Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ich mache eine Schlacht auf dem Großen Inselsberg mit und gerate später in einen Riesenwolkenbruch. Eine interessante Schwimmpartie und mein Debut als Graf von Canterbury. Friedrich, der Gebissene und Friedrich, der Unartige auf der Wartburg. Der Gesangwettstreit.
Von Brotterode gelangt man in einer knappen Stunde auf den Großen Inselsberg, der weniger durch seine wunderbare Aussicht merkwürdig ist (ich habe im ganzen Thüringer Wald überhaupt noch keinen Hügel gefunden, von dem es nicht im Reiseführer hieß, er hätte die beste Aussicht von allen Bergen Deutschlands), als dadurch, daß er zur Hälfte preußisch und zur Hälfte sachsen-koburg-gothaisch ist. Der Grenzweg läuft genau über die Spitze des Berges, und an jeder Seite steht ein Hotel, mit einer Schar Kellner bewaffnet, die stets auf der Lauer liegen und sich wegen jedes Reisenden eine grimmige Schlacht liefern.
Als ich ankam, hatten die Sachsen-Koburg-Gothaer soeben ein Ehepaar Meyer aus Berlin nach heißem Kampfe erobert und schleppten ihre Beute triumphierend in ihre Burgverließe, während die Preußen traurig die Frackschöße hängen ließen und ihre Verwundeten verbanden und salbten. Aber bei meinem Anblick ging das Gefecht mit verdoppelter Wut von neuem los, und ich schlug nach dem ersten Todesfall vor – Preußen verlor nämlich einen Hausknecht, während Sachsen-Koburg-Gotha nur einen schwerverwundeten Pikkolo zu beklagen hatte – man sollte mich doch einfach ausknobeln, denn es sei mir im Grunde ganz egal, unter welcher Obrigkeit ich heute morgen mein Frühstück einnähme. Der Vorschlag fand begeisterte Zustimmung, und nur der totgeschlagene Hausknecht fragte vorwurfsvoll, warum ich meinen vernünftigen Vorschlag nicht schon früher gemacht hätte, denn dann würde er jetzt noch leben.
Beim Ausknobeln gewann mich Preußen in glänzendem Stile, worauf Sachsen-Koburg-Gotha wütend wurde und mir in höchst unfairer Weise den Schädel einschlug. Aber nun hätte man einmal die Tapferkeit der Preußen sehn sollen. Obgleich ein Teil ihrer Anhänger durch die Schlacht um Herrn Meyer noch kampfesunfähig waren, gingen sie jetzt wie die Wilden auf ihre Gegner los. Ihre Hiebe waren furchtbar, das weiß ich am besten, denn ich befand mich im Zentrum, und auf mich hagelte es von beiden Seiten los. Dreimal wurde ich von den Preußen erobert, dreimal ging ich wieder an die Sachsen-Koburg-Gothaer verloren, und bei jedem Wechsel wurden neue Knochen in meinem Körper zerschlagen. Es war eine spannende Geschichte, selbst Herr und Frau Meyer aus Berlin klatschten Beifall.
Aber endlich muß die gerechte Sache gesiegt haben, denn als ich wieder zum Bewußtsein kam, befand ich mich in dem preußischen Hotel und erfuhr mit Vergnügen, Sachsen-Koburg-Gotha habe so schwere Verluste erlitten, daß es wohl auf acht Tage den ganzen Fremdenbetrieb aufgeben müsse. Das Frühstück schmeckte mir deshalb vorzüglich, und nach einer halben Stunde wanderte ich fidel und stolz wie ein Preuße weiter – denn gottseidank waren bei mir keinerlei edlere Teile verletzt worden, und den Schädelbruch hatte ich längst mit etwas Englischem Pflaster repariert.
