Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

13. Kapitel.
Ein heldenhaftes Anerbieten.

Juwel erzählte ihrem Großvater die Geschichte von der sprechenden Puppe, während sie ihre Pferde auf einem ihrer Lieblingswaldwege Schritt gehen ließen, und Herr Evringham wandte keinen Blick von dem ausdrucksvollen Gesicht der kleinen Erzählerin. Das seine blieb völlig ausdruckslos; nur hin und wieder warf er eine Bemerkung dazwischen, um seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekunden.

» Du weißt, daß es segensreicher ist zu geben, als zu nehmen, nicht wahr, Großpapa?« fragte Juwel zärtlich, als sie die Erzählung beendet hatte, »denn du gibst ja immer und immer, und niemand als Gott kann dir etwas geben.«

»Dessen bin ich nicht ganz sicher,« erwiderte der Makler. »Hast du das gelbe Küken vergessen, das du mir geschenkt hast?«

»Nein,« sagte Juwel ernsthaft, »aber seitdem habe ich auch noch niemals wieder etwas gesehen, was dir wohl hätte gefallen können.«

Herr Evringham nickte. »Ich meine doch,« sagte er vertraulich, »daß du mir in deiner Mutter etwas recht Nettes gegeben hast. Weißt du was, ich bin recht froh, daß sie in unsere Familie hineingeheiratet hat.«

»Ja, wirklich,« antwortete Juwel, »ich bin auch froh darüber. Denk' nur mal, wenn ich einen anderen Großpapa gehabt hätte!«

Sie sahen sich an und schüttelten ernst den Kopf. Es gab einige Sachlagen, die unmöglich in Betracht gezogen werden konnten.

»Warum kann ich wohl gar keine Schildkröten im Bache finden?« fragte das Kind nach einer kurzen Pause. »Mutter meint, sie halten sich lieber in Wiesen als in schattigen Schluchten auf.«

»Vielleicht ist es so; aber es gibt noch einen andern Grund,« fügte der Makler hinzu.

»Welchen denn, Großpapa, sag'!« rief Juwel eifrig.

»Ach, die Natur ist eine so korrekte Haushälterin!«

»Aber Schildkröten müssen doch hübsch sein und sauber!«

»Ja, das wohl; und wenn der Sommer den Bach nur in Frieden lassen wollte, dann könntest du leicht eine Babyschildkröte für Annabel finden.«

»Sie würde sie lieben. Die Augen fielen ihr beinahe aus dem Kopfe, als sie Mutter davon erzählen hörte.«

»Siehst du, da haben wir's. Aber ich würde mich schämen, wenn du den Bach im August sähest, Juwel.« Herr Evringham schlug auf den Sattelknopf, um seine Worte zu bekräftigen.

»Wieso, was ist dann mit ihm?«

»Trocken – wie – ein – Knochen!«

»Wirklich?«

»Ja, wirklich. Die Sonne hat schon jeden Tropfen Wasser aus dem Bache gezogen, wenn wir erst kurze Zeit an der See sind.«

»Warum denn?«

»Zum Gründlich-Reinmachen natürlich. Ich vermute, daß sie das Bett dieses Baches ausbürstet und fegt, ehe sie wieder Wasser hineinlaufen läßt.«

»Aber die macht Umstände,« lachte Juwel. »Sogar Frau Forbes würde das nicht tun.«

»Nun frage ich dich,« fuhr Herr Evringham fort, »was würden wohl die Schildkröten anfangen, solange diese Fehde gegen sie dauert?«

»Ja, sie könnten dann natürlich dort nicht leben. Es ist nur gut, – daß wir nicht hier sind, solange die Schlucht ohne Wasser sein muß, nicht wahr, Großpapa? Ich möchte das nicht mitansehen.«

»Nein, wir werden da sein, wo überall Wasser, Wasser ist. Selbst die Sonne macht keinen Versuch, den Meeresboden gründlich reinzumachen.«

Juwel dachte eine Weile nach. »Ich wollte, sie täte es auch hier nicht, denn Schildkröten würden Spaß machen, nicht wahr, Großpapa?«

Herr Evringham sah sie neckisch an. »Ich weiß schon, was du mit mir vorhast,« antwortete er. »Ich soll mein Geschäft in der Wallstraße aufgeben und Besitzer einer Menagerie werden, damit du jedes Tier haben kannst, von dem man jemals gehört hat.«

Juwel lachte und schüttelte den Kopf: »Noch wünsche ich mir das nicht. Wir müssen warten, bis alle Menschen gut geworden sind.«

»Was hat das damit zu tun?«

»Dann werden auch Löwen und Tiger zahm sein.«

»So, werden sie das?« Herr Evringham lachte. »Und diese gut gewordenen Menschen werden sie dann nicht in Käfige einsperren?«

»Nein, das werden sie, glaube ich, nicht tun,« antwortete Juwel.

