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Achtundzwanzigste Betrachtung. Ueber die Speisewirthe.

137. Ein Speisewirth ist ein Gewerbtreibender, dessen Geschäft darin besteht, zu jeder Zeit für das Publikum ein Mahl bereit zu halten, dessen einzelne Gerichte nach Wunsch der Gäste in Portionen und zu festen Preisen abgegeben werden.

Die Anstalt heißt Speisewirthschaft oder Restauration, der Leiter derselben Speisewirth oder Restaurateur. Speisekarte nennt man die Liste mit den Namen der einzelnen Gerichte und deren Preisen, und Zahlkarte die Rechnung über die gelieferten Speisen und deren Preis Der Ausdruck Zahlkarte ( carte à payer, carte payante) ist inzwischen durch das Wort Addition ersetzt worden. D. Uebers..

Unter der großen Menge derer, welche die Speisewirthschaften besuchen, giebt es wohl nur wenige, die eine Ahnung davon haben, daß der erste Erfinder dieser Anstalten ein genialer Kopf und gründlicher Beobachter gewesen sein muß.

Wir wollen der geistigen Trägheit zu Hilfe kommen und hier die Verkettung der Ideen darlegen, deren Aufeinanderfolge zu dieser ebenso bequemen wie allgemein üblichen Einrichtung führen mußte.

Gründung.

138. Um 1770, nach den glorreichen Tagen Ludwigs XIV., den Ausschweifungen der Regentschaft und der langen Ruhe unter dem Ministerium des Cardinals Fleury, standen den Fremden in Bezug auf Tafelgenüsse in Paris nur herzlich wenig Hilfsquellen zu Gebote.

Sie waren gezwungen, sich an die Küche der Herbergen zu halten, die im allgemeinen herzlich schlecht war.

Es gab wohl einige Gasthöfe mit Table d'hôte, aber mit wenig Ausnahmen boten diese Wirthstafeln nur das unumgänglich Nothwendige, und überdies mußte dort zur bestimmten Stunde gespeist werden.

Allerdings waren die Garköche vorhanden, aber diese gaben nur ganze Stücke ab, und wer seine Freunde bewirthen wollte, mußte seine Bestellung bei ihnen im voraus machen, so daß die Fremden, die nicht das Glück hatten, von Seiten eines reichen Hauses eingeladen zu werden, die Stadt verließen, ohne die Hilfsmittel und Annehmlichkeiten der Pariser Küche kennen gelernt zu haben.

Ein derartiger Zustand, der gegen ein täglich wiederkehrendes Interesse verstieß, konnte nicht von Dauer sein, und schon träumten einige Denker eine Verbesserung.

Endlich fand sich ein gescheidter Kopf, der auf den Gedanken kam, daß eine thätige Ursache nicht ohne Wirkung bleiben könne; daß, da das nämliche Bedürfnis sich täglich um die nämlichen Stunden erneuerte, zahlreiche Consumenten dem Orte zuströmen würden, wo sie dies Bedürfnis auf angenehme Weise würden befriedigen können; daß, wenn man für einen ersten Gast den Flügel eines Huhnes abgelöst habe, gewiß ein später kommender sich mit dem Schenkel begnügen würde; daß die Abtrennung einer ersten Schnitte in der Verborgenheit der Küche den übrigen Theil des Bratens nicht entehren könne; daß man bei guter, schneller und sauberer Bedienung eine kleine Preiserhöhung nicht in Anschlag bringen werde; daß man bei einem nothwendiger Weise höchst beträchtlichen Kleinhandel nie zu Ende kommen würde, wenn es den Gästen frei stände, erst noch über den Preis und die Güte der geforderten Gerichte zu rechten, und daß überdies die Mannigfaltigkeit der Gerichte in Verbindung mit den festen Preisen den Vortheil böte, daß jeder nach seinem Vermögen wählen könne.

