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Ein furchtbares Erlebnis in Amerika. Über pensionierte Majore, Badedirektoren und poetische Wege. Die Bank als Fallschirm und mein glückliches Entkommen aus Harzburg. Was ich von Fernrohren, Astronomen und Marskanälen halte.
Von Clausthal-Zellerfeld, dieser zusammengewachsenen Doppelstadt, kam ich über die Bockswieser Höhe nach Hahnenklee, wo sich ein Jüngling zu mir gesellte, der auch wie ich nach Goslar wollte. Aber er war mir sehr unangenehm, da er fortwährend aufschnitt und mit seinen Erlebnissen renommierte, was ich nun einmal bei andern Leuten absolut nicht ausstehen kann. Wenn ich von einem erlegten Löwen erzählte, dann brachte er drei Löwen heran, und wenn mich der Sultan zu einem Cocktail eingeladen hatte, dann war ihm vom Kaiser von China ein ganzes Faß von dieser Rumsorte geschenkt worden. Ferner erzählte er, wie er nach einem Schiffbruch drei Stunden lang von einem Haifisch verfolgt wurde, ohne daß das Tier ihn einholen konnte, solch ein famoser Schwimmer war er. Aber ich schlug ihn endlich doch mit einer Indianergeschichte, die er nicht übertrumpfen konnte.
Ich sprach abgerissen, mit stockendem Atem, als wühlte ich in einer furchtbaren Erinnerung. Sogar er ließ sich davon täuschen. »Jede Hoffnung erstarb in mir!« so lautete der Schluß meiner ergreifenden Geschichte. »Sechs Gefährten waren schon am Marterpfahl verbrannt worden und auch den siebten schleppten sie heran. Dann aber würde ich an die Reihe kommen, ich, dem sie einen zehnfachen Tod geschworen hatten, weil ich den Häuptlingssohn erschlagen. Tödlicher Haß sprühte aus den Augen der blutgierigen Wilden, wenn sie nach mir herüber blickten. Ich wußte, mir hatten sie das Furchtbarste aufgespart. Und keine, keine Möglichkeit, zu entrinnen!«
Ich schwieg ergriffen und wischte mir den Schweiß von der Stirne.
»Nun, und wie wurden Sie gerettet?« fragte mich der Jüngling gespannt.
Ich sah ihn mitleidig an. »Gerettet?!« rief ich. »Ich will verdammt sein, wenn mir jemand zu Hilfe gekommen ist. Aber an den Ufern des Colorado liegen jetzt vielleicht noch ein paar Knochen von mir!«
Er starrte mich mit offnem Mund an. »Mahlzeit!« sagte ich und ging meiner Wege. Er machte keinen Versuch, mich einzuholen.
Über Goslar, wo ich frühstückte, läßt sich eine ganze Menge aus Harzführern und Baedekern abschreiben. Die Stadt wird wegen ihrer Bauart sehr gelobt, obgleich von irgend welchen Bequemlichkeiten wie Zentralheizung, Licht und dergleichen nirgends was zu sehen ist. Dafür kann man sich für Geld alte Bilder vorbeiführen lassen und muß inhaltslose Erzählungen von alten deutschen Kaisern anhören. Ich will mich verpflichten, genau dieselben Geschichten und noch bessere über das simpelste Dorf vorzutragen.
Über den Rammelsberg und den Eichenberg ging ich nach Romkerhalle, wo ich wieder einen künstlichen Wasserfall traf. Er war sogar noch schöner als der im Thüringer Wald, und ich dachte bei seiner Betrachtung, wenn solche kleine Ortschaften sich künstliche Wasserfälle leisten können, warum tun das nicht auch die großen Städte. Ein künstlicher Wasserfall von der Spitze des Kölner Doms in den Rhein hinunter würde die Stadt entschieden verschönen. Auch Berlin könnte seinen Dom oder die Siegessäule aus diese Weise nutzbringend verwerten.
Dicht bei dem Wasserfall gibt es eine sogenannte Feigenbaumklippe, die mir ebenfalls gut gefiel. Sie hing raffiniert in der Luft, und ich war sehr erstaunt, als ich hörte, daß sie nicht einmal künstlich angelegt ist. Also auch die Natur hat manchmal eine vernünftige Idee.