»Aber um wieder auf die Schildkröten zu kommen,« fuhr der alte Herr fort, »was meinst du, wenn ich dir im nächsten Frühjahr einige für deinen Bach besorgte?«

Juwels Augen leuchteten. »Würde das nicht ein Spaß sein! Aber dann – kommt der Sommer wieder.«

»Was sollte uns hindern, mit ihnen nach dem nächsten Fluß zu reisen, ehe der Bach austrocknet?«

»Das könnten wir vielleicht,« entgegnete Juwel hoffnungsvoll.

»Erzählt Mutter nicht reizende Geschichten, Großpapa?«

»Das tut sie, und einige von den wunderbarsten hörst du gar nicht einmal. Die erzählt sie mir, wenn du schlafengegangen bist.«

»Dann mußt du sie mir wiedererzählen,« antwortete Juwel, »gerade so wie ich dir meine erzähle.«

Herr Evringham schüttelte den Kopf. »Du würdest die Augen dabei wahrscheinlich nicht so weit aufreißen, wie ich es tue; denn du bist an dergleichen gewöhnt. Es sind Geschichten aus der Christlichen Wissenschaft. Deine Mutter hat mich behandelt, damit ich von meinem Rheumatismus befreit werde, Juwel. Was sagst du dazu?«

»Das freut mich,« sagte das Kind herzlich, »denn dann hast du sie darum gebeten.«

»Woher weißt du, daß ich es getan habe?«

»Weil sie dich sonst nicht behandeln würde, und Mutter sagt, wenn die Leute bereit sind, darum zu bitten, so ist das der Anfang alles Guten. Du weißt, Großpapa,« Juwel lehnte sich liebevoll zu ihm hinüber und sagte sanft, »du weißt doch, selbst du mußt gegen das sterbliche Bewußtsein kämpfen.«

»Das wundert mich garnicht,« antwortete der Makler trocken.

»Und das sterbliche Bewußtsein ist so hochmütig und will nie nachgeben,« sagte Juwel.

»Ich bin ein alter Hund,« entgegnete Herr Evringham. »Mich neue Kunststücke zu lehren, wird kein Spaß sein, deine Mutter aber unternimmt es mit frohem Mut. Ich lese das Buch »Wissenschaft und Gesundheit«, und sie meint, ich müßte es vielleicht dreimal durchlesen, ehe ich daraus klug werde.«

»Das wirst du nicht nötig haben, Großpapa, denn es ist so klar,« sagte das Kind.

»Willst du mir helfen, Juwel?«

»Ja, gern,« der Kleinen Gesicht strahlte. »Und wie wird Herr Reeves sich freuen, wenn er dich mit uns zur Kirche kommen sieht.«

»Ich weiß nicht, ob ich Herrn Reeves je die Freude machen werde. Ich tue es nur, um etwas von dem zu verstehen, wovon ihr, du und deine Mutter, so überzeugt seid und was deinen Vater zum Manne gemacht hat. Und weiter, wenn es eine Ewigkeit für uns gibt, dann habe ich die Absicht, durch sie hindurch an eurer Seite zu bleiben, und es ist vielleicht bequemer, hier zu studieren, als in irgendeinem schattenhaften fremden Land im Jenseits. Wenn ich in Unwissenheit bleibe, wer weiß, ob die Allmacht nicht allmählich euch mir entrücken wird.«

Juwel verstand sehr gut, was damit gemeint war und lächelte ihm zu mit dem Ausdrucke, der ihn stets rührte, – nur Liebe im Blick. »Das würde er nicht tun. Gott ist nicht jemand, den wir zu fürchten brauchen.«

»Aber in der Bibel heißt es immer: wir sollen Gott fürchten.«

»Ja, es heißt, wir sollen uns fürchten, den Einen zu betrüben, der uns von allen am meisten liebt. Denk' doch mal, wie selbst wir, du und ich, uns fürchten würden, einander wehzutun, und Gott erhält uns am Leben mit Seiner Liebe!«

Als sie dann nach einer halben Stunde heimkehrten, saß Frau Evringham mit einer Näharbeit auf der Terrasse. Ihr Gatte hatte die Sommergarderobe eiligst geschickt; sie trug ein dünnes, blaues Gewand, das behaglich und hübsch aussah.