Dieser Mann dachte auch noch an viele andere Dinge, die leicht zu errathen sind. Er war der erste Restaurateur und schuf ein Gewerbe, das immer zum Wohlstand führt, sobald der, welcher es betreibt, Redlichkeit, Ordnungsliebe und Geschick besitzt Das Wort Restaurant bezeichnete ursprünglich eine Kraftbrühe von der Art, wie sie für Entkräftete, Schwangere u. s. w. bereitet werden. Um 1765 legte ein gewisser Boulanger oder Le Boulanger diesen Namen einem Etablissement bei, das er in der Rue des Poulies (jetzigen Rue de Louvre) errichtete, und dem er die Devise gab: Venite ad me omnes qui stomacho laboratis, et ego restaurabo vos. Boulanger verkaufte neben den Kraftbrühen auch gekochtes Geflügel nebst Eiern und servirte auf kleinen Marmortischen nach Art der Kaffeehäuser, nahm dafür aber auch höhere Preise als die Garköche. Auf Boulanger folgte Roze, der sich mit einem gewissen Pontaillé associirte und das Geschäft um 1770 nach der Rue Saint-Honoré verlegte, wo es eine neue Devise aufpflanzte:
Hic sapide titillant juscula blanda palatum,
Hic datur effoetis pectoribusque salus,

und sich Maison de santé nannte, ein Name, der indessen die Bezeichnung Restaurant nicht mehr zu verdrängen vermochte. Roze gab außer der Bouillon, dem Geflügel und den Eiern auch Reisspeisen, Maccaroni, Crêmegerichte, Compotes, Confitüren und Burgunder und scheint zuerst die Speisekarte in Gebrauch gebracht zu haben. Ein ganzer Kapaun kostete bei ihm 3 Livres 12 Sous, ein halber 1 Livres 16 Sous, ein Viertel 18 Sous. Roze behauptete sich bis zu seinem Tode als einer der besten Restaurateure von Paris. D. Uebers.
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Vortheile der Speisewirthschaften.

139. Die Einführung der Speisewirthschaften, die von Frankreich aus sich über ganz Europa verbreitet haben, ist von größtem Vortheil für alle Bürger und von höchster Bedeutung für die Wissenschaft.

1. Diese Anstalten ermöglichen es jedem, zu der Stunde zu speisen, die ihm je nach den Umständen, in denen er sich in Folge seiner Geschäfte oder seiner Vergnügungen befindet, am bequemsten ist.

2. Jeder Gast weiß mit Bestimmtheit, daß er den Betrag, den er für sein Mahl ausgeworfen hat, nicht überschreiten wird, da er im voraus den Preis jeder Schüssel kennt, die ihm servirt wird.

3. Hat der Consument einmal mit seiner Börse abgerechnet, so kann er ganz nach Belieben ein solennes, auserlesenes oder leichtes Mahl einnehmen, es mit den besten einheimischen und ausländischen Weinen anfeuchten, es mit Mokka würzen und mit den Liqueuren beider Welten parfümiren, ohne eine andere Grenze zu finden als die Stärke seines Appetits oder die Fassungskraft seines Magens. Der Speisesaal eines Restaurateurs ist das Eden der Feinschmecker.

4. Die Speisewirthschaften sind eine höchste bequeme Einrichtung für die Reisenden, für die Fremden, für die, deren Familie zeitweilig auf dem Lande wohnt, mit einem Wort für alle die, welche keine Küche zu Hause haben oder dieselbe für den Augenblick entbehren müssen.

Vor der Zeit, von der wir eben sprechen (1770), erfreuten sich die Reichen und Angesehenen des fast ausschließlichen Besitzes zweier großer Vortheile: sie reisten schnell und speisten immer aufs Beste.

Die Einführung der neuen Eilwagen, die in vierundzwanzig Stunden dreißig Meilen zurücklegen, hat das erste von diesen beiden Privilegien zu nichte gemacht, die Einführung der Speisewirthschaften hat das zweite vernichtet: durch sie ist das Wohlleben populär geworden.

Jeder, der fünfzehn bis zwanzig Franken zur Verfügung hat und an der Tafel eines Restaurateurs erster Klasse Platz nimmt, speist ebenso gut und sogar noch besser als an der Tafel eines Fürsten, denn das Mahl ist ebenso glänzend, und überdies wird er durch keine persönliche Rücksicht beengt, da ihm alle Gerichte zu Gebote stehen.

Blick auf den Speisesaal.

140. Ein wenig im einzelnen betrachtet, bietet der Speisesaal eines Restaurateurs dem forschenden Blicke des Philosophen ein Bild, das bei der Mannigfaltigkeit der darin enthaltenen Situationen wohl seiner Aufmerksamkeit würdig ist.

Den Hintergrund nimmt die Menge der einsam speisenden Consumenten ein, die mit lauter Stimme bestellen, mit Ungeduld warten, in Hast und Eile essen, bezahlen und fortgehen.

Dann erblickt man wohl auf der Reise befindliche Familien, die, mit einem frugalen Mahle zufrieden, es doch noch mit einigen Gerichten würzen, die ihnen bis dahin unbekannt waren, und mit Vergnügen ein Schauspiel zu genießen scheinen, das völlig neu für sie ist.

