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Ich öffnete die Augen und blickte in die Dämmerung unter dem niedrigen, wolkigen Himmel.
Nachdem ich mich besonnen hatte, sah ich, daß ich in einem dunklen Gebüsch lag. Und als ich mich umblickte, um die Öffnung zu entdecken, durch die ich herausgeschleudert worden war, sah ich, daß sie sich geschlossen hatte.
Vorsichtig erhob ich mich; es wunderte mich, daß mein Körper nach all den Wirbeltänzen, denen ich ausgesetzt gewesen, nicht zerschlagener war.
Abgesehen von einem prickelnden Jucken am ganzen Körper fehlte mir nichts; ich fühlte weder Schmerz noch Schwindel, eher ein träges Wohlbefinden, als ob man nach einem langen, schweren Schlaf sich nicht bequemen kann, der Ruhe zu entsagen.
Aus alter Gewohnheit wollte ich gerade Toilette machen – mein Anzug war sicher schrecklich zugerichtet – als ich einen Laut von einem Baum am Rande des Affenwaldes hörte.
Auf einem der niedrigsten Äste saßen vertraulich, Arm in Arm, zwei Affenweibchen, die mich betrachteten.
Ich bekam einen Schreck und sah mich nach einer Zuflucht um. Da die Affen aber weder Erstaunen noch Zorn zeigten, – das eine gähnte laut, als ob es soeben erst erwacht sei, das andere setzte sich neugierig zurecht, um mich besser zu sehen – beruhigte ich mich, und ohne mich über die merkwürdige Sinnesänderung, die sie dem Fremden gegenüber an den Tag legten, zu Wundern, betrachtete ich sie auch meinerseits mit Interesse.
Da hörte ich das eine Affenweibchen sagen:
»Ich sah, wie er aus dem großen Tier herauskam.«
Es setzte mich gar nicht in Erstaunen, daß ich ihre Sprache verstand, nur blickte ich mich nach demjenigen um, dem ihre Worte galten. Da ich aber niemanden entdecken konnte, und ihre Augen noch immer auf mich gerichtet waren, begriff ich, daß ich gemeint war.
Das andere Affenweibchen gähnte noch einmal, rieb sich behaglich den Schlaf aus den Augen, betrachtete mich prüfend und sagte:
»Der gefällt mir.«
Sie schnitt eine Grimasse, die, wie ich begriff, ein einladendes Lächeln sein sollte, sprang ganz bis an das Ende des Astes, reckte ihren Arm, bis sie den Zweig über sich erreichen konnte, pflückte zwei Purpurfrüchte und warf die eine zu mir herüber. Sie hatte so gut gezielt, daß ich die Frucht mit Leichtigkeit greifen konnte. Ohne den Blick von mir zu wenden, verzehrte sie die andere Frucht.
Ich biß hinein und erwiderte ihren Blick. Und während ich aß, hatte ich genau dasselbe Gefühl wie sie: Sie gefällt mir.
Im nächsten Augenblick geschah etwas höchst Sonderbares. Ich sah plötzlich alles in Rot. Das Affenweibchen schwebte wie eine rote Wolke vor meinem Blick hin und her.
Ich fand sie wunderschön und es wunderte mich gar nicht.
Ich fühlte, wie die Muskeln meiner Beine sich spannten, als wollten sie zum Sprunge ansetzen. Das Blut prickelte mir in den Adern, und plötzlich begann es in mir zu brausen. Meine Brust schwoll, ich fühlte, daß sie wie eine Blase unter meinem Halse hervortrat; unter meinem geplatzten Hemd leuchtete die Haut gespannt und voll von roten Stoppeln. Durch meine Glieder kroch es wie glimmendes Feuer. Die Stirnhaut war so gespannt, daß sie mich schmerzte. Alles drehte sich vor meinen Augen, und ohne zu wissen, was ich tat, stürzte ich mich blindlings auf den Ast mit dem roten Nebel.
Ich hörte beide Affen schreien, sah den roten Nebel in langen Sprüngen, bald hoch oben auf einem Ast, bald unten auf der Erde.
Wie lange ich so hinter dem flüchtenden Rot hergesagt war, weiß ich nicht. Plötzlich aber fühlte ich eine tödliche Müdigkeit in allen Gliedern und taumelte gegen etwas Hartes, wobei ich stolperte. Hitze und Schwindel verloren sich langsam, und als mir endlich die Besinnung wiederkehrte, lag ich am Rande eines Abhanges und sah über die graue Lagune.
Lange blieb ich so liegen und versuchte mir das Geschehene klarzumachen. Was mir in der Nacht vor der Höhle zugestoßen war, stand so neblig vor meiner Erinnerung, daß es mir eine Ewigkeit her zu sein schien.
Toko, das Boot und die Reise hatte ich ganz vergessen.
Hoch oben kam ein Meerpferd in einem mächtigen Rundflug von der Lagune her; es flog über die Stelle hinweg, wo ich lag, aber es ängstigte mich nicht. Als ein Blick aus den kleinen zwinkernden Augen im Vorbeifliegen mich traf, sah ich, daß es dasselbe Tier war, das mir das Zentaurfüllen entrissen hatte; aber es schien mich nicht zu erkennen. Es hielt mich wohl für ein Wesen der Mißgestalteten und flog ohne Aufenthalt weiter.