»Grundecht! Chic und dabei solide!« dachte ihr Schwiegervater, als er die Treppen emporstieg, und der Blick ihrer klaren Augen ihn herzlich willkommen hieß. Ihm gefielen ihre schlichte Haartracht, ihre Gesichtsfarbe, ihre Haltung und Stimme.

»Ich möchte fast sagen, Sie haben das bessere Teil erwählt – hier auf der Terrasse. Es ist so warm. Aber ich habe heute nachmittag mit einigen Gewissensbissen an Sie gedacht, Julia. Die Ritte, die Juwel und ich so oft machen, scheinen mir allmählich etwas selbstsüchtig. Haben Sie jemals reiten gelernt?«

»Niemals, und ich möchte es auch nicht. Bitte, glauben Sie es mir doch, daß ich höchst zufrieden bin.«

»Meine Wagen sind klein. Es ist lange her, daß ich eine Familie hatte. Wenn wir zurückkommen, will ich einen Wagen anschaffen, in dem wir alle Platz haben.«

»O ja, Großpapa,« rief Juwel begeistert. »Du und ich auf dem Vordersitz, und Mutter und Vater auf dem Rücksitz.«

»Gut, wir haben über zwei Monate Zeit, zu überlegen, wie wir sitzen sollen. Ich denke, es wird wohl öfters so sein: deine Eltern im Phaeton und du und ich auf unsern edlen Rossen, nicht wahr, Juwel?«

»Ja, das glaube ich auch,« antwortete sie ernsthaft.

Herr Evringham nickte seiner Schwiegertochter flüchtig zu.

»Es kommt selten vor, daß wir verschiedener Meinung sind, und es braucht deshalb nicht erwähnt zu werden.«

»Möge es immer so bleiben,« entgegnete sie und nahm ihre Arbeit wieder auf.

»Dies mahnt uns an unsere Abreise,« bemerkte der Makler, während er sich die Stirn trocknete und mit seinen Blicken die grüne Szenerie umfaßte, die lautlos in der Sonnenhitze vor ihnen lag. »Ich denke, wir gehen nächste Woche an die See.«

»Gut, aber es scheint mir, als könne jeder Wechsel nur zu etwas weniger Gutem führen,« sagte Julia lächelnd Und seufzte dabei.

»Dann haben Sie nie einen Sommer in New-Jersey verlebt,« antwortete er. »Ich höre, Sie können gut Geschichten erzählen, Julia. Wenn ich mir ein paar große Schleifen hinter die Ohren bände, könnte ich dann nicht mit zu diesen Vorlesungen kommen?«

Als kein fröhliches Gelächter von Juwel diesen Witz begrüßte, sah er sich nach ihr um. Sie starrte in die Ferne.

»Was gibt's, Juwel?« fragte er.

»Ich dachte, ob Essex Maid und Stern ohne uns die Zeit nicht sehr lang werden würde!«

»Aber nein, nein, wie wenig kennst du doch diese Pferde!«

»Weshalb, Großpapa, meinst du, es wird ihnen gefallen?«

»Hältst du es wirklich für möglich, daß man sie hier zurückhalten könnte?«

»Kommen sie denn mit uns, Großpapa?« Juwel fing vor Freude an zu hüpfen; ihr Reitkleid hinderte sie jedoch daran.

»Natürlich; sie sollen doch sehen, was für Sättel und Zaumzeug in diesem Jahre am Strande getragen werden.«

»Haben Sie auch überlegt, welch' unmoderne Menschen Sie mitzunehmen gedenken, Vater?« fragte Julia. Sie plagte sich täglich mit Zweifeln über diesen Punkt.

Der Makler sah ihr ernst ins Gesicht. »Haben Sie jemals Juwels seidenes Kleid gesehen?« fragte er.

Die Kleine strahlte ihn an. »Sie hat es gemacht!« verkündigte sie triumphierend.