Aber ich verließ das romantische Okertal schon bald, denn ich wollte nach Bad Harzburg, von dessen großartigen Anlagen mir mein Wirt in Goslar Wunderdinge erzählt hatte. »Haben sie dort auch einen pensionierten Major als Badedirektor?« fragte ich den Wirt, der mir darüber leider keine Auskunft geben konnte. Er wunderte sich nur über meine seltsame Frage.
Ich aber finde die Frage gar nicht merkwürdig. Ich bin mißtrauisch gegen Badeorte, die von einem pensionierten Major eingerichtet sind, ich habe meine Gründe dafür. Früher war es ja mit den alten Bataillonskommandeuren anders. Früher wurden sie, wenn sie in die betreffenden Jahre kamen, Versicherungsagenten. Das war zwar auch nicht schön von ihnen, aber man gewöhnte sich daran. Man kaufte sich einen dreistöckigen Geldschrank und füllte ihn von oben bis unten mit Policen gegen alle möglichen und nicht möglichen Fälle und Unfälle an. Man versicherte seinen Körper im allgemeinen und die einzelnen Teile im besonderen und schloß Frau, Kind, Hund und Kanarienvogel mit hinein. Zum Schluß versicherte man sich gegen Versicherungsagenten, kaufte einen geladenen Revolver und schoß jeden tot, der das Gespräch auf das Thema brachte oder so aussah, als wollte er es tun.
Das war früher! Aber heutzutage fühlt jeder Major, selbst wenn er bisher ein guter und harmloser Mensch gewesen ist, nach irgend einem kleinen Manövermalör den Beruf in sich, Badedirektor zu werden, und macht so eine ganze Gegend, die ihm absolut nichts getan hat, für immer unglücklich.
Es ist ja kein Dorf so elend gelegen, daß man nicht daraus eine Sommerfrische und einen Badeort machen kann. Die Bauern schaffen sich einen Major a. D. an, und der sorgt für alles. Er legt Wasserfälle, Grotten, Abgründe und Papierkörbe an. Er pflanzt Bäche auf die höchsten Berge, wo sie nichts verloren haben, und zwingt die Leute sich X-Beine anzuschaffen, weil sie sonst nicht über die künstlich verknäuelten Wege gehen können. Auf jede Bank setzt er eine Inschrift, daß Göte hier geschnarcht, oder daß Schiller hier einen Kümmel getrunken habe, und wo er sonst nichts mehr verderben kann, da bringt er eine Warnungstafel und eine Polizeiverordnung an. Der Major ist eben ein heilloser Romantiker. Er zwingt uns, Tränen zu vergießen, weil von diesem steilen Felsen die Prinzessin Brunhilde in die Tiefe stürzte, und versetzt uns in Entzücken, weil die Großherzogin Anna Katherina diesen Blick für den schönsten im Limburger Käsetal erklärt hat. Aber was geht mich die Kurzsichtigkeit der Großherzogin Anna Katherina an? Was kümmert mich heute noch der Sturz der Prinzessin Brunhilde? Mußte sie sich so betrinken? Ich falle nicht hinunter!
Also ich dachte mir schon gleich, daß auch Bad Harzburg von einem Major a. D. eingerichtet sein müßte, und als ich mich dem Städtchen näherte, machten die verschiedenartigsten Anzeichen meine Vermutung fast zur Gewißheit. Solange ich noch nicht im Bannbereiche von Harzburg war, schien mir die ganze Gegend besonders wild und unbewohnt zu sein. Mein Kompaß zeigte auch abwechselnd nach Norden und Süden, und eine Weile fürchtete ich, ich hätte mich gründlich verlaufen.
Aber dann erschienen auf einmal zu meiner Freude allerlei Tafeln rechts und links am Wege: »Nichts abreißen!« »Für Radfahrer verboten!« »Rechts gehen!« und dergleichen. Ich fühlte, ich befand mich auf dem richtigen Wege, und als erst die Warnungstafeln immer dichter nebeneinander standen, da war auch kein Zweifel mehr möglich, ich näherte mich einer menschlichen und von der Obrigkeit sichtlich behüteten Ansiedlung.