Nicht weit davon sitzt ein Pariser Ehepaar: man erkennt es an dem Hute und dem Shawl, die über ihren Köpfen hängen. Man sieht wohl, daß sie sich schon seit langem nichts mehr zu sagen haben: sie beabsichtigen, irgend ein kleines Theater zu besuchen, und man darf wetten, daß eine von den beiden Ehehälften dort einschlafen wird.

Weiterhin haben zwei Liebende Platz genommen: man schließt das aus der Zuvorkommenheit des jungen Mannes, aus den kleinen Koketterien des jungen Mädchens und aus der Leckerhaftigkeit beider. Das Vergnügen strahlt ihnen aus den Augen, und bei der Wahl, die sie unter den Speisen treffen, dient uns die Gegenwart dazu, die Vergangenheit zu errathen und die Zukunft vorherzusehen.

Der Tisch in der Mitte ist mit Stammgästen besetzt, die in der Regel einen Rabatt erhalten und zu festem Preise speisen. Sie kennen alle Kellner bei Namen, und diese machen sie insgeheim auf die frischsten und neusten Gerichte aufmerksam. Sie bilden gleichsam den Stamm des Geschäfts, ein Centrum, um das sich die übrigen Gäste gruppiren, oder noch besser: sie sind gleichsam die zahmen Lockenten, deren man sich in der Bretagne zum Anlocken der Wildenten bedient.

Dann trifft man dort auch Individuen, deren Gesicht jedermann bekannt ist, deren Namen aber niemand weiß. Sie sind da wie zu Hause, suchen nicht selten mit ihren Nachbarn ein Gespräch anzuknüpfen und gehören zur Klasse jener problematischen Existenzen, denen man nur in Paris begegnet, und die, obschon sie weder Eigenthum, noch Reuten, noch einen Erwerbszweig haben, dessenungeachtet viel Geld ausgeben.

Endlich erblickt man hier und da auch einige Fremde, und namentlich Engländer. Diese letztern stopfen sich mit doppelten Portionen Fleisch voll, verlangen immer das Theuerste, trinken die schwersten Weine und gehen schließlich nicht immer ohne einen stützenden Arm von dannen.

Man kann sich jeden Tag von der Richtigkeit dieser Schilderung überzeugen, und wenn dieselbe einerseits geeignet ist, die Neugier zu reizen, so könnte sie andererseits vielleicht den Moralisten betrüben.

Nachtheile.

141. Es leidet keinen Zweifel, daß die Gelegenheit und der allgewaltige Zauber der leckern Bissen viele Personen zu Ausgaben verleiten, die ihre Kräfte übersteigen. Auch mag mancher schwache Magen dieser Gelegenheit eine Unverdaulichkeit und die Venus Vulgivaga ihr manches zur Unzeit gespendete Opfer verdanken.

Als noch weit verderblicher für die gesellschaftliche Ordnung betrachten wir aber den Umstand, daß das ungesellige Speisen den Egoismus verstärkt und das Individuum daran gewöhnt, nur an sich zu denken, sich gegen seine Umgebung abzusperren und sich über alle Rücksicht auf andere hinwegzusetzen. In der gewöhnlichen guten Gesellschaft erkennt man diejenigen, die beim Restaurateur zu essen Pflegen, sehr leicht an ihrem Verfahren vor, während und nach dem Mahle Wenn man z. B. einen Teller mit völlig vorgeschnittenen Stücken die Runde machen läßt, so bedienen sie sich und stellen ihn dann vor sich auf den Tisch, ohne ihn an den Nachbar weiter zu geben, um den sich zu bekümmern nicht in ihrer Gewohnheit liegt..

Wetteifer.

142. Wir bemerkten oben, daß die Einführung der Speisewirthschaften von hoher Bedeutung für die Wissenschaft gewesen sei.

Sobald nämlich die Erfahrung gelehrt hatte, daß ein vorzüglich bereitetes Ragout im Stande sei, den Erfinder reich zu machen, erhitzte der Eigennutz, dieser gewaltige Hebel, alle Phantasien und regte alle Kochkünstler zu erhöhter Thätigkeit an.