»Dann müßten Sie doch wissen,« sagte Herr Evringham, »daß es jedem gesellschaftlichen Anspruche gerecht wird.«

Julia lachte. »Meine Nähmaschine ist heute gekommen,« sagte sie, »ich hatte mir vorgenommen, allerlei hübsche Sachen anzufertigen, aber wenn wir schon in wenigen Tagen reisen –«

»Lassen Sie es nur gut sein,« erwiderte ihr Gastgeber hastig. »Sie und Juwel sind beide genügend ausgestattet. Ich wünschte, Sie bekämen in dieser Zeit überhaupt keine Nähnadel zu sehen. Es sollte mir leid tun, wenn Sie sich jetzt noch mit dem Nähen plagen wollten.«

»Aber ich tue es gern! Ganz gewiß.«

»Ich will Sie an den kühlsten Platz auf Long Island bringen, aber nicht an den elegantesten.«

»Das ist erfreulich,« erwiderte Julia. »Lauf' hinauf, Juwel, und zieh' dich zum Essen um.«

»Bitte, warte einen Augenblick,« warf Herr Evringham ein. »Juwel und ich möchten erst Ihr Urteil über etwas hören.«

Er verschwand im Hause und kam dann sogleich mit einem flachen Paket in der Hand zurück, das Juwel gespannt betrachtete, während er den Bindfaden löste. Schweigend legte er seiner Schwiegertochter eine Photographie in den Schoß, und Juwel beugte sich eifrig darüber.

»Aber, – aber – wie ähnlich!« rief Frau Evringham, und Juwels Augen leuchteten.

»Ist Großpapas Nase nicht einfach großartig?« fragte sie.

»Das ist ja ein wahrer Schatz, dieses Bild,« fuhr Julia fort. Helle Röte färbte ihre Wangen.

Die Photographie bot eine hübsche Gruppe. Juwel stand neben ihrem in einem Sessel lehnenden Großpapa, den Arm um seinen Hals gelegt. Die Stellung war sehr natürlich. Sie hatten sie gewohnheitsgemäß eingenommen, während der Photograph noch mit dem Apparat beschäftigt war. Der Hut mit der Gänseblumenguirlande hing an ihrem Arm. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß sie in dem Augenblick photographiert wurde. Das Bild war erstaunlich lebenswahr getroffen; der Makler betrachtete es mit großer Genugtuung und ließ die anderen reden.

»Und nun brauchen wir es gar nicht 'mal, Großpapa,« sagte das Kind.

»Ach doch, wir brauchen es wohl!« rief die Mutter, und Juwel, die einen Blick ihres Großvaters auffing, zuckte die Achseln. Was wußte ihre Mutter von ihrem Geheimnis!

Herr Evringham strich seinen Bart. »Schadet nichts, daß wir es haben, Juwel,« entgegnete er und nickte ihr zu. »Kann nichts schaden, es ist im Gegenteil sehr gut; denn ich fürchte, selbst mir zu Gefallen könntest du es nicht hindern, älter zu werden. Und nun müssen wir auch noch ein Bild von dir und Stern haben, du auf seinem Rücken.«

»Aber du saßest doch auch nicht auf Essex Maid, als sie photographiert wurde,« widersprach Juwel.

»Dann wollen wir Stern einmal allein und einmal mit dir zusammen abnehmen lassen; sicher ist sicher.«

Von diesem Tage bis zur Abreise an die See bot sich für Juwel keine Gelegenheit mehr, eine Erzählung aus dem Geschichtenbuch zu hören; die Hitze hatte sich augenscheinlich im Bel-Air-Park festgesetzt. Frau Evringham wurde es schwer, sich von dem stillen, grünen Platz und von ihren geräumigen, schattigen Zimmern zu trennen, aber ihr Schwiegervater war von der Hitzepanik der »New-Jerseyiten« gepackt worden. Er beschleunigte daher die Vorbereitungen zur Flucht.

»Ich kann Sie nicht bedauern, daß Sie hier bleiben müssen,« sagte Julia am Morgen der Abreise zu Frau Forbes.

»Nein, gnädige Frau, das ist auch nicht nötig,« antwortete die Haushälterin. »Sek und ich wollen die freie Zeit genießen und kleine Touren machen.« Sie hielt einen Augenblick inne und sagte dann etwas zögernd: »Ich habe schon immer mit Ihnen über eine geschäftliche Angelegenheit sprechen wollen, gnädige Frau,« – – man merkte es Frau Forbes an, daß sie sich gewaltsam zu einem Entschluß aufraffte – »Herr Evringham sagt mir, Sie und Herr Harry würden hier bei ihm wohnen bleiben. Das ist ein guter Plan,« – mit Nachdruck – »so richtig, wie er nur sein kann; denn was Herr Evringham ohne Juwel anfangen sollte, kann man sich nicht vorstellen; aber mir hat die Sache viel zu denken gegeben. Ich werde hier nicht mehr nötig sein,« sie versuchte zu verbergen, was dieses Zugeständnis sie kostete. Sie bemühte sich weiter zu sprechen, war dessen aber nicht fähig. Julia hörte, daß der gequälten Frau die Stimme versagte.

