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An einem stürmischen Abend kam Harry Evringham buchstäblich in das Landhaus hineingeweht, ganz durchnäßt von seiner Fahrt vom Bahnhof; er wurde herzhaft umarmt, geküßt und geschüttelt von den dreien, die ihn sehnlichst erwartet hatten. Der folgende Monat war wohl der glücklichste, den dieses Viergestirn je erlebt hatte; jedenfalls war es für das Ehepaar, das zehn Jahre auf seine Hochzeitsreise gewartet hatte, die glücklichste Zeit.
Die Tage gingen hin mit Rudern, Segeln, Schwimmen, Reiten, Fahren, Picknicks, Spaziergängen, Gesprächen und dolce far niente-Abenden, wenn Windstille herrschte, und der Mond Felder und See mit seinem Licht versilberte.
Die schönen Stunden eilten im Fluge dahin, die üppig wuchernde Goldrute stand in voller Blütenpracht, und der August ging zu Ende.
Eines Morgens erwachte Juwel mit dem Gefühl, daß der Tag für sie ein besonderer sei. Sie blickte zu Annabel hinüber und schüttelte sie sanft. »Wach' auf, Liebste,« flüsterte sie, »vor mir sind »grüne Auen«, heute ist mein Geburtstag.«
Aber Annabel, die schlafend sehr niedlich aussah und sich dessen vielleicht bewußt war, schien nicht imstande, ihre Müdigkeit abzuschütteln, bis Juwel sie aufrecht gegen ein Kissen setzte; da öffneten sich ihre Augen weit, und sie schien zur Anteilnahme bereit.
»Erinnerst du dich Gladys an ihrem Geburtstagmorgen, mein Kleinchen? Ihr fiel nichts ein, was sie sich wünschen möchte, und mir geht es fast ebenso. Großpapa hat mir das Boot geschenkt, das ist sein Geburtstagsgeschenk, und Mutter meint, das wäre genug für zehn Geburtstage, und das meine ich auch. Armer Großpapa! Nach zehn Geburtstagen werde ich neunzehn Jahre alt sein und dann, sagt er, müsse ich an seiner Schulter weinen, anstatt wie jetzt, in seine Weste hinein. Aber Großpapa ist so ein Spaßvogel! Erwachsene Damen weinen natürlich fast niemals. Wenn Vater und Mutter mir etwas zugedacht haben, dann werde ich entzückt sein; aber ich weiß nicht, was ich haben möchte. Ich habe das süßeste Pony auf der Welt, und die reizendste kleine Uhr, und das schönste Boot, das je gebaut worden ist, und gestern habe ich Vater eine ganze Strecke allein gerudert und gar nicht viel dabei gespritzt, aber er klammerte sich an die eine Bootsseite und tat, als ob er ängstlich wäre,« – bei der Erinnerung lachte die Kleine aus vollem Halse – »er macht so gern Spaß, und ich kann auch schon segeln, aber ich darf es noch nicht allein tun. Vater sagt, er sieht es mir an den Augen an, daß ich gar zu gern mal kentern möchte. Ich weiß gar nicht, was kentern ist, also wie könnte ich es dann wohl mögen?«
Soweit war Juwel mit ihren vertraulichen Mitteilungen gekommen, als die Tür des Zimmers sich öffnete, und ihre Eltern, in ihre Bademäntel gehüllt, eintraten.
»Es schien, als hörten wir dich mit Annabel reden,« sagte der Vater, nahm sie in die Arme, küßte ihr beide Backen, das Kinn, die Nasenspitze und die Stirn und wiederholte darauf sorgfältig das Programm.
»Aber das macht zehn!« rief Juwel.
»Natürlich. Wenn du nicht einen als Vorschuß für das nächste Jahr bekämst, wie solltest du dann wohl auskommen?«
Dann küßte die Mutter, deren schönes braunes Haar in zwei Zöpfen geflochten herabhing, Juwel solange herzlich auf die Wangen, bis sie rosiger denn je erglühten.
