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Vom Affenmenschen zum Wilden

Der Lärm des Kampfes mit Numa hatte viele Wilde des nahen Dorfes angelockt, und sofort nach dem Tode des Löwen waren die beiden Männer von den geschmeidigen, ebenholzfarbigen Kriegern umringt, die mit lebhaften Gebärden umherliefen und tausend Fragen stellten. Und dann kamen die Weiber und die Kinder, die ebenso aufgeregt und neugierig waren. Als sie gar noch Tarzan bemerkten, überstürzten sich ihre Fragen.

Tarzans neuer Freund verschaffte sich schließlich Gehör und als er dann mit seiner Erzählung fertig war, wetteiferten die Schwarzen miteinander in Ehrenbezeigungen für den merkwürdigen Menschen, der ihren Kameraden gerettet und den Kampf mit Numa mit bloßer Hand aufgenommen hatte.

Zuletzt führten sie ihn in ihr Dorf, wo sie ihm Geflügel, Ziegenfleisch und gekochte Speisen auftrugen.

Als er auf ihre Waffen zeigte, beeilten sich die Krieger, Speer und Schild, Pfeile und Bogen zu holen. Außerdem schenkte ihm sein neuer Freund das Messer, mit dem er Numa getötet hatte. Es gab nichts im Dorfe, was man ihm verweigert hätte.

Wie viel leichter war dies, dachte Tarzan, als durch Mord und Raub seine Bedürfnisse zu befriedigen. Wie nahe war er daran gewesen, diesen Mann, den er nie zuvor gesehen hatte, zu töten, denselben Mann, der ihm jetzt mit allen ihm zu Gebote stehenden einfachen Mitteln Freundschaft und Liebe bewies. Tarzan war beschämt. In Zukunft würde er sich vorher überzeugen, ob der Mensch, den er töten wollte, es auch verdiente.

Dieser Gedanke erinnerte ihn an Rokoff. Er wünschte, nur für ein paar Minuten allein mit dem Russen in der dunklen Dschungel zu sein. Das war ein Mensch, der den Tod wirklich verdiente. Und wenn er Rokoff hätte sehen können, wie er sich eifrig bemühte, die Gunst der schönen Miß Strong zu erschleichen, so hätte er es noch mehr gewünscht, ihm das verdiente Schicksal zuteil werden zu lassen.

Am ersten Abend, den Tarzan bei den Wilden zubrachte, ward ihm zu Ehren ein großes Fest gefeiert. Zuerst gab es ein Festessen, denn die Jäger hatten eine Antilope und ein Zebra als Beute heimgebracht und dazu wurden große Mengen des leichten einheimischen Bieres getrunken. Als die Krieger dann im Feuerschein tanzten, bewunderte Tarzan abermals das Ebenmaß ihrer Gestalten und die Regelmäßigkeit ihrer Gesichtszüge. Die flachen Nasen und die dicken Lippen des typischen Wilden der Westküste fehlten vollständig. In der Ruhe machten die Gesichter der Männer einen klugen und ernsten Eindruck, die der Frauen waren vielfach sehr ansprechend.

Während dieses Tanzes hatte der Affenmensch zum erstenmal bemerkt, daß manche Männer und Frauen goldenen Schmuck trugen, hauptsächlich schwere Fuß- und Armspangen, die anscheinend aus massivem Metall gehämmert waren. Als er eine davon prüfen wollte, legte der Eigentümer sie ab und gab Tarzan durch Zeichen zu verstehen, daß er sie als Geschenk annehmen sollte. Eine genaue Prüfung überzeugte Tarzan, daß das Schmuckstück aus lauterem Golde bestand. Das überraschte ihn, denn es war das erstemal, daß er bei afrikanischen Wilden goldenen Schmuck sah, abgesehen von dem wertlosen Tand, den die Bewohner der Küste den Europäern abgekauft oder gestohlen hatten. Er fragte sie, woher das Metall gekommen sei, aber sie konnten ihn nicht verstehen.