»Das hat Herr Evringham aber sicher nicht gesagt,« warf die junge Frau ein.

»Nein, und würde es auch niemals tun; aber das darf mich nicht abhalten, richtig zu handeln. Sie können jetzt für ihn und sein Haus sorgen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich das klar einsehe und bereit bin, zu gehen, wenn Sie alle wieder zurückkehren. Ich werde in diesem Sommer genügend Zeit haben, mich umzusehen und meine Vorkehrungen zu treffen. Es gibt für fleißige Hände reichlich Arbeit auf der Welt, und ich bin noch lange nicht arbeitsunfähig.«

»Es freut mich, daß Sie mir das alles sagen, ehe wir reisen,« antwortete Frau Evringham und lächelte der tapferen Frau gütig zu. »Vater hat mir nichts davon gesagt, und ich bin überzeugt, er würde lieber das Haus über sich zusammenbrechen sehen, als Sie entbehren. Wir wollen alle gern unsere bestimmte Arbeit haben und mir ahnt schon, welcher Art meine Arbeit sein wird. Jedenfalls wird sie nicht im Haushalten bestehen. Ich würde froh sein, wenn unsere Anwesenheit in keiner Weise störend auf Vaters Gewohnheiten einzuwirken brauchte, und wir – besonders Sie und ich – sollten alles vermeiden, was eine Änderung hervorrufen könnte.«

Frau Forbes biß sich auf die Lippe. »Nun wohl,« sagte sie, »ich weiß, es würde dem Herrn schwer fallen, mich fortzuschicken, gnädige Frau. Ich wollte daher gern, daß Sie und Herr Evringham es wissen, ich habe diese Sache richtig aufgefaßt.«

»Das war gut von Ihnen,« sagte Julia. »Unsere Aufgabe ist, uns willig führen zu lassen; dann dürfen wir getrost zu Gott aufblicken; Er wird alles zum Besten wenden.«

Die Haushälterin sonnte sich in dem warmen Strahle der Liebe, der aus den Augen der Sprechenden leuchtete und lächelte unter Tränen. »Ich möchte selbstverständlich lieber bleiben,« erwiderte sie. »Das Umpflanzen von Menschen ist ebenso schwer und gewagt wie das Umpflanzen von Bäumen. Man kann nie wissen, ob sie in dem neuen Boden gedeihen werden; aber ich möchte richtig handeln. Ich habe ein wenig in Seks Buch gelesen: »Wissenschaft und Gesundheit«, und darin steht ein Satz, der mich geradezu gepackt hat: Sc. u. H. Seite 242. ›Eigenliebe ist undurchsichtiger als ein fester Körper'. Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten, daß wir mit dem allgemeinen Lösungsmittel der (göttlichen) Liebe den Magnetstein des Irrtums – Eigenwillen, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe – auflösen!« Juwels Liebe hat mir geholfen, soviel aufzulösen, daß ich es ertragen könnte, ihrer Mutter die Schlüssel dieses Hauses zu überreichen, womit ich nicht gesagt haben möchte, daß ich sie irgend jemand anderem ebenso leicht abgeliefert hätte.«

Frau Evringham lächelte. »Ich danke Ihnen; aber ich hoffe, es wird weder Ihre Pflicht sein, sie abzugeben, noch meine, sie zu übernehmen. Wir wollen alles Herrn Evringham überlassen. Meiner Auffassung nach würde er lieber uns alle nach Chicago zurückschicken, als Sie, seine rechte Hand, aufgeben.«

Frau Forbes Miene erhellte sich, sie atmete seit vielen Tagen zum ersten Mal wieder frei auf. Als sie sich auf den Weg nach dem Stalle machte, um Sek von dieser Unterhaltung zu berichten, glich ihr Gemütszustand dem ihres Brotherrn, als er seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß Julia in die Familie hineingeheiratet hatte.


 << zurück weiter >>