Laurids Bruun
Van Zantens wundersame Reise
Laurids Bruun

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5. Aussteuer und Abreise

Ende September war das Boot fertig und lag auf der Lagune, von den Mahuraleuten wie ein Wunder bestaunt. Sogar der alte König ließ sich zum Kokoshain tragen, um es von weitem zu bewundern.

Der Ausleger, rechts, war ebenso lang wie das Boot und wurde mit der Reling durch drei Querbalken von einem Meter Länge verbunden. Unterhalb der Reling, rings um das ganze Boot herum, waren Kalebassen befestigt. Zwischen den Wasserbehältern waren Kokosnüsse verstaut, so viele ihrer nur Platz finden konnten; jeder kleine Raum war mit Yamswurzeln, Taroknollen und Kopra ausgefüllt. Außerdem waren da Bündel von getrocknetem Tatloi.

Für Vogelwild sollte Toko mit seinem Bogen sorgen. Die Büchse war für etwaige Angriffe da. Munition und Arzneimittel lagen zusammen in einem Kasten, der mir als Kopfunterlage in meiner Koje unter dem Rudersitz diente. Die Koje war schmal wie ein Sarg, mit meinen Kleidern ausgepolstert und einer Matte aus weichem Tapastroh zum Zudecken. Außerdem hatten wir eine wasserdichte Matte, die wir gegen Wellengang und Regen von Reling zu Reling spannen konnten.

Am Achtermast hatten wir einen kleinen Herd aus Korallblöcken gemauert, mit einer Eisenplatte als Unterlage, die noch von meiner alten Schiffskiste herstammte. Der Raum zwischen dem Bretterboden und dem Kiel war mit Holzkohlen gefüllt und mit getrocknetem Ilang-Ilang-Gras ausgestopft.

Wir machten eine glanzvolle Probefahrt am Tage, mit allen Kanus von Mahura als Gefolge, und eine des Nachts, bei der nur die Sterne Zeugen waren.


An einem zeitigen Morgen, als gerade die Waldlinie im Osten Farbe und Form bekam, gingen wir mit unserem Gepäck an Bord.

Toko sah mit tränengeblendetem Blick zu der Insel seiner Väter zurück, zu unserer Hütte, dem Hause des Königs, von dem man mit knapper Not den Dachfirst unterscheiden konnte, zu dem Drachenkopf auf dem Giebel des Gemeinschaftshauses, dem höchsten Punkt der Stadt.

Über dem Walde stand der Halbmond mit der Rundung nach unten, fahl in der Morgenbeleuchtung. Alis und Oasus Grabsteine hoben sich weißleuchtend von dem Dunkel des Kokoshaines ab. Und während die Morgendämmerung zunahm, erinnerte ich mich in einem letzten Gedenken an alles, was die Insel mir gegeben hatte. Da heftete Toko seine Augen auf mich.

»Los!« beeilte ich mich zu sagen, bevor die Frage in seinem Blick in Worten Ausdruck gefunden hatte.

Toko zog das Tau ins Boot, während ich von dem letzten Stein des Ufers abstieß.

Zwei Meervögel, die sich hoch oben tummelten, die Morgenröte auf ihren weißen Schwingfedern, folgten uns über die Lagune. Andere Lebewesen sahen wir nicht.

Drüben, hinter dem Kokoshain, schliefen noch alle sanft; keiner ahnte, daß, wenn der letzte Morgen, der Morgen der Abreise anbrach, wir schon über alle Berge sein würden. So hatte ich es bestimmt, und Toko, der fühlte, was es ihn kostete, seine glückliche Insel zu verlassen, hatte eingesehen, daß es so am besten sei.

Wir hißten unsere beiden viereckigen Segelmatten. Wenn wir nur den Kopf in acht nahmen, konnten wir uns bequem von vorn bis achtern darunter bewegen.

Die kleinen Wellen glucksten um die beiden Steven, den des Bootes und den des Auslegers. Ich sah, daß Toko seine Hand längs der äußersten Reling gleiten ließ; er wollte sich davon überzeugen, ob die getrocknete Kralle eines fliegenden Fisches, die er einst von seiner Mutter als Talisman bekommen hatte, auch an ihrem Platz sei; er hatte sie zum Schutz für unsere Fahrt festgenagelt.

Auch ich hatte, auf Tokos Rat, die Geister beschworen: auf dem einen Steven hatte ich Alis Namen mit Ocker gemalt auf dem anderen Dasus; und als Toko mich fragte, ob ich nicht auch ein Zeichen meiner eigenen Geister anbringen wollte, hatte ich über beide Namen ein Kreuz gemalt.

Unter diesen Zeichen glitt das Boot über die blanke Lagune. Eine funkelnde Kielwasserkurve blieb hinter uns zurück, in deren Licht wir kleine Fische blitzen sahen.

Der Monsun war lind, das Meer draußen ruhig und blank, die Brandung spielte friedlich mit dem Riff. Hoch oben unterm Himmel kreuzten die beiden Meervögel, die uns begleitet hatten, die Augen wachsam auf das Kielwasser geheftet, keiner aber tauchte herab.

»Siehst du,« sagte Toko – es waren seine ersten Worte seit der Abreise –, »es war die richtige Zeit: keine Klagen, kein Gejammer am Riff, die Brandung spielt nur, die Geister schlafen.«

»Die Schildkröten offenbar auch,« sagte ich, »jedenfalls läßt sich keine blicken.«

Ich wußte wohl, wie ich ihn auf andere Gedanken bringen konnte.

»Warte nur –« er lief nach vorn und kletterte auf die äußerste Spitze unseres ockergelben Drachenschnabels, der sein eigenes Meisterwerk war – »warte nur, bis wir in den Mund kommen.«

Wir erreichten den Mund und glitten genau mittstroms hindurch. Ein Schaumspritzer der Brandung streifte meine Backe, der letzte Gruß von unserer Insel.

Von dem großen offenen Meere, das auf unbestimmte Zeit unser Heim sein sollte, kam uns eine schwere Morgendünung entgegengerollt, hob uns freundlich auf ihre Schulter, als wollte sie unser Gewicht prüfen und ließ uns wieder fallen. Ich stand auf, um die Höhe und Stärke der Wellen zu beurteilen, und fragte in demselben Augenblick in meinem Innern: Sind wir schon zu leicht befunden worden?

Ein jäher Windstoß – und das Hintersegel schwoll so plötzlich, daß ich das Steuer nicht erreichte, ehe der Unterbaum mich an den Kopf traf und auf den Sitz niederfällte.


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