Als der Tanz zu Ende war, gab Tarzan seine Absicht kund, sie zu verlassen, aber sie flehten ihn beinahe an, als ihr Gast in einer großen Hütte zu bleiben, die der Häuptling ihm zu alleiniger Benützung anbot. Er versuchte ihnen zu erklären, daß er am nächsten Morgen wiederkehren werde, aber sie verstanden ihn nicht. Als er sich schließlich entfernte und auf den Ausgang des Dorfes zurückschritt, waren sie sehr verblüfft.

Tarzan wußte jedoch genau, was er tat. Er hatte genug Erfahrungen mit dem Ungeziefer gesammelt, das jedes Eingeborenendorf heimsucht. Obschon er in diesem Punkte nicht überempfindlich war, so war ihm doch die frische Luft auf dem Baume lieber als der üble Geruch einer Negerhütte.

Als Tarzan sich auf den niedrigen Ast eines großen Baumes schwang, der über den Dorfzaun reichte, und dann im Laubwerk verschwand, nahm das Verwundern und Staunen kein Ende. Eine halbe Stunde lang riefen sie ihm noch zu, wiederzukehren, aber da keine Antwort mehr kam, suchten sie schließlich die Schlafmatten auf.

Tarzan kehrte in den tieferen Wald zurück, bis er einen Baum gefunden hatte, der seinen einfachen Ansprüchen genügte. Er legte sich auf den breiten gabelförmigen Ast des dicken Baumes und fiel sofort in tiefen Schlaf.

Am folgenden Morgen tauchte er ebenso plötzlich in der Dorfstraße wieder auf, wie er in der vorhergehenden Nacht verschwunden war. Im ersten Augenblick waren die Eingeborenen bestürzt und voller Schrecken, aber als sie ihren Gast wieder erkannten, bewillkommneten sie ihn mit lachenden Zurufen.

An diesem Tage begleitete er die Krieger zu einer großen Jagd in die nahe gelegene Ebene. Dabei fanden sie, daß der Weiße in der Handhabung ihrer eigenen rohen Waffen so gewandt war, daß sie ihn nur noch mehr achten und bewundern konnten.

Wochenlang lebte Tarzan mit diesen wilden Freunden. Er jagte mit ihnen Büffel, Antilopen und Zebras zur Nahrung und Elefanten zur Gewinnung von Elfenbein. Schnell erlernte er ihre einfache Sprache, ihre Gebräuche und Sitten. Er sah, daß sie keine Menschenfresser waren und sogar mit Widerwillen und Verachtung auf die Stämme schauten, die Menschenfleisch aßen.

Busuli, der Krieger, mit dem er das Löwenabenteuer bestanden hatte, erzählte ihm manche der Stammeslegenden. So berichtete er ihm, wie vor langen Jahren sein Volk nach vielen weiten Märschen aus dem fernen Norden zugewandert sei, wie es einst ein großer, mächtiger Stamm war und die Sklavenjäger mit ihren todbringenden Geschossen solche Verheerungen unter ihnen anrichteten, daß sie zu einem kleinen Rest ihrer früheren Zahl und Macht zusammengeschmolzen seien.

Sie hetzten uns zu Tode, wie man ein wildes Tier hetzt, sagte Busuli. Sie verschonten niemand. Wenn sie keine Sklaven wegnahmen, raubten sie Elfenbein, meist aber suchten sie beides. Unsere Männer wurden getötet und unsere Frauen wie Schafe fortgetrieben. Wir kämpften jahrelang gegen sie, aber unsere Pfeile und Speere waren ohnmächtig gegen die Stöcke, die Feuer, Blei und Tod spien, ehe unsere mächtigsten Krieger auch nur einen Pfeil abschießen konnten. Schließlich, als mein Vater noch ein junger Mann war, kamen die Araber nochmals, aber unsere Krieger erkannten sie aus der Ferne, und Chowambi, der damals unser Häuptling war, befahl seinem Volk, alle Habseligkeiten zusammenzuraffen und mit ihm zu gehen; er würde sie weit nach Süden führen, bis sie eine Stelle fänden, wo die arabischen Jäger nicht hinkämen. Und sie taten, wie er befahl, und nahmen ihre ganze Habe mit sich, darunter viele Elfenbeinzähne. Monatelang wanderten sie dahin, litten unsägliche Beschwerden und Entbehrungen, denn ein Teil des Weges führte durch dichten Urwald und über mächtige Berge, schließlich kamen sie an diese Stelle, und obgleich sie Abteilungen auf weitere Suche nach einem besseren Wohnplatz sandten, hat sich bisher nichts Besseres gezeigt.