Jetzt wurde auch der Pfad immer gewundener. Liebende Hände hatten ihn mit schwarzweißen Steinchen belegt, und kein schnöder Käfer wagte mehr, ihn zu überschreiten. Erst vereinzelt, dann immer häufiger tauchten Bänke mit poetischen Inschriften auf: Gustavsblick, Mathildens Ruh, Gertrudenplatz, Marienbank, Nur für Kindermädchen, Oskars schwache Stunde. Lauter schöne Namen, die mich ergriffen und in eine weiche Stimmung brachten. Schließlich plätscherte auch ein Bächlein zu meinen Füßen, und ich begriff jetzt erst das Plakat, das ich vor einer halben Stunde gesehen hatte: »Das Fischen, Krebsen, sowie das Baden im Walde ist bei Strafe verboten.«
Ein paar Mal gab es jetzt auch schon einen Ausblick auf Bad Harzburg selbst, das still und friedlich da lag wie ein Märchen so schön. Aber merkwürdig, ich war wohl schon eine halbe Stunde über Berg und Tal um die Stadt herummarschiert und kam doch nicht näher. Bald lag es im Osten, bald im Westen, bald in schwindelnder Höhe über mir, bald unten im tiefen Abgrund. Es war so romantisch übereinander angelegt, wenn man aus einem Kellerfenster in die Tiefe stürzte, dann konnte man beim Herabfallen in den darunter liegenden Häusern Bodendiebstähle ausführen. Auch hatte es die Merkwürdigkeit, daß das Fundament der Hauptkirche bedeutend höher lag als die Turmspitze, was natürlich nur durch die Unebenheit des Terrains kam. Ich bedauerte nur, daß ich keinen Fallschirm besaß, sonst wäre ich mitten in Harzburg hineingeflogen. Mitunter konnte ich die Häuser fast mit den Händen greifen, und fünf Minuten später befand sich alles in nebelhafter Ferne, sodaß ich jede Hoffnung aufgab, jemals wieder in die Nähe zu kommen.
Ich bin einmal in meinem Leben in einem Irrgarten gewesen. Man konnte sich darin nur verlaufen, wenn man entweder selbst betrunken war oder dem Führer folgte, denn der war immer betrunken. Doch dies hier war schlimmer als ein Irrgarten, und dabei folgte ich doch allzeit dem poetisch gewundenen Weg. Menschen sah ich auch nicht, nur einen Hund. Der hatte sich aus angeborener Niederträchtigkeit auf eine Bank gesetzt mit der Inschrift: Für Hunde und Radfahrer verboten! Aber als ich näher kam, schämte er sich doch und verschwand schleunigst im Dickicht.
Ich war schließlich ganz ratlos, denn den vorgeschriebenen Weg zu verlassen und durchs Gebüsch zu gehen, das verbot mir nicht nur meine gute Erziehung, sondern auch vor allem ein dichtes Stacheldrahtgehege, das Harzburg zu einer Festung ersten Ranges machte. Ich wußte damals noch nicht, daß die ganzen Stacheldrähte eine Spezialerfindung der Badedirektoren sind, die auf diese Weise ihre Promenadenwege gegen Angriffe wilder, etwa aus Menagerieen entsprungener Tiere schützen.
Und so wäre ich vielleicht niemals in die Stadt hineingelangt, ich irrte vielleicht heute noch auf diesem poetisch schönen Wege umher, wenn ich mich nicht endlich völlig erschöpft auf eine Bank hätte fallen lassen, die »Hellmuths stille Ecke« hieß und auf einem Felsenvorsprung dicht über dem Mittelpunkt von Bad Harzburg lag.
Ich war wohl etwas zu schwer für diese Bank, oder die Harzburger benutzen solche Bänke überhaupt nur, um auf diese Weise leichter nach unten zu kommen. Jedenfalls kippte die ganze Geschichte nach hinten um, und wir versanken beide – die Bank und ich – in den Abgrund. Schade übrigens, daß die Sache so plötzlich kam, ich wäre sonst eine Wette eingegangen, wer wohl zuerst unten ankommen würde. Jedenfalls war es sehr spannend, und das Resultat blieb bis zum Schluß ungewiß. Einmal hatte ich einen Vorsprung und die Bank stieß mich in den Rücken, ein andermal war die Bank oben und ich stieß mich an ihr. Schließlich siegte ich in einem glänzenden Endspurt, die Bank lag auf meinem Kopf und war natürlich schwer verletzt und nicht mehr zu gebrauchen.