»Noch viele, viele glückliche Jahre, mein kleiner Liebling,« sagte sie. »Ich wußte gar nicht, daß du heute morgen nicht reiten wolltest.«
»Ja, Großpapa sagte, er erwarte heute früh einen Mann, mit dem er geschäftlich sprechen wolle, und er müßte deshalb zu Hause bleiben. Vater hätte mit mir reiten können,« sagte Juwel und blickte vorwurfsvoll nach der Seite des Bettes, an der er saß, »aber als ich ihn gestern abend darum bat, sagte er –, was sagte er doch noch?«
»Ich sagte nur, ich glaubte, Pferde hätten den frischen Morgentau nicht besonders gern.«
»Ach, Juwel!« lachte Frau Evringham, »dein Vater ist ein schlafsüchtiger Faulpelz. Es ist später, als du denkst, mein Liebling. Spring' mal rasch aus dem Bett und mach' dich zum Kaffee fertig.«
Sie ließen die Kleine allein, und sie stand hurtig auf, in Erwartung des Kommenden, denn seit ihrer frühesten Kindheit hatte sie die für sie bestimmten Geschenke stets auf dem Kaffeetisch vorgefunden.
Sobald sie sich angekleidet hatte, zog sie Annabel einen blauen Kaschmir-Morgenrock über und trug sie hinunter in das Zimmer, in dem die Familie Evringham, getrennt von den übrigen Bewohnern des Landhauses, ihre Mahlzeiten einnahm.
Herr Evringham stand am Fenster und las die Zeitung. Juwel lief in freudiger Erwartung auf ihn zu.
»Hm!« sagte er, ohne den Blick von dem Blatt zu erheben, »guten Morgen, Juwel. Essex Maid und Stern wollten gar nichts von mir wissen, als ich sie eben besuchte, so böse waren sie, daß sie heute morgen im Stall bleiben mußten.«
Das Kind antwortete nicht, sondern blickte noch immer lächelnd und erwartungsvoll zu ihm auf.
»Nun,« sagte der Makler schließlich und ließ die Zeitung sinken, »nun? Was gibt's? Ich sehe nichts Aufregendes, denn du hast dein seidenes Kleid nicht an –«
»Großpapa! Heut' ist doch mein Geburtstag!«
Scheinbar betroffen schlug sich der alte Herr aufs Knie. »Aber nein, daß man mich daran erinnern muß!«
Juwel lachte, hüpfte umher und ließ ihren Blick suchend über den Tisch gleiten. »Siehst du, Großpapa, was da an meinem Platz unter dem Tischtuch liegt? Das ist mein Geschenk. Ist es nicht spaßig, nicht zu wissen, was es ist?«
Herr Evringham nahm sie auf den Arm und wiegte sie bedächtig hin und her. »Ja,« sagte er, »ich glaube, du bist etwas schwerer als gestern.«
Das Kind lachte wieder.
»Vergiß nicht, Juwel, daß du es mit diesem Geburtstagsschwindel nicht so eilig haben mußt. Ein- oder zweimal in drei Jahren genügt vollständig.«
»Großpapa! Man muß doch in jedem Jahre einen Geburtstag haben,« antwortete sie, als er sie niedersetzte; »aber wenn man zwanzig oder so geworden ist, dann soll man nicht mehr daran denken, wie alt man ist.«
»So?« fragte der alte Herr. »Damen wohl besonders nicht.«
»Ach nein,« entgegnete Juwel ernst. »Alle Menschen. Mutter ist genau zwanzig Jahre älter als ich; dies ist so einfach zu behalten, daß es schwer ist, nicht daran zu denken, aber ich habe schon fast vergessen, wieviel älter Vater ist,« dabei sah Juwel mit solcher Entschlossenheit zu dem alten Herrn auf, daß er hell auflachte.
