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»Nicht einmal der Januar bedeutet für den Gärtner eine Zeit der Untätigkeit«, sagen die Handbücher für Gärtner. Gewiß nicht, denn im Januar pflegt der Gärtner hauptsächlich: das Wetter. Mit dem Wetter ist es eine eigene Sache; es ist niemals in Ordnung. Entweder schießt es über die eine oder die andere Seite hinaus. Die Temperatur stimmt nie mit der hundertjährigen Norm überein; entweder sind 5 Grad unter oder 5 Grad über ihr. Niederschläge aber fallen entweder zehn Millimeter unter oder zwanzig Millimeter über dem Normalen. Ist es nicht zu trocken, so ist es sicherlich zu feucht.
Wenn schon die Leute, die es sonst gar nichts angeht, Grund genug haben, über das Wetter zu klagen, wie erst der Gärtner! Schneit es zu wenig, so brummt er mit Recht, daß es durchaus nicht genüge; schneit es zu viel, äußert er ernste Befürchtungen, daß seine Nadelbäume und Rosensträucher brechen werden. Schneit es überhaupt nicht, jammert er über die verheerenden Kahlfröste; tritt Tauwetter ein, verflucht er die verrückten Winde, von denen es begleitet ist und die die schändliche Gewohnheit haben, Reisig und andere Frostdeckung im Garten herumzuwirbeln, oder, zum Donnerwetter, gar ein Bäumchen zu brechen. Wagt im Januar die Sonne zu scheinen, faßt sich der Gärtner an den Kopf; die Sträucher könnten vorzeitig Saft treiben. Regnet es, fürchtet er für seine Alpenblumen; ist es trocken, denkt er mit Schmerzen an seine Rhododendren und Andromeden. Und doch wäre es gar nicht so schwer, seinen Wünschen entgegenzukommen: er würde sich begnügen, wenn vom ersten bis letzten Januar 0,9 Grad unter Null wären, hundertsiebenundzwanzig Millimeter Schnee (leichter und womöglich frischer Schnee), meist bewölkt, keine oder nur mäßige Westwinde. Dann wäre alles in Ordnung. Aber das ist es eben: um uns Gärtner kümmert sich niemand, niemand fragt uns, wie es sein sollte. Deshalb sieht die Welt auch so aus.
Am ärgsten ist dem Gärtner zumute, wenn die Kahlfröste einsetzen. Da erstarrt die Erde und trocknet bis auf die Knochen aus, Tag um Tag, Nacht um Nacht, immer tiefer; der Gärtner denkt an die Wurzeln, die in der toten und steinharten Erde einfrieren, an die Zweige, die der trockene und eisige Wind bis zum Mark durchdringt, an die frierenden Knospen, in welche die Pflanze im Herbst ihre Siebensachen gepackt hat. Wenn ich wüßte, daß es hilft, zöge ich meiner Stechpalme den eigenen Rock an, und dem Wacholderstrauch meine eigene Hose; für dich, pontische Azalee, ziehe ich mein Hemd aus, dich, Granatrispe, decke ich mit dem Hute zu, und für dich, Mädchenauge, bleiben nur noch meine Fußsocken übrig: nimm sie zum Dank.
Es gibt verschiedene Finten, wie man dem Wetter beikommen und seine Veränderung herbeiführen kann. Wenn ich mich zum Beispiel entschließe, die wärmsten Kleider, die ich habe, anzuziehen, wird es regelmäßig wärmer. Tauwetter tritt gleichfalls ein, wenn sich ein paar Freunde verabreden, ins Gebirge Schifahren zu gehen, auch wenn jemand einen Artikel für die Zeitung schreibt, in dem er die herrschenden Fröste schildert, die gesunden, frischen Wangen, das Leben und Treiben auf den Eislaufplätzen und andere ähnliche Erscheinungen, setzt gerade in dem Augenblick Tauwetter ein, wo der Artikel gedruckt wird. Die Leute lesen ihn dann, während es draußen bereits wieder lauwarm regnet und das Thermometer 8 Grad über Null zeigt; kein Wunder, wenn dann die Leute sagen, in den Zeitungen wären lauter Lügen und Schwindel – lassen Sie uns mit der Zeitung in Ruhe. Andererseits haben Verwünschungen, Jammern, Fluchen, »Brrr«-Sagen und andere Beschwörungsformeln keinen Einfluß auf das Wetter.