Ich war grade in ein Wirtshaus hineingefallen, was aber weiter nicht merkwürdig ist, da es in einem Badeort Häuser, die keine Wirtschaften sind, überhaupt nicht gibt. Nachdem ich nun etwas gegessen und getrunken hatte, begann ich ein Gespräch mit dem Wirt.
»Wie heißt denn eigentlich oben der neue Promenadenweg?« fragte ich.
»O, er hat noch keinen Namen, er ist noch nicht ganz fertig. Der Herr Badedirektor will erst noch einige Verbesserungen anbringen.«
»Wirklich? Dann sagen Sie ihm nur, es fehlt vor allem noch an Bänken, Warnungstafeln, Krümmungen und natürlich an Stacheldraht. In diesen Artikeln kann viel mehr geleistet werden. Aber was ich sonst noch fragen wollte – hat schon jemand aus Harzburg einen Spaziergang durch diese neue Promenade gemacht?«
»Vorige Woche hat sich einer meiner Kellner für den Nachmittag Urlaub genommen, um einen Spaziergang dort hinaus zu machen.«
»Lebt der Mann noch?« fragte ich interessiert.
»Er ist nicht wieder gekommen!« sagte der Wirt etwas betrübt. »Schade, er war so tüchtig und schien auch so erfreut zu sein, daß er diese Stellung gefunden hatte. Aber wenn die jungen Leute so in den Wald kommen, ergreift sie die Wanderlust. Wer weiß wo er jetzt steckt. Ich erwarte nur Nachricht von ihm, denn er hat doch seine ganzen Sachen zurückgelassen.«
»Sie können bis in alle Ewigkeit warten, er wird nicht schreiben. Aber ich würde Ihnen raten, eine Expedition auszusenden, um seinen Leichnam zu suchen. Und nach einer Woche eine zweite, um die Leichen der ersten nach Hause zu bringen.«
»Meinen Sie, man könnte sich auf dem Wege verirren, es seien zu wenig Schilder angebracht?«
Der Mann war wirklich naiv. »Lieber Freund,« sagte ich, »gewiß könnten noch einige Warnungstafeln angebracht werden. Ich bin sogar fest überzeugt, bei sorgfältigem Suchen finden sich genug Stellen, an denen noch Platz vorhanden ist, aber das macht mir weniger Sorgen. Ich fürchte nur, wenn der neue Promenadenweg erst für den allgemeinen Verkehr eröffnet ist, dann wird die Bevölkerung von Harzburg rasch abnehmen. Die Leute werden eine Neigung bekommen, in Massen jenem Kellner zu folgen. Es wird ihnen zu gut draußen gefallen.«
Aber der Wirt lächelte nur. »Haben Sie keine Angst, was soll ein Harzburger außerhalb seiner Vaterstadt? Die gehen nicht weg!«
Ich sah wohl, der Mann verstand mich nicht. Es hatte auch keinen Zweck, viel mit ihm zu reden, er würde mich niemals verstehen. Ich bezahlte also meine Zeche und beschloß aus Harzburg zu fliehen, so lange es noch Zeit war, so lange der Badedirektor mit Stacheldrähten und Promenadenwegen die Stadt noch nicht gänzlich eingeschlossen hatte. Ich hoffte, noch eine Lücke zu finden, durch die ich durchschlüpfen konnte.
Und ich hatte Glück! Die Hauptchaussee war noch frei, der Badedirektor war mit seinem Antrag, sie als unpoetisch vollständig abzuschaffen, bei der Regierung nicht durchgedrungen. Ich segnete die Regierung und nahm mir für die Zukunft eine anständige, vaterländische Gesinnung vor. Glücklich kam ich hinaus und blieb am Leben.
Aber für die Einwohner und Badegäste von Harzburg hege ich die ernstlichsten Befürchtungen. Ich glaube, man wird ihnen nicht helfen können. Welcher Badegast wird immer auf der breiten, staubigen Landstraße wandern? Eines Tages, wenn die Sonne besonders heiß brennt, wird ihn ein schattiger Laubengang verlockend einladen, und bald ist er auf den Promenadenweg des Badedirektors geraten und natürlich rettungslos verloren. –
Auf dem Wege nach Ilsenburg kam ich über die Rabenklippen, die eine schöne Aussicht auf den Brocken und ins Eckertal gewähren. Ich fand hier einen Mann, der ein Fernrohr durch eine Mauerlucke auf den Brocken gerichtet hatte und die Touristen einlud, für zwanzig Pfennig einmal hindurchzublicken.