Doch der Mensch soll nicht zu übermütig werden, das dicke Ende reitet unter Umständen schnell. Während ich nämlich, erfrischt durch mein Abenteuer fröhlich meines Weges fürbaß ging und ob der Schönheit des Thüringer Waldes mich quasi in einem Paradiese zu sein dünkte, fiel mir auf einmal ein Regentropfen auf die Nase, ein einzelner Regentropfen, aber einer von erstaunlicher Dicke. Ich hatte nicht die Zeit, über die Herkunft dieses Phänomens nachzudenken, denn schon trat plötzlich eine totale Sonnenfinsternis ein, und ein Gemisch von Hagel, Blitz und Niagarafällen stürzte auf mich herab, das alles übertraf, was ich auf dem Gebiete des Wolkenbruchs für menschenmöglich gehalten hatte. Vielleicht sind alle Wolkenbrüche um den Inselsberg von dieser Art, sodaß die Bewohner oder Kenner jener Gegend daran durchaus nichts seltsames oder überhaupt erwähnenswertes finden, aber jedenfalls mir war die Geschwindigkeit, mit der ich mich aus einem durch Lungen atmenden Landsäugetier in einen kiemenbewaffneten Riesenschellfisch verwandelte, einfach phänomenal, und ich betrachtete es nur als ein Glück, daß der Weg, der mich vom Inselsberg herabführte, eine Art Hohlschlucht bildete, in der sich alles Wasser zu einem gewaltigen Flußbett sammelte. Hätten mich hier die wilden Wogen nicht metertief unter sich begraben, ich wäre von den Hagelschlossen erschlagen worden. Sie waren jede einzelne so dick wie eine Kegelkugel, und von den Löchern, die sie in die Bauernhäuser schlugen, erzählen heute alte Veteranen der schauernden Jugend, sie stammten von 1870, und die französische Artillerie habe sie hineingeschossen. Aber mich trafen sie nur gelegentlich am Kopf oder an einem andern ebenso unempfindlichen Körperteil, je nachdem wie ich bei einer Wegebiegung von den Strudeln an die Oberfläche des Wassers gerissen wurde.
Es war eine aufregende, aber auch interessante Geschichte, und ich konstatierte mit Befriedigung, in welch ausgezeichnetem Maße ich die Schwimmkunst beherrschte. Dabei war ich nie vorher im Wasser gewesen, teils der Gefährlichkeit halber, teils weil ich prinzipiell gegen das übertriebene Baden bin und selbst Wannenbäder nur bei ganz besonderen feierlichen Gelegenheiten genommen habe – in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr. Die Geschichte lehrt uns ja auch, daß die alten Deutschen niemals badeten – sie waren grade deswegen so angesehen bei den römischen Damen – und alle diese modernen Erfindungen, wie Badewannen, Lackstiefel und Zahnbürsten sind nur Zeichen dafür, daß wir uns einem schnellen Verfall nähern.
Ich schwamm gradezu phänomenal und schlug alle inländischen und ausländischen Schnelligkeitsrekords. Keine Körperlage gab es, die ich nicht an diesem Tage ausprobierte, ja ich erfand ganz neue und unerhörte Schwimmarten und bildete mich zum Meisterschaftstaucher der Welt aus.
Das Wetter hatte sich inzwischen etwas verändert. Das Hagel ließ nach und der Regen verwandelte sich in ein ruhiges, gleichmäßiges Herabfallen von Wolken. Ich bekam jetzt auch Gesellschaft im Wasser. Aus einem Nebental, das mit dem meinigen zusammenfloß, wurden ganze Rudel männlicher und weiblicher Touristen herangeschwemmt, ferner Hirsche, Hasen, wilde Schweine, eine Köhlerhütte, der Weinkeller eines Hotels und drei zusammengewachsene Bauernhäuser mit Bewohnern.
Schnell bildete sich ein herzliches Verhältnis in unserer so bunt zusammengewürfelten Schar. Wir stellten uns einander vor und halfen besonders den Damen auf mitgeschwemmte Schweineställe hinaufzuklettern, wo sie sich dann einbildeten, trockner zu sitzen. Ein Tourist, der kein G aussprechen konnte, sagte, er hätte Jalschenhumor und sang mit melancholischer Stimme: »An einem Bach, der rauschend schoß, ein armes Mädchen saß.« Schließlich kamen drei Turner auf die Idee, ein großes Floß zu bauen, und wir banden alles, was wir an Haus und Holzteilen hatten, zu einer Einheit zusammen, zu einer richtigen Arche Noah, auf der es dank dem angeschwemmten Weinkeller ganz gemütlich wurde.