Schließlich war ich wohl eingeschlafen, denn ich erwachte durch ein Summen im Ohr und hörte Wahujas Stimme mit ihrem sanften Hohn:
»Wie schön du geworden bist, reicher Geber, seit die Dunkelheit von dir Besitz ergriffen hat! Der Kamm auf deiner Stirn steht dir gut, und auch die hübschen, roten Gewächse auf deiner Brust!«
Ich blickte an mir herab; nicht ohne einen gewissen Stolz ließ ich meine Hand, die rotgefleckt war, mit krummen, geschwollenen Fingern, über meine nackte Brust gleiten; war sie vorhin aufgeblasen und gespannt gewesen, so war sie jetzt eingefallen und schlapp, mit zahlreichen Warzen.
Ich fühlte nach dem Kamm auf meinem Kopf; er hing jetzt wie eine Hautfalte über der Stirn. Ich entsann mich mit Stolz, wie er mich geschmerzt und gedrückt hatte, als er noch aufrecht und steif stand, mit gesträubten Zacken.
»Ich habe mein Wort gehalten,« summte die Wespe wieder, »Toko fand ich in einem Baum unter Affen, wo die Affenjungen sich mit ihm belustigten. Er war mehr tot als lebendig, als ich meinen Stachel in seine Plagegeister senkte. Jetzt erwartet er dich im Boot zwischen den Baumwurzeln, wo ihr es gestern verlassen habt.«
Die Wespe flog voran und zeigte mir den Weg durch den Wald.
Wir begegneten denselben Wesen, die ich gestern gesehen hatte, doch keines achtete unser.
Erst als wir den Wald hinter uns hatten und an den grauen Felsen vorbeikamen, wo Toko und ich gestern gelegen und dem Zug der Mißgestalteten zugesehen hatten, ereignete sich etwas.
Aus der Luft erklang der pfeifende Laut des Eichhörnchentieres, und ich sah es mit langen Sätzen auf den Strand zusteuern.
Kaum hatten die kleinen schelmischen Augen mich erblickt, als es mich zu umkreisen begann. Sein Pfeifen wurde zu einem gurgelnden Knurren, es flog näher und näher, öffnete das Maul und lächelte mir mit seinen spitzen, weißen Zähnen zu, legte den Kopf auf die Seite und schnappte nach dem Kamm auf meinem Kopfe.
Ich war mir gleich darüber klar, daß es eine Liebeserklärung sei, doch hatte das Tier nichts, was mich reizte. Ich hielt mich spröde zurück.
Das Tier fühlte sich gekränkt und kam mir gackernd so nah, daß es mit den Hinterpfoten meine Brust berührte.
Im selben Augenblick hörte ich einen bekannten Schrei. Es war Toko.
Als er das fliegende Eichhörnchen beobachtete, hatte er plötzlich ein Wesen auf dem Strande daherkommen sehen, von einer großen summenden Wespe geführt. Und als das Eichhörnchen langsamer flog, um dies Wesen zu umkreisen, hatte er plötzlich entdeckt, daß ich es sei.
In einer Sekunde hatte er das versteckte Boot verlassen. Mit erhobenem Ruder stürzte er herbei, um mich vor dem Ungeheuer zu retten. Er sah, daß es mir auf den Leib rückte, glaubte, es gälte mein Leben, schlug mit voller Wucht von hinten auf das Tier ein, und traf den einen Flügel.
Mit einem Schrei, der Schmerz und Wut enthielt, flog das Tier taumelnd weiter. Das Ruder aber, das den Flügel verletzte, hatte mich auf den Kopf getroffen, und der Schlag war so stark gewesen, daß ich bewußtlos zu Boden sank.
Das Hilfegeschrei des Eichhörnchentieres alarmierte die Wesen in Wald und Luft.
Es gellte und bellte aus allen Himmelsrichtungen, während Mißgestaltete dem Laute folgten.
Toko nahm mich auf den Rücken und trug mich so schnell zum Boot, daß die Wespe uns nicht zu folgen vermochte.
Er warf mich, so lang ich war, auf den Boden des Bootes, und ohne sich Zeit zu lassen, das Leben in der merkwürdigen Mißgestalt, die sein Herr war, zurückzurufen, stieß er von Land und ruderte, daß das Blut ihm aus den Nägeln spritzte.
Glücklicherweise hatte der verletzte Flügel die Kraft des Eichhörnchens gebrochen, und keiner der anderen großen Flieger, die uns mit Leichtigkeit erreichen konnten, wenn sie uns gesehen hätten, war in der Nähe.
Toko mußte seine ganze Aufmerksamkeit auf unsere Flucht richten. Als wir schließlich so weit aufs Meer hinausgekommen waren, daß er die Ruder aus der Hand zu legen wagte, um mir zu helfen, sah er zu seiner unsagbaren Freude, daß ich blaß und abgezehrt, aber in meiner alten Gestalt dalag.
Seine Hände unter meinem Kopf, die großen Augen voll blanker Tränen, starrte er mich an, nachdem es ihm schließlich geglückt war, mich zu wecken. Darauf wandte er den Kopf nach der Insel der Dämmerung um, die wie eine friedliche, graue Linie am Horizont lag, und sagte, bis ins Innerste erschüttert:
»Das war die Insel der Schatten!«
Und mit mildem Vorwurf in der Stimme fügte er hinzu:
»Du hättest dir selbst sagen können, daß du Ali und ihr Kind dort nicht finden würdest.«