Und haben die Feinde euch hier nie entdeckt, fragte Tarzan.

Vor etwa einem Jahr fiel eine Anzahl Araber über uns her, aber wir verjagten sie und töteten viele. Tagelang verfolgten wir sie, jagten sie wie wilde Tiere, die sie auch sind, töteten sie einzeln, bis nur noch eine Handvoll übrig blieb, aber diese entkamen.

Während Busuli erzählte, spielte er mit dem schweren goldenen Armband, das die glänzende Haut seines linken Armes umgab. Tarzan schaute zwar auf den Schmuck, aber seine Gedanken waren noch anderswo. Dann aber erinnerte er sich der Frage, die er schon einmal an die Eingeborenen gerichtet hatte, die sie aber nicht verstehen konnten. Seitdem er wieder im Urwald war, hatte er gar nicht mehr an Gold und ähnliche unnütze Dinge gedacht, aber plötzlich erweckte der Anblick des Goldes die in ihm ruhende Kultur, und mit ihr kam die Begierde nach Reichtum. Tarzan hatte aus den Gewohnheiten der Menschen gelernt, und wußte seither, daß Gold Macht und Genuß bedeutete.

Indem er auf das Armband wies, fragte er:

Von wo kam das gelbe Metall, Busuli?

Der Schwarze zeigte nach Südosten.

Eine Monatsreise weit – vielleicht auch mehr, antwortete er.

Bist du dort gewesen? fragte Tarzan.

Nein, aber einige von unseren Leuten waren vor vielen Jahren dort, als mein Vater noch ein junger Mann war. Eine der Abteilungen, die nach einer anderen geeigneten Ansiedlung für unsern Stamm suchten, stieß auf ein seltsames Volk, das viele Schmucksachen von gelbem Metall trug. Die Speere dieser Leute waren an der Spitze damit versehen, ebenso ihre Pfeile und sie kochten in Gefässen von demselben massiven Metall wie mein Armband.

Sie wohnten in Hütten aus Steinen in einem großen Dorf, das mit einer Mauer umgeben war. Sie waren sehr wild, stürzten heraus und fielen über unsere Krieger her, ohne zu fragen, ob sie in friedlicher Absicht gekommen waren. Unsere Leute waren gering an der Zahl, aber behaupteten ihre Stellung auf dem Gipfel einer kleinen felsigen Anhöhe, bis das wilde Volk nach Sonnenuntergang in sein Dorf zurückkehrte. Dann schritten unsere Krieger schnell von ihrer Anhöhe herunter, nahmen den gefallenen Feinden viel Schmuck aus gelbem Metall ab, zogen aus dem Tale fort, und keiner ist dorthin zurückgekehrt.

Es sind böse Menschen, weder weiß wie du, noch schwarz wie ich, sondern wie Bolgani, der Gorilla, mit Haaren bedeckt. Ja, es sind wirklich schlimme Menschen, und Chowambi war froh, als er ihre Gegend hinter sich hatte.

Und sind keine mehr von denen am Leben, die mit Chowambi dort waren, und dieses seltsame Volk und seine merkwürdige Stadt sahen? fragte Tarzan.

Waziri, unser Häuptling, war dort, antwortete Busuli. Er war damals noch ein ganz junger Mann, aber er begleitete Chowambi, der sein Vater war.

Am selben Abend fragte Tarzan den Häuptling darnach, und Waziri, der jetzt ein alter Mann war, sagte, es sei ein langer Marsch gewesen, aber der Weg sei nicht schwer zu verfolgen. Er erinnere sich dessen noch sehr wohl.

