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Ein Wiedersehen

Am nächsten Morgen brach man nach Tarzans Hütte auf. Vier Waziri trugen die Leiche des Engländers. Tarzan hatte vorgeschlagen, Clayton an der Seite des früheren Lord Greystoke neben der Hütte am Rande der Dschungel zu begraben.

Jane Porter war gern damit einverstanden, und im Innersten ihres Herzens wunderte sie sich über das Feingefühl dieses wunderbaren Menschen, der zwar bei wilden Tieren aufgewachsen war, aber die echte Ritterlichkeit und Feinfühligkeit besaß, die man sonst nur der feinsten Zivilisation zuschreibt.

Von den fünf Meilen bis zu Tarzans Hütte hatte man schon etwa drei zurückgelegt, als die Waziri, die vorausmarschierten, plötzlich anhielten und ganz erstaunt auf eine merkwürdige Gestalt hinwiesen, die vom Strand herkam. Es war ein Mann mit einem glänzenden Seidenhut, der mit gesenktem Kopfe langsam daher kam und die Hände hinter seinen langen schwarzen Rockschößen hielt.

Als Jane Porter ihn erblickte, stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus und lief ihm eiligst entgegen.

Der alte Herr schaute auf, als er ihre Stimme hörte, und als er sah, wer da vor ihm stand, schrie er auch vor Staunen und freudigem Glück auf. Als Professor Archimedes Q. Porter seine Tochter in seinen Armen fühlte, rannen ihm Tränen über sein runzliges Gesicht, und es währte mehrere Minuten, bis er zu sprechen vermochte.

Als er Tarzan wiedererkannte, konnte Jane ihn nur mit Mühe davon überzeugen, daß er noch bei Sinnen war, denn wie die andern Mitglieder der Gesellschaft war er völlig davon überzeugt, daß der Affenmensch tot sei.

Über Claytons Tod war der Professor sehr betrübt.

Ich kann das nicht verstehen, sagte er. Als Herr Thuran zu uns kam, versicherte er uns, Clayton sei einige Tage vorher gestorben.

Ist Thuran bei Ihnen? fragte Tarzan.

Ja, kürzlich hat er uns gefunden und führte uns zu Ihrer Hütte. Wir lagerten nur wenig nördlich davon. Der wird erfreut sein, Sie beide wiederzusehen!

Und überrascht! fügte Tarzan hinzu.

Bald darauf kam man an die Lichtung, wo die Hütte des Affenmenschen stand.

Es waren eine Menge Leute da, die kamen und gingen, und einer der ersten, die Tarzan erblickte, war sein Freund d'Arnot.

Paul! rief er ihm zu, um Himmelswillen, was machen Sie hier? Oder sind wir alle verrückt geworden?

Die Sache klärte sich sehr bald auf, wie so manches, was uns auf den ersten Blick unwahrscheinlich scheint. D'Arnots Schiff hatte längs der Küste gekreuzt, weil es dort patrouillierte, als es auf den Vorschlag des Leutnants dort Anker warf, weil er die Hütte und die Dschungel, in der vor drei Jahren manche Offiziere und Mannschaften an den aufregenden Abenteuern teilgenommen hatten, wieder sehen wollte. Bei der Landung hatte man Lord Tenningtons Gesellschaft angetroffen, und es waren schon Vorbereitungen getroffen, um sie alle am nächsten Morgen an Bord zu nehmen und in die zivilisierte Welt zurückzuführen.

Hazel Strong und ihre Mutter, Esmeralda und Mr. Samuel T. Philander waren überglücklich über Jane Porters Rückkehr. Daß sie gerettet worden war, kam ihnen wie ein Wunder vor, und alle waren darin einig, daß kein anderer als Tarzan dieses Werk vollbringen konnte. Sie lobten den bescheidenen Affenmenschen derart und überhäuften ihn so mit Aufmerksamkeiten, daß er sich in das Amphitheater der Affen zurückwünschte.

Alle interessierten sich auch für die wilden Waziri, und gar mancher Art waren die Geschenke, die diese von diesen Freunden ihres Königs erhielten. Als sie aber erfuhren, daß Tarzan mit den andern auf dem großen Boot, das eine Meile seewärts von der Hütte hielt, übers Meer fortfahren wollte, wurden sie sehr traurig.

Bis jetzt hatten die neuen Ankömmlinge noch nichts von Lord Tennington und Thuran gesehen. Beide waren am frühen Morgen auf die Jagd gegangen und noch nicht zurückgekehrt.