In Folge dessen wurden mittelst der chemischen Analyse in Substanzen, die bis dahin für werthlos gegolten hatten, eßbare Bestandtheile entdeckt. Neue Eßwaaren wurden aufgefunden, die alten verbessert, die einen auf tausend verschiedene Arten mit den andern verbunden. Fremde Erfindungen wurden eingeführt, das ganze Weltall ward in Contribution gesetzt, und manche von unsern Gastmählern könnten einen vollständigen Lehr-Cursus der Geographie der Nahrungsmittel abgeben.

Speisewirthschaften zu festem Preise.

143. Während die Kunst auf diese Weise sowohl in Bezug auf die Entdeckungen wie auf die Preise – denn jede Neuigkeit muß ja bezahlt werden – eine aufsteigende Bahn verfolgte, erzeugte die nämliche Ursache, d. h. die Hoffnung auf Gewinn, eine, wenigstens in Bezug auf die Kosten, ganz entgegengesetzte Bewegung.

Einige Speisewirthe machten es sich zur Aufgabe, das Wohlleben mit der Sparsamkeit in Einklang zu bringen und sich durch Annäherung ihrer Preise an die Leistungsfähigkeit der mittelmäßig ausgestatteten Börsen, die nothwendiger Weise die Mehrzahl bilden, der Menge der Consumenten zu versichern.

Zu diesem Zwecke wählten sie unter den weniger theuern Eßwaaren diejenigen aus, die eine gute, sachverständige Zubereitung höchst schmackhaft machen kann.

In dem in Paris stets vortrefflichen Schlachtfleische und den stets im Ueberfluß vorhandenen Seefischen fanden sie eine unerschöpfliche Hilfsquelle und in den Gemüsen und Früchten, welche die neue Agricultur-Methode immer zu billigem Preise liefert, die nöthige Ergänzung dazu. Sie berechneten, was zur Füllung eines Magens von gewöhnlicher Weite und zur Stillung eines nicht geradezu ausschweifenden Durstes durchaus nothwendig ist, sie machten die Beobachtung, daß viele Dinge den ihnen beigelegten Werth nur ihrer Neuheit oder der Jahreszeit verdanken und einige Wochen später weit billiger zu haben sind – kurzum sie gelangten allmählich bei ihren Berechnungen zu einer solchen Genauigkeit, daß sie im Stande waren, bei einem Gewinnst von 25 bis 30 Procent ihren Gästen für zwei Franken und noch weniger ein hinreichendes Mahl zu geben, mit welchem jeder gut erzogene Mensch zufrieden sein kann, da es mindestens tausend Franken monatlich kosten würde, wenn man in einem Privathause eine so wohlbestellte und mannigfaltige Tafel führen wollte Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts speiste man im Restaurant Billiotte im Palais Royal für zwei Franken. Das erste Restaurant zu festem und schwindelnd niedrigem Preise aber scheint Courbec um 1815 in der Rue de l'Arbre sec errichtet zu haben. D. Uebers..

In dieser Hinsicht haben die Restaurateure namentlich jenem interessanten Theile der Bevölkerung jeder großen Stadt, der sich aus den Fremden, den Militärpersonen und den Beamten zusammensetzt, einen wesentlichen Dienst geleistet, und das Interesse hat sie in diesem Falle zur Lösung eines Problems geführt, das diesem Interesse geradezu zu widerstreiten schien, nämlich: gutes Essen zu mäßigem und sogar billigem Preise zu geben.

Die Speisewirthe, die diesen Weg verfolgten, haben dabei nicht weniger ihre Rechnung gefunden als ihre Berufsgenossen bei hohen Preisen: sie waren nicht so vielen Wechselfällen ausgesetzt wie diese, und ihr Vermögen wuchs, wenn auch langsamer, so doch um so sicherer. Denn wenn sie auch auf ein Mal weniger verdienten, so verdienten sie doch alle Tage, und es ist eine bekannte mathematische Wahrheit, daß dieselbe Zahl von Einheiten beim Zusammenbringen auf ein und demselben Punkt immer dieselbe Summe ergiebt, gleichviel ob man sie je dutzendweis oder eine nach der andern zusammenbringt.

Die Kenner haben die Namen mehrerer Künstler im Gedächtnis behalten, die seit der Einführung der Speisewirthschaften auf diesem Gebiete Ausgezeichnetes leisteten. Besonders genannt zu werden verdienen Beauvilliers, Méot, Robert, Roze, Legacque, die Gebrüder Véry, Henneven und Balaine.