Ich hatte jetzt auch Gelegenheit, mein infolge der Schwimmpartie etwas defektes äußeres Aussehen durch Erwerbung von besseren Garderobenstücken wieder aufzufrischen, ja mich gegen früher beträchtlich zu verbessern. Es schwammen nämlich die verschiedenartigsten Dinge im Wasser herum, und als wir in Ruhla angefahren kamen, besaß ich zwei schwerbepackte Rucksäcke, einen großen wasserdichten Reisekoffer und einen sehr eleganten Damenkoffer, mit dessen Inhalt ich mich aber in generöser Weise bei den schiffbrüchigen Touristinnen beliebt machte. Sie waren gradezu überschwenglich in ihrem Dank und konnten es nicht begreifen, daß ich so für sie all die schönen Sachen meiner Frau opferte. Die würde gewiß deswegen ungehalten sein. Aber ich beruhigte die Damen über den Charakter meiner Frau und steckte ihre weiteren Lobsprüche mit jener edlen und doch würdevollen Bescheidenheit ein, die mich immer ausgezeichnet hat.
In Ruhla entwickelte sich überhaupt eine allgemeine fieberhafte Tätigkeit. Der Bürgermeister entwarf einen Aufruf zur Unterstützung der Überschwemmten, die Einwohner sammelten das angeschwemmte Strandgut und schmückten damit ihr Heim, die schiffbrüchigen Touristen ließen sich auswringen und aufbügeln, oder hingen sich zum Trocknen an den Öfen auf, ich aber, ich zog mich mit meinem großen, wasserdichten Koffer und einem trocknen Badetuch in ein Zimmer zurück und als ich wieder zum Vorschein kam, da war ich vom Kopf bis zum Fuß ein anderer Mensch geworden.
Ich muß immer wieder betonen, es geht doch nichts über Kultur. Diese elegante Wäsche, der englische Anzug (er saß mir ausgezeichnet), die gelben Schuhe, das feine, silberne Reisenecessaire, das ich mir als Andenken mitnahm – kurz ich bedaure heute noch, daß ich den früheren Besitzer dieses Koffers nicht kenne, ich würde ihm schriftlich meine Bewunderung für seinen Geschmack aussprechen. Nachdem ich mir also eingepackt hatte, was ich für meine fernere Reise brauchte, verkaufte ich den Rest zu einem billigen Preise an den Wirt und setzte mich dann auf die Bahn, um das kleine Stück nach Eisenach zu fahren, denn wenn auch auf den Wolkenbruch längst Sonnenschein gefolgt war, die Wege waren doch noch nicht danach, um sie in meinem guten Anzug zu Fuß zurückzulegen.
Ich kann wohl sagen, mir hat nie ein Mittagessen so gut geschmeckt, wie an diesem Tage in Eisenach. Der Oberkellner redete mich mit Mylord an und sagte, er hätte mich im ersten Augenblick für den Herzog von Canterbury gehalten, der gestern nach dem großen Inselsberg abgereist sei und genau denselben eleganten englischen Anzug trüge wie ich.
»Das ist mein Vetter,« sagte ich in nachlässigem Tone. »Er kopiert mich manchmal in der Kleidung.«
Aber als der Kellner sich bei mir einschmeicheln wollte und mir in bedenklicher Weise mit englischen Ausdrücken unter die Nase rückte (vielleicht wollte er auch nur eine Gratiskonversationsstunde nehmen), da bedeutete ich ihm, daß ich in Deutschland prinzipiell nur deutsch spräche. Ich hoffte aber, daß er in der nächsten Saison eine Kellnerstelle im Londoner Königsschlosse annähme, dort könnte er mich täglich sehen, und ich würde nur englisch reden. Worauf ich die unbegrenzte Hochachtung dieses Oberkellners genoß und wieder einmal konstatierte, wie recht ich hatte, als ich schon in meiner Jugend die Erlernung jeglicher fremden Sprache aus patriotischen Gründen für vollkommen überflüssig hielt.