Dieser Mann, den du Rokoff nennst, wird überrascht sein, dich wiederzusehen, meinte Jane zu Tarzan.

Die Überraschung wird nicht lange dauern, versicherte der Affenmensch grimmig, und der Ton, in dem er das sagte, beunruhigte sie. Was sie in seinem Gesichte las, bestätigte ihre Befürchtungen. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und riet ihm, den Russen den französischen Gerichten zu überlassen.

Mein Liebster, sagte sie zu ihm, im Herzen der Dschungel, wo keine andere Form des Rechtes besteht als die rohe Muskelkraft, wärest du berechtigt, dem Manne das Schicksal zuteil werden zu lassen, das er verdient, aber sobald der starke Arm einer zivilisierten Regierung zu deiner Verfügung steht, wäre es ein Mord, wenn du ihn umbringen würdest. Selbst deine Freunde wären gezwungen, dich zu verhaften, und wenn du ihnen Widerstand leisten wolltest, würdest du nur uns alle ins Elend stürzen. Ich kann es nicht ertragen, dich wieder zu verlieren, mein Tarzan. Versprich mir, daß du den Russen dem Kapitän Dufranne überliefern wirst, und laß dem Gesetze seinen Lauf. Die Bestie ist nicht wert, daß wir unser Glück dafür verscherzen.

Tarzan sah die Richtigkeit dieses Ratschlages ein, und versprach, ihm zu folgen.

Eine halbe Stunde später tauchten Lord Tennington und Rokoff aus der Dschungel auf. Der Lord war der erste, der die Anwesenheit des Fremden im Lager bemerkte.

Er sah, daß schwarze Krieger sich mit den Matrosen des Kreuzers unterhielten und dann fiel ihm ein brauner Riese auf, der sich im Gespräch mit Leutnant D'Arnot und Kapitän Dufranne befand.

Wer ist das? fragte Tennington. Als der Russe den Affenmenschen erblickte, der ihn scharf ins Auge faßte, fuhr er zusammen und erbleichte.

Donnerwetter! rief Rokoff, und bevor Lord Tennington auch nur seine Absicht erraten hatte, riß Rokoff das Gewehr von der Schulter und legte auf Tarzan an. Der Lord stand aber so dicht neben ihm, daß er gerade im selben Augenblick, da Rokoff losdrückte, ihm einen Stoß versetzen konnte, so daß die Kugel an Tarzans Kopf vorbeiflog.

Bevor der Russe nochmals schießen konnte, war der Affenmensch herzugesprungen und hatte ihm das Gewehr entrissen.

Kapitän Dufranne, Leutnant D'Arnot und ein Dutzend Matrosen waren auf den Schuß hin herbeigeeilt, und nun übergab Tarzan ihnen den Russen, ohne ein Wort zu sagen. Er hatte schon vor der Rückkehr Rokoffs dem französischen Kommandanten den Sachverhalt erklärt, und nun gab der Offizier sofort den Befehl, den Russen zu fesseln und ihn an Bord des Kreuzers zu bringen.

Bevor die Wache den Gefangenen in das kleine Boot brachte, das ihn nach dem Kreuzer transportieren sollte, bat Tarzan um die Erlaubnis, ihn durchsuchen zu dürfen, und fand zu seiner Freude in Rokoffs Tasche die gestohlenen Papiere wieder.

Der Schuß hatte auch Jane Porter und die andern veranlaßt, aus der Hütte zu eilen, und kurz, nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, begrüßte sie den erstaunten Lord Tennington.

Als Tarzan die Papiere eingesteckt hatte, kam er auch heran. Jane Porter stellte ihn Lord Tennington vor mit den Worten: John Clayton, Lord Greystoke, mein Herr!

Der Engländer war so verblüfft, daß er trotz aller Bemühung, höflich zu erscheinen, sein Erstaunen kaum verbergen konnte, und sowohl der Affenmensch als auch Jane Porter und Leutnant D'Arnot mußten ihm immer wieder von Tarzan erzählen, um ihn zu überzeugen, daß sie nicht alle verrückt geworden waren.

Bei Sonnenuntergang begrub man William Cecil Clayton neben den Dschungelgräbern, in denen sein Onkel und seine Tante, die früheren Lord und Lady Greystoke, ruhten.

Auf Tarzans Wunsch wurden drei Salven über der letzten Ruhestätte eines tapferen Mannes, der dem Tod tapfer stand hielt, abgefeuert.