Zehn Tage lang, sagte er, zogen wir am Ufer des Flusses entlang, der an unserem Dorf vorbeizieht. Wir wanderten aufwärts, bis wir zu einer kleinen Quelle kamen, die am Abhang einer hohen Gebirgskette entspringt. Aus dieser Quelle kommt unser Fluß. Am nächsten Tag überschritten wir den Gipfel des Berges, und an der anderen Seite kamen wir zu einem Bächlein, dem wir bis zu einem großen Wald folgten. Viele Tage zogen wir dem sich dahinschlängelnden Bache nach, der schon ein tüchtiges Flüßchen geworden war, bis er in einen großen Fluß mündete, der durch ein mächtiges Tal dahinfloß. Hier folgten wir diesem größeren Flusse wieder bis zu seiner Quelle, weil wir hofften, auf offenes Land zu stoßen.

Nach langem Marsche kamen wir wieder zu einer anderen Gebirgskette. Wir folgten dem Fluß weiter aufwärts, bis wir nahe der Bergspitze an eine kleine Höhle kamen, aus der die Quelle des Flusses hervorrieselte.

Ich erinnere mich, daß wir in jener Nacht im Freien lagerten und es sehr kalt war, denn die Berge waren sehr hoch. Am nächsten Tage beschlossen wir den Gipfel des Berges zu besteigen, um zu sehen, wie die Gegend auf der andern Seite wäre, und wenn sie nicht besser aussah, als das Land, das wir so weit durchwandert hatten, wollten wir in unser Dorf zurückkehren und unsern Leuten sagen, daß sich ein besserer Siedlungsplatz nicht finden ließe.

Und so kletterten wir an den felsigen Klippen empor, bis wir den Gipfel erreichten, und dort sahen wir vor einem Bergkegel nicht weit unter uns ein flaches, sehr enges Tal, auf dessen anderer Seite eine Stadt aus Steinhäusern stand, von denen aber viele schon zerfallen waren.

Das Ergebnis von Waziris Geschichte war praktisch dasselbe, wie das von Busuli.

Ich würde gern dorthin gehen, sagte Tarzan, um diesen merkwürdigen Ort zu sehen und mir von den wilden Einwohnern gelbes Metall zu holen.

Es ist ein weiter Marsch, erwiderte Waziri, und ich bin ein alter Mann, aber wenn du warten willst, bis die Regenzeit vorüber ist und die Flüsse gefallen sind, will ich einige von meinen Kriegern nehmen und mit dir gehen.

Tarzan mußte sich damit zufrieden geben, obschon er sich am liebsten schon am nächsten Morgen auf den Weg gemacht hätte. Er war ungeduldig wie ein Kind. In Wirklichkeit war er auch nur ein Kind oder ein Urwaldmensch, denn das ist ungefähr dasselbe.

Am nächsten Tage kehrte eine kleine Abteilung von Jägern aus dem Süden in das Dorf zurück, um zu berichten, eine große Herde Elefanten sei nur einige Meilen von ihnen entfernt. Die Männer waren auf die Bäume geklettert und hatten sie von dort aus gut erkennen können; es seien darunter einige Elefanten mit gutausgebildeten Stoßzähnen, eine Menge weiblicher Tiere und Junge, und manche ausgewachsene männliche Tiere, deren Elfenbein nicht zu verachten sei.

Der Rest des Tages und der Abend wurde mit den Vorbereitungen zu einer großen Jagd ausgefüllt. Die Speere wurden untersucht und ausgebessert, die Köcher wieder gefüllt und die Bogen straffgezogen. Und während der ganzen Zeit ging der Zauberdoktor des Dorfes zwischen den Leuten hindurch und verteilte allerlei Zaubermittel und Amulette, die die Leute vor Anfällen bewahren oder ihnen am morgigen Tage Glück bringen sollten.