Nur beim Bezahlen legte der Mann mich in unangenehmer Weise herein. Er gab mir auf mein Zwanzigmarkstück einen schon im Mittelalter abgelaufenen Taler heraus und behauptete, das Wechselgeld stimme. Er wies mir nach, daß ich als Engländer nichts von der Sache verstände, und kam schließlich sogar wieder mit seinen infamen englischen Ausdrücken, was mich vollends wehrlos machte. Ich gab ihm schließlich noch den wertlosen Bleitaler als Trinkgeld und nahm mir vor, in Zukunft nicht mehr als englischer Lord zu reisen. Die Ehre war mir zu kostspielig.
Vor Abend besichtigte ich aber noch die Wartburg, welche bekanntlich teils von der heiligen Elisabeth, teils von Martin Luther erbaut ist. Luther hat besonders die Lutherstube eingerichtet und darin eine Menge sehr schöner und altertümlicher Sprüche angebracht. Da diese Sprichwörter von hohem ethischen Wert sind, gebe ich zum allgemeinen Frommen hier ein paar davon wieder, wie sie mir in meinem vorzüglichen Gedächtnis erhalten sind.
*
Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, währt am längsten;
Ehrlich bleibt ein Narr sein Leben lang.
*
Der brave Mann denkt an sich selbst zuerst.
(Mir aus der Seele gesprochen!)
*
Müßiggang schändet nicht,
Armut ist aller Laster Anfang.
*
Die dicksten Menschen schreiben die dümmsten Bücher.
(Falls Luther mich damit gemeint haben sollte, erkläre diesen Spruch für direkt albern. W. C.)
*
Hier stehe ich und kann nicht umhin.
*
Unrecht Gut gedeiet.
*
Ferner hat Luther in dieser Stube, um sich interessant zu machen, einen großen Tintenklex angebracht, der aber von dem Zahnweh der Zeit angefressen und schlecht erhalten ist, weshalb ich ihn in einem unbewachten Augenblicke mit Hilfe eines Tintenfasses, das ich neben einem Fremdenbuche fand, in wirkungsvoller Weise wieder auffrischte. Ich war hierbei nur einem spontanen Einfall gefolgt, auf einen besonderen Dank für meine Freundlichkeit rechnete ich gar nicht, aber die Wut, in die der Kastellan geriet, als er hereinkam und den schwarzen Fleck sah, übertraf jede Vorstellung. Obgleich er mich gar nicht im Verdacht hatte, sondern eine ältere Dame, die an dem Klex herumkratzte, zog ich mich doch vor seinem Zornanfall zurück. Nur ganz ungebildete Menschen können so toben, wie er gegen die Dame tobte, und ich hörte nachher unten im Restaurant, daß man sie wegen dieser Geschichte festgenommen hätte. Sie leugnete in frecher Weise und gab sich für die Schwester eines mecklenburgischen Pastors aus, aber die Flecken an ihren Fingern bewiesen ihre Schuld, und ich möchte die Strafe nicht abzusitzen haben, zu der man sie jedenfalls verurteilt hat.