Einige von diesen Geschäften verdanken ihren Ruf und ihr Gedeihen besondern Ursachen, so das saugende Kalb ( le Veau qui tette) den Hammelsfüßen, das ... dem auf dem Rost gebratenen Fettdarm, die Frères Provençaux dem Stockfisch mit Lauch, Véry den Trüffelgerichten, Robert den im voraus bestellten Diners, Balaine seinem vorzüglichen Fisch und Henneveu den mysteriösen Boudoirs seines vierten Stocks Von all den genannten haben nur drei Restaurants sich unter derselben Firma erhalten: das saugende Kalb in Rue de la Joaillerie, eins der ältesten Gasthäuser von Paris, jetzt aber nur noch eine unscheinbare Garküche, das Restaurant Véry im Palais Royal, das zu Anfang dieses Jahrhunderts das prächtigste Lokal von Paris war, jetzt aber ebenfalls viel von seinem Ruf verloren hat, und endlich die Frères Provençaux ebenfalls im Palais Royal. Dies letztere Etablissement wurde um 1792 von Maneille, Simon und Barthélemy gegründet und erlangte durch seine Knoblauch-Ragoûts, insbesondere durch die sogenannte brandade (Stockfisch mit Rahm, Knoblauch und Oel) schnell zu großem Rufe. Die Restaurants Robert und Legacque lagen gleichfalls im Palais Royal; Legacque war der Stamm-Restaurateur der Grimod'schen Mittwochsgesellschaft, Robert, war zuvor Koch des Generalpächters Chalandray (nach andern des Erzbischofs von Aix) gewesen und gab 1807 sein Geschäft wieder auf, um in die Dienste des Großherzogs von Berg zu treten. Méot in der Rue des Bons-Enfants ist durch Delille unsterblich geworden:
Leur appétit insulte à tout l'art des Méots!
ruft der Didactiker in seinem Homme des Champs vom Heißhunger einer Schaar pflanzensuchender Studenten aus. Alexis Balaine endlich war Inhaber des durch seine Austern berühmten Rocher de Cancale in der Rue Montorgueil. D. Uebers.
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Von allen diesen Heroen der Gastronomie hat aber niemand mehr Anrecht auf eine kurze Biographie als Beauvilliers, dessen Tod i. J. 1820 von den Zeitungen gemeldet wurde.

Beauvilliers.

144. Beauvilliers, der sich um 1782 besetzt hatte, war mehr als fünfzehn Jahre lang der berühmteste Speisewirth in ganz Paris.

Er war der erste, der einen elegant ausgestatteten Salon, wohlgekleidete Aufwärter, einen ausgezeichneten Keller und eine vorzügliche Küche besaß, und als mehrere von den oben genannten ihn zu übertreffen suchten, konnte er ohne besondere Mühe den Kampf mit ihnen aufnehmen, da er immer nur wenige Schritte zu machen hatte, um den Fortschritten der Kunst nachzukommen.

Während der beiden Besetzungen von Paris in den Jahren 1814 und 1815 sah man zu jeder Zeit vor seinem Hause Fuhrwerke aller Nationen halten. Er kannte alle fremden Befehlshaber und sprach zuletzt alle ihre Sprachen, so weit das für sein Geschäft nöthig war.

Gegen Ende seines Lebens veröffentlichte Beauvilliers ein zweibändiges Werk mit dem Titel: Die Kochkunst. Dies Werk, die Frucht einer langjährigen Erfahrung, trägt den Stempel einer einsichtsvollen praktischen Kenntnis und erfreut sich noch heute derselben Achtung, die ihm bei seinem Erscheinen gezollt wurde. Die Kunst war bis dahin noch nie mit soviel Genauigkeit und Methode abgehandelt worden. Das Buch hat mehrere Auflagen erlebt und die Zusammenstellung der Werke, die ihm gefolgt sind, es bisher aber nicht übertroffen haben, sehr leicht gemacht Das Werk führt den Titel: L'art du Cuisinier par Beauvilliers, ancien Officier de Monsieur, comte de Provence, attaché aux Extraordinaires de Maisons royales, et actuellement Restaurateur, rue de Richelieu., No. 26, à la grands Taverne de Londres. A Paris, chez Pilet, 1814. In unserm, aus Beauvilliers eigner Bibliothek stammenden Exemplare ist jedoch die letzte Ziffer der Jahreszahl mit Tinte überschrieben und in eine 6 verwandelt – danach scheint also der Druck des Werkes erst 1816 vollendet oder die Ausgabe erst in diesem Jahre erfolgt zu sein. Die letzte Auflage erschien unseres Wissens 1848. D. Uebers..