»Ich kann mir vorstellen, daß deine Mutter wohl niemals mehr als dreißig werden möchte,« antwortete er, »aber weshalb dein Vater das nicht sollte, das geht über meinen Verstand.«
»Wieso? Es ist Irrtum, schwach zu sein und eine Brille zu tragen und alt zu werden und allerhand Dinge zu haben, nicht wahr?« fragte Juwel mit so ernstem Eifer, daß Herr Evringham sich bemühte, seine Gesichtsmuskeln zu beherrschen.
»Allerhand Dinge zu haben?« wiederholte er.
Juwel lehnte den Kopf auf die Seite. »Ja, selbst du, Großpapa,« sagte sie liebevoll, »selbst du dachtest, du hättest Rheumatismus.«
»Ich stand allerdings unter dem Eindruck.«
»Aber du würdest nie daran gedacht haben, als du noch so jung warst wie Vater?«
»Wohl kaum.«
»Nun, da siehst du, weshalb es verkehrt ist, Gesetze zu machen über Altwerden und den Leuten ihre Jahre nachzurechnen.«
»Ach so, jetzt verstehe ich, was du meinst. Jeder denkt verkehrt und drückt den andern sozusagen noch mehr hinunter, wenn er schon fast am Boden liegt.«
In diesem Augenblick traten Juwels Eltern in das Zimmer, und sofort vergaß das Geburtstagskind alles, in Erwartung der Überraschung, die unter dem Tischtuch für sie verborgen war.
»Annabel ist so neugierig, meine Geschenke zu sehen,« sagte sie, zog in ihrer bekannten Weise die Schultern hoch und lächelte ihrer Mutter zu.
»Eins wird ihr bekannt sein,« sagte Frau Evringham geheimnisvoll.
Juwel sah ihre Puppe liebevoll an. »Hast du mir etwas geschenkt, kleine Süße?« fragte sie zärtlich. »Hoffentlich bist du nicht zu verschwenderisch gewesen.«
Dann sprang sie flink auf ihren Stuhl zu und setzte sich, während die anderen auch ihre Plätze einnahmen.
Das erste Paket, das Juwel hervorholte, trug die Aufschrift: »Mit Liebe von Annabel«. Es kamen ein Paar hübsche weiße Haarbänder zum Vorschein, und die Geberin blickte bescheiden fort, als Juwel ihrer Freude Ausdruck gab und ihr die roten Backen küßte.
Darauf folgte eine Schachtel mit dem Namen ihres Vaters. Es lag eine Hermelin-Pelzgarnitur für Annabel darin, – jedenfalls war es sehr weißer Pelz mit sehr schwarzen kleinen Schwänzen, Halskragen und Muff von höchster Eleganz, und wer ihnen die Bezeichnung Hermelin nicht zugestand, mußte schon ein kaltherziger Zweifler sein. Juwel wippte vor Entzücken auf ihrem Stuhl auf und ab.
»Der Winter ist im Anzug, Juwel, und Bel-Air-Park ist eine sehr elegante Gegend, weißt du,« sagte der Vater.
»Und vielleicht werde ich zu Weihnachten einen Schlitten bekommen und Annabel darin spazierenfahren,« rief das Kind fröhlich.
»Komm' her, mein Liebling, laß uns mal sehen, wie es dir paßt,« und damit legte sie ihr den Pelz über den blauen Kaschmir-Morgenrock. Annabel sah so bezaubernd hübsch aus, daß Juwel sie begeistert anschaute. Die Hände in dem weiten Muff vergraben und die goldenen Locken zur Hälfte in dem breiten Kragen versteckt, beobachtete Annabel mit würdevoller Ruhe, wie Juwel zum drittenmal unter das Tischtuch griff, um das letzte und größte Paket hervorzuziehen.
Dieses war von ihrer Mutter und enthielt schottischen Stoff für ein Winterkleid, mit passender Seide zum Garnieren, und ein Paar Glaceehandschuhe.
