampf!« meinte der Suebe; »es ist unleidlich, hier so lang zu liegen.« – »Ja, man muß verdrießlich werden!« bestätigte Welo. – »Was lachst du, Brinnobrand? Du bist der einzige, der die gute Laune nie verliert.« – »Dafür ist Einer, wie seine Neider sagen, ein Narr. Einer hat mit dem Verstand zugleich alle Ungeduld verloren. Einem eilt es mit nichts mehr. Einer wartet nur, bis er, das Römerschwert im Herzen, nach Walhall fährt. Dort giebt's keine Narren. Nur die sind Narren, die nicht nach Walhall trachten. Aber es ist nicht diese vergebliche Belagerung, die euch beide so verdrießlich macht. Nicht was hier ist, – was nicht hier ist, das schmerzt euch. Bis vor wenigen Tagen gefiel es euch ganz wohl in diesen Zelten.« – »Schweig!« zürnte Sido. »Ja,« mahnte Welo. »Nur ein Narr sagt alles, was er merkt.« – »Darum sagt Einer es nicht. Weil Einer nicht ganz so närrisch ist wie – andre Leute. Einer hat sich wenigstens nie eingebildet, man könne den schönsten Stern da oben – seht ihr ihn dort über uns? Gegrüßt, Jungfrau! – mit der Hand abpflücken, wie eine Haßelnuß vom Strauch, und mit an seinen Herd tragen. Geschieht den Narren recht, die also wähnten.« – »Ja, unser lieber Narr spricht weise,« seufzte Welo. »Ich sagte dir's voraus, Königssohn.« – »Wahrlich nicht,« entgegnete dieser ernst, »weil ich mich ihrer würdig wähnte, wagte ich die Werbung. Wer ist ihrer wert!«
»Er – Wodan!« sprach Brinnobrand feierlich.
»Aber mir schien – trotz allem Glanz und allen Ehren – sie war traurig. Sie seufzte zuweilen. Wonach?« – »Nach der Einsamkeit,« erwiderte Welo, »nicht nach der Ehe oder einem Sterblichen.« – »Aber vielleicht nach einem Unsterblichen,« meinte Brinnobrand pfiffig. – »Hast du doch selbst manch Lied zu ihrem Lob gesungen,« erinnerte Welo. – »Wohl! Und Einer singt noch. Aber die Hoffnung hat Einer aufgegeben, lange bevor er den Verstand verlor.« – »Sie kann gar nicht lieben,« seufzte Welo, »nur sich lieben lassen.« – »Und auch davor reitet sie schleunig davon,« lachte Sido in bittrem Scherz.
Aber Brinnobrand schüttelte das rote Gelock: »Nein, trauter Liedes- und Leidgesell! Nicht einmal darauf darfst du dir etwas einbilden, daß sie vor dir davongelaufen sei; – sie lief vor sich selbst.«
»Das war nun ein echtes Narrenwort,« meinte der Suebe. – – »Aber wie lange werden wir noch vor diesem Erdhaufen liegen müssen? Civilis sollte noch mal stürmen. Das Winterlager, für zwei Legionen zugeschnitten, – nicht von sechstausend Mann ist es verteidigt.«
»Und doch haben wir gar oft umsonst gestürmt! Wir verstehen uns nicht auf den Kampf – von unten nach oben,« meinte Welo.
»Sie haben ganz verfluchte Werkzeuge,« lachte Brinnobrand. »Einer hat noch nie einen Menschen fliegen sehn. Aber gestern flog einer von uns hoch durch die Luft.«
»Wie kannst du dazu lachen?« sprach Welo schaudernd. »Eine gewaltige Zange – ein Hebelbaum inmitten haushoher Balken! – packte plötzlich, vom Wall herniedergreifend, einen unserer Stürmer, der den Wall erklettern wollte, am Halse, hob den Schreienden über den Wall hoch in die Luft und schleuderte ihn – durch den Wechsel des Schwerpunkts – kopfüber mitten in das Römerlager hinein. Es war grauenhaft zu sehn.«
»Gerade uns gegenüber,« deutete Brinnobrand, »ragt das unheimliche Ding. Seht ihr – im Scheine des Pechkessels unterscheidet man deutlich den Schatten der beiden Balken. Ein zweibeiniger, böser, Menschen entführender, Menschen zermalmender Riese, dem menschenraubenden Grendel vergleichbar.« Er sprang auf. »Einer hätte große Lust, mit ihm zu kämpfen!« Scharf drohend blickte er hinüber. »Den Geraubten zu rächen! Einer ganz allein mit ihm und mit all' den Römern, die neben dem Unhold auf dem Walle stehn.« – »Höre,« warnte Welo, »das laß bleiben!« – »Bah,« meinte Sido, »spare die Sorge und Warnung! Ist er auch unser lieber Narr, – der Narr ist er nicht, das zu wagen.« – »Meinst du, Königssohn?« lachte der Rotkopf. »So hört ein Gelübde. Einen Bechereid!« Er nahm das Horn, füllte es, trank, verschüttete den Rest in die Luft und sprach: »Hört es, ihr Götter! Einer thut es – für Eine! Einer zu Ehren! Einer besiegt den Riesen oder stirbt: – beides ihr zu Ehren!« Er riß einen lodernden Brand aus dem Wachtfeuer und lief, denselben im Kreis um sein flatternd Haar schwingend, ohne Helm, ohne Schild, ohne andere Waffe als die kurze Axt im Wehrgurt mit Windeseile gerade auf den Wall zu.