Bei Morgengrauen waren die Jäger auf den Beinen. Es waren fünfzig flinke schwarze Krieger, und in ihrer Mitte stand Tarzan, geschmeidig und rüstig wie ein junger Waldgott, dessen braune Farbe seltsam von dem Schwarz der andern abstach. Aber abgesehen von der Farbe, sah er genau so wie sie aus. Sein Schmuck und seine Waffen waren dieselben. Er sprach ihre Sprache, er lachte und scherzte mit ihnen, hüpfte und jauchzte mitten im wilden Tanze, den sie vor ihrem Abzug veranstalteten, kurz und gut, er war ein Wilder unter Wilden. Hätte man ihn befragt, so hätte er sicher erklärt, er fühle sich diesem Volke und seinen Sitten näher verwandt als seinen Pariser Freunden, deren Benehmen er vor wenigen Monaten nach Affenart nachgeahmt hatte.

Er dachte aber an d'Arnot, und lachte vor Vergnügen, wobei er seine starken Zähne zeigte, als er sich fragte, welches Gesicht wohl der Untadelige machen würde, wenn er ihn jetzt sähe. Armer Paul! Er war so stolz darauf, daß er seinem Freund die letzten Spuren seiner Wildheit ausgetrieben hatte. Wie schnell bin ich doch gefallen! dachte Tarzan, aber in Wirklichkeit hielt er das nicht für einen Fall, sondern er hatte vielmehr Mitleid mit den armen Pariser Geschöpfen, die wie Gefangene eingeengt waren und ihr ganzes armes Leben lang von Polizisten bewacht wurden, und nichts tun durften, was nicht gekünstelt oder mit Zwang verbunden war.

Nach zweistündigem Marsche kamen die Krieger in die Nähe der Stelle, wo die Elefanten am Tage vorher gesichtet worden waren. Von da an schlichen sie langsam und vorsichtig weiter, indem sie überall nach den Fährten der großen Tiere suchten. Zuletzt fanden sie eine deutliche Spur, wo die Herde erst vor wenigen Stunden hindurchgekommen sein konnte.

Eine halbe Stunde lang folgten sie dieser Spur im Gänsemarsch. Tarzan war der erste, der die Hand erhob, um das Zeichen zu geben, daß die Tiere in der Nähe seien. Seine feine Nase hatte ihm verraten, daß die Elefanten nicht mehr weit entfernt seien.

Die Schwarzen bezweifelten das.

Tarzan aber antwortete ihnen:

Kommt nur, dann werdet ihr schon sehen!

Mit der Behendigkeit eines Eichhörnchens kletterte er auf eine Baumspitze. Einer der Schwarzen stieg ihm langsam nach. Als er einen Ast neben dem Affenmenschen erreicht hatte, zeigte dieser nach Süden. Dort sah man in der Tat in Entfernung von wenigen hundert Metern eine Anzahl dunkler Rücken, die sich durch das hohe Gras der Dschungel bewegten. Der Schwarze zeigte den unten wartenden Stammesgenossen die Richtung und gab ihnen zugleich mit den Fingern die Zahl der Tiere an, die er sehen konnte.

Sofort ging es in der angegebenen Richtung voran. Der Schwarze kletterte vom Baume herunter, während Tarzan es vorzog, in seiner gewohnten Art von Baum zu Baum zu springen.

Es ist kein Kinderspiel, mit den primitiven Waffen der Wilden auf die Elefantenjagd zu gehen. Tarzan wußte denn auch, daß nur wenige Eingeborenen-Stämme dies Wagnis unternahmen, und er war nicht wenig stolz darauf, daß sein Stamm diesen Mut hatte, denn er betrachtete sich schon als ein Mitglied dieser Gemeinschaft.

Als Tarzan geräuschlos durch die Bäume weiter wanderte, sah er, wie die Krieger sich duckend im Halbkreis an die ahnungslosen Elefanten heranschlichen. Als sie näher herangekommen waren, wählten sie zwei starke Elefanten mit ausgewachsenen Stoßzähnen aus. Auf ein Zeichen stießen die fünfzig Mann aus ihrer Deckung vor und schleuderten ihre schweren Kriegsspeere auf die beiden ausgesuchten Tiere. Das eine bewegte sich nicht mehr von der Stelle, als die Flut von Speeren es traf, denn zwei waren so gut gezielt, daß sie das Herz getroffen hatten. Es stürzte stöhnend vornüber auf die Knie und fiel zu Boden.