Juwel sprang von ihrem Sitz hinunter, küßte erst ihren Vater und dann ihre Mutter. »Was für ein wundervolles Kleid wird das werden!« sagte sie und brachte ihrem Großvater das Paket, daß er den Stoff genau ansehen und befühlen konnte.
»Ja, ja, Juwel,« sagte er, »dein Geburtstag bringt dir wirklich nette Geschenke ein.«
»Ja,« sagte sie, legte den Arm um seinen Nacken und drückte ihr Gesicht gegen das seine. »Das Boot ließ sich nicht unter das Tischtuch stecken, aber ich habe es nicht vergessen, Großpapa.«
Nach dem Kaffee gingen sie zusammen auf die bedeckte Terrasse, um die Lektion zu lesen. Der Morgen war klar und windstill. Das Wasser im Teich plätscherte träumerisch, und das Tosen der Brandung drang gedämpft herüber. Von ihrem Platz aus neben dem Großvater konnte Juwel ihren Namensgefährten in der Sonne glänzen sehen, wie er graziös in der leichten Brise auf den Wellen auf- und abschaukelte.
Sie hatten sich alle bequem zurechtgesetzt, und Frau Evringham suchte die Stellen in der Bibel und in »Wissenschaft und Gesundheit« auf.
Herr Evringham sagte mit lauter Stimme: »Das ist aber ein schöner Morgen, wirklich ein prächtiger Morgen.«
»Das stimmt,« pflichtete Harry bei und streckte seine langen Beine behaglich aus. »Wenn ich mich noch wohler fühlte, wäre es nicht zu ertragen.«
Während er noch sprach, bog ein fremder Mann, in einem karierten Anzug, um die Ecke des Hauses.
Juwel öffnete die Augen weit und richtete sich auf.
»O Großpapa, sieh' doch!« rief sie leise und sprang von ihrem Sitz auf, um besser sehen zu können. Die anderen blickten ebenfalls interessiert auf den Ankömmling, denn er führte das wunderbarste Exemplar eines Colliehundes mit sich, das sie je gesehen hatten.
»Ein goldhaariger Hund, Großpapa!« flüsterte Juwel.
Das Tier mußte vor kurzem erst gewaschen und gebürstet worden sein. Sein Fell war von einer leuchtend goldenen Farbe. Die Pfoten waren weiß, das Ende des Schwanzes gleichfalls, und das Fell auf der Brust sah aus wie der schneeige, weiche Schaum der Wellen. Ein schmaler, weißer Strich zeichnete sich zwischen den Augen ab, – goldglänzende, kluge Augen, in denen sich die Vertrauenswürdigkeit von Generationen widerspiegelte. In dem langen Haar am Halse verbarg sich ein silbernes Halsband, – alles in allem, er war ein Fürst unter den Hunden.
Juwel faltete die Hände unter dem Kinn und starrte ihn mit großen Augen an. Er war zu prächtig, als daß sie gleich hätte auf ihn zustürzen können, wie es ihre gewohnte Art, Tieren gegenüber, war.
»Was für ein Prachttier!« rief Harry aus.
»Es ist wirklich ein goldhaariger Hund,« sagte Juwels Mutter, beinahe ebenso begeistert wie ihr Töchterchen.
»Was haben Sie denn da?« redete Herr Evringham den Mann an. »Etwas sehr Schönes, wie mir scheint.«
»Ja, Herr, etwas Schöneres gibt es kaum,« antwortete der Mann und betrachtete stolz den Hund. »Ich kam hierher, um mit dem Herrn die Angelegenheit zu besprechen, worüber ich dem Herrn geschrieben habe.«
»Ja, ja, doch das hat Zeit. Wir interessieren uns mehr für Ihren schönen Collie. Von goldhaarigen Hunden verstehen wir etwas, nicht wahr, Juwel?«
»Aber dieser Hund könnte doch nicht tanzen, Großpapa,« sagte die Kleine ernsthaft und trat näher an das Tier heran.