»Brinnobrand! Unsinniger!« rief Welo aufspringend. »Willst du allein das Lager stürmen?« – »Er rennt in den sichern Tod!« sprach Sido, den Speer fassend. »Komm! Rasch! Wir dürfen ihn nicht im Stich lassen.« – »Auf denn! – auch wir Ihr zu Ehren!«
Und sie griffen zu ihren Waffen und folgten dem schon weit Entfernten.
Wie er auf halbe Pfeilschußweite etwa herangekommen war, rief er auf Lateinisch zum Wall hinauf: »Heda, ihr Leutchen! schlaft ihr alle? Hier kommt Besuch! Ist der Holzriese nicht zu sprechen? Er soll mit Einem fechten, wenn er ein Herz im Leibe hat.« Und wieder schwang er um den Kopf den brennenden Reisigast, daß der hell aufflammte.
So ward er den auf dem Walle Stehenden voll sichtbar: im Augenblick waren sechs Bogen auf ihn gerichtet. »Halt!« gebot der Centurio, »schießt nicht! Der freche Barbar! Ich kenn' ihn an der roten Mähne! Schon dreimal hab' ich die Sturmleiter umgeworfen, auf der er so ruhig emporkletterte, als sei er unverwundbar! Fünf Leute meiner Manipel hat er mit dem Wurfspeer erlegt. – Er soll finden, was er suchte! Er soll das Fliegen lernen und sein Hirn soll in unserm Lager umherspritzen. Richtet die Zange!«
»Nun?« schalt Brinnobrand hinauf. »Ist der Riese nicht zu erwecken? Oh, er sieht Einen wohl nicht? Warte, Einer will ihm leuchten.«
Und er warf den Brand in einen mächtigen Haufen von trockenen Reisigbündeln, der, zur Ausfüllung des Grabens bestimmt, noch vom letzten Sturme her hier aufgeschichtet lag. Sofort stieg prasselnd die Flamme in die Nacht empor und beleuchtete mit Tageshelle den ganzen Raum vor dem Graben und Wall; statt des weggeschleuderten Brandes ergriff er einen etwa mannshohen und mannsdicken Balken, der aus einem halbzerstörten Schanzwerk der Belagerer ragte.
Der Tolldreiste kam bis dicht an den Graben. »Jetzt! Habt acht! Öffnet die Zange! Gerade unter dem Kopf faßt ihn.«
»Zurück! Brinnobrand! Bei allen Göttern! Zurück!« schrieen die beiden Freunde, die nun gleich heran waren und in der hellen Lohe deutlich sahen, wie sich, einem ungeheueren stoßenden Raubvogel gleich, plötzlich die eherne Greifzange auf jenen herabsenkte.
Aber ruhig blieb der stehen, regungslos, den Balken schräg vor sich mit beiden Händen haltend in Höhe seines Kopfes. Schon drohte die Zange, ihn zu packen. –
»Hebt ihn!« befehligte oben der Centurio – und die Zange schloß sich knirschend und schnellte zurück: aber nicht den Jüngling riß sie mit sich empor, sondern den schweren Balken von Mannesumfang. Hoch fuhr er in die Luft und krachend schmetterte er hinter dem Wall in die nächste Lagergasse nieder: da scholl gräßliches Todesgeschrei von mehreren Stimmen empor.
»Beim Tartarus!« fluchte der Centurio, nach rückwärts hinabspähend, »drei Legionäre! Der elende Hund!« – »Er steht immer noch an dem Graben!« rief der Mann an der Zange. »Er schwingt sein Beil! Will er werfen? Hörst du sein gellend Hohnlachen?« – »Es soll ihm vergehn! Gieb mir das Spannseil!«
Und alsbald fuhr die Greifzange zum zweitenmal herab: diesmal sprang der Bedrohte ihr vom Boden aus entgegen, sein Beil blitzte und der eherne Zangengriff stürzte unschädlich neben ihm nieder: er hatte mit sicherer Hand sein Ziel getroffen und durchhauen: das straffgespannte Seil, mit welchem die Zange an dem Stoßbalken befestigt war.
Jubelnd bückte sich der Jüngling, hob das abgeschlagene Stück auf und zeigte es den Römern auf dem Wall. »Hei, da seht eueres Riesen Kopf! Der Rumpf kann nicht mehr schaden.« Und mit wenigen Sprüngen war er hinter dem brennenden Reisig, wo nun auch die Genossen standen, zwar in Schußweite, aber außerhalb der hellen Beleuchtung. So trafen die zahlreichen Pfeile nicht, die den davon Eilenden nachgesandt wurden.