Das andere Tier stand näher bei den Jägern, mit dem Kopf ihnen zugewandt, und wenn auch alle Speere es getroffen hatten, so war ihm doch keiner ins Herz gedrungen.

Einen Augenblick stand das gewaltige Tier da, trompetete vor Wut und Schmerz, und stierte mit den kleinen Augen nach seinen Verfolgern aus. Die Schwarzen waren im Nu in der Dschungel verschwunden, ehe sein Blick sie erreichen konnte, aber es hörte sie im Gebüsch, und bahnte sich sofort mit der ganzen Wucht seines riesigen Körpers einen Weg durch das Gestrüpp.

Der Zufall wollte, daß der Elefant auf Busuli stieß, dem er sich so schnell näherte, daß der Schwarze starr vor Schrecken stehen blieb, statt sein Heil in der Flucht zu suchen. Tarzan hatte diese Wendung von einem nahen Baum aus gesehen, und als er erkannte, in welcher Gefahr sich sein Freund befand, eilte er mit lautem Geschrei dem wütenden Tier entgegen, weil er glaubte, dadurch dessen Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können.

Das war aber vergeblich, denn der Elefant ging nicht von dem ab, auf den er sich zuerst hatte stürzen wollen. Jetzt sah Tarzan, daß nur noch ein Wunder Busuli retten konnte, und sprang dem Elefanten in den Weg, um das Leben des schwarzen Kriegers zu retten.

Er ergriff seinen Speer und tauchte, als Tantor noch sechs oder acht Schritte von seiner Beute entfernt war, wie vom Himmel gefallen vor dem Riesen auf. Mit einem Schlag nach rechts suchte der Elefant den frechen Störenfried, der ihn von der Verfolgung seiner Beute abhalten wollte, zu beseitigen, aber er hatte nicht mit der blitzartigen Schnelligkeit Tarzans gerechnet.

Und so geschah es, daß bevor noch der Elefant sich dieses neuen Feindes hatte entledigen können, der Affenmensch ihm die eiserne Spitze seines Speeres durch die Schulter in das Herz stieß. Der ungeheure Dickhäuter stürzte tot zu Boden.

Da Busuli sich inzwischen zur Flucht gewandt hatte, war es ihm gar nicht klar geworden, wie er gerettet wurde, aber Waziri, der alte Häuptling, und einige andere Krieger hatten die Vorgänge beobachtet, riefen Tarzan jubelnd zu und umringten ihn und seine große Beute.

Als Tarzan auf die mächtige Beute sprang und in seiner gewohnten Art mit gewaltiger Stimme seinen Sieg verkündete, wichen die Schwarzen entsetzt zurück, denn das war ja das Gebrüll des schrecklichen Bolgani, den sie ebenso fürchteten wie Numa, den Löwen, aber ihre heutige Furcht war noch verstärkt von jener Angst, die sie vor diesem Menschen hatten, der ihnen eine übernatürliche Macht zu haben schien.

Aber als Tarzan den Kopf wieder senkte und ihnen zulachte, waren sie wieder beruhigt, obschon sie sein Verhalten nicht verstanden. Es war ihnen auch nicht begreiflich, wie dieses seltsame Geschöpf, das sich ebenso schnell und sicher wie ein Affe auf den Bäumen fortbewegte, doch auf der Erde ebenso zu Hause war wie sie selbst, so stark war, wie ihrer zehn, und mit bloßen Händen einen Kampf mit den wildesten Tieren der Dschungel aufnahm.

Als nun auch die übrigen Krieger herangekommen waren, nahm man die Jagd wieder auf. Jetzt galt es, die zurückweichende Herde zu verfolgen!

Sie waren aber kaum hundert Meter weit gekommen, als hinter ihnen in weiter Ferne ein merkwürdiges Geknatter zu hören war.

Einen Augenblick blieben sie wie versteinert stehen und horchten.

Dann sprach Tarzan:

Gewehre! Das Dorf wird wieder angegriffen!

Vorwärts! rief Waziri. Die arabischen Räuber sind wieder mit ihren menschenfressenden Sklaven da, um unser Elfenbein und unsere Frauen zu stehlen!


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