»Das ist nichts für ihn,« bemerkte der Mann lächelnd. »Wie könnte er wohl tanzen mögen? Gewiß, ich habe schon Löwen über ein Seil springen sehen, aber für passend habe ich das nie gefunden.«
»Nein,« sagte Juwel, »dieser Hund dürfte nicht tanzen,« und als das Tier sie mit den goldenen Augen ansah, kam sie, wie bezaubert, noch näher; neugierig beschnüffelte er mit seiner kalten Schnauze ihre ausgestreckte Hand.
»Schon gut, aber wir haben doch abgerichtete Hunde gern,« sagte Herr Evringham kühl.
»Wer sagt, daß dieser Hund nicht abgerichtet ist?« fragte der Mann in beleidigtem Tone. »Treten Sie ein wenig zurück, kleines Fräulein.«
Juwel gehorchte, und der alte Herr legte die Hand auf ihre Schulter.
Der Mann sprach ein paar Worte zu dem Hunde, worauf sich das schöne Geschöpf sofort groß und würdevoll aufrichtete und auf die Hinterbeine setzte.
Der Mann ließ ihn nur einige Augenblicke in dieser Stellung und veranlaßte ihn dann, noch einige andere Kunststücke zu machen. Er gab auf Befehl die Pfote, legte sich auf den Rücken, sprang über einen Stock, setzte sich dann wieder auf die Hinterbeine, und als der Mann ein Stück Zucker aus der Tasche nahm, es ihm auf die Schnauze legte, warf er es in die Luft, fing es geschickt auf und verschlang es im Nu.
Juwel jubelte vor Entzücken, doch nur unterdrückt, und die übrigen lachten belustigt, denn dieses Prachtstück unter den Hunden schien selbst Gefallen an seinen Vorführungen zu finden.
Der Mann sah sich stolz in dem kleinen Kreise um.
»Jedenfalls,« sagte Herr Evringham zu Juwel, »ist es ein erstklassiger Hund wie der Gabriels, nicht wahr? Aber er ist so groß, ich glaube, der Orgeldreher würde mit ihm nicht so leichtes Spiel haben.«
Als der Hund die Stimme des Maklers vernahm, ging er auf ihn zu und wedelte mit dem buschigen Schwanz. Juwel streckte eilig die Hand nach ihm aus, aber Herr Evringham hielt sie zurück.
»Es ist ein zutrauliches, freundliches Tier,« fuhr er fort; dann, zu dem Mann gewendet, sagte er: »Möchten Sie ihn wohl verkaufen?«
Bei der Frage klopfte der Kleinen das Herz schneller.
»Das möchte ich schon gern,« erwiderte der Mann schmunzelnd, »aber die Sache ist die, daß ich ihn schon verkauft habe. Ich will ihn gerade seiner Eigentümerin bringen.«
»Sie haben dem Hund ein schönes Halsband umgelegt.«
»Ja, das Halsband ist schön,« sagte der Mann. »Der Hund soll eine Überraschung sein. Die Dame, zu der ich ihn bringe, soll ihn an seinem Namen erkennen.«
»Laß uns mal nachsehen, Juwel,« sagte Herr Evringham und griff nach dem silbernen Halsband; der goldhaarige Hund schien Gefallen an dieser Vertraulichkeit zu finden, denn wieder wedelte er mit dem Schwanz und sah Herrn Evringham treu an.
Juwel beugte sich eifrig vor. Ein kurzer Name war deutlich auf die glatte Platte graviert.
»To – Topas!« schrie sie auf. »Sein Name ist Topas! Großpapa, Mutter, der goldhaarige Hund heißt Topas!«
Erstaunt hob Frau Evringham beide Hände hoch, während Harry ungläubig die Stirn runzelte.
»Hast du je etwas so Wunderbares gehört, Großpapa? Wie kann die Dame ihn so gut bei seinem Namen erkennen wie wir?« Die Kleine war ganz atemlos.