»Vergrößert zweitausendfünfhundert Mal!« behauptete er kühn. »Man erkennt deutlich die Gesichtszüge der Touristen auf dem Brocken.«
Natürlich fiel ein junges Brautpaar auf den Schwindel herein. Zuerst schaute das junge Mädchen hindurch und gestand errötend, sie sähe überhaupt nichts. Der Fernrohrbesitzer sagte nur: »O!« und sah sie bekümmert und mitleidig an, worauf der Jüngling die Situation rettete und nach einem kurzen Blick durch das Rohr, wobei er natürlich erst recht nichts sah, in helle Begeisterung geriet und von einem gradezu wunderbaren Ausblick faselte. Jetzt versuchte es die Braut auch noch einmal und log tapfer, ja sie sähe nunmehr alles ganz deutlich. Und das Geschäft blühte, die Touristen drängten sich heran, jeder entdeckte neue Dinge und ein dicker Spießbürger behauptete sogar, dieser Blick sei allein die ganze Reise wert. Dabei war ich schon gleich im Anfang an die andere Seite der Mauer gegangen und hatte meinen Hut über das Rohr gehängt, was aber kein Mensch zu bemerken schien.
Nämlich durch ein Fernrohr sieht man überhaupt nie etwas, die Leute wollen sich nur nicht blamieren, sie glauben, es sei ihre eigene Schuld, wenn sie nichts sähen, und schwindeln feste drauf los. Es ist wie in dem Andersenschen Märchen von dem König, der keine Kleider anhatte. Aber dort kam wenigstens die Wahrheit durch ein kleines Kind heraus, während man an ein Fernrohr nur Erwachsene heranläßt, also geübte Heuchler und Lügner. Ich steckte einmal einem Mann, der auf dem Markt die Leute für zehn Pfennige durch sein Fernrohr blicken ließ, wobei sie angeblich die Venus sahen, eine zusammengeknüllte Zeitung in sein Instrument, worauf er sein einträgliches Gewerbe zur Zufriedenheit seiner Kunden ruhig weiter führte. Ein halbes Jahr später traf ich diesen Mann in einer anderen Stadt, er zeigte die Marskanäle, aber die zerknüllte Zeitung steckte noch immer in dem Rohr.
Übrigens weil wir grade über die Marskanäle sprechen, manches mag zweifelhaft auf der Welt sein, denn wir taumeln von einem Irrtum in den andern, aber das eine ist sicher, noch nie hat ein Mensch in seinem Leben diese Dinger gesehen. Ich muß das nämlich am besten wissen, denn mir verdankt ja die Wissenschaft den ganzen Schwindel von den Marskanälen. Ich war damals mit meinem Onkel Theo bei einem Astronomen zu Besuch, und während ihn Onkel Theo in einer geschäftlichen Angelegenheit beschwindelte, probierte ich einen neu erstandenen Glaserdiamanten an der äußeren Linse eines großen Fernrohrs. Als ich Abschied nahm, war die ganze Linse kreuz und quer mit Kratzen versehen, sodaß noch in derselben Nacht der große Gelehrte die berühmten Marskanäle entdeckte und sich dadurch unsterblich machte. Heute hat jede Kratze auf der Linse, ich wollte sagen, jeder Marskanal seinen eigenen Namen, und ich wünschte nur, man hätte wenigstens einen Kanal nach mir benannt, dem eigentlichen geistigen Vater der großen Idee.
Überhaupt die ganze Astronomie! Das will nun eine sogenannte exakte Wissenschaft sein, und dabei war doch bekanntlich schon der größte Astronom des Altertums von seiner Geburt an blind. Nirgendwo schwelgt man so in Phantasiegebilden wie in der Sternkunde, und Leute, die früher mit dem Anfertigen von Geisterphotographieen ein schönes Geld verdient haben, werfen sich jetzt auf astronomische Aufnahmen, bei denen sie keinerlei Kritik zu befürchten haben.
Abends um acht Uhr kam ich in Ilsenburg an, und dicht neben dem Vollmond standen drei Planeten. Es waren der Jupiter, die Venus und der Herkules.