Professor Porter, der in jüngeren Jahren Geistlicher gewesen war, hielt die einfache Trauerfeier ab. Es war eine seltsame Gesellschaft von Leidtragenden, die gesenkten Hauptes an dem offenen Grabe standen, als die letzten Sonnenstrahlen herüberschienen: Offiziere und Matrosen, zwei Lords, Amerikaner und eine Schar wackerer afrikanischer Wilder.

Nach dem Begräbnis bat Tarzan den Kapitän Dufranne, die Abreise des Kreuzers um ein paar Tage zu verschieben, weil er »seine Sachen«, die einige Meilen landeinwärts lägen, noch holen wolle, und der Offizier entsprach seinem Wunsche gern.

Spät am Nachmittag des folgendes Tages kehrten Tarzan und seine Waziri mit der ersten Ladung seiner »Sachen« zurück, und als die Gesellschaft die alten Barren reinen Goldes sah, bestürmte man ihn und stellte tausend Fragen, aber er wehrte alle lächelnd ab. Er gab ihnen auch nicht die geringste Aufklärung über die Quelle seines ungeheuren Reichtums.

Ich habe noch tausend dieser Barren zurückgelassen, und habe nur diese wenigen mitgenommen, aber wenn diese verbraucht sind, dann kehre ich zurück und hole mir mehr.

Am nächsten Tage kehrte er mit den übrigen Barren zurück, und als sie alle an Bord des Kreuzers verstaut waren, meinte Kapitän Dufranne, er komme sich vor wie der Kommandant einer alten spanischen Galione, die mit den Schätzen der Azteken beladen zurückkehre. Ich weiß nicht, ob meine Mannschaft mir nicht die Kehle durchschneiden und sich des Schiffes bemächtigen wird, scherzte er.

Am nächsten Morgen, als man sich anschickte, sich einzuschiffen, meinte Tarzan zu Jane Porter:

Man behauptet, die wilden Tiere hätten keine Gefühle, aber trotzdem wäre es mein Wunsch, in der Hütte getraut zu werden, in der ich geboren wurde, neben dem Grab meiner Mutter und meines Vaters und umgeben von der wilden Dschungel, die immer meine Heimat war.

Wäre die Heirat aber gültig? fragte sie. Wenn das der Fall ist, dann wüßte auch ich keinen Platz, wo ich lieber meinem Waldgott angetraut würde als im Schatten seines Urwaldes. Als sie nun mit den andern darüber sprachen, versicherte man ihnen, daß die Trauung durchaus gültig sein würde, und das wäre zudem ein glänzender Abschluß einer höchst romantischen Geschichte.

So versammelte sich die ganze Gesellschaft in der kleinen Hütte, um der zweiten Feier beizuwohnen, die Professor Porter innerhalb dieser drei Tage abhielt.

D'Arnot war der Brautführer, Hazel Strong die Brautjungfer, als in letzter Minute Lord Tennington die Feier durch eine seiner bekannten wunderbaren Ideen krönte.

Wenn es Mrs. Strong angenehm ist, sagte er, indem er die Hand der Brautjungfer in die seinige legte, so glauben Hazel und ich, daß es famos wäre, eine Doppelhochzeit zu feiern.

Am nächsten Tage dampfte man ab, und als der Kreuzer langsam in die See stach, stand ein stattlicher Mann in tadellos weißem Flanell-Anzug und eine reizende junge Frau an die Reling gelehnt und schauten auf das zurückweichende Ufer, wo zwanzig nackte schwarze Waziri-Krieger tanzten, ihre Speere über ihren wuscheligen Köpfen schwangen und ihrem scheidenden König Abschiedsgrüße zuwinkten.

Ich könnte mich nicht an den Gedanken gewöhnen, sagte Tarzan, daß ich jetzt die Dschungel zum letztenmal sehe, wenn ich nicht wüßte, daß ich mit dir für immer einer neuen glücklichen Welt entgegenfahre.

Und er beugte sich über seine junge Frau und küßte sie.

*

Die weiteren Abenteuer Tarzans werden im dritten Bande erzählt:

Tarzans Tiere

In dieser neuen großen Dschungelgeschichte werden Tarzans Weib und Kind von seinen Feinden entführt. Er folgt ihnen in das wildeste Afrika, wo er unter den großen Tieren der Dschungel eine Reihe der aufregendsten Abenteuer erlebt, die den Leser in atemraubende Spannung versetzen.


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