»Was, kennen Sie den Namen, kleines Fräulein?« fragte der Mann. »Sollte ich dann hier vielleicht schon am richtigen Platze sein? Sehen Sie mal nach, unter dem Halse steht der Name der Eigentümerin.«
Juwel ließ sich auf die Knie nieder, und während Herr Evringham die Hand auf die Schnauze des Hundes legte, bog sie die seidigen weißen Haare beiseite.
»Evringham. Bel-Air-Park, New-Jersey,« – das stand auf dem silbernen Halsband eingraviert.
Ein Weilchen verharrte sie bewegungslos in ihrer Stellung, während ein Gedanke den andern in ihrem Kopfe jagte. Es war ihr Geburtstag; Großpapa konnte das Boot nicht unter das Tischtuch legen. Dieser wundervolle Hund, dieses unglaublich herrliche Tier sollte ein unerwartetes Geschenk sein! Für sie war er bestimmt, – zum Liebhaben, – und zum Spielen, – jeden Tag seine Kunststücke zu bewundern, – ihn sollte sie lehren, sie kennen zu lernen und auf sie zuzulaufen, wenn sie ihn rief. Wenn an diesem entzückenden Geburtstagsmorgen alles auf der ganzen Welt ihr zur Auswahl gestellt worden wäre, hätte nichts ihr so wünschenswert erscheinen können als dieses lebendige Geschöpf, dieser Spielgefährte, dieser Fürst unter den Hunden.
Als sie wieder aufblickte, war der Mann im karierten Anzug verschwunden. Sie sah zu den Eltern hinüber, die sie lächelnd betrachteten, und es wurde ihr klar, daß sie davon gewußt hatten.
Sie wandte sich ein wenig zur Seite, wo ihr Großvater saß, die Hand auf den Hals des Collies gelegt, dessen wedelnder, buschiger Schwanz Befriedigung über die Berührung eines guten Freundes verriet.
Schon zu der Zeit, als die Geschichte des goldhaarigen Hundes Juwels Phantasie beschäftigte, hatte der Makler begonnen, nach einem lebendigen Exemplar zu suchen. Er hatte schon daran gedacht, daß ein Hund ein guter Gefährte für die furchtlose Kleine auf ihren einsamen Wanderungen im Walde sein würde. Sobald er den Collie gefunden hatte, ließ er ihm alle gebräuchlichen Kunststücke beibringen, und bis zu seiner Abreise von New York besuchte er das Tier täglich. Dieses erinnerte sich bei seinem Eintreffen am vergangenen Abend so lebhaft des alten Herrn, daß letzterer befürchtete, das freudige Gebell werde Juwel wecken.
Sie richtete sich jetzt halb auf, umschlang den Hals des Hundes und drückte das strahlende Gesicht in sein Fell.
Topas wich zurück, aber Herr Evringham beruhigte ihn; gleich darauf jedoch war er frei, denn seine kleine Herrin sprang auf, kletterte ihrem Großvater auf den Schoß und lehnte den Kopf an seine Brust.
»Großpapa,« sagte sie langsam und innig, »ob du wohl weißt, wie lieb ich dich habe?«
Herr Evringham strich dem Collie über den Kopf, nahm dann Juwels Hand und legte sie mit der seinen zusammen auf des Hundes glatte Stirn, dessen goldfarbene Augen aufmerksam auf ihn gerichtet waren.
»Du sollst auf sie achtgeben, Topas. Verstehst du?« fragte er.
Der buschige Schwanz wedelte stärker.
Juwel sah den Hund an. »Wenn es etwas gäbe, das zu schön wäre, um wirklich zu sein, dann wäre er es,« sagte sie ernst.
Freudige Genugtuung spiegelte sich auf Herrn Evringhams sonst so passivem Gesichte wider.
»Es ist nur gut, daß nichts zu schön ist, um wirklich zu sein,« erwiderte er und küßte sie zärtlich.