Was die Vegetation im Januar betrifft, sind die sogenannten Blumen am Fensterglase die bekanntesten. Damit sie aufblühen, muß die Zimmerluft wenigstens etwas ausgeatmeten Wasserdampf enthalten. Ist die Luft vollkommen trocken, kann man nicht einmal die armseligste Nadel an die Fenster zaubern, geschweige denn Blüten. Dann muß auch das Fenster irgendwo schlecht schließen; in der Richtung, in der es durchs Fenster bläst, wachsen die Eisblumen. Deshalb gedeihen sie auch eher bei armen Leuten als bei reichen, weil bei den Reichen die Fenster besser schließen.
Botanisch zeichnen sich die Eisblumen dadurch aus, daß sie eigentlich keine Blumen sind, sondern Blätter. Sie ähneln den Endivien-, Petersilie- und Sellerieblättern; auch verschiedenen Distelarten aus der Familie der Cynarocephalae, Carduaceae, Dipsaceae, Acanthaceae, Umbelliferae und anderen; man kann sie mit folgenden Arten vergleichen: Stechkraut oder Bergdistel, Sonnendistel, Kratzdistel, Brachdistel, Donnerdistel, Kugeldistel, Karddistel, Weberdistel, Distelsafran, Bärenklaue und noch mit einigen anderen distelartigen, fiederschnittig, gezähnt, gespalten, geschweift, geschnitten oder schrotsägeförmig beblätterten Pflanzen; manchmal ähneln sie den Farnkräutern oder Palmblättern, ein andermal wieder den Wacholdernadeln. Blüten haben sie jedoch keine.
Also »nicht einmal der Januar bedeutet für den Gärtner eine Zeit der Untätigkeit«, wie die Handbücher für Gärtner – sicher nur zum Trost – behaupten. Vor allem könne man angeblich den Boden bearbeiten, weil er sich durch die Kälte bröckle. Da stürzt denn der Gärtner gleich zu Neujahr in den Gatten hinaus, um den Boden zu bearbeiten. Er macht sich mit dem Spaten ans Werk; nach einiger Anstrengung gelingt es ihm, den Spaten an dem steinharten Boden zu zerbrechen. Nun versucht er es mit der Hacke; hat er Ausdauer, bricht er ihren Stiel entzwei. Da greift er nach der Doppelkrampe, mit der es ihm wenigstens gelingt, eine Tulpenzwiebel zu zerhacken, die er im Herbst eingesetzt hat. Als einziges Mittel bleibt: die Erde mit Stemmeisen und Hammer zu bearbeiten. Freilich ist das ein sehr langwieriges Verfahren, das einen bald verdrießt. Vielleicht ließe sich der Boden mit Dynamit auflockern, das aber der Gärtner für gewöhnlich nicht besitzt. Gut, dann überlassen wir den Boden eben dem Tauwetter.
Und siehe, das Tauwetter ist plötzlich da; wieder stürzt der Gärtner in den Garten hinaus, um den Boden zu bearbeiten. Nach einer Weile trägt er die Erde, soweit sie an der Oberfläche aufgetaut ist, an seinen Stiefeln nach Hause; nichtsdestoweniger macht er ein glückstrahlendes Gesicht und behauptet, die Erde erschließe sich bereits. Inzwischen bleibt nichts andres übrig, als »verschiedene vorbereitende Arbeiten für die beginnende Saison zu erledigen«. Hat man im Keller ein trockenes Plätzchen, bereite man die Erde für die Blumentöpfe vor. »Man vermenge Lauberde, Mischdünger, faulen Kuhmist ordentlich mit ein wenig Sand«. Ausgezeichnet! Nur sind im Keller gerade Koks und Kohle eingelagert; die Frauenzimmer machen sich überall breit mit ihrem dummen Hausbedarf. Im Schlafzimmer wäre Platz genug für einen hübschen Haufen Humus.
»Benütze die Winterszeit für Ausbesserungen an der Pergola, an der Laube oder dem Gartenhäuschen.« Sehr richtig! Nur habe ich zufällig weder eine Pergola noch eine Laube noch ein Gartenhäuschen. »Auch im Januar kann man Rasen legen« – wenn nur Platz dafür wäre; vielleicht im Vorzimmer oder auf dem Dachboden. »Achte besonders auf die Temperatur im Glashaus.« Ich würde ganz gern darauf achten, aber ich habe kein Glashaus. Diese Handbücher für Gärtner sagen einem nicht viel.
Also warten, warten! Himmelherrgott, dauert dieser Januar lang! Wenn es nur schon Februar wäre –
»Kann man im Februar im Garten schon etwas arbeiten?«
»Gewiß, vielleicht auch schon im März.«
Und indessen sind im Garten, ohne daß man es geahnt oder sich darum bemüht hätte, die Krokusse und Schneeglöckchen aufgeblüht.