Beauvilliers hatte ein wunderbares Gedächtnis: noch nach zwanzig Jahren erkannte er Personen wieder, die nur ein oder zwei Mal bei ihm gegessen hatten, und begrüßte sie auf das Zuvorkommendste. In gewissen Fällen befolgte er eine ihm eigentümliche Methode. Wenn er nämlich wußte, daß eine Gesellschaft reicher Leute in seinen Salons beisammen war, näherte er sich mit dienstfertiger Miene, grüßte nach allen Seiten und schien seinen Gästen eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Er bezeichnete eine Schüssel, die man nicht nehmen sollte, nannte eine andere, die einen eiligen Entschluß erfordere, bestellte eine dritte, an die niemand gedacht hatte, ließ Wein aus einem Keller holen, zu dem er allein den Schlüssel hatte, kurzum, nahm einen so liebenswürdigen und gewinnenden Ton an, daß alle diese Extra-Gerichte reine Zugaben von seiner Seite zu sein schienen. Aber diese Gastgeber-Rolle war von kurzer Dauer: nachdem er sie durchgespielt hatte, verschwand er, und später bewiesen dann die angeschwollene Rechnung und die Bitterkeit des Stündleins Meister Rabelais' zur Genüge, daß man bei einem Restaurateur gespeist hatte.

Beauvilliers hatte zu wiederholten Malen ein Vermögen gewonnen, verloren und wiedergewonnen. Wir wissen nicht, in welchem dieser Uebergangsstadien er sich gerade in dem Augenblicke befand, wo der Tod ihn überrascht hat, doch hatte er stets solche Abzugskanäle, daß wir zu dem Glauben neigen, sein Nachlaß wird keine reiche Beute gewesen sein.

Der Gastronom in der Speisewirthschaft.

145. Aus einer Durchsicht der Speisekarten verschiedener Restaurationen erster Klasse und namentlich der Speisekarten der Gebrüder Véry und der Frères Provençaux ergiebt sich, daß der Consument, der im Salon der Speisewirthschaft Platz nimmt, zum mindestens die Wahl hat zwischen

12 Suppen,
24 Beiessen,
15 bis 20 Rindfleischgerichten,
20 Hammelfleischgerichten,
30 Wild- und Geflügelspeisen,
16 bis 20 Kalbfleischgerichten,
12 gebackenen Vorspeisen,
24 Fischspeisen,
15 Braten,
50 Zwischengerichten und
50 Desserts.

Dies alles kann der glückliche Gastronom überdies nach Belieben mit mindestens dreißig verschiedenen Sorten Wein vom Burgunder bis zum Tokayer oder Capwein und mit zwanzig bis dreißig Arten feiner Liqueure anfeuchten, den Kaffee und die Mischgetränke, wie Punsch, Negus, Sillabub und dergleichen, gar nicht zu rechnen.

Von diesen mannigfachen Bestandtheilen des Mahles eines Kenners stammen die hauptsächlichsten, wie das Schlachtfleisch, das Geflügel und das Obst, aus Frankreich; andere, wie Beefsteak, Welsch-rabitt und Punsch sind Nachahmungen englischer Gerichte; wieder andere kommen aus Deutschland, so das Sauerkraut, das Hamburger Rauchfleisch und die Wildziemer aus dem Schwarzwalde; andere sind spanischen Ursprungs wie z. B. die Olla potrida, die Garbanzos, die Rosinen von Malaga, die Pfeffer-Schinken von Xerica und die Dessert-Weine; andere wie die Macaroni, der Parmesan-Käse, die Bologner Würstchen, die Polenta, die Eise und die Liqueure, stammen aus Italien; andere sind aus Rußland eingeführt, so das gedörrte Fleisch, die geräucherten Aale und der Caviar; wieder andere kommen aus Holland, so der Schellfisch, der Bückling, einige Sorten Käse, der Curaçao und der Anisliqueur; noch andere aus Asien, wie der indische Reis, der Sago, das Curry, die Soya, der Schiraswein und der Kaffee; wieder andere aus Afrika, wie der Capwein, und ein letzter Theil endlich aus Amerika, wie die Kartoffeln, die Bataten, die Ananas, die Chocolade, die Vanille, der Zucker u. s. w. Alles dies liefert aber einen mehr als hinlänglichen Beweis für die These, die wir weiter oben aufstellten: daß nämlich ein Mahl, wie man es in Paris haben kann, ein kosmopolitisches Ganzes ist, in welchem jeder Theil der Erde durch seine Erzeugnisse vertreten erscheint.


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