Überhaupt war mir jetzt die Freude an der Lutherstube verdorben, und ich sah mir nunmehr den andern Teil der Burg an, den ja die heilige Elisabeth erbaut hat. Ein zweiter Kastellan führte uns dort herum und erzählte die ergreifende, aber etwas konfuse Geschichte von Friedrich dem Gebissenen und Friedrich dem Unartigen. Es handelte sich nämlich um zwei Zwillinge, die einander so täuschend ähnlich waren, daß sie sogar dieselben Vornamen trugen. Eines Morgens oder Abends – genau weiß man das jetzt nicht mehr – biß Friedrich, der Unartige Friedrich, den Gebissenen in die Wange, worauf auch dieser unartig wurde und wahrscheinlich wieder biß. Jedenfalls wußte nachher kein Mensch mehr, wer von den beiden der gebissenere und wer der unartigere war, und selbst unser Führer meinte, das sei ein großes geschichtliches Rätsel, welches den späteren Nachkommen der erlauchten Grafen schon vielen Kummer gemacht hat. In der neueren Zeit neigt die historische Wissenschaft zu der Ansicht, daß Friedrich mit der gebissenen Wange, wie er ja auch genannt wird, und von dem die heutigen Landgrafen abstammen, eigentlich der Unartige ist, der bekanntlich ohne Nachkommen starb, weshalb das ganze Landgrafengeschlecht mit seinem Stammbaum in der Luft schwebt.
Die Stimme des weißhaarigen Kastellans zitterte, als er uns diese Geschichte erzählte, und er war so ergriffen, daß er von jetzt ab alles durcheinander warf – Friedrich, den Einäugigen, mit Friedrich, dem Komischen, verwechselte (sie hießen übrigens alle in dieser Gegend Friedrich) und Friedrich Schiller im Kreuzzuge sterben ließ. Aber am meisten interessierte mich die Geschichte von Friedrich dem Darmlosen, der sich bekanntlich zum ersten Mal den Blinddarm operieren ließ, eine Mode, die ja jetzt allgemein verbreitet ist und direkt zum guten Ton gehört. (In ganz exklusiven Kreisen beginnt man neuerdings wieder damit, den Darm zu tragen.)
Wir kamen nunmehr in den Sängersaal, in dem Richard von der Vogelweide, Richard Wagner und andere berühmte Musiker in Fresko oder einem ähnlichen Material abgemalt sind – Richard Strauß hat man merkwürdigerweise ganz vergessen.
Der Sängersaal ist ein wunderschöner Raum, und wenn man bedenkt, daß hier im Jahre 1207 die heilige Elisabeth den ersten Sängerwettstreit abgehalten hat, so fühlt man sich ganz in den poetischen Zauber dieser alten Zeiten zurückversetzt. Übrigens müssen die Gesangvereine von damals noch sehr klein gewesen sein, denn diesen ganzen Saal würde heute schon der Kaiser mit dem Preisrichterkollegium allein ausfüllen. Darum nehme ich an, daß es sich damals höchstens um kleine Quartettvereine gehandelt hat, die dann immer vierstimmig: »Am Rhein, am goldnen Rheine« oder ein anderes Lieblingslied der heiligen Elisabeth gesungen haben. Luther saß wohl als Preisrichter dabei.
Aber, wie schon gesagt, diese schönen Zeiten sind vorbei, und man genießt sie nur noch historisch in den Betrachtungen greiser Burgführer. Unserer war besonders interessant, weil er sich noch im Nebenberufe als Schneidermeister betätigte und bei jeder Ritterrüstung mit einem Kennerblick sofort die Brust- und Bauchweite, sowie die Beinlänge angab. Er hatte eine große Verachtung für Heinrich II. von Frankreich, dessen Hosen nicht saßen, und machte uns bei einer Gipsstatue von König Friedrich Wilhelm IV. besonders auf den prachtvollen zweireihigen Gehrock aufmerksam.
Dieser Kastellan war übrigens auch ein hervorragender Menschenkenner, denn er sagte mir, Leute, die wie ich ihre Anzüge in England machen ließen, seien edle Charaktere. Ich schied von ihm und von der ganzen Burg mit einem erhöhten Gefühl meines eigenen Wertes, und sah noch grade, wie die Schwester des mecklenburgischen Pastors nebst einem Herrn, der sich wahrscheinlich für ihre Unschuld ins Zeug geworfen hatte (so was soll man nie tun!), abgeführt wurde. Die Dame tat mir eigentlich jetzt sogar leid, obgleich mir das prompte Walten der Gerechtigkeit